[Sterblich - Archiv] Gerüchte, Stadtpolitik & genuesisches Umland

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

Benutzeravatar
Il Canzoniere
Erzähler
Beiträge: 8382
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 20:22

Re: Die Erinnerungen des verflossenen Jahres

Beitrag von Il Canzoniere »

Das Jahr 983 (September 2016)

Das Jahr 983 geht zu Ende. Und was für ein Jahr das war!

Begonnen mit dem Besuch einer pisanischen Delegation die mit ganzen sechs Schiffen angereist sei um hier angeblich Geschäfte in abnormaler Höhe abzuschliessen, über die offizielle Begrüßungszeremonie des neuen Bischofs Johann II von Genua, der nach einem zweiwöchigem Zwischenstopp im Kloster San Marcellino, in der Kathedrale in Burgus mit allen Ehren vom Senat und dem Grafen empfangen wurde, bis hin zu den Senatorenwahlen in Broglio, bei denen sich recht überraschend Luigi Spinola durchsetzte. Der Senat einigte sich daraufhin auf den tapferen Luca Fieschi als Konsul Broglios.
Aber auch all die anderen Dinge...

...die Broglio erschütterten:
Da sind die sich überschlagenden Gerüchte aus zahllosen Mündern, zahllosen Quellen. Jeder hat etwas anderes gehört, jeder kann etwas neues zu ihnen beitragen. Die "neue Miliz" die das ganze Jahr über das Viertel terrorisiert oder beschützt hat - je nachdem wen man fragt. Hinter der die "rote Lissi" stecke, eine Hexe, die Valentino Trucca, dem Anführer der Räuberbande, den Kopf verdreht haben soll.
Über die Wolfsnächte, die dieses Jahr immer wieder zugeschlagen hätten, nicht nur im Herbst. Sogar die Hunde Broglios würden schon verrückt. Nächtliches Wolfs- und Hundegeheul habe die meisten der zahlreichen Katzen vertrieben und um ein Haar hätten sie einen Senator Broglios, Luca Fieschi, zerrissen. Mit Mühe und Not sei er entkommen, aber seine ganze Familie ist tot! Augenzeugen schwören das sie am Ort des Massakers einige Leichen dieser Monsterköter gesehen hätten, offenbar helfen sie dem Werwolf! Die Abdecker die die Leichen jedoch tatsächlich mitgenommen haben, widersprechen diesem Humbug jedoch. Dort waren keine toten Hunde. Nur schrecklich zugerichtete Menschen. Wie es sich wirklich zugetragen hat, darüber wird viel spekuliert. Insbesondere eine Kinderreim der "der roten Lissi" oder auch "Melissa" die Schuld zuschiebt, ist häufig zu hören.
Statt jedoch aufgrund dieser Tragödie auf die Knie zu gehen, verschrieb sich Luca Fieschi der Jagd nach dem Werwolf und hat sogar einen Überlebenden eines solchen Angriffs aufspüren und vom Wolfsfluch heilen können! Der Heiler Samuele, der dies zustande brachte, hilft bereits seit Jahren den Ärmsten und kann sich nun vor Arbeit kaum retten. Auch sei man dem Wolf selbst nähergekommen. Gemeinsam mit dem Konvent vom Orden des heiligen Hubertus hier in Broglio sei man dem Werwolf schon lange auf der Spur, hätte ihn beinahe gehabt, dann kam der Angriff.
Auch wer sich selbst davon einen Überblick verschaffen mochte wird nicht enttäuscht: die über dreißig Toten wurden trotz der teilweise grausigen Verstümmelungen öffentlich aufgebahrt, bevor sie in einer Trauerzeremonie quer durch Broglio vor den Toren der Stadt begraben wurden. Alle knapp dreißig Mann. Sie werden ausgestellt, ihre Wunden (die nur von großen Klauen und Bissspuren stammen können) natürlich herum gezeigt.
Daraufhin explodiert die Zahl der Werwolfssichtungen. Die am häufigsten wiederholte ist diejenige das mehrere Augenzeugen eine hässliche Nonne in einer Gasse nahe San Donato dabei beobachtet hätten, ihre Kleider von sich geworfen und in einen Wolf verwandelt zu haben.
Von den sonst so häufig in Broglio gesichteten Nonnen war daraufhin wochenlang nichts zu sehen. Und ein Prediger des Kults der letzten Tage steht seitdem jeden Tag auf dem Piazza di Sant'Andrea an der Porta Soprana und ruft üble Flüche auf eben diese Nonnen herab.
Zuschlechterletzt trat Adalberto Damiano 'lo scudo' Valenti, Hauptmann der Miliz von Broglio von allen Posten und Ämter zurück. Er gibt sich selbst die Schuld an vielen der passierten Dinge und wolle mit seiner Frau aufs Land ziehen.

...die Ravecca erschütterten:
Nicht viel weniger heiß als in Broglio ging es unterdessen in Ravecca her. Anfang des Jahres gab es einige Fälle von Vergiftung in zweien der dortigen Gasthäuser und vemehrt zu Bandenüberfällen bei Nacht und Tag. Einige wohlbekannte Claviculaner Gesichter sieht man ziemlich häufig zwischen den Obsthainen, dieser Tage. Und auch viele Bettler und Obdachlose aus Broglio kommen nach Ravecca, da hier die Miliz wesentlich milder gegen sie vorgeht.
Trotzdem führte die Raveccaner Miliz eine großangelegte Razzia in Ravecca durch und vermeldete einige Verhaftungen von Verbrechern die hier offenbar Arme für Straßenbanden rekrutierten. Während des Prozesses in Clavicula wurden allerdings Zweifel an der vorgehensweise Hauptmann Felippes erkennbar und auch die Kirche beklagte den Umgang mit Kirchenbesitz während der Razzia.

...die Platealonga erschütterten:
Ende des Jahres kam es offenbar zu einer kurzzeitigen Übernahme des Sestieris durch die Milizen von Ravecca, Clavicula und Mascharana und angeblich sogar hier und da zu Scharmützeln zwischen den beiden erstgenannten. Auch mehr oder weniger offen ausgetragene Straßenschlachten zwischen verfeindeten Straßengangs wurden lediglich im Süden des Sechstels unterbunden.
Wenige Tage darauf vermeldete die Miliz Platealongas in sehr knapper Weise das Konsul Jacopo 'il Gatto', Hauptmann der Wache Platealongas tot sei. Zu den genauen Umständen schwieg sie. Auch die Beerdigung einige Tage danach fand mit verschlossenem Sarg statt. Einige munkeln er wäre leer gewesen.

...die Domus erschütterten:
Auch Domus vermeldet den Tod seines Milizhauptmannes, Konsul Lugo Scolanis und einiger seiner Hauptleute. Auch sie hält sich dünn was weitere Informationen angeht. In Domus selbst gehen jedoch die Gerüchte um, eine ganze Reihe Augenzeugen vermeldet das Scolani von Milizionären aus Platealonga ermordet worden sei. Trauernde konnten in dem in der Laurentuskapelle aufgebahrten Körper von ihm Abschied nehmen.

...die Mascharana erschütterten:
Auch das sonst so ruhige Mascharana kann etwas zu diesem wirren Jahr beitragen: So wurde die Stadtvilla des Marco Arduinici Ende des Jahres beinahe niedergerissen. Aufgrund eines unbekannten Hergangs brach ein Teil des Hauses ein, Baumeister geben dem Keller die Schuld, diese seien einfach nicht mehr zeitgemäß. Es hätte schon seine Gründe weshalb man sie heutzutage nicht mehr nutze. Dennoch musste die Hausgarde des Patriarchen den Palazzo völlig abriegeln um Diebstählen und Schaulustigen den Zutritt zu verwehren.
Benutzeravatar
Il Canzoniere
Erzähler
Beiträge: 8382
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 20:22

Re: Die Erinnerungen des verflossenen Jahres

Beitrag von Il Canzoniere »

Das Jahr 984 (Oktober 2016)

Nach dem turbulenten Jahr 983 kehrte im kommenden Jahr ein wenig Ruhe in Genua ein, was viele den Umstrukturierungen der außer Rand und Band befindlichen Milizen zur Stadtwache zusprechen. Kämpfe zwischen den Milizen gab es keine weiteren, ja es scheint als ob der Sindaco mit seiner Reform sogar den seit Jahrzehnten teils offen teils im verborgenen abspielenden Konflikt zwischen den Milizen Platealongas und Claviculas beilegen konnte.

Der neu ernannte Capitano della Cita, Bruno Mancini, ernannte neue Hauptmänner als Nachfolger der verstorbenen Hauptleute in Platealonga und Domus, mit Billigung der dortigen Sestierparlamente. Gleichzeitig bestätigte er die amtierenden Hauptleute in Mascharana, Clavicula und Broglio. Felippe hingegen, der Hauptmann Raveccas, wurde nicht bestätigt. Er widersetzt sich seiner Absetzung jedoch und scheint dabei sogar die Milizionäre Raveccas hinter sich zu haben! Sindaco Pietro Lombardi Fieschi bittet nun den Senat Genuas um Absetzung Felippes als Senator Raveccas, da dieser ein schweres Verbrechen gegen die Res Publica begehe. Der Senat wird noch in diesem Jahr darüber entscheiden.

Senatswahlen in Broglio führten, trotz bemerkenswert niedriger Wahlbeteiligung und gegen eine lächerlich schwache Konkurrenz, zur Ernennung des wieder angetretenen Valentino Truccas zum Senator. Aufgrund der Neuregelungen zu den Senatorenwahlen, die eine Kandidatur der Stadtwachenhauptleute verbietet, gelangten bei den Wahlen in Platealonga Enrico Fieschi und in Domus Cesare Agnelli in Senatorenwürden.

Hauptmann von Felippe aus Ravecca führte eine Reihe von Razzien, zur Bekämpfung der Claviculaner Banden die immer weiter nach Ravecca vordringen, durch. Am hellichten Tage ließ er verschiedene Häuser teilweise unbescholtener Bürger und sogar die zweier Senatori durchsuchen. Auch das Waisenhaus fiel einer Razzia zum Opfer und alle Bewohner auf offener Straße begutachtet. Es soll auch Anfragen für Razzien in anderen Sestieri gegeben haben, die jedoch von den dortigen Hauptleuten als unbegründet abgelehnt wurden.

Die Bandenkriege Platealongas wurden durch hartes Durchgreifen der dortigen Stadtwache stark eingedämmt. Überraschenderweise wurde erstmals schwer gegen heimische Banden vorgegangen. In Amtshilfe kümmerte sich die Stadtwache Claviculas ihrerseits um dortige Banden. Während des Vorgangs wurden eine Reihe ehemaliger Capitanos der platealonganischen Miliz gegen Kopfgeld zur Fahndung ausgeschrieben. Der Vorwurf: Fahnenflucht.

In Domus eröffnete eine Einrichtung die Genua so noch nicht gesehen hatte: das aus einem Gasthaus umgebaute Domus Medicorum, welches verspricht sich der Gesundheit seiner Patienten anzunehmen. Neben Badern, Medicussen und einem gesalbten Priester der die Sterbenden ins Himmelreich führe steht auch nahrhaftes Bier und gesunder Wein in gewohnter Schankumgebung zur Verfügung - für diejenigen Genuesen die sich prophylaktisch frei von Krankheiten halten wollen. Sogar Il Palladino soll hier gesehen worden sein!
Benutzeravatar
Il Canzoniere
Erzähler
Beiträge: 8382
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 20:22

Re: Die Erinnerungen des verflossenen Jahres

Beitrag von Il Canzoniere »

Das Jahr 985 (November 2016)

Felippe, der Hauptmann Raveccas und Senator wurde wegen Verstößen gegen die Res publica aus dem Senat Genuas entlassen. Im laufenden Jahr gibt es daher Neuwahlen für seinen Ratsposten in Ravecca. Auch das Amt des Milizführers habe er aufgrund des dauerhaften öffentlichen Drucks niedergelegt, auch wenn es heißt das er noch viele Freunde unter den neu uniformierten Stadtwächtern habe.

In einigen Teilen Broglios kam es im vergangenen Jahr wiederholt zu äußerst blutigen und tödlichen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Banden und Bürgerwehren außerdem sind einige Leute offenbar spurlos verschwunden. Auch der allgemeine Ton scheint zunehmend rauer zu werden. Einer der Problemherde der Stadt scheint sich aus dem immer sicherer werdenden Platealonga ins östliche Ende der Stadt zu verschieben.

Vor den Toren, nördlich von Platealonga entwickelt sich eine kleine Siedlung. Offenbar mit Duldung des gräflichen Hofes und außerhalb der Zuständigkeit des städtischen Senats. Es heißt dort sollte auch ein Heim für gefallene Frauen entstehen.

In der jüdischen Gemeinde Genuas und auch der einiger umliegenden Städte ist der Name Roger de Arles in aller Munde. Als einer der wenigen christlichen Streiter die auch Juden in Gerichtskämpfen vertreten hat er eine außergewöhnlich gute Siegquote. Kaum jemand der ein gutes Haar an ihm lässt - außer natürlich den sonst so gebeutelten jüdischen Kaufleuten.
Benutzeravatar
Il Canzoniere
Erzähler
Beiträge: 8382
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 20:22

Re: Die Erinnerungen des verflossenen Jahres

Beitrag von Il Canzoniere »

Das Jahr 986 (Dezember 2016)

Der ehrenwerte Senator Raffaele Brambilla aus Ravecca lässt verkünden das zur Mitte des Jahres 987 eine Handwerkerschau in Ravecca stattfinden wird. Geladen wird hier jeder tüchtige Handwerker dessen Füße oder Planken ihn nach Ravecca tragen. Auch außerhalb Genuas wurde die Schau weithin bekannt gemacht.

Im Domus Mediocrum in Domus hat dieses Jahr ein Sängerwettstreit stattgefunden den der famose Rudolfo Brabanti mit seiner harfengleiche Stimme für sich entscheiden konnte. Die Damen (und einige Herren) schmolzen dahin als er über die See sang. Sagt man jedenfalls.

In der ganzen Stadt, vor allem aber in Ravecca macht sich ein Name breit der die Kainiten aufhorchen lässt: Gerüchte vom wundertätigen San Alerio, dem Schutzpatron der Waisenkinder. Den meisten Menschen scheint er einfach ein weiterer der vielen Heiligen zu sein und so verwundert es nicht das das raveccanische Waisenhaus Ospizio per orfani di San Giovanni Battista schnell die Abkürzung "San Alerio" abbekommen zu haben scheint.

Die höhere Gesellschaft fiebert der Hochzeit des broglioischen Konsuls Luca Fieschi entgegen, der in der Villa Trucca in Broglio eine rauschende Hochzeit vorbereitet. Zahlreiche Gäste, Senatoren und sogar der Sindaco haben ihr kommen angekündigt, es verspricht das Fest des Jahres zu werden.

In Borgio Incrociati machen sich Gerüchte um eine kindliche Hexe breit. Sie soll schwarzen Locken, dunkle Augen und feine Züge, sowie ein zierliches, ja mageres Aussehen besitzen. Vielleicht elf Jahre soll sie zählen. Häufig versteckt sie sich in der Tarnung einer Pilgerin, mit Jakobshut und Pilgerstab. Barfuß ist sie unterwegs und schleppt diejenigen hinfort die allein unterwegs sind, um ihnen des Nacht ihre Lebenssäfte zu stehlen. Sie lästere Gott, morde Kinder und koche Flugsalbe aus dem Fett der Getauften. Ein wahrlich widerliches Monster.

Wahlen: In Ravecca wurde Ottovani Scuto, Gastwirt und Schwager der Brigori, in den Senat gewählt.
Benutzeravatar
Il Canzoniere
Erzähler
Beiträge: 8382
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 20:22

Re: Die Erinnerungen des verflossenen Jahres

Beitrag von Il Canzoniere »

Das Jahr 987 (Januar 2017)

Broglio kommt nicht zur Ruhe. Im Februar jagte ein bewaffnetes Konglomerat aus Hauswachen, Stadtwächter und Verbrechern einen Mörder mit Hunden und Äxten durch Broglio und sicher halb Domus. Es heißt er konnte entkommen, aber einem solchen Angebot kann eigentlich niemand entgehen. Sicher haben sie ihn selbst gerichtet und nicht nach Clavicula an das städtische Gericht überstellt, wie es rechtens gewesen wäre.

Nur wenige Wochen später erzitterte das Sestieri erneut, als die Hochzeit des Luca Fieschi, der bereits den Werwolf Broglios überlebt hatte, ein zweites Mal heiratete. Eine örtliche Händlerstocher hieß es. Melissa hieße sie, raunten einige. Wie diese Hexe. Mitten in der Zeremonie jedoch, gerade als die Geschenke der Brauteltern präsentiert wurden, stürmte eine riesige Schar Ratten die Kirche San Ambrosio. Sie stürzten sich auf die Gäste als ob der leibhafte Teufel in ihnen stecken würde! Die Wächter vor Ort erschlugen viele, jedoch war der Zorn des Volkes geweckt. Luca Fieschis Fluch stürzte sie alle erneut in Gefahr. Ein wütender Mob stürmte das Haus des Patriziers und machte auch Versuche das seines Freundes Valentino Trucca anzugreifen, wurde jedoch von dessen Wachen gnadenlos niedergemacht. Es gab sicher mehrere Dutzend Tote.

Renzo Serpico hingegen verkündete, einige Monate später, abermals in Broglio, dass er den Wohlstand des Handelshofes mit den Ärmsten des Sestieris teilen und das Armenhaus nicht nur vergrößern, sondern Gemeinde, ihm Vorschläge zu unterbreiten, ruft sogar einen Wettbewerb aus! Wer ihm den besten Vorschlag für ein Gebäude einbringen kann, wird auch andere Aufträge von ihm erhalten.

Im Senat kündigt sich Ärger an. Graf Otberto hat anfragen lassen weshalb die Friedhofswache des genuesischen Zentralfriedhos denn eigentlich von der Stadt gestellt würde und nicht von seinen Männern. Das Land auf dem der Friedhof stehe gehöre schließlich ihm, nicht der Stadt. Er höre sich schon eine ganze Weile die Klagen aus Burgus an die Kriminalität und Grabschändung beklagen würde. Da hätte die Friedhofswache bisher wenig gegen getan.

Die raveccaner Handwerkerschau war ein voller Erfolg. Von nah und fern reisten Meister und Gesellen an um ihre Fähigkeiten vorzustellen. Einen ganzen Monat lang waren die raveccanischen Kneipen von fremden Dialekten und Sprachen erfüllt, Karren wurden beladen, Hände geschüttelt. Besonders beeindruckt hat die vielen Gäste ein Architekt hier aus der Stadt: Albano heiße der. Er präsentierte ein mehrere Meter hohes Modell eines Turms. Eigenartig konstruiert stürzte er dennoch nicht ein! Ja er trug sogar einen großen Stein auf der Spitze! Sapperlott!
Benutzeravatar
Il Canzoniere
Erzähler
Beiträge: 8382
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 20:22

Re: Die Erinnerungen des verflossenen Jahres

Beitrag von Il Canzoniere »

Die Jahre 988-992 (erste Hälfte Februar 2017)

988
- Die Nachwirkungen des Handwerkerfestes werden sichtbar: offenbar hat einigen Gesellen Genua so gut gefallen das sie vorhaben sich hier niederzulassen. Insbesondere in Ravecca siedeln sich verschiedene Kunsthandwerker an, aber auch nach Domus zieht es mehrere neue Gesichter.
- Bei Borgio di Bisagno wird der Bau eines Pferdehofs abgeschlossen. Hier wurden Ställe und großflächig Weiden für ein Gestüt, das wohl aus der Toskana überführt wurde, aufgebaut. Einige Wochen später stapfen die riesigen Tiere auch bereits auf den Koppeln herum.
- Johannes Philagathos wird Erzbischof von Piacenza.

989
- In Domus werden Gerüchte über einen eigenartigen Vorfall im Domus Medicorum laut. Die sich teilweise stark widersprechenden Erzählungen sind teils hanebüchen. Jemand soll den Preis für den stattfindenden Sängerwettstreit gestohlen haben indem er die Rückwand durchbrochen hat, sagen die einen. Andere berichten von Dämonen die dort umgingen und dort in mehrere Leute eingefahren wären. Offenbar gab es Tote und Verletzte. Sogar Il Paladino soll irgendwie dort drin verstrickt sein! Aber jeder erzählt irgendetwas anderes. Auch eine Gruppe eigenartiger Nordleute scheint irgendwie in diese Sache verwickelt zu sein.
- Die deutsche Kaiserwitwe Theophanu unternimmt ohne ihren Sohn Otto III. einen Italienzug mit dem vorrangigen Ziel, am Todestag ihres Gatten für sein Seelenheil zu beten.

990
- Ein genuesischer Flottenverband soll in der Meerenge bei Messina versenkt worden sein. Sicher ein Dutzend Schiffe wurden mit Mann und Maus von der See verschluckt, so sagt man. Viele Genuesen haben Angehörige verloren und insbesondere in Platealonga ist die Trauer groß. Der Bischof hielt einen eigenen Gottesdienst in der Kathedrale San Siro ab um den Trauernden etwas Trost zu spenden. Der Senat hielt eine Gedenkminute ab. Und auch wenn man sich nicht sicher ist ob sie tatsächlich dahinter stecken: die Heiden werden für diese Tat bezahlen!
- In Luccoli wurden die bestehenden, eher übersichtlichen, Schmiedewerkstätten enorm ausgebaut. Es heißt sie wären nun (nach denen der Brmbillas aus Ravecca) die größten Schmiedewerkstätten des gesamten genuesischen Raums. Auch einige Arbeiter aus Genua zog es - für den Broterwerb - in die wachsende Siedlung von Luccoli.
- Kaiserwitwe Theophanu kehrt von ihrem im Vorjahr begonnenen Italienzug nach Deutschland zurück.

991
- Am südlichen Strand Platealongas wird eine Erweiterung der genuesischen Schiffswerft errichtet, welche das bisherige Werftvolumen mindestens verdoppelt. Die zusätzlichen Arbeitskräfte stammen beinahe vollständig aus Genua - und ernähren nun viele weitere genuesische Familien. Ab dem Frühjahr 992 wird hier mit dem Schiffsbau und der Reparatur von Schiffen begonnen.
- In Ravecca scheint sich eine Gruppe obdachloser Ausländer die Abwesenheit einer ordentlichen Kirche zu Nutze zu machen und ihre eigenen Ideen von Jesus Christi zu verbreiten - teilweise sogar auf italienisch! Die Kirche verurteilt diese Ketzerei und ruft die Anwohner Raveccas dazu auf diese Ketzer zu meiden. In den etwas schattigeren Ecken des Sestieris hat man allerdings seine eigene Methoden für so etwas: vermehrt kommt es zu Prügeleien und sogar einigen Morden denen die Stadtwache eher halbherzig nachzugehen scheint.
- Die venezianische Volksversammlung nimmt eine Erkrankung von Tribuno Memmo zum Anlass, diesen als Dogen abzusetzen. Pietro II. Orseolo wird zu seinem Nachfolger gewählt.

992
- Der bereits seit der Warenschau wieder eklatant ansteigende Zustrom fremder Händler im genuesischen Hafen hat in den letzten Jahren noch deutlich zugenommen. Noch nie in der Geschichte der Stadt kamen Leute aus fremden Ländern in solch großer Zahl. Noch nie waren die Märkte in Platealonga so überbordend gefüllt, die Kontore der Familien in solchem Hochbetrieb. Und auch bei den Kneipenbesitzern, den Huren und Bettlern, den Kirchenspenden und Spielleuten kam ein Teil der neu fließenden Gelder an. Und nicht nur die Märkte Platealongas, auch das in den letzten Jahren gebeutelte Ravecca dankte die ständig ausgebuchten Betten, die Handwerker des im Aufschwung befindlichen Domus die vollen Auftragsbücher, die Reichen Mascharanas die neuen Luxusgüter und auch die Broglioer Händler einen erfreulichen Anstieg des Geschäfts. Grund dieses Aufschwungs scheint die bisher als Verräter und Mörder verschriene Familie Bianchi zu sein, welche so ein deutliches Symphatieplus aufbauen konnte.
- Isabella di Ventura aus Mascharana wird vom Bischof wiederholt, namentlich und ausdrücklich für Ihre Aufopferungsvolle Arbeit und Ihre großzügige Spenden für das Ospizio per orfani di San Giovanni Battista in Ravecca gelobt. Alle guten Christen sollten sich an ihrem beispiellosen Umgang mit armen Waisenkindern ein Beispiel nehmen. Das scheinen einige auch zu tun - im folgenden verbessert sich die generelle Notsituation des Waisenhauses erheblich.
- Auf einem Hügel nahe Maddalena, unweit der Straße nach Genua, sind seit einigen Jahren größere Bauarbeiten im Gange. Mehrere Gebäude, eines sogar aus Stein (evtl. für eine Küche?) sind entstanden und teilweise sogar bereits bewohnt. Aktuell wird am Rande des Hügels ein Graben ausgehoben - wohl um dort Befestigungen oder eine Palisade zu erreichten. Fragt man was dort genau geschehe zucken die meisten Dörfler nur mit den Achseln. Graf Otberto habe es wohl einigen Soldaten erlaubt sich hier niederzulassen. Den Namen des Heiligen Martin hört man aber öfter in diesem Zusammenhang.
Benutzeravatar
Il Canzoniere
Erzähler
Beiträge: 8382
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 20:22

Re: Die Erinnerungen des verflossenen Jahres

Beitrag von Il Canzoniere »

Die Jahre 993-996 (zweite Hälfte Februar 2017)

993
- In Luccoli, Macelli und Borgio di Bisagno bilden sich lockere Bürgerwehren die im Kriegsfall die offiziellen Milizen und Truppen des Grafen mit freischärlerischen Kräften unterstützen können.
- Die erste Heiligsprechung der Kirchengeschichte nach einem kanonisierten Verfahren wird für den 973 verstorbenen Ulrich von Augsburg durch Papst Johannes XV. durchgeführt und am 3. Februar beurkundet.

994
- Um Luccoli wurden palisadenartige Wildschutzabsperrungen errichtet, die ursprünglich wohl auch eine Reiterabwehr beinhaltet haben. Angeblich auf Beschwerden des Grafen hin sollen diese jedoch wieder abgebaut worden sein.
- Der römisch-deutsche König Otto III. emanzipiert sich allmählich aus der Regentschaft seiner Großmutter Adelheid von Burgund und trifft zunehmend eigene Entscheidungen. Er macht seinen Vertrauten Heribert von Köln zum Erzkanzler von Italien, ein Amt, das bisher ausschließlich Italienern vorbehalten war.
- Benediktiner gründen nördlich von Bologna das Kloster Santa Maria in Strada.

995
- In Ravecca wurde gewählt. Der alternde Raffaele Brambilla hat sich zugunsten seines Sohnes Juliano Brambilla aus dem genuesischen Senat und von seinen Geschäften zurückgezogen. Nach dem Wahlgang der raveccanischen Bürger konnte sich der junge Inhaber der Schmiedewerkstätte durchsetzen und nimmt seitdem seines Vaters Posten im Senat ein.
- In Domus wurde das bekannte Haus der Heiler, das Domus Medicorum. großflächig ausgebaut. Alle angrenzenden Gebäude wurden abgerissen um ein komplexartiges Gebäude zu errichten das sich nun das größte Gebäude im ganzen Sestieri ansehen darf. Offenbar wurden hier, neben einigen Bewohnern, auch Werkstätte und weitere Heiler und Bader untergebracht.
- Papst Johannes XV. verfeindet sich mit dem römischen Patrizier Crescentius I. Nomentanus aus der Familie der Crescentier und muss in die Toskana fliehen. Er schickt einen Hilferuf an König Otto III.


996
- In Teilen Broglios und Raveccas scheint eine tödliche Krankheit umzugehen die bereits mehrere Dutzend Leute dahingerafft zu haben scheint. Getroffen werden offenbar stets die Ärmsten der Armen, die nun zusätzlich mit Verfolgung zu kämpfen haben, da sie ja "Seuchenträger" seien! Es gab bereits mehrere Fälle von tödlichen Auseinandersetzungen zwischen Anwohnern und Bettlern. Meist zu Ungunsten letzterer.
- In Domus werden verstärkt die Ritter des Ordo Sancti Martini gesichtet wie sie Lebensmittel an Waisenkindern und andere arme Gestalten verteilen die Hilfe benötigen. Ganz dem christlichen Ideal der Nächstenliebe verschrieben scheinen diese wehrhaft aussehenden Männer doch ein goldenes Herz zu haben!
- Die Ankunft verschiedener Söldnerabteilungen, teilweise aus dem fernen Dänenreich, rauen den Umgangston in Platealonga erheblich auf und kurbeln den Umsatz der Wirte enorm an.
- März: Der 16-jährige römisch-deutsche König Otto III. unternimmt nach einem Hilferuf von Papst Johannes XV., der vom römischen Stadtpräfekten Crescentius I. Nomentanus und seiner Partei bedrängt wurde und Rom verlassen musste, seinen ersten Italienzug. Unterwegs übernimmt Otto in Verona die Patenschaft für Ottone Orseolo, den Sohn des venezianischen Dogen Pietro II. Orseolo. In Pavia trifft eine römische Gesandtschaft mit Otto zusammen, um mit ihm über die Nachfolge des inzwischen verstorbenen Papstes Johannes XV. zu verhandeln. Noch in Ravenna nominiert er seinen Verwandten und Hofkaplan Brun von Kärnten zum Papstnachfolger und lässt ihn von Erzbischof Willigis von Mainz und Bischof Hildebold nach Rom begleiten.
- 3. Mai: Brun(o) von Kärnten wird als Gregor V. erster Papst aus heute deutschsprachigem Reichsgebiet.
- 21. Mai: Otto III. wird vom neuen Papst Gregor V. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt.
- Der neue Kaiser und der neue Papst sitzen wegen der Vertreibung von Johannes XV. über Crescentius I. Nomentanus zu Gericht. Er wird zum Tode verurteilt, aber von Gregor begnadigt, woraufhin er Otto III. den Treueeid leistet.
- Juni: Otto kehrt über die Alpen ins Reich zurück.
- Bereits Ende September 996, nur wenige Monate nach seiner Begnadigung, vertreibt Crescentius Papst Gregor V. aus Rom und bereitet die Einsetzung eines Gegenpapstes vor.
Benutzeravatar
Il Canzoniere
Erzähler
Beiträge: 8382
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 20:22

Re: Die Erinnerungen des verflossenen Jahres

Beitrag von Il Canzoniere »

Das Jahr 997 (März 2017)

Die Zeitalterwendehisterie nimmt dramatisch zu. Wurden die Genueser in den letzten Jahren immer nervöser ist es nun beinahe an jeder Ecke spürbar: Tonamulette werden in schmierigen Gassen gegen unerhöht hohe Geldbeträge getauscht, Untergangspropheten und Apokalyptiker schreien sich auf den Plätzen Genuas gegenseitig nieder - schweigen nur wenn die Stadtwächter misstrauisch ihre Runden laufen, Kirchen und Kneipen sind über die Maßen gefüllt, der Blick in die Zukunft der meisten Genuesen düster. Die Endzeit naht.

Werwölfe in Broglio und Ravecca! War es doch in den letzten Jahren ruhiger geworden um den Werwolf von Broglio, der mutmaßlich eine Frau, ja eine Nonne gewesen sein mochte, aber nie wirklich aufgespürt wurde. Nun war wieder das schauerige Geheul des Wolfes, gefolgt vom wilden Gebell der örtlichen Hunde, zu hören. Ist der Werwolf wieder da? Die Stadtwache Broglios und Raveccas bittet um sachdienliche Hinweise, hat sogar eine Belohnung für solche ausgesetzt!

In Borgio Incrociati finden seit Anfang des Jahres wieder große Freiluftgottesdienste statt. Ein bescheidener Mann mit einem gottgegebenen Redetalent ruft dort zur Beichte, Buße und frommen Lebensweise auf. Er verkündet außerdem das er und seine Anhänger im kommenden Jahr "Nachtzüge" zum Piazza di San Giorgio in Platealonga durchführen werden, wo sie "die Wahrheit" verkünden wollen.

Die raveccanische Seuche wurde offenbar weitestgehend eingedämmt. Dank der stetigen, aktiven Hilfe durch den Ordo Martini konnten Heiler aus Ravecca und Domus die Seuche die im vergangenen Jahr in Ravecca und Broglio ausgebrochen war weitestgehend eindämmen. Zwar wird den Armen, unter denen diese grassierte, noch immer sehr misstraut aber sie werden nicht mehr sofort von dannen gejagt. Nunja zumindest nicht häufiger als sonst.

In Mascharana machen sich Gerüchte über einen Geisteraustreiber breit. Ein offenbar aus Venedig kommender Mann soll dort eine Schar Geister aus einer antiken Spukstätte vertrieben haben. Nun ist er wohl nach Genua gelangt. Einige Gerüchte sprechen dabei von einem Wanderpriester, andere von einem heidnischen Priester dunkler Götzen. Vorsicht sei angebracht!

Man erzählt sich in den Tavernen von Domus und sogar vor der Stadt in Maddalena und Burgus das der Ordo Martini neue Mitstreiter sucht. Auch unter den Waisenkindern Genuas löst die neue Karriereoption als strahlender Ritter unter den kleinen Jungs rasch den vorher sehr beliebten Piraten ab.

In einer prunkvollen Zeremonie hat Maria Auralia di Ventrua, Tochter der Isabella di Ventura, Anfang des Jahres den ehrenwerten Vincenzo Doria geehelicht. Die in der Kathedrale San Siro vom Bischof persönlich geführte Hochzeitszeremonie hatte neben dem Grafen Otberto auch allerlei genuesische und mailändische Prominenz zu Gast.

In Broglio tut sich etwas. Eine ganze Reihe Händler, der Hauptmann der Stadtwache und drei Senatoren sagen sich von ihren Familien los und nennen sich fortan "Melissiden". Natürlich sind die so "betrogenen" Familien alles andere als glücklich darüber und viele Lieferketten werden neu besetzt um solchen Verrätern nicht auch noch Geld in die Taschen zu wirtschaften...

Wahlen in Platealonga. Der Konsul Platealongas, Claudio Sultana, hat den Winter nicht überstanden. Wahlen für den vakanten Senatsposten sind für Winter 998 angesetzt. Auch der Konsulposten in Platealonga muss neu vergeben werden.

Aus dem italienischen Umland:
13. Februar: Anhänger des Markgrafen Arduin von Ivrea ermorden Petrus, den Bischof von Vercelli.
Februar: In Pavia suspendiert Gregor V. den Klerus des Konzils von Verzy bei Reims.
Februar: Der römische Stadtherr Crescentius I. Nomentanus erhebt Johannes Philagathos, zuletzt Bischof von Piacenza, als Johannes XVI. zum Gegenpapst gegen den im Vorjahr von Otto III. eingesetzten Gregor V.
Kaiser Otto III. bricht im Dezember zu seinem zweiten Italienzug zur Unterstützung Gregors V. auf. Ottos Tante Mathilde, Äbtissin von Quedlinburg, wird mit der Regentschaft im Reich betraut.
Benutzeravatar
Il Canzoniere
Erzähler
Beiträge: 8382
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 20:22

Re: Die Erinnerungen des verflossenen Jahres

Beitrag von Il Canzoniere »

Das Jahr 998 (April 2017)

Man munkelt von merkwürdigen Geistererscheinungen in Burgus. Angeblich soll dort eine Geistermühle des Nachts von selbst das Korn schroten. Stunden um Stunden dreht sie sich in vielen Nächten, wenn auch nicht in jeder, obwohl alle Ochsen oder Gesellen die dies des Tags erledigen bereits tief und fest schlafen...

Die Männer des Heiligen Martin oder Martinsritter, wie sie sich selbst nennen, werden immer aufdringlicher. Lassen arme Leute nicht einmal ihre Grippe ausschlafen, drängen sowohl in Domus als auch in Ravecca jeden mit einem Schnupfen in ihr Stadtdomizil, dem Domus Medicorum oder gleich vor die Mauern nach Maddalena zu ihrem Stützpunkt. So hört man es wiederholt in den Straßen der Stadt.

Die aus Ravecca vertrieben Schar fränkischer Flüchtlinge, der man Ketzerei und Teufelspaktierer nachsagt, hat sich In Borgo di Bisagno niedergelassen. Offenbar haben sie hier mehr Freundlichkeit erfahren als im angespannten Ravecca. Was sie jedoch so nahe an Borgio Incrociati und seinen Kult der letzten Tage getrieben haben mag, das kann man nicht sagen. Vielleicht gibt es auch Absprachen mit dem Vates...

...der im vergangenen Jahr erstmals seit langem Sternmärsche gen Platealonga organisiert hat. Aus den nahen Dörfern strömen die Gläubigen des Tages gen Burgus, sammeln sich auf dem Torplatz und ziehen dann in den frühen Stunden der Nacht mit Fackeln und laut betend gen Platealonga. Ihr ursprüngliches Ziel, den Piazza di San Giorgio haben sie bei den ersten drei der zwölf Märsche zwar erreichen können, jedoch wurden sie von der Stadtwache abgehalten ihn auch zu betreten. Also beschränkten sie sich darauf lauthalts abwechselnd zu beten und dann den Zutritt zu fordern. Beim vierten Marsch trat der "Vates" selbst vor und überzeugte die guten Stadtwächter sich ihrem Zug anzuschließen. Schon lange hat man den Piazza vor der Georgskirche nicht mehr so gefüllt gesehen. Seit dieser Nacht spricht der Vates wieder zu seinen Anhängerschar, die jeden Monat zu wachsen scheint. Er spricht von einem kommenden Ende. Einem nahen Ende. In wenigen Monaten soll es soweit sein. Die letzten Nächte sind herangekommen. Umarmt eure Lieben. Vergebt euren Feinden. Folgt Gottes Gesetz. Und ermahnt auch jeden der euch lieb und teuer ist dies zu tun. Das Ende steht vor der Tür. Wen es zwischen den Beichten erwischt, der kommt unversehens in die Hölle. Also sündigt gar nicht erst. Und sorgt dafür das eure Lieben dies ebenso nicht tun. Dies ist eine heilige Pflicht. Gott erlaubt das ihr hierzu Gewalt anwendet.

Emilio Sartos Gesetzesvorschlagsinitiative scheint auch die Ohren vieler anderer erreicht zu haben. Lauthalts gibt es Proteste der wehrkraftzersetzend Vorschläge des Platealonger Schneiders. Die offenbar vom Ordo Martini eingeleiteten lautstarken Proteste haben offenbar auch den Senat wachgerüttelt, mit überwältigender Mehrheit, so sagt man, seien die betreffenden Gesetze Sartos abgelehnt worden. Andere jedoch, wie etwa die die jüdische Gemeinde beunruhigende Kopfsteuer, hätten den Senat passiert.

Das Dörfchen von Maddalena hat eine eigene Miliz aufgestellt, so sagt man. Damit ist es neben Burgus und Luccoli nun eine der drei Ortschaften außerhalb der Mauern der Stadt die über eine eigene, bewaffnete Beschützertruppe verfügt.

Wahlen in Platealonga: In den Senatswahlen im vergangenen Jahr hat sich Giovanni da Venti, Schwager der Arduinici durchgesetzt und vertritt die Belange der ehrenwerten Familie im genuesischen Senat.

Neuwahlen:
- in Domus. Der langjährige Senator Pietro Ungaretti verstarb im Herbst des vergangenen Jahres. Sein Posten wird nun vom Volke von Domus neu gewählt.
- in Platealonga wird über den Senatskonsul des Sestieris neu abgestimmt.

Aus dem italienischen Umland:
20. Februar: Otto III. erreicht auf seinem neuen Italienzug Rom, wo ihm freiwillig Einlass gewährt wird. Crescentius I. Nomentanus, der Anführer der kaiserfeindlichen Partei, verschanzt sich in der Engelsburg, während Gegenpapst Johannes XVI. aus der Stadt flieht. Er wird wenig später von ottonischen Truppen in einem Turm entdeckt, geblendet, grausam verstümmelt und im Triumphzug durch die Stadt geführt. Auf einer rasch einberufenen Synode wird er formell abgesetzt und in ein Kloster gesteckt. Papst Gregor V., ein Verwandter des Kaisers, erhält wieder die Herrschaft über die Stadt.
28. April: Auf einer Urkunde Ottos III. erscheint erstmals offiziell die Devise der Renovatio imperii Romanorum.
29. April: Nach längerer Belagerung wird Crescentius I. Nomentanus gefangengenommen und enthauptet.
Am Christi-Himmelfahrtstag erringt eine venezianische Flotte unter dem Dogen Pietro II. Orseolo einen Sieg über die Dalmatiner, an die die Stadtrepublik seit einer Niederlage im Jahr 887 Tribute hat zahlen müssen. Seither trägt Pietro den Namen eines Herzogs von Dalmatien.
2. November: Abt Odilo von Cluny bestimmt diesen Tag als Gedenktag für die Verstorbenen. Der Tag entwickelt sich darauf in wenigen Jahren zum kirchlichen Gedenktag Allerseelen.
Benutzeravatar
Il Canzoniere
Erzähler
Beiträge: 8382
Registriert: Fr 22. Jan 2016, 20:22

Re: Die Erinnerungen des verflossenen Jahres

Beitrag von Il Canzoniere »

Das Jahr 999 (Mai 2017)

In Domus wurde zu Beginn des Jahres im Domus Medicorum ein Armenhaus mit Bedürftigenspeisung eingerichtet. Angeblich soll es irgendwie mit dem Orden des Heiligen Martin verbandelt sein. Jedoch muss ein Unternehmer das Haus betreiben, denn wer nicht arbeiten kann oder will fliegt dort schnell wieder heraus, so behaupten böse Zungen. Lediglich diejenigen die zum anpacken bereit wären bekämen dort häufiger Schlafplätze und würden vorne in der Essensausgabe stehen! Ja sogar ein Geschäft wurde dort eröffnet das Tagelöhner für allerlei Tätigkeiten "vermietet". Wo bleibt denn da die Nächstenliebe? Das wäre der Beginn der Christen-Sklaverei munkelt man. Andere halten dagegen das es die Zahl der taugenichtse und Bettler reduzieren würde. Und gegen ehrliche, harte Arbeit sei doch nie etwas einzuwenden, ja die sei sogar gottgewollt!

Der Kult der letzten Tage hat seinen Weg zurück in die Stadt gefunden. Des Tags auf Plätzen in Broglio und beginnend auch im östlichen Domus sowie dem östlichen Ravecca, des Nachts in riesigen Versammlungen auf dem Piazza di San Giorgio in Platealonga. Jeden Donnerstag schmettert hier der Vates des Nachts seine Reden und jeden Donnerstag sind es mehr Leute die gebannt seinen Worten folgen und sich die Sakramente von ihm geben lassen. Der Wein Christi. Der Laib Christi. Das in den Kirchen gewarnt werde, es handele sich hier um Blut und Menschenfleisch scheint die epidemieartige des Kultes aber nur auszubremsen, nicht zu stoppen. Der wortgewaltige Vates kontert mit der "Angst der korrupten vor den Rechtschaffenden". Und er nennt Namen. Juliano aus der Kirche San Giorgio? Es sei kein Zufall das er ein Ebenbild des Bartolomeo di Firenze sei, der vom Bischof in Schimpf und Schande hinfortgejagt wurde! Luigi di Gerusalemme von der Kirche Santa Maria in Mascharana? Ein Diener Mammons! Für das einfache Volk habe er keine Zeit! Manfredo aus San Damiano in Domus? Ein käuflicher Mann! Und ein Knabenliebhaber! Fiorello von San Donato? Auf ihm lastet ein dunkler Schatten! Der Bischof? Ein abtrünniger Anhänger des Gegenpapstes. Oder wieso widersetzt er sich den Anweisungen des rechtschaffenden Erzbischofs von Mailand?

Selbstmord oder Mord? Emilio Sarto, Schneider und Schwager der Spinola wurde in seiner Werkstatt erhängt aufgefunden. Hat er sich selbst das Leben genommen? Oder hat ihn jemand dazu getrieben? Der er nach jüngsten Gesetzesvorschlägen Morddrohungen erhielt war nicht unbekannt. Roger von Arles, ein Gefolgsmann des Grafen Otbert von Mailand habe ihn vor vielerlei Zeugen mit dem Tode bedroht! Haben sie den Senator nun aufgeknüpft? Der einzige Zeuge der Emilio Sarto in dieser Nacht gesehen habe, ein Lehrling des Schneiderhandwerks, ist außerdem spurlos verschwunden. Zur Klärung des Falles wurde Roger de Arles an den städtischen Gerichtshof nach Clavicula einberufen, er floh jedoch und versteckt sich nun im Umland! Auf seine Ergreifung wurde vom Senat ein Kopfgeld ausgesetzt. Außerdem bietet die Stadtwache Platealongas für sachdienliche Hinweise eine üppige Belohnung.

Ausgangssperre in Maddalena! Die maddalenische Miliz ordnet an: Kein Dorfbewohner darf nachts mehr alleine das Haus verlassen, sie sollen sich im schlimmsten Falle mit drei Leuten zusammentun. Wer trotzdem dazu gezwungen sei nach Einbruch der Dunkelheit hinaus zu müssen, bekomme Geleit von der Miliz, die ihre nächtlichen Patroullien verdoppele. Grund sei eine eigenartige Serie Verschwundener unter denen zum Beispiel auch der Erbe eines örtlichen größeren Weinbauerns befand...

Wahlen in Domus. Unerwarteterweise setzte sich ein Neuling in der politischen Landschaft durch. Und was für einer! Joseo Carpentiere, Zimmermann aus Domus entschied die Wahl für sich. Seine Aufrichtigkeit und seine Erfolge beim Ausbau des Sestieris haben ihn zu einem, dem Volke nahen, beliebten Kandidaten gemacht. Seine Aufrichtigkeit bei gleichzeitiger Verwerflichkeit seiner Konkurrenten (die sich größtenteils durch Korruption und Unzucht auszeichneten), haben zum Schluss sogar Il Palladino selbst dazu gebracht sich öffentlich für ihn auszusprechen! Alle Achtung!

Heerlager von Genua? Am Grafenhof in Casteletto scheint sich ein Heerlager zu bilden. Auch in der Stadt hört man vermehrt toskanischen oder fränkische Dialekte die in den Kneipen singen, lachen oder sich streiten. Auch haben sich die Preise für Nahrungsmittel deutlich erhöht. Als ob jemand großen Mengen davon aufkaufen würde. Zum Glück spühlen die vielen neuen Besucher auch mehr Geld in die Kassen, andernfalls würde bereits der Hunger drohen...

In Platealonga hört man dieser Tage Gerücht die insbesondere die genuesischen Kainiten interessant finden dürfen: Laut ihnen ist Fabrizio Begado, ehemaliger Kapitän und Freibeuter auf der Magdalena, zuletzt sehr zurückgezogen auf seinem Ruhesitz irgendwo außerhalb der Stadt lebend, nach kurzer schwerer Krankheit verstorben. Als Nachfolger habe sich ein mysteriöser Kerl namens Fabrizio Aurelio Sizilianus - nach seinem Vater, seinem angeblichen Geburtsort Sizilien und wegen der vergoldeten Maske die er niemals abzusetzen scheint... angeblich sei er schrecklich entstellt, wahlweise von einer schlimmen Krankheit im Kindesalter, einer heroischen Kampfverletzung oder weil sein eigener Vater ihn verflucht habe...

Auf dem Monte Bisagno, nahe Borgio Incrociati laufen seit einiger Zeit Bauarbeiten. Offenbar wird die alte (römische?) Signalstellung dort wiedererrichtet oder zu einem Wachturm umgebaut. Wer jedoch dort genau baut ist nicht ersichtlich. Der freiherr von der Kreuzzung beteuert es wären keine seiner Leute. Angeblich habe er Beschwerde beim Grafen eingelegt.

Von reisenden Händler hört man von militärischen Operationen, ja gar Plünderungen genuesischer wie pisanischer Flottenverbände. Offenbar wurden, nun bereits zum wiederholten Male, Siedlungen auf Sardinien attackiert um Sklaven zu erbeuten. Und auch die Schwemme an Raubware die auf den genuesischen Märkten sowie das fremde Geld was in den Kneipen Platealongas auftaucht, unterstreicht diese Gerüchte.

Stadtpolitik:
- Giovanni da Venti, Großhändler und Schwager der Arduinici wurde vom Sestieriparlament Platealongas zum Konsul gewählt.
- Giulio Scarpa Spinola, Schuster und Freund der Bianchi ist in hohem Alter verstorben. Neuwahlen in Ravecca finden in diesem Jahr statt.
- Durch den Mord an Emilio Sarto stehen außerdem in diesem Jahr Neuwahlen in Platealonga an.
- Joseo Carpentiere konnte die Wahlen in Domus aus dem vergangenen Jahr für sich entscheiden und nimmt seinen Platz im genuesischen Senat sowie dem Sestieriparlament von Domus ein.

Aus dem italienischen Umland:
- April: Markgraf Arduin von Ivrea wird auf einer Synode in Rom wegen Bischofsmordes exkommuniziert.
- In Süditalien wird erstmals die Anwesenheit normannischer Ritter erwähnt.
- 18. Februar: Papst Gregor V. stirbt im Alter von nur 27 Jahren in Rom, vermutlich an Malaria. Gerüchte, er sei vergiftet worden, können nicht bestätigt werden. Der Salier wird neben dem Sarg von Kaiser Otto II. beigesetzt, der als einziger Kaiser des Heiligen Römischen Reichs in Rom gestorben und dort bestattet ist.
- 2. April: Der aus ärmlichen Verhätlnissen stammende (!) Gerbert von Aurillac wird zum Papst gewählt und nimmt den Namen Silvester II. an.
Antworten

Zurück zu „Archiv“