[1032] Ein sonniger Dezembertag [Gasparo, Galeno]

[September '19]
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Gasparo
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[1032] Ein sonniger Dezembertag [Gasparo, Galeno]

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Auch spät im Dezember konnte das Wetter in Genua noch herrliche Tage zaubern. Ein solcher war es heute. Die Sonne strahlte an einem wolkenlosen Himmel und die Erinnerung an die bitterkalten Nächte war, zumindest an diesem Tag, wie weggeblasen.

Hier, in Burgus, jagte eine Horde Kinder brüllend ein panisches Schaf durch die Straßen. Eine ältere Frau wies ihren Mann zurecht, der versuchte, eine Holzlatte an der Wand ihres Hauses zu platzieren. Zwei Bauern lagen am Rand der Straße im Gras und dösten blanken Oberkörpern.

Der Wirt einer Gaststätte hatte sogar einige Tische und Schemel nach draußen gestellt. An einem von diesen saß Sixtus, einer der Lehrer an der Priesterschule Genuas. Der korpulente Mann war in die Jahre gekommen. Seine Mütze lag auf dem Tisch und entblößte einen fast kahlen Kopf mit wenigen wirren, weißen Strähnen. Auch fehlten ihm eine nicht kleine Anzahl von Zähnen, was ihn nicht davon abhielt, fröhlich, fast selig, zu grinsen, während er sich Wein aus einem Gefäß in seinen Becher goss. Von den Flecken an seinem Gewand zu urteilen zog er dieses Getränk dem schnöden Wasser oder Bier vor.

Ihm Gegenüber saß ein Jugendlicher, vielleicht 16 Jahre alt. Der Junge hatte einen gepflegten Haarschnitt und Kleidung, die neu und maßgeschneidert schien. Eine Träne kullerte ihm über eine wohlgenährte Wange, als er ohne große Lust mit einem Holzlöffel in seinem Eintopf rumstocherte. Ein großer Beutel stand neben ihm auf den Boden.

„Nun, es schmeckt dem jungen Herrn nicht, was?“ Sixtus schien amüsiert über den Trübsal seines Begleiters. „Du solltest essen, Valente. Richtig reinhauen. Das wusste schon Sokrates. In seinen Briefen an Cicero schrieb er 'Verweigere nicht die Suppe, es könnte deine letzte sein'.“ Sixtus kicherte und nahm einen tiefen Schluck Wein zu sich. Mit seinem Handrücken wischte er sich danach einige Tropfen vom Doppelkinn.

Valente starrte ihn misstrauisch an. „Wie lautet denn dieser Satz auf Latein?“

Nun war es an Sixtus, seine Augen verägert zusammenzukneifen. „Wer hat so etwas schon gehört, ein Schüler der dem Lehrer eine Frage stellt. Magister di Como würde … ZACK ZACK ZACK ...“ Seine rechte Hand wirbelte wild durch die Luft. „... deine Hände mit der Rute behandeln bis sie aussehen wie das Schwein beim Schlachtfest. Sei froh, dass Dich der gute Sixtus begleitet. Sixtus der Sanfte. Sixtus der Großmütige. Sixtus der ...“ Die letzten Worte hörte man nicht mehr da der Lehrer sich selbst durch einen weiteren Schluck Wein unterbrach.
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Nubis
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Re: [1032] Ein sonniger Dezembertag [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Das rege Treiben am Tage war immer eine gelungene Abwechslung für den kräftig gebauten Mönch, der sonst oft Nachts mit seinem Meister unterwegs war. Oftmals genoss er die Zeit mit seinen Ordensbrüdern im Gebet oder bei der gemeinsamen Arbeit im Kloster. Doch auch recht oft trat er hinaus ins Dorf und mischte sich unter das Volk. Er war hier in Burgus tatsächlich auch schon etwas bekannter und so grüsste der eine oder andere ihn und auch seinen Gefährten. Ein paar Kinder bekamen sogar eine kleine Leckerei, die er zuvor von etwas Geld gekauft hatte.
Der freundliche, lebensfrohe Mönch hatte stets ein Ohr für andere. Wenn sein Meister schlief, konnte er wohl er sein. Und so konnte man um ihn herum das freudige Kichern von Kindern hören, die nette Begrüssung der Bäckerstochter, bei der er ab und an etwas Köstliches erstand und auch andere, vor allem hier in der Nähe der Gaststätte, nickten ihm freundlich zu.

"Ah Bruder Luciano!" bemerkte die Wirtsfrau, die gerade ein paar Krüge an Gäste austeilte. "Na? kann ich euch ebenfalls etwas bringen?"

Sie linste zu seinem Begleiter und schmunzelte.

"Und euch ebenfalls, Silvio?"

Der Begleiter des Hünen von einem Mönch nickte lächelnd. Er war ein junger Blondschopf, vielleicht gerade mal um die 20 Jahre jung, aber scheinbar mit einer recht aufgeweckten Art im Blick. Er wirkte nicht wie einer, der Arbeit scheute, sondern sie bereitwillig, vielleicht sogar sehr gerne ausführte. Nun aber hatte er Freude daran, dass er Luciano wohl begleiten durfte.

"Uns beiden ein Bier.." meinte Luciano lächelnd und sah sich dann um. Er erkannte Sixtus und steuerte auf ihn zu. Jener, den man Silvio genannt hatte, folgte ihm, nun aber etwas ruhiger, fast schon etwas schüchternd wirkend.

"Bonum Diem, Gott zum Grusse!" Herzlich lächelnd zur Begrüssung machte sich Luciano den beiden Gästen bemerkbar.
"Wie ich sehe, mundet es euch schon."

Sein Blick blieb etwas länger auf dem jungen Mann hängen, wandt sich dann aber wieder Sixtus zu.

"Ist der Tag nicht herrlich? So ausgezeichnet sonnig, das erwärmt das Gemüt an diesen kühleren Zeiten."

Der andere junge Mann blieb neben dem Ordensbruder stehen und nickte einfach nur. Beide Herren sahen nicht sonderlich edel aus, sondern eher hier in das Dorfleben passend. Der Mönch trug natürlich seine Kutte, die schon einigen Schmutz gesehen hatte und der notdürftig abgebürstet, oder mit kaltem Wasser ausgewaschen worden war. Mehr schlecht als recht also. Auch hier und da wollte wohl bald der Stoff ein wenig einreissen, zeigte Spuren von Verschleiss. Ein hölzerner Rosenkranz baumelte an der Gürtelschnur und ein hölzernes Kreuz hing um seinen Hals und lag ruhig auf der Brust. Sein Begleiter trug rudimentäre Kleidung von grobem Linnen. Sie war hell und fleckig. Sowohl die Hose, wie auch das Oberteil hatten schon bessere Tage erlebt, zeichneten sich aber noch zu gut für einen Bettler.

"Dürfen wir?" und er deutete auf die Plätze neben jenen, die sie hatten treffen wollen. Doch er wartete brav auf eine Einladung und auch Silvio setzte sich nicht einfach dazu. Eine gewisse Erziehung liess sich wohl nicht abschütteln.
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
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Gasparo
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Re: [1032] Ein sonniger Dezembertag [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Gasparo »

Sixtus strahlte erfreut, als die Neuankömmlinge an den Tisch traten, während Valente mit hochrotem Kopf eher betroffen auf seinen Teller starrte.

„Ah … Hochwürden. Wie schön, Euch kennenzulernen,“ prostete Sixtus den Männern zu. „Nehmt Platz, bitte. Der Herr beschenkte uns mit einem so herrlichen Tag, um ihn zu lobpreisen. Viel zu selten ist es uns vergönnt, die Sonne auf dem Pelz zu spüren.“ Er kicherte und klopfte sich mit der linken Hand auf die Brust. „Mein Name ist Sixtus aus Lecce, Magister an der Priesterschule zu Genua, wie Ihr sicherlich schon wisst. Mein jugendlicher Begleiter hier kann es kaum erwarten, Eure Bekanntschaft zu machen.“ Als der Junge nicht reagierte veränderte sich der joviale Gesichtsausdruck auf dem alten Gesicht plötzlich. Eine tiefe Röte zeigte sich und der Mann schlug mit der flachen Hand krachend auf den Tisch, mit mehr Kraft, als man ihm zugetraut hatte. „Willst du mich blamieren, Bursche? Zeige den Herren deinen Respekt!“

Die Furcht war auf dem Gesicht des Jugendlichen gut sichtbar, als er von seinem Schemel aufsprang und sich verbeugte. Sofort war Sixtus Zorn wie verflogen und er lächelte wieder gutgelaunt. „Ach, die Jugend. Wie schrieb der große Ovid doch in seinen Umformungsgeschichten? Es sind störrische Esel, die sich nur mit viel Arbeit in fleißige Pferde verwandeln.“

Als sich alle setzten zuckte der Lehrer mit den Schultern. „Ihr müsst den Knaben entschuldigen. Valente ist aus gutem Haus und eigentlich wohlerzogen aber seit er erfuhr, dass er das Anwesen seiner Eltern verlassen muss, tut er sich etwas schwer. Ich bin schon froh, dass dieses Heulen von ihm und seiner Mutter nun nicht mehr zu hören ist. Wäh wäh wäh!“

Während ein Weinen nachäffte verzog sich sein Gesicht zu einer häßlichen Grimasse. „Als würde ich ihn zur Hinrichtung abholen stellte sich das Weibsvolk des Hauses an, dabei soll ihm doch nur das Beste widerfahren: Ein neues Heim und ein neuer Mentor. Weg von der Brust der Mama, sei sie auch noch so nährend.“ Erneut griff Sixtus zum Weinbecher und sein Gesicht begann wieder zu strahlen. „Aber erzählt mir etwas von Euch. Wir haben an anderen Tagen so selten Gelegenheit zu schwatzen.“ Sein Blick wanderte von Luciano zu Silvio und wieder zurück.
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Nubis
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Re: [1032] Ein sonniger Dezembertag [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Der Mönch räusperte sich. "Erm.. ich bin nur ein einfacher Bruder," stellte er bescheiden fest und nahm dann Platz. Auch Silvio setzte sich nun und lauschte zusammen mit seinem Begleiter den Worten Sixtus.
Beide waren wohl welche, die durchaus gelernt hatten zuzuhören und erst zu reden, wenn sie an der Reihe waren. Der Ausbruch von Sixtus schien sie etwas zu überraschen, denn Silvio zuckte zusammen und Luciano sah den Herrn etwas verwirrt an, legte dann ein sanftes Lächeln auf und blickte den Jungen an, der wohl von der Situation recht überfordert war.

"Magister Sixtus, es ist nicht nötig, ihn derart anzufahren. Ich kann es verstehen. Es ist wohl eine recht ungewohnte Situation, nicht wahr?" Er musterte den jungen Mann.
"Habt ihr Angst?" andressierte er ihn und blieb freundlich und sehr zuvorkommend. Sein Bariton glich zudem einer guten Erzählstimme, tief, aber wunderbar einfühlsam. "Fürchtet ihr euch vor dem Neuen, was auf euch zukommen wird?"
Der grosse Mönch erschien wie ein gemütlicher Teddybär, der wahrscheinlich nie wütend werden konnte. Zumindest mochte er jenen Eindruck erwecken. Seine gesamte Ausstrahlung brachte ein Gefühl von Wärme mit an den Tisch. Man musste sich einfach wohl fühlen. Die Frau des Wirts stellte ihnen Bier auf den Tisch und schmunzelte in Lucianos Richtung, dieser nickte wohlwollen und schenkte ihr ein herzliches Lächeln mit fest geschlossenen Augen, vollen Wangen und vielen Freudenfältchen im Gesicht.

"Also eine Hinrichtung wird es nicht. Eine Lebensumstellung aber sicherlich, denn ihr werdet vorerst im Kloster leben und ich werde mich darum bemühen, dass ihr auch dort weiterhin studieren könnt. Am besten, ihr haltet euch vor allem an mich, Valente. Der Meister ist oftmals viel beschäftigt und in der ersten Zeit wird er sich selten, bis gar nicht um euch kümmern können. Aber wenn ihr beweist, dass ihr wirklich Talent und eine gute Auffassungsgabe mitbringt und vor allem versteht zu arbeiten, dann wird er sicherlich versuchen schneller ein direktes Auge auf euch zu werfen."

Silvio lächelte etwas. Irgendwas schien ihn dazu gebracht zu haben. Ansonsten blieb er aber dennoch ruhig. Vielleicht war auch diese Situation recht neu für ihn.
Zu der Familie selbst verlor Luciano kein Wort. Es war wohl nicht seine Art über andere zu lästern. Er zeigte aber auch nicht, ob es ihm missfiel, wie Sixtus so über die weinende Mutter sprach.
Er schien dagegen aber Sixtus ein klein wenig mehr zu mustern. Diese Stimmungswandlungen waren wohl doch interessant. Er blickte dann Silvio an und nahm selbst einen Schluck seines Bieres. Silvio, der gerade daran genibbt hatte, war wohl froh, nicht einen kräftigen Schluck genommen zu haben, denn er verschluckte sich leicht, als die Aufmerksamkeit ihm zugespielt wurde.
"Äh... von mir?" Er hüstelte leicht und schlug sich auf die Brust, bekam dann von dem freundlichen Grossen einen Klapps auf den Rücken, der einem ausgewachsenen Mann durchaus die Luft aus den Lungen hatte treiben können. "Uff....."
Er fing sich einen Moment später wieder und wurde rot im Gesicht.

"Von mir gibt es nicht viel zu berichten. Ich bin...Totengräber für gewöhnlich, lerne aber ebenfalls einiges mehr bei Bruder Luciano und dem Herrn Fiore. Er hält Bildung für sehr wichtig. Auch wenn ich nicht ganz verstehe, warum ich es lernen soll...so macht es doch auch Spass."

Luciano schmunzelte über den Rand des Kruges hinaus und warf einen schelmischen Seitenblick auf Silvio.

"Er wird es noch begreifen..." meinte er ruhig und setzte den Krug wieder ab. Ein leichtes "Tock" liess Holz auf Holz schlagen.
"Aber ja, wir hatten die Tage nie sonderlich grossen Kontakt, ein paar Nachrichten oder kleinere Treffen hier und da.. Das stimmt und gerade haben wir Zeit, nicht? Also warum sollten wir uns nicht etwas näher kennen lernen. Hahaha... " Er lachte herzlich.
"Schliesslich werden wir sicher noch öfter miteinander zu tun bekommen, schätze ich."
Sein Lachen beruhigte sich schnell wieder, war es doch nur ein Kurzes.
"Nun, ich bin Bruder Luciano und diesem Kloster hier in Burgus mittlerweile zugeordnet. Komme ehemals aus einem anderen, aber das ist nicht so wichtig, denn den Dienst an Gott kann man doch in jedem Umfeld leisten. Selbst unter freiem Himmel. Ich helfe dem Herrn Fiore bei der Ausbildung seiner Schüler, wenn er welche aufnimmt und auch sonst bei dem Grossteil seiner Arbeit. Auch er verrichtet sein Werk im Dienste Gottes, weswegen wir so eng zusammenarbeiten. Ich bin froh, ihn unterstützen zu können. Er ist ein guter Meister seines Fachs."
Er strahlte den jungen Valente sehr überzeugt und mit Liebe für seinen Herrn im Blicke an.

"Und nun..erzählt einmal von euch. Was erhofft ihr euch für eure Zukunft?"
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Gasparo
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Re: [1032] Ein sonniger Dezembertag [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Gasparo »

Sixtus Grinsen wurde etwas breiter, also Luciano den Jungen vor seinem Ausbruch verteidigte. Valente sah zu dem Mönch hoch, schüchtern und rotwangig.

„Ich danke Euch, verehrter Mönch. Habt … habt keine Sorge. Magister di Como sagte mir, dass ich im Kloster weiter zeichnen und malen könnte. Dies ist mein Herzenswunsch, aber natürlich kann ich auch sonst arbeiten.“

„Die Alternative, die der Magister mit Valentes Patriarch verabredete, war es, ihn zur See zu schicken. Das harsche Leben an Bord sollte ihn abhärten und etwas Eisen in sein Rückgrat pflanzen.“ Sixtus kicherte erneut und saugte dann an seinen Finger, in die sich etwas verschütteter Wein gesogen hatten. Er schloss die Augen und genoss den unhöflichen Akt in vollen Zügen.

Als Luciano und Silvio sich vorgestellt hatten und die Frage des Mönchs im Raum stand lehnte sich Sixtus über den Tisch.

„Was für ein interessantes Paar Herren. Ein Totengräber und ein Mönch. Wüsste ich es nicht besser würde ich den Alltag als eher grau einschätzen. Wie viel Vergnügen bereitet es wohl, die schmutzigen Leichen hier in Burgus zu verbuddeln? Ist nicht jeder Arbeitstag von einer neuen Tragödie begleitet? Und all das ora et labora, Luciano … ich hatte meine Zweifel, als wir in der Priesterschule empfangen wurden, aber die fleißigen Männer im Dienste des Bischofs sind mit so viel weltlichem beschäftigt, dass nicht nur gefrömmelt wird.“

Er hob die Weinkaraffe, um seinen Becher erneut zu füllen. Seine Augen weiteten sich in einer Grimasse, als er bemerkte, dass das Gefäß leer war. Er hielt es Valente entgegen. „Mehr Vino, Bursche. Hilf' der reizenden Wirtin und bringe deinem Lehrer Nachschub.“

Valente zögerte für einen Moment und warf einen Blick auf Luciano und Silvio, dann griff er aber schnell nach der Karaffe und eilte in die Gaststätte hinein.

Sich die Lippen leckend wandte sich Sixtus wieder den anderen Männern zu. „Was die Frage nach der Zukunft angeht … ich bin ein alter Mann, aber ich habe noch vor, viele Jahre die Freuden der Welt zu genießen, so lange es meinem höchstverehrten Herrn gefällt. Seine Gnade ermöglicht es mir, besser zu leben als je ein Mitglied meiner Familie es getan hat. Nicht mein Vater, nicht mein Großvater, nicht dessen namenlose Ahnen … es ist Sixtus, der etwas erreicht hat.“

Es schien etwas absurd, wie der vom Alter gezeichnete Mann sich aufplusterte und doch … sein Stolz war zweifellos echt. Sixtus sah sich kurz um aber von seinem Wein war noch kein Spur.

„Oh, galt eure Frage dem Jungen? Es ist nun an Signore Fiore, über seine Zukunft zu entscheiden. Malen, beten, Leichen verbuddeln, Pusteln ausquetschen … Valente wird tun, wie ihm geheißen. Aber begrabt ihn nicht selbst … sein Nachname ist zu wertvoll dafür.“
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Nubis
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Re: [1032] Ein sonniger Dezembertag [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Der wohlgenährte Mönch schmunzelte auf Valentes Worte hin und blickte dann mit einer hochgezogenen Augenbraue zu Sixtus.
"Zur See? Mhh, ich kann mir besseres vorstellen, als da draussen womöglich zu ertrinken. Nein, nein..bei uns ist er sicher besser aufgehoben und wird ein feines Handwerk lernen. Vielleicht irgendwann Meister werden und dann andere ausbilden können."
Sein strahlendes Lächeln schien sogar bis zur Wirtsfrau am Nachbartisch über zu springen, die ebenfalls lächeln ein weiteres Bier auf den Tisch stellte, an dem zwei kräftige Burschen sassen.

Silvio kratzte sich leicht am Kinn. "Naja, viele mögen das Totengräberhandwerk nicht, manche scheuen unsereins sogar, aber es ist wichtig und ja.. man begegnet einigen Schicksalen, besonders, wenn bei Familien dann noch die weinenden Töchter und Söhne, oder noch schlimmer...die Eltern hinzu kommen und ihr Leid klagen, während man den Leichnam forttragen will. Aber ohne uns ... nun, da würde es mächtig stinken und Krankheiten würden verbreitet werden. Ausserdem ist eine ordentliche Beerdigung im Sinne der Kirche, wichtig fürs Seelenheil. Und jeder verdient diese, auch die Verbrecher, die gehängt wurden. Sie werden schliesslich so und so dann gestraft und landen in der Hölle."

Er sprühte vor Ehrgeiz und Überzeugung für seinen Beruf, das konnte man bei jedem seiner Worte merken. Da war nichts davon zu erkennen, dass er deprimiert wegen seiner tristen Arbeit sei, ganz im Gegenteil. Jung und aufgeweckt war er und stolz.

Als Valente dann fortgeschickt wurde, blinzelte Luciano überrascht und sah ihm hinterher, dann wieder zu Sixtus, der derweil von sich sprach. Ein Lachen ertönte.
"Ahja... nun, es ist gut, dass es euch bei eurem Herrn gut geht und dass ihr so etwas aus euch machen konntet. Allerdings meinte ich eher den Jungen. Er hat sein ganzes Leben noch vor sich, ein langes Leben hoffentlich und er hat sicherlich auch Wünsche und Hoffnungen, die man betonen oder formen kann. Der Meister gibt ihm Halt und Unterstützung, aber vieles soll auch von ihm kommen."
Und dabei legte er die flache Hand auf die Brust und lächelte breit und herzlich.
"Aus Silvio hier..." und nun schlug er ihm einmal kräftig auf die Schulter, "wär sicherlich auch kein guter Totengräber geworden, wenn er innerlich nicht dafür brennen würde..."
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Gasparo
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Re: [1032] Ein sonniger Dezembertag [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Gasparo »

Sixtus lehnte sich auf seinem Hocker etwas zurück und faltete die Hände auf seinem wohlbeleibten Bauch. „Was der Junge selbst will außer den Pinsel zu schwingen weiß ich nicht. Das werdet Ihr aus ihm herauskitzeln müssen. Zu geschwätzig war er nie, nicht einmal, wenn Magister di Como es beim Debattieren verlangte.“

Mit einem Grinsen, dass die Zahnlücken zeigte, wechselte sein Blick wieder zu Silvio. „Was macht einem zu einem guten Totengräber. Es ist Geschwindigkeit, nicht wahr? Keiner schwingt die Schaufel schneller?“

Der Lehrer kicherte heiser und japsend und sah sich nach Valente um. „Wo bleibt der Balg?“ Wieder an Luciano gerichtet verengten sich seine Augen etwas. „Trotz allem ist es gut, Euch zu sprechen. Schließlich teilen wir eine wichtige Aufgabe und sollten uns einander bewusst sein, nicht wahr?“ Er senkte seine Stimme etwas, so dass nur die bei Tisch ihn hören könnten. „Wer kann schon von sich behaupten, auserwählt worden zu sein.“

Sixtus räusperte sich und hob wurde wieder lauter. „Schade, dass Ihr nicht auch in Mascharana wohnt. Die Gegend ist wirklich schön und … aber ja, ihr kennt ja die Damen die der Comtessa dienen. Sehr viele Schönheiten dieser Art kann man dort bewundern und ...“ Mit der rechten Hand macht er eine grabschende Bewegung in der Luft, nur um dann erneut einer Kicherattacke zu erliegen. Er wischt sich eine Spur Speichel vom Kinn bevor er weiterredet.

„Nebenbei, wisst ihr, was Magister di Como im Tausch für Valente erhält?“ Noch einmal beäugte er Silvio. „Einen Bestatter in seinen Diensten benötigt er wohl nicht, nicht einmal den besten Buddler von ganz Genua.“
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Nubis
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Re: [1032] Ein sonniger Dezembertag [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Luciano schmunzelte Sixtus entgegen, schwer zu deuten, was genau darin verborgen lag. Reine Freundlichkeit war es nicht. Doch die Worte würden vielleicht Aufschluss geben.
"Deswegen fragte ich eben auch ihn und nicht euch, doch schicktet ihr ihn weg und erzähltet über euch." meinte er. Es klang nicht anklagend, war aber eine Feststellung und konnte nun gewertet werden, wie man wollte.

Silvio wusste nicht, ob Sixtus ihn gerade beleidigen wollte. Er war ein einfacher Mann und so schüttelte er mit dem Kopf. "Nein, ich denke es ist das Pflichtgefühl, dies zu tun, wofür sich andere zu fein sind. Aber eine gewisse Ausdauer sollte man an den Tag legen. Weniger die Geschwindigkeit zählt, sondern dass man es auch schafft, ein oder mehrere Gräber ausheben zu können und sie später mit frischer Erde wieder zu bedecken."

Zu seiner Meinung des "Auserwählt seins" bekam er von beiden ein Nicken, mehr nicht Worte waren ja auch unnötig. Doch durch die Blicke wurde sicherlich klar, dass unter diesem Begriff jeder auch etwas anderes verstand. Auch zu den wichtigen Aufgaben schien nicht jeder gleicher Meinung zu sein und doch waren sie alle auch dadurch verbunden.
Unmut zeigte sich auf Lucianos Zügen allerdings dann, als Sixtus zeigte, wie er über Damen sprach und vor allem jenen der Viscomtess. Warnend wurde der Blick, irgendwas schien ihm da gerade gar nicht zu gefallen und eine Faust landete auf dem Tisch, liess das Geschirr aufspringen.
"Sprecht so nicht über die Mädchen der edlen Dame." murrte er ihn an. Die Freundlichkeit war wirklich aus dem Gesicht getrieben.

Doch dann schüttelte er mit dem Kopf und noch etwas brummig warf er hinterher: "Nein, das haben unsere beiden Herren untereinander ausgemacht, uns geht das nichts an!"
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Re: [1032] Ein sonniger Dezembertag [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Gasparo »

Sixtus schaute Silvio etwas erstaunt an, als diese seine Frage ernsthaft beantwortete.

Dann sauste Lucianos Faust auf den Tisch und der korpulente Lehrer fiel fast rückwärts von seinem Schemel. Er hob streckte die linke Hand bittend in Richtung des viel größeren Mannes aus während seine Rechte den leeren Weinbecher fest umklammerte.

„Herr Mönch, bitte beruhigt Euch. Es gibt keinen Grund, die Fassung zu verlieren.“ Er sah sich um und die anderen Gäste blickten überrascht auf die kleine Gruppe in ihrer Mitte. „Wie konnte ich ahnen, dass mein Kompliment über die Damen jenes Hauses Euch in solche Aufregung versetzen würde? Verzeiht einem alten Mann ...“ Sixtus zwinkerte, war er sich doch nicht sicher, ob nicht vielleicht doch Luciano mehr Sommer gesehen hatte. „... seine kindischen Scherze, ja?“

Vorsichtig zuckte er mit den Schultern. „Schade, dass auch Ihr nicht in eingeweiht werdet. Magister di Como hat bestimmte Aufgaben für mich aber darüber hinaus ...“ Erneut dieses traurige Schulterzucken. „Dabei sind wir es doch, denen sie vertrauen können, Tag für Tag. Hrmph.“

Inzwischen schlenderte Valente wieder zurück zum Tisch, einen kleinen Krug in in den Händen tragend. Kaum stellte er ihn auf den Tisch und schon griff Sixtus nach dem Gefäß. Mit einem Glucksen nahm er einen tiefen Schluck, ohne damit Zeit zu verschwenden, etwas in seinen Becher zu schütten. Als er absetzte schienen seine Augen etwas zu leuchten. „Ein guter Tropfen. Für einen Moment fühlt man sich an bessere Tage erinnert, an schönere Nächte … Ha!“

Sein Blick fiel noch einmal auf den Jungen. „Valente, die Herren interessieren sich für deine Wünsche.“

Nervös befeuchte sich Valente die Lippen. Er sah von Sixtus zu Luciano und Silvio und dann wieder zurück. „Ich wünsche … gehorsam zu sein und meinem neuen Mentor zu seiner vollsten Zufriedenheit zu dienen?“

Mit einem schiefen Grinsen war es nun Sixtus, der Luciano anblickte.
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Nubis
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Re: [1032] Ein sonniger Dezembertag [Gasparo, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Der warnende Blick ruhte noch eine Weile auf Sixtus, auch als sich dieser entschuldigte. Doch lichteten sich die Wolken und alsbald schien der Grosse wieder besänftigt.
Scheinbar schien Sixtus mit seinem Zustand nicht gänzlich zufrieden, ganz anders, als es Luciano war. Diese beiden waren wirklich ein klein wenig wie Feuer und Wasser, wenn man vor allem die Details betrachtete.
Dabei musste der Mönch dann doch lächeln, nicht überheblich, auch wenn man dies meinen könnte, sondern erleichtert und froh, dass es ihm nicht wie Sixtus ging.
"So? Er gibt euch nur bestimmte Aufgaben? Nun, dies trifft bei uns auf jemand anderen zu, jemand, der noch nicht so lange dabei ist. Mir jedoch vertraut der Herr in grossem Masse. Er teilt mit mir viel, bildet mich aus und bereitet mich darauf vor, noch tiefer der Wahrheit zu kommen. Jedoch. Ich bin mir sicher, dass ich jenen Schritt nicht gehen möchte und auch nicht werde. Aber je mehr ich natürlich weiss, umso besser kann ich ihm eine Stütze sein. Er ist ein gütiger Herr, der den Dienst auch zu vergüten weiss. Angemessen."

Für andere klang es wahrscheinlich so, als würde er über den Meister reden, der ihn in der Ausbildung eines Handwerks weiter fördern wollte, und er dies nicht jetzt annehmen wollte. Doch eingeweihte lasen sicher mehr daraus.
Dann kam Valente wieder und Sixtus hob den Krug an seine Lippen und wurde etwas überraschte gemustert auf Grund seiner Tischmanieren, die wohl im Verlauf des Gesprächs etwas gelitten hatten oder vielleicht auch von Anfang an nicht vorhanden waren. Vielleicht aber genoss er es auch, mal weg von seinem Meister zu sein und er selbst sein zu können? Der Mönch zuckte mit den Schultern.
"Schöne Nächte?" meinte Luciano und hoffte, dies nicht gleich bereuen zu müssen. Also versuchte er schnell sich Valente zuzuwenden und nahm ihn sich mal etwas zur Brust.
Er stubbste ihn etwas kräftig mit der Faust an der Schulter, aber natürlich mit kontrollierter Kraft. Er wollte ihm nicht gleich etwas auskugeln oder brechen.
"So..haha.. und nun aber mal ernsthaft! Ohne all die Worte, die dir irgendwer in den Kopf gehämmert hat. Das nützt dir nämlich nichts! Der Meister kann keinen braven Hund gebrauchen, sondern jemanden, der mitdenken und auch für sich selbst denken kann! Dass du gehorsam sein solltest und lernen solltest, ist klar, aber was liegt neben der Pflicht? Denk gut darüber nach, wenn du musst. Es bestimmt schliesslich dein Leben, dein Schaffen und wie sehr dich der Meister wirklich gebrauchen kann."
Er legte ihm die Hand aufs Herz. "Was sagt es dir?"

Silvio hatte mehr oder weniger nur zugehört, musste nun aber grinsen. Ja, die Eigenheiten des Herrn machte Luciano gerade sehr deutlich. Er stiess sich nicht daran an, dass Sixtus Wein direkt aus dem Krug getrunken hatte, war er doch einfach geboren. Mit dem Krug, in dem eben noch Bier gewesen war, welcher nun aber trocken, wie ein toter Brunnen war, machte er eine auffordernde Geste in Richtung Sixtus und lächelte. "Kann ich auch etwas Wein haben?"
Luciano lachte daraufhin. "Da ist doch kaum etwas drin...."
Und die flache Hand rummste auf den Tisch. Zufrieden grinste er die aufmerksam gewordene Gastwirtin an.
"Edle Dame!" Sie kicherte amüsiert auf Grund der Anrede und wurde leicht rot.
"Einen guten Tropfen für diesen Tisch..." ertönte es von ihm lachend und an Sixtus ernster gewandt. "Ich gebe einen aus."
Die Wirtin nickte und ging dann auch schon, um der Aufforderung nachzukommen.
Auch jene ausgefallene Geste und das herzhafte Lachen war von den anderen Tischen beobachtet worden, aber schien eher dazu anzustacheln, es sich heute einfach mal gut gehen zu lassen.
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
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