[1034] Is’ was, Doc? [Alain, Dottore] [Terza]

[Alain le Beau]

Drei Bewaffnete und ein gut gekleideter Mann marschieren auf der Straße von Nervi nach Genua. Sie wirken angespannt. Immerhin wurde Quinto - auf das sie gerade zumarschieren - überfallen. Und wer weiß schon, wo überall noch weitere Angreifer lauern könnten? Besser, man ist in diesen unruhigen Nächten vorsichtig. Besser, man riskiert nichts.

Der erste der drei Krieger ist ein drahtiger, kleiner Kerl, der mit einem Messer in der einen und einer Fackel in der anderen Hand vorangeht. Ihm folgt ein stattlicher Italiener mit einem Kurzschwert. Dann kommt der gut Gekleidete, ein Herr in den Fünfzigern mit graumeliertem Haar und einer gewissen Arroganz in seinem Gehabe. Zuletzt geht ein Jüngling mit einem Speer, das lockige Haar unter der Lederkappe verborgen. Er ist in Gedanken versunken, sinniert darüber, dass die kleine Eskapade mit den Söldnern an der Porta Soprana immerhin dazu geführt hat, dass seine Männer jetzt gute Rüstungen haben. Gerüchte über einen Heiler haben die Runde gemacht. Ob es wohl derjenige ist, den er vermutet?

Schweigend wandert die kleine Gemeinschaft auf die Stadt zu. Fort von der Ruhe Nervis, dem Blutvergießen entgegen.

[Dottore Narcosi]

"Herr Alain!"

Sprach eine kratzige Stimme plötzlich im Rücken der Männer. Zumindest einem der Drei dürfte sie höchst bekannt vorkommen. So sie sich umdrehten, würden sie ein paar Meter hinter sich eine Gestalt erkennen, die dieser Eine auch schon mehrfach gesehen haben dürfte. Nun zumindest so so oder so ähnlich:

Die zerschlissene Benediktinerrobe war unverkennbar, doch wirkte sie heute etwas ausgefüllter als sonst. Und auch wenn seine Kapuze das gesamte Haupt bedeckte, so konnte man doch auch die lederne Maske gut erkennen, die den größten Teil seines Antlitzes verbrag. Die Ansätze einer Kettenhemd-Haube waren unter der Kapuze zu erkennen. An seinem Gurt fand sich nun nebst den sonst üblichen kleinen Täschchen und medizinischen Utensilien auch ein gehalfterter Dolch, so wie ein hölzerner Pflock. Auch seine Umhängetasche, die sonst eher spärlich gefüllt schien, war nun offenbar beladen mit was auch immer. Seine Haltung wirkte ungesund nach vorne geneigt, wie sonst auch.

"Welch Zufall. Ich war gerade auf dem Weg zu Euch. Habt Ihr mich bereits vermisst?"

Offenkundig unsicher ob der Vertrautheit einer persönlichen Ansprache vor seinen Begleitern beließ es der Nosferatu zunächst bei der förmlichen Variante. Sein Tonfall klang dabei jedoch deutlich nach deutlicher... Erleichterung?

[Alain le Beau]

Der Tzimisce fährt bei der Erwähnung seines Namens unmerklich zusammen. Dann erkennt er sein Gegenüber und lächelt. Auf die Frage des Nosferatu hin erscheint ein beinahe mitleidiger Zug auf seinem Gesicht, aber er breitet die Arme aus und seine Stimme ist voller Emotion. "Vermisst? Bei allem was mir heilig ist, ich habe mir die größten Sorgen um euch gemacht. Seit ich vom unzeitigen Ende eurer Clansschwester erfuhr, ist keine Minute vergangen, in der ich mich nicht gefragt habe: 'Was ist mit meinem Freund, was ist mit dem Dottore?'"

Alain legt die Hand auf die Brust. "Ich bin so froh, euch wohlbehalten zu sehen. Wie ist es euch ergangen?"

[Dottore Narcosi]

Der Dottore neigte sein Haupt vor Alain und legte nun seinerseits die Hand auf die Brust.

"Die vergangenen Nächte waren gnädig mit mir. Wie ich sehe konntet ihr euch bereits ein wenig von euren Blessuren erholen. Das erleichtert mich."

Mit seinen Worten ließ der Nosferatu offen durchschneinen, dass dies wohl nicht das erste mal in diesen Nächten war, dass er von Alain's Umständen erfuhr. Sein Blick musterte die Gestalt des Franken trotz seiner bekundeten Erleichterung ausgiebig. Er pausierte einen Moment.

"Ich bekam Kunde, dass Ihr in der vergangenen Nacht zusammen mit den Männern des wohlwerten Ajax die Porta Soprana verteidigt habt. Leider erreichte mich diese zu spät, so dass ich euch vor Ort nicht mehr antreffen konnte. Was ich stattdessen vorfand war... besorgniserregend."

Jene Sorge trug der Nosferatu auch offenkundig in seinen Worten mit, zusammen mit der indirekten Frage des Verlaufs jener Nacht an Alain.

[Alain le Beau]

Alain fragt nicht, woher der Nosferatu von seinen Blessuren weiß. Stattdessen fährt er sich über die glatte Haut seines Gesichtes, eine zärtliche Geste. Dann schüttelt er den Kopf. "Ich weiß nicht, wem die Männer der Kampfschule unterstehen, aber der wohlwerte Ajax ist vernichtet", sagt er leise. "Ich habe dafür gesorgt, dass sie zum Kampf bereit waren. Aber Tiago, ihr Anführer, hat sie in einer tödlichen Falle aufgestellt. Ich habe versucht, sie zu retten. Leider bin ich dabei gescheitert... auch wenn ich etwas sehr Wertvolles erfahren habe."

Der Tzimisce schweigt für einen Moment, dann legt er den Kopf schief. "Was habt ihr vorgefunden?"

[Dottore Narcosi]

"Eine Kampfschule sagt ihr? Interessant."

Der Nosferatu machte sich offenbare eine innere Notiz, während er sanft zu sich selbst nickte. Aus inneren Gedanken herausgerissen fixierten seine fahlen Augen wieder den Tzimisce.

"Tod und Vernichtung. Darüber hinaus zahlreiche Verletzte - die Abbazia di San Andrea ist voll davon und es sind nicht nur Soldaten. Ein schrecklicher Anblick. Ich hatte schon Befürchtungen euch könnte etwas zugestoßen sein..."

Der Dottore betrachtete die bewaffneten Begleiter des Drachen.

"Sagt mir, mein Freund, wie kann ich euch behilflich sein in diesen schwierigen Nächten?"

[Alain le Beau]

"Sie gehörte einst Ajax, die Schule", bestätigt der Tzimisce des Dottores erste Vermutung. Dann lauscht er dem Bericht, nickt ernst. "Ich hatte es befürchtet. Aber zum Zeitpunkt der Schlacht war ich nicht länger anwesend. Ich... hatte versucht, die Soldaten andersweilig zu retten. Der wohlwerte Nicolò dagegen ist dort geblieben, um den Verwundeten zu helfen. Vielleicht ist ihm etwas zugestoßen."

Auf das Angebot des Nosferatu wird Alains Lächeln breiter. "Ich bin gerade auf dem Weg zum Elysium. Einer meiner Diener wurde gefangengenommen. Ich denke nicht, dass sie..." Für einen Moment schweigt er. Dann reibt er sich das Kinn. "Ich muss vorne beginnen. Statt an einer bereits verlorenen Schlacht teilzunehmen, bin ich direkt in die Stadt gegangen, zu den Melissiden. Tiagos Männer standen zwischen dem Tor, der Porta Soprana, und den anrückenden Nordmännern. Meine Hoffnung war, die Melissiden zur Öffnung des Tores zu bewegen. Stattdessen erfuhr ich, dass sie sich auf die Seite der Schatten geschlagen haben. Sie versuchten, mich festzusetzen. Ich konnte entkommen. Mein Leibwächter nicht."

Ein Nicken zur Stadt hin. "Ich will ihn zurück. Wer auch immer im Elysium auf mich wartet, wird mit mir verhandeln. Ich rechne mit einem Hauptmann der Melissiden. Aber wer auch immer dort ist, nach dem Treffen muss ihn jemand verfolgen. Ich hatte es selbst vor - aber ihr seid sicher noch besser geeignet!"

[Dottore Narcosi]

"Verfolgen... oder.... festsetzen?"

Man konnte das Kippen des Tonfalls hinter der Maske des Verborgenen deutlich heraushören. Es kippte von etwas besorgtem, zurückhaltenden in etwas scharfes, ja geradezu gehässiges. Er legte den Kopf dabei schief.

"Einen Vertreter der Gegenseite in unserer Gewalt haben wäre nicht nur eine wertvolle Informationsquelle, es würde Eure Verhandlungsposition auch deutlich begünstigen. Wenn auch es natürlich mit gewissen Risiken verbunden wäre..."

Ein langsames Schulterzucken folgte, womit er offenkundig die Entscheidung Alain obließ, wie er gedachte vorzugehen.

"Erzählt mir von diesen... wie nanntet ihr sie... Melissiden? Wer sind sie und welchen eurer Leibwächter haben sie in ihre Gewalt gebracht?"

[Alain le Beau]

"Ein Hauptmann der Melissiden ist nicht allzuviel wert", sagt Alain. "Und sie sind notorisch loyal. Andererseits ist selbst ein kleiner Fisch besser als nichts - und wir könnten ihn gegen meinen armen Diener austauschen."

Er schnaubt. "Die Melissiden? Eine lange Geschichte. Kurz gesagt, es sind die ungebändigten Ghule einer Kainitin namens Melissa, welche seit längerem das Stadtviertel Broglio in ihrer Gewalt haben. Nun sind sie offenbar auf der Seite Lydiadas'. Sie sind ausgesprochen gefährlich und versiert im Umgang mit Kainskindern - sie nutzen zum Beispiel Hunde bei ihren Patrouillen, die auf Kainskinder abgerichtet sind." Der Jüngling macht eine Pause. "Wandregisel, ihr habt ihm einmal die Hand gebrochen, sitzt irgendwo in Broglio gefangen."

[Dottore Narcosi]

"Melissa? Ich habe diesen Namen schoneinmal gehört. Sie und Ihr, ihr gehört der selben... Familie an."

Stellte der Dottore letztlich fest. Er wirkte nachdenklich. Um die Lautstärke niedriger halten zu können, ging er einige Schritte auf Alain zu, bis er genau vor diesem und seinen Leibwachen stand. Mit gedämpfter Stimme drang er etwas mehr auf seinen Freund ein.

"Das ändert die Situation. In welcher Beziehung steht ihr zu ihr? Was wisst ihr über ihre Motiviationen? Hab ihr irgendeine Kontaktmöglichkeit zu ihr?"

Plötzlich war sie wieder zu erkennen, die unnachgiebige Neugier die Alain schon zuvor in seinem verborgenen Freund gesehen hatte. Es schien als als würde er etwas im Schilde führen... oder versuchen ein Puzzle zu lösen.