[1032] Blut ist dicker als Wasser [Alexandre, Gasparo, Iulia]

[September '19]
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Iulia Cornelia
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[1032] Blut ist dicker als Wasser [Alexandre, Gasparo, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

„Es kommt oft anders, als man denkt.“, schrieb Jemand einst, doch wie sollte man wahrlich wissen, was einen erwartet, so man eine derart kryptische, wenn auch unterwürfige Nachricht von Lucio, dem langjährigen Diener Aurores, erhalten hatte? Eines stand jedoch zweifelsohne fest: Es war eine höfliche Einladung gewesen, welche die Ventrue auf unterschiedlichen Wegen und in unterschiedlichen Sprachen erreicht hatte. Die Zeichen auf dem Pergament sprachen davon, dass seine Herrin Aurore zu dem genannten Zeitpunkt selbst nicht zugegen sein werde, doch so man den Weg zur Villa Illuminata in benannter Nacht antreten würde, so würde die Zeit nicht vergeudet sein. Das versicherte Lucio einem Jeden von ihnen in dem Schreiben, denn dort gäbe es etwas, was für sie von Vorteil sein könnte. Etwas, was die Prinzessin beträfe und was man regeln müsse. Um was es dabei genau gehen würde, darüber gab die Einladung keinen weiteren Aufschluss. Die Vermutung konnte jedoch naheliegen, dass es wohl ein privates und vertrauliches Vieraugengespräch mit Lucio werden würde, denn es stand nichts in der Einladung darüber, dass auch andere ein ähnliches Schreiben erhalten haben könnten, noch dass sie in dieser Nacht auf Jemand anderen, als Lucio selbst treffen würden.

Unschlüssig war ich seit einiger Zeit im Raum gestanden, mir selbst die Frage stellend, ob es wohl gestattet wäre, meine Haare schlicht elegant hochstecken zu lassen oder ob es angemessener wäre, sie züchtig unter dem Schleier zu verbergen. Letztlich entschied ich mich nichts zu riskieren, weshalb ich den Schleier zu den schlichten, aber hochwertigem weißem Kleid trug, dessen Saum dezent mit feinen Silberfäden durchzogen war und meinen schlanken, großgewachsenen Körper weichfallend bedeckte. Kein Schmuck lenkte dabei den Blick vom wesentlichen ab . Stattdessen führten die einzigen zwei farblichen Flecke in Form meiner blaugrauen Augen äußerst dezent die Aufmerksamkeit direkt zu ihnen.

Als ich nach draußen getreten war, um mich auf den Weg zu Villa zu begeben, hatte ich meiner Begleitung in dieser Nacht zugenickt und ihr mein schönstes Lächeln geschenkt, auch wenn dieses meine Nervosität vor dieser Nacht nur schwach verbergen konnte. Sicherlich, ich freute mich auf das Treffen, daran gab es keinen Zweifel. Auch war ich überaus dankbar für die Einladung und die damit verbundene Möglichkeit. Doch ich konnte mich ebenso wenig dem Wissen um den Blick erwehren, der auf mir ruhen und wie ein unsichtbares Damokles Schwert stets über meinem Nacken pendeln würde. Je näher ich jedoch der Villa kam, umso ruhiger und selbstsicherer wurde ich. Mein Körper rekte sich und ich schritt aufrechter, bevor ich zu meiner Begleitung blickte und sie anlächelte.

Ich würde Wege finden müssen, um besser mit derlei Dingen umzugehen, doch ich war dankbar es überhaupt lernen zu dürfen.
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Gasparo
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Re: [1032] Blut ist dicker als Wasser [Alexandre, Gasparo, Iulia]

Beitrag von Gasparo »

Gasparo war besorgt, als er die Einladung zu einem Treffen mit dem sogenannten Allesfresser erhielt. Seit ihn Aurore in Genua begrüßt hatte war sein Kontakt zur Herrscherin über die Domäne sehr begrenzt. Diese direkte Aufforderung, die Villa Illuminata zu besuchen, so höflich der Text auf dem Pergament auch verfasst war, konnte vieles bedeuten.

Gasparo und Crispianus machten sich am genannten Tag wenige Stunden nach Sonnenuntergang auf den Weg zum Anwesen der Prinzessin. Der Ventrue trug einen Wollumhang, um seine feines, schwarzes Gewand mit den grünen Ärmeln zu verbergen. Einige Münzen genügten wie üblich, um die Stadttore zu passieren.

Der Fußmarsch durch die Nacht blieb ereignislos, während der Ventrue und sein Leibwächter im Schein einer Lampe die Straße entlangmarschierten. Gasparos fein manikürte Fingernägel gruben sich in seine Handflächen, als er den Fortschritt seiner Aufgabe wieder und wieder durchging. Würde der Diener der Prinzessin ihn befragen? Sicherlich hatte er gehofft, schneller Ergebnisse präsentieren zu können, doch er war bereit, bei entsprechenden Fragen, die Hindernisse ohne Rücksicht auf Diplomatie zu benennen.

Vielleicht hatte die Prinzessin auch ein anderes Anliegen. Immerhin war Gasparo der einzige andere Vertreter vom Blute Ventrues, der in der Domäne verweilte, und vielleicht war es an der Zeit, Angelegenheiten des Clans zu besprechen.
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Alexandre d'Harfleur
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Re: [1032] Blut ist dicker als Wasser [Alexandre, Gasparo, Iulia]

Beitrag von Alexandre d'Harfleur »

Auch Alexandre hatte der Brief von Il Onnivoro erreicht. Er wusste nicht so Recht, wass es damit auf sich hatte, war er doch erst im vergangenen Jahr bei der Majestät zur Audienz vorstellig geworden und war das folgende Jahr doch recht ereignislos verlaufen.

Dass das erneute Vorstellig werden in der Villa garantiert nicht ereignislos über die Bühne gehen würde, dessen war er sich jedoch instinktiv sicher.

Zu der im Brief des Allesfressers angegebenen Nacht machte sich Alexandre zusammen mit seinem Gefolgsmann Geoffrey Beaumont bereits kurz nach Sonnenuntergang auf den bekannten Weg zur Villa der weißen Prinzessin. Vielleicht würde er in dieser Nacht die ersten Bekanntschaften unter den anderen Kainiten der Domäne machen? Der Fußmarsch zur Villa war jedenfalls nicht erwähnenswert.

Gekleidet in seine Kombination aus Cotte, Umhang, Beinlinge und Brouche die er sich eigens von einem ortsansässigen Schneider aus durchaus feinen Stoffen hatte anfertigen lassen war er jedenfalls für ein soziales Ereignis hinreichend ausstaffiert. Anders als noch bei der Audienz verfügte er über kein ausgefallenes Geschenk und trug auch sonst keinen Schmuck den er zu einem Geschenk umfunktionieren könnte.
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Iulia Cornelia
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Re: [1032] Blut ist dicker als Wasser [Alexandre, Gasparo, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Gasparo und Alexandre erreichten getrennt voneinander das Anwesen der Villa Illuminata, doch einen Jeden hieß Lucio selbst höchstpersönlich am Eingang willkommen. Er führte sie auf ihnen bekannten Wegen in Richtung Audienzsaal, während die Begleiter der Ventrue Rast am Feuer fanden.

Die Konversation mit dem Allesfresser verlief wie zu erwarten freundlich und entspannt plauderte Lucio dabei über dies und das. Neben dem Allgemeinen hätte er mit Iulia über ihren Gesang gesprochen. Mit Alexandre über das Reisen und ob so eine nächtliche Alpenüberquerung so strapaziös wäre, wie er sich das vorstellen würde. Gasparo indes wurde gefragt, ob dieser zufällig gotisch sprechen würde. Über dessen übertragene Aufgabe und den Verlauf befragte Lucio ihn jedoch widererwarten nicht, doch machte er durchaus den Eindruck, er würde ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte des Ventrue haben, so dieser das Thema von sich aus angesprochen hätte.

Wer auch immer von den Ventrue zuerst an der Villa angekommen war, den hätte Lucio schließlich einladend in den Vorraum zum Audienzsaal gebeten, während er selbst davor stehen geblieben war. Zeit weitere Fragen zu stellen oder gar Antworten von Lucio zu erhalten blieb jedoch Keinem, denn der Diener Aurores verabschiedete sich mit einer entsprechenden Geste, bevor er die Tür geschlossen hätte und zum Eingang zurückgekehrt wäre, um die weiteren Gäste auf selbige Weise zu empfangen und ebenso hierher zu begleiten.

Ein nervöses Kribbeln durchlief wenig später meinen gesamten Körper, als der mir fremde Mann den Vorraum betreten hatte und die Tür erneut geschlossen worden war. Meine Haltung verblieb jedoch offen und dem Mann zugewandt, während ein freundliches Lächeln auf meine Lippen gefunden hatte, welches mich dabei ohne großartig eigenes Zutun durchaus sympathisch wirken ließ. Ich wusste nicht wer er war, doch seine hochwertige Kleidung ließ mich darauf schließen, dass er wohl kaum gewöhnlich war. Entsprechend wartete ich geringfügig angespannt darauf, bis die Stille sich über den Raum gesenkt und der Blick meines Gegenübers länger auf mir geruht hätte. Dann jedoch hätte sich mein Oberkörper ohne zu zögern gesenkt, um dem Mann den Respekt zu zollen, der ihm ohne Zweifel gebühren würde. Ich verneigte mich tief genug, um als Neugeborene einen Ancilla angemessen zu begrüßen oder eben als Kind einen Neugeborenen. Doch ich näherte mich nicht, sondern verweilte an Ort und Stelle neben dem wasserlosen Springbrunnen. Ich wartete ab, ob ich nähergebeten wurde oder ob er selbst nähertreten würde. Es gab keinen Anlass für mich eine womöglich falsche Aufdringlichkeit zu zeigen und so geduldete ich mich, bis ich angesprochen wurde oder mir eine Geste gegeben wurde, dass ich selbst sprechen durfte.
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Gasparo
Ventrue
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Re: [1032] Blut ist dicker als Wasser [Alexandre, Gasparo, Iulia]

Beitrag von Gasparo »

Gasparo begegnete Lucio distanziert und vorsichtig. Die furchtsam aussehende Gestalt mochte nur ein Ghul sein, doch er hatte das Ohr der Prinzessin und sein Einfluss in der Domäne war nicht zu unterschätzen.

Die belanglose Plauderei hatte der Allesfresser bereits bei Ihrem ersten Treffen gepflegt. Gasparo versuchte, etwas über den Verbleib Aurores zu erfahren aber sie hatten den Vorraum zum Audienzsaal recht schnell erreicht.

Erneut runzelte der Ventrue die Stirn, als der Ghul ihn verließ. Also war es nicht Lucio, der sich mit ihm treffen wollte? Wer sonst residierte in der Villa Illuminata.

Dann sah er die Fremde. Trotz des Schleiers konnte er die Schönheit der jungen Frau erahnen. Ihr Lächeln war einladend und Ihre Kleidung, weiß und rein, stand im krassen Gegenteil zu den Lumpen, in die sich zumeist die Bewohnerinnen Genuas kleideten. Selbst Ihre Haltung schien ein Zeugnis für Ihre höhere Stellung zu sein.

Dann verbeugte sie sich tief und Gasparo bemühte einen neutralen Ausdruck auf sein Gesicht. Es gab verschiedene Möglichkeiten, wer die Unbekannte war, aber an diesem Ort würde sie nicht uneingeweiht in den Wegen der Kainiten sein.

Er senkte sein Haupt leicht, mit einem ernsten Gesichtsausdruck, und presste eine flache Hand gegen sein Brust. Dann sprach er sie auf italienisch an, in einem feierlichen Tonfall. „Verzeiht, meine Dame, aber bisher war mir nicht das Vergnügen vergönnt, Eure Bekanntschaft zu machen. 'Il Omnivore' hat es ebenfalls versäumt, Euch zu vorzustellen. So lasst mich beginnen:

Mein Name ist Gasparo di Como, Neugeborener des Clan Ventrue,
Kind des Majorianus,
Kind des Desiderio,
Kind der Brutia Livia,
Kind des Caracallas, Ahn des Clans der Könige und Herrscher der 12 Städte,
Kind des Lucius Tarquinus Priscus Ahnherr des Clans der Könige und Kind von Ventrue selbst.“


Fast schien Gasparo von seiner Aufzählung selbst ergriffen zu sein. Eine Mischung aus Triumph und Stolz schlich sich in seine Augen als er die Unbekannte ansah. Er fragte sich, ob die Frau beeindruckt war vom Ruhm seines Blutes und wer sie erwählt hatte, einen Schritt in die Ewigkeit der Nacht zu machen.
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Iulia Cornelia
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Re: [1032] Blut ist dicker als Wasser [Alexandre, Gasparo, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Ich hatte meinen Kopf in einem sachten Nicken gesenkt, als der Fremde um Verzeihung gebeten und gemeint hatte, sie hätten noch nicht das Vergnügen gehabt. Mein Gesicht spiegelte dabei die sanfte Überraschung, ob seiner verwendeten Sprache kurz wider, ging er offenbar davon aus, dass ich dem Lateinischen wohl nicht mächtig war. Oder sprach er es gar selbst nicht? Er hatte damit meine Neugierde geweckt und so fand das Lächeln zurück in mein Gesicht, während ich seiner Vorstellung aufmerksam lauschte.

Doch bereits kurz nach dem Namen seines Erzeugers war mein Blick verwirrt, gar leicht besorgt, geworden. Etwas, was noch zwei weitere Male geschehen sollte nach den Namen seiner Vorfahren, bis Gasparo schließlich Caracallas mit dessen Status genannt hatte. Der Triumph und Stolz mit welcher mein Gegenüber seine Ahnenlinie genannt hatte, konnte ich nur zu gut nachvollziehen, doch lag ein gewisses Bedauern mit in meinem Blick, gab es für mich nur einen einzigen Grund, weshalb man den Status seiner Ahnen nicht länger benennen würde. Ihre Vernichtung.

Als Gasparo schließlich geendet hatte geduldete ich mich noch kurz. Ich ließ den Klang seiner Stimme verhallen und wartete ab, ob er noch weitere Worte hinzufügen wollen würde, bevor ich schließlich mit der Betonung eines geübten Redners in angenehmer Lautstärke entgegnete: „Gemäß alter Sitte will ich euch begegnen als Iulia Cornelia, Kind vom Blut der Könige.“ Kein bekannter Erzeuger folgte und auch keine glorreiche Ahnenlinie. Stattdessen endete eine erneute Verneigung meine recht kurze wenn auch nicht hastig vorgetragene Vorstellung. Anscheinend hatte die Unerfahrenheit oder gar Nervosität dazu geführt, dass ich etwas unbeabsichtigt vergessen hatte, doch mein Äußeres strahlte keine Form von Schuldbewusstsein oder Erkennen aus. Vielmehr wirkte es so, als würde ich durchaus wissen, wessen Kind ich eigentlich war und wie stolz genau ich sein durfte. Doch schwieg ich hierüber und fügte stattdessen nach einer kurzen Pause an: „Ich weiß zu schätzen euch bekannt werden zu dürfen, verehrter Signore di Como.“
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Gasparo
Ventrue
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Re: [1032] Blut ist dicker als Wasser [Alexandre, Gasparo, Iulia]

Beitrag von Gasparo »

Gasparo erwiderte das Nicken und ließ seinen Blick neugierig über die junge Frau wandern. Seine Augen hatten nichts Lüsternes. Es war eher Neugierde, die in Ihnen lag, und natürlich ein gewisser Hochmut. Er ließ sich nicht anmerken, dass der Schleier ihn irritierte. Der Versuch, etwas vor ihm zu verbergen, hatte immer diese Wirkung auf ihn.

Der Lehrmeister ging auf Iulia zu, mit langen, steifen Schritten, um wenige Meter vor Ihr zu stoppen. Seine Hände verschränkte Gasparo hinter dem Rücken.

„Die Freude ist mein. In den letzten Jahren war es eine Seltenheit, mit jemanden reden zu dürfen, in deren Adern das heilige Blut der Könige pulsierte. Euch heute Nacht hier, in der Villa Illuminata, anzutreffen, ist eine angenehme Überraschung.“

Der hagere Mann hob sein Kinn und musterte sein Gegenüber erneut. „Sagt mir, werte Iulia Cornelia, hat Euer Schöpfer diese Begegnung arrangiert?“ Aus den Augenwinkeln betrachtete er den Weg zum Audienzsaal, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder „dem Kind“ widmete. „Darf ich fragen, wer es ist, der Euch dieses wertvolle Geschenk gemacht hat? Gloria filiarum patres.*“

*Der Töchter Ruhm sind Ihre Väter.
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Iulia Cornelia
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Re: [1032] Blut ist dicker als Wasser [Alexandre, Gasparo, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Aufmerksam verfolgte ich die Schritte Gasparos und seine damit verbundene Haltung, doch ich wich nicht zurück, auch wenn das Kribbeln durchaus stärker wurde. Es war ein interessanter und wirkungsvoller Trick, den mein Gegenüber da angewandt hatte, denn seine Haltung war sicherlich nicht einzig der Gemütlichkeit geschuldet. Er wirkte dadurch deutlich aufrechter, breiter, mächtiger und erhabener, was das Recken des Kinns zusätzlich unterstrich. Doch zugleich durchtriebener und gefährlicher, denn er hätte ebenso jederzeit hinter dem Rücken einen Dolch ziehen können. Trotz der möglichen Gefahr verblieb meine eigene Haltung weiterhin offen und einladend, während ich mein Kinn eher dezent gesenkt als erhoben hatte, um die Anerkennung seiner Position zu signalisieren.

Auf seine lateinischen Worte hin entgegnete ich ihm in eben jener Sprache: „Honora patrem tuum et matrem tuam ut sis longevus super terram quam Dominus dabit tibi.“* Meine nachfolgenden Worte waren dann ebenfalls in Latein gehalten und weiterhin überraschend flüssig, als ich höflich fragte: „Ihr seid der alten Sprache mächtig? Bevorzugt ihr es in dieser zu sprechen?“ Ich war sicher keine Nonne, doch mein Latein war hörbar von der Kirche geprägt, auch wenn manche meiner Worte auf unerklärliche Weise schneller gealtert zu sein schienen, als andere.

Ich wartete auf ein kurzes Zeichen der Zustimmung oder Ablehnung meines Gegenübers, bevor ich in der von ihm bevorzugten Sprache weitergesprochen hätte. „Was eure erste Frage anbelangt, so wurde diese Begegnung offenkundig von Signore il Omnivore arrangiert.“, erklärte ich Gasparo mit ruhiger Stimme, die meinen gehörigen Respekt vor dem Diener der Prinzessin jedoch nicht verbergen konnte. „Was das wertvolle Geschenk anbelangt, so kenne ich euch für eine derartige Frage bedauerlicherweise noch nicht ausreichend genug, oder könnt ihr mir einen Grund nennen, weshalb ich euch in derlei Dingen trauen sollte?“, fragte ich mein Gegenüber ohne jedweden Hohn oder Herausforderung in der Stimme, während ich den Kopf leicht zur Seite geneigt und ihn prüfend gemustert hatte.

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*Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf daß du lange lebest in dem Lande, daß dir der HERR gibt.
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Gasparo
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Re: [1032] Blut ist dicker als Wasser [Alexandre, Gasparo, Iulia]

Beitrag von Gasparo »

Ein Lächeln kroch langsam auf Gasparos Gesicht, als Iulia nicht nur die Bibelstelle zitierte sondern auch auf Latein fortfuhr. Neugierig, inwieweit die vermeintliche junge Dame mit der traditionellen Sprache vertraut war, antwortete er der gleichen, antiken Sprache: „Eure Aussprache ist prächtig, werte Iulia Cornelia. Lasst uns weiterhin die Worte von Tibull, Horaz und Vergil benutzen, um noch etwas mehr Wohlklang in diese Nacht zu bringen.“

Seine Augenbraue fuhr allerdings irritiert nach oben, als die junge Ventrue ablehnte, mehr über Ihre Herkunft zu verraten. Als Lehrmeister ließ er eigentlich keinen Widerspruch zu: Sturheit oder Widerwillen seiner Schüler wurden mit der Rute bestraft, hart und schnell. Etwas in ihm verspürte auch den Drang, diesem „Kind“ eine ähnliche Lektion zu erteilen. Sein Schöpfer, der wohlwerte Majorianus, hätte niemals zugelassen, dass Gasparo vor der Freisprechung einem anderen Kainiten so gegenübertrat.

Aber noch war die Situation für ihn schwer zu greifen und so rieb er nur hinter seinem Rücken die Fingerspitzen aneinander, während er fortfuhr. „Signor Il Omnivore … dass der Diener der höchstverehrten Majestät uns aus Eigeninitiative geladen hat kann ich mir kaum vorstellen. Unser Aufeinandertreffen scheint das Ziel zu sein und wer uns so lenkt ist nicht uninteressant.“ Wieder wanderte sein Blick kurz zur Audienzhalle.

„Was Eure Herkunft angeht, werte Iulia Cornelia, so bin ich doch überrascht, dass Ihr dieses Wissen so vorsichtig behütet. Ihr selbst zitiertet das 4. Gebot aus dem Buch Exodus, vermeidet es aber nun, Euren Schöpfer zu preisen.“

Eine Spur Bitterkeit klang in seinen Worten wieder.. „Welchen Vertrauensbeweis haltet Ihr für angemessen? Sind wir nicht beide Gäste im Haus der höchstverehrten Majestät Prinz Aurore von Genua, Ahn des Clan Ventrue, Kind von Geoffrey le Croix, Kind von Alexandre de Paris, Kind von Ventrue? Auch wenn Ihr noch nicht freigesprochen seid so tragen wir die gleiche Bürde, unsere ehrwürdigen Ahnen in der Welt zu repräsentieren.“

Bevor sie antworte trat er einen Schritt zurück und senkte sein Haupt leicht. Er wählte nun weichere, versöhnlichere Worte. „Verzeiht, meine Berufung als Magister Trivium verleitet mich manchmal dazu, ins Dozieren zu verfallen. Ich wollte Euch keinesfalls belehren, steht Ihr doch nicht in meiner Verantwortung. Eure Erziehung obliegt jemand anderem.“

Wieder stand er aufrecht und gerade wie ein Pfeil, mit einer reservierten Miene. „Gibt es denn etwas, dass Ihr mir verraten wollt? Beabsichtigt Ihr, länger in dieser Domäne zu verweilen, vielleicht bis zu den Feierlichkeiten hier bei Hof?“
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Iulia Cornelia
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Re: [1032] Blut ist dicker als Wasser [Alexandre, Gasparo, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Interessiert verfolgte ich den Wechsel der Ausdrücke meines Gegenübers und seinen Blick hin zur Audienzhalle. Auch die Bitterkeit und Versöhnung, welche in seine Worte gefunden hatte. Als Gasparo geendet hatte, sprach ich weiterhin mühelos in Latein zu ihm, als wäre es völlig normal und selbstverständlich mich in dieser Sprache mit anderen zu unterhalten, doch ich beantwortete seine letzte Frage nicht. Stattdessen gab es etwas richtigzustellen, was für mich weitaus wichtiger war, auch wenn es mich in dieser Form womöglich den Kopf kosten könnte.

„Bei allem Respekt, verehrter Signore di Como, ich vermeide es nicht meine Ahnen zu preisen.“, entgegnete ich dem Ventrue mit einem unverrückbaren Ernst und einer aufkeimenden Verärgerung in der Stimme, die unangemessen war, weshalb ich so gut es ging versuchte diese zu unterdrücken, als ich meine Weigerung ihm erklärte: „Ich respektiere und ehre sie, doch ich maße mir nicht an, mich in einem Atemzug mit ihren ehrwürdigen Namen und somit ihren Errungenschaften nennen zu dürfen, wo ich als Kind doch noch nichts weiter vorweisen kann, als ein Geschenk von ihnen erhalten zu haben, dem ich mich in ihren Augen als würdig erweisen darf.“ Meine Körpersprache konnte meine Enttäuschung über seine Anschuldigung nur schwerlich verbergen, doch spiegelte sie meine Selbstsicherheit hierbei deutlich wieder, durch meine Weigerung eben keinen Fehler begangen zu haben, während ich stattdessen Gasparo fragte: „Doch weshalb nanntet ihr die Repräsentanz unserer ehrwürdigen Ahnen in der Welt eine Bürde, verehrter Signore di Como?“ Dass ich es wohl als alles andere als eine Bürde sah, hatte sich deutlich in meinen Worten widergespiegelt und in meinen blaugrauen Augen, die ihn schweigend betrachteten.

Schließlich fuhr ich jedoch versöhnlicher fort, schien ich den Angriff auf meine Loyalität zu meinen Ahnen an anderer Stelle begründet zu sehen, weshalb ich sprach: „Es war jedoch nicht meine Absicht gewesen euch mit meiner Frage nach dem wertvollen Geschenk zu verärgern. Womöglich war meine Formulierung hierbei unglücklich gewählt. Ich nahm an ihr spracht bei dem wertvollen Geschenk davon, euch hier und heute kennenlernen zu dürfen.“ Ein um Verzeihung bittender Ausdruck und ein gar verlegen wirkendes Lächeln lag in meinem Gesicht, während meine Worte durchaus ehrlich gemeint und charmant klangen, denn schließlich war dieses Treffen in meinen Augen tatsächlich ein Geschenk.

„Ich hatte gehofft, ihr würdet mehr darüber wissen, welchen gönnerischen Händen wir diese Begegnung zu verdanken haben und aus welchem Grund heraus, bin ich, wie ihr sagtet, schließlich noch nicht freigesprochen und ein Gast. Wer unsere Schritte demnach lenken mag, ist wie ihr sagtet, nicht uninteressant und der Grund, warum ich euch fragte, weshalb ich euch in derlei Dingen trauen sollte.“, entgegnete ich, während ich Gasparo fragend anblickte, ob er wohl die Antwort auf dieses Rätsel kennen würde. Schließlich kannte ich ihn nicht und wusste nichts über seine eigenen Absichten, die ihn heute hierhergeführt hatten. Ob die Tatsache, dass wir beide Gäste im Haus des Prinzen waren mir als Vertrauensbeweis genügen würde, darüber gab ich keine Auskunft. Das wir jedoch zusammengeführt worden waren, daran bestand für mich kein Zweifel.

„Ich würde mich freuen, euch etwas verraten zu können, verehrter Signore di Como, doch befürchte ich besitze ich derzeit nicht vieles was von Interesse sein könnte, auch wenn sich dies in den kommenden Jahren durchaus verändern mag.“, bot ich meinem Gegenüber mit einem Lächeln an das davon sprach, Beziehungen und Gefallen nicht abgeneigt zu sein. „Ich würde mir wünschen, künftig Genua Heimat nennen zu dürfen, auch wenn die Entscheidung hierüber letztlich nicht bei mir liegen mag. Entsprechend hoffe ich darauf auch nach den Feierlichkeiten noch hier sein zu dürfen.“, verriet ich Gasparo ein kleines bisschen mehr, als er eigentlich gefragt hatte.

Von der Audienzhalle her war derweil noch immer kein einziges Geräusch zu hören und nichts deutete darauf hin, dass die Herrin des Hauses überhaupt selbst zugegen war. Im Gegensatz zu der Tür, die hinter Gasparo lag, von der aus der Ferne langsame und schwere Schritte erklingen mochten, die darauf hindeuteten, dass Lucio sich auf dem Weg zurück hierher befand.
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