[1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

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Iulia Cornelia
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Mein Blick verblieb höflich unterhalb der Nasenspitze der Maske meines Gegenübers, auch wenn ich die seltsam anmutende Bewegung in meinen Augenwinkeln durchaus wahrnahm, die versuchte mich abzulenken und meine blaugrauen Augen geschickt dorthin zu locken.

Zumindest Ersteres gelang dem Flattervieh ganz hervorragend, denn ich war verwirrt und musste mich erst erneut sammeln, bevor ich mit der Stimme einer geübten Rednerin erklärte: „Ich würde mir wünschen künftig Genua Heimat nennen zu dürfen.“ Ich schwieg kurz, bevor ich fragte: „Wie steht es um euch? Verweilt ihr denn bereits lange in Genua? Ich habe euch noch nie zuvor hier gesehen.“
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Signora Achilla
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

Wenn man einmal begann, sich auf diese winzigen Bewegungen am Rande zu konzentrieren, dann könnte man weitere entdecken. Schal und Kopftuch, wie die Signora sie trug, bedeckten ihren Kopf, Kleid und ehemals wohl feine, nunmehr recht lumpige Fingerlinge ihre Haut. Und doch… . Es waren eben diese kleinen Details, Bewegungen in den Falten des Stoffes, hier und da ein Flügelschlag, ein graubraunes Dreieck irgendwo, das man für Dreck hätte halten können, wenn es nur eben auch schon da gewesen wäre.
“Wir teilen den Wunsch”, gab die Signora zu. “Ich bin ein Weilchen hier, ein Jahrzehnt vielleicht? Ein dutzend Jahre?” Sie zuckte mit den Schultern. “Doch hier…” Mit den Worten breitete sie die Arme einmal aus wie eine Tänzerin ganz zum Beginn einer Carola im großen Kreis. “...hier bin ich zum ersten Male. ‘s ist nicht eben so, dass ich oft an so feinen Orten ein und aus gehe.”
Und hier drehte sie sich auf einmal im Kreis, mit zwei, drei leicht gesetzten Tanzschritten als wäre es das reinste Vergnügen, hier zu sein. So plötzlich aufgescheucht tanzten dunkle Motten um sie her. Genau so abrupt hielt sie inne, um wieder zu der anderen zu sehen.
“Doch Ihr, Ihr seid vielleicht öfter hier? Könnt mir etwas von hier erzählen?”
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Iulia Cornelia
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Mit einer Mischung aus Faszination und unbeantworteten Fragen betrachtete ich die feinen Tanzbewegungen, die sich vor meinen blaugrauen Augen abspielten. „Ich wünschte das könnte ich, doch ich fürchte, das wird nur schwer möglich sein.", entgegnete ich der geübten Tänzerin mit einem unbeschwerten, fröhlichen und unschuldigen Lächeln, wie es wohl nur ein Kind noch haben konnte.

Nach einem kaum merklichen Schweigen fügte ich an: „Die Male, in denen ich selbst im Elysium war, könnte ich noch immer an meinen eigenen zehn Fingern abzählen und für die Male, an denen mir überhaupt Jemand an diesem Ort begegnet wäre, genügt eine einzige Hand.“ Mein Blick war trauriger geworden und auch meine Stimme trug dieses Gefühl mit, als ich fortfuhr: „Ich hatte wohl gehofft, dieser Ort würde mehr Chancen bieten, denn es ist für mich noch immer befremdlich zu sehen, dass es keine regelmäßigen Veranstaltungen oder Möglichkeiten zu Begegnungen unter und miteinander in Genua gibt. Schließlich dient das Elysium doch der friedlichen Zusammenkunft und dieser Bau würde sich ganz hervorragend dafür eigenen.“

Ich zuckte unwissend leicht mit den Schultern, bevor ich mich mit einem warmen Lächeln erkundigte: „Wie kommt es, dass ihr es so lange gemieden hattet? Ihr wirkt auf mich nicht so als würdet ihr einen auch noch so feinen Ort wirklich scheuen müssen. Ihr tanzt hervorragend und wisst euch auszudrücken.“
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Signora Achilla
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

“Wenn’s ist, wie Ihr sagt, dann wär’s oft ein Gang ins Leere gewesen. Ich kann die Statuen bewundern, aber ich würd’ eher wohl die Leute suchen”, erwiderte die Signora mit einem kleinen Schulterzucken.

“Ich kann einsehen, dass unsereins einen Ort wie diesen braucht, wo nicht einer dem andern sogleich an die Gurgel geht. Hier kann man sprechen bevor es nur Blut und Asche gibt.” Sie schauderte kurz und schüttelte den Kopf wie um den Gedanken selbst abzuschütteln.

“Doch wenn’s ein Ort sein sollte, der sich oft und gern mit Leuten füllt, mit Gesellschaften und Unterhaltung, dann müsste es wohl den Honig geben, der die Fliegen lockt, eh? Und für unsereins ist das wahrscheinlich nicht leicht, denn wir sind so verschieden wie die Menschen selbst und ebenso uneins. Vielleicht noch mehr, denn wir werden …”

Sie zögerte. “Ich weiß nicht, ob’s recht ist, das gleich für alle zu sagen”, meinte sie. “Und auch nicht, ob es für alle gelten kann. Mir schien es doch so, dass dies, was wir im Leben waren, nur der Grundstein ist für das, wozu wir werden. Und alte Grenzen, wie sie unter Menschen schon als unerhört wichtig gelten, verändern sich. Einige ziehen sich enger und enger, andere fallen und brechen, andere werden weich wie Bienenwachs.”

“Doch wenn es so ist, und auch nur für einen Teil von uns, dann werden auch die Geschmäcker anders, wagen sich weiter und weiter hinaus und es kann wohl nur eine einzige Sache geben, die wir alle mögen.”
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Iulia Cornelia
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Interessiert hörte ich der Signora zu, bevor ich sanft lächelte, als sie geendet hatte. „So es tatsächlich nur eine einzige Sache gäbe, die wir alle mögen, so wäre dies doch ein recht bedauerlicher Umstand. Meint ihr nicht auch?“, fragte ich mit samtig weicher Stimme, während ich den Kopf leicht schräg gelegt hatte.

Nach einer kurzen Sprechpause fuhr ich mit sanfter und wohlwollender Stimme fort: „Ich denke und hoffe doch, dass es weitaus mehr geben wird, was wir alle mögen, auch wenn sich die Formen sicherlich geringfügig voneinander unterscheiden werden. Letztendlich sind es doch immer Begehrlichkeiten, die nach Befriedigung verlangen. Oder was denkt ihr? Suchen wir nicht alle nach etwas? Etwas, was ein anderer uns durchaus bieten könnte? Und würden sich denn hierfür nicht bereits gelegentliche Treffen immer lohnen?“

Neugierig blickte ich auf mein Gegenüber, bevor ich leicht mit den Schultern zuckte und mit vorsichtig fragendem Unterton erklärte: „Doch womöglich irre ich mich darin auch?!“
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Signora Achilla
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

“Ha!”, lachte die Signora da. “Ich weiß es nicht besser als Ihr. Doch ich seh auf die Alten und noch Älteren, soweit ich sie überhaupt sehen kann und da wird’s so fern voneinander, das einem schwindelig werden kann. Und was ich bislang sah, das ist wohl nur sehr wenig.”

Das Lächeln Iulias schien ihr jedoch zu gefallen. Sie kam einen halben Schritt näher, nur um es besser zu sehen.
“Wollt Ihr’s herausfinden? Leute an diesen Ort locken oder einen weiteren errichten?”
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Iulia Cornelia
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Ich wich vor der Signora nicht zurück, als sie nähergekommen war. Stattdessen ließ ich meinen gesenkten Blick mühelos den Bewegungen der Maske folgen. Bei ihren Fragen erschien dann jedoch ein deutlich breiter werdendes, zahnloses und seltsam amüsiert wirkendes Lächeln auf meinen Lippen. Ich ließ die Stille zwischen uns einkehren, bevor ich interessiert nachfragte: „So wir einmal annehmen würden, ich würde diesen oder einen ähnlich lautenden Plan tatsächlich verfolgen wollen, in welcher Rolle würdet ihr euch dann hierbei wiederfinden wollen, werte Signora?“
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Signora Achilla
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

“Ohh… “, hauchte die Signora da. “Ein solches Stück hat Rollen?” Sie legte die Hände aneinander und sann darüber wohl nach.
“Das ist nun nicht sehr schmeichelhaft, doch ich muss zugeben: Ich kenne es zu wenig, ein solches Stück, um das zu wissen. So wie jetzt wäre ich bestenfalls eine Randfigur im Hintergrund oder gaffender Zuschauer. Mit etwas Schläue könnte ich’s zum dreisten Kerl im Publikum bringen, der die Beutel locker macht… .” Das letzte klang eher nach einem Scherz und sie zuckte mit den Schultern.
“Wenn Ihr was anderes von mir sehen wolltet, so müsste ich Euch bitten: Erklärt mir, wie’s vonstatten geht, wer die Hand drüber hält und wer sie nur aufhält, wer die Münzen wirklich zahlt und warum und all diese Dinge umher, die eine Sache wie diese zu mehr machen als ein paar leere Mauern und ihre Wächter.”
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Iulia Cornelia
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

„Es steht mir ganz sicher nicht zu, eine Rolle von euch zu fordern oder euch gar in eine Wider eures eigenen Willens zu stecken.“, entgegnete ich höflich, doch mit einem beinahe entrüstetem Unterton, bevor ich weitaus versöhnlicher meinte: „Zumal es derzeit noch kein konkretes Stück und auch noch keinen Ort dafür gibt.“

Andächtig ließ ich meinen Blick über ihre Maske wandern. „Ich befürchte, ich nahm wohl fälschlicherweise an, dass eine Signora, die eine solche wunderschöne Maske derart leicht und unbeschwert zu tragen weiß, auch ein gewisses eigenes Interesse daran hätte, dass ihre Kunst bewusst wahrgenommen, gesehen und bewundert wird. Dass sie nicht als Eine von Vielen einfach untergeht oder ihr Dasein im Hintergrund fristen muss.“, erklärte ich meinem Gegenüber ruhig, was ich bereits in ihr sah oder auch bereit war zu sehen.

Schließlich verblieben meine blaugrauen Augen erneut unter ihrer Nase, bevor ich leicht mit den Schultern zuckte und abschließend durchaus ernster ergänzte: „Denn dass wäre in meinen Augen äußerst bedauerlich und nicht sehr schmeichelhaft.“
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Signora Achilla
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

“Das ist wohl wahr!”, gab die Signora recht schamlos und sogar ein wenig kokett zu. Zart legte sie dazu ihre Fingerspitzen an die bemalte, falsche Wange.

“Wenn Ihr also so fragen wollt, und keiner von uns spricht über gemachte Sachen und eher wohl über Wünsche, leichthin wie Schmetterlinge… .” Sie schnippte kurz mit den Fingern, was nur einen eher dumpfen und trockenen Laut gab, und ließ dann kurz die Hand und diese Finger durch die Luft tanzen als wollte sie den Flügelschlag nachahmen.
“...wenn’s also so wäre, dann würd ich mir eine Rolle schaffen”, erklärte sie geziert.

“‘s müsste eine sein, mit der sich mehr noch schaffen lässt. Unterhaltung, würd ich sagen. Spiel, Musik, Geschichte und Geschichten, gepflegter Wettstreit vielleicht, Kunst vor allen Dingen. Theater! Vor allem das!”
Sie neigte den Kopf. “Ich könnte sehen, ob die Hausherrin den einen oder anderen Abend nach der einen oder anderen Sache halten will, so dass es unterschiedliche Geschmäcker, Interessen und Neugierden treffen könnte. Ich würde sehen wollen, ob sich mit und neben der Lust nach dem Blut noch mehr entfalten lässt.”

Es klang nach wachsender Begeisterung, so wie die Signora sprach. Vielleicht hatte Iulia sie tatsächlich herausgefordert und all dies ausgelöst?

“‘s mag für so manchen nur wie Beiwerk scheinen, aber diese Dinge bereiten die Bühne für das eigentliche, große Stück…!”
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