[Sterblich] Sieben Nächte - Apokalypse in Zeitlupe

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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[Sterblich] Sieben Nächte - Apokalypse in Zeitlupe

Beitrag von Il Canzoniere »

Die erste Nacht und der Tag darauf

Die Berichte aus Platealonga waren alles andere als erhellend. Als wäre der Wahnsinn über das Sestieri hineingebrochen. Alle Welt verrückt geworden. Es hieß die Hafenzufahrt sei gesperrt und eine Gruppe fremder Schiffe habe gen Süden abgedreht nachdem sie beschossen wurden. Es soll Morde und Attentate gegeben haben. Der Hafenmeister sei tot, die Stadtwache zerstritten. Die Banden bekämpften sich in den Straßen. Fremde und heimische Söldner in den Diensten der Familien zogen mit blankem Stahl gegeneinander.... aber es war viel schlimmer. Denn es war keine klare Front mehr zu erkennen. Fremde Söldner kämpften gegen fremde Söldner und heimische Wachen gegen ihre Schichtkollegen. Brüder kämpften gegen Brüder und Väter gegen Söhne. Plünderer striffen durch die Gassen und Blut floß sowohl in den Häusern der Reichen als auch den Gossen der Armen. Scharmützel reihte sich an Scharmützel und kaum jemand schien zu verstehen gegen wen oder was gekämpft wurde oder gar warum. Und dann war da noch mehr.... unheimliches. Eine in Seide gekleidete Medusa mordete Männer zu Dutzenden. Eine entstellte Frau vom Grund des Meeres zog Matrosen in die Dunkelheit des Hafenbeckens hinab und ein bleicher abgemagerter Mann beschwor wahllos Flüche der schlimmsten Sorte auf jeden hinab der ihm nicht passte.

Als dann die Sonne aufging wurde es nicht besser. Nur... eigenartiger. Während in Platealonga die noch warmen Leichen von den Gefechten der Nacht kündeten, gab es mit einem Mal keine Auseinandersetzungen mehr. Wie ein surrealer Scheinfrieden, der alle Menschen misstrauisch machte, wirkte es. Man konnte Eier auf dem Markt kaufen, auch wenn alles sehr chaotisch zu sich ging - denn auch der Marktvorsteher befand sich unter den Opfern der Nacht. Man konnte die Schiffe im Hafen liegen sehen, mit deutlichen Gefechts und Brandspuren von letzter Nacht. Einige gar halb gesunken mitten im Hafenbecken. Aber kein Matrose machte Anstalten die Gefechte fortzuführen. Die Stimmung war zum Zerreissen gespannt und die verängstigten Genuesen drängten sich auf dem Piazza di San Giorgio um dem Gottesdienst des Paters zuzuhören der von merkwürdigen Zeiten sprach.

Gegen Vormittag kündeten dann Rauchsäulen von weiterem Unglück, von dort wo eigentlich Quinto al Mare liegen sollte. In den Mauern Genuas Schutzsuchende berichteten vom Anlanden fremder Männer. Normannen seien es, hörte man hier und dort. Sie hätten die Wache Quintos überrumpelt und deren Quartier in Brand gesteckt - mit den Männern darin. Es soll bestialisch gestunken haben. Und die Schreie wird man niemals wieder vergessen können.

Offenbar gegen Mittag erreichten jene Männer die Porta di Castello, brandten gegen diese an als ob sie sie im Sturm nehmen wollten. Schwäbische Söldner sollten Seite an Seite mit der Wache zwei schwere Angriffe zurückgeschlagen haben.
Etwa zur selben Zeit kam es auch zu Kämpfen in Ravecca. Verschiedene Banden, die Stadtwache und Milizen besorgter Bürger leisteten sich eine Reihe Scharmützel, wurden jedoch jäh unterbrochen als die städtische Kriegsmaschinerie, Katapulte, Ballisten, Onager und ein schwerer Tribok am Hafen unvermittelt das Feuer eröffneten... und zwar auf Clavicula. Minutenlang beschossen sie das schwarze Herz der Stadt mit brennenden Geschossen und verursachten im Nu eine Feuersbrunst wie sie seit hundert Jahren nicht mehr gesehen ward. Hunderte der Ärmsten verbrannten bei lebendigem Leibe, erstickten oder wurden eingeschlossen. römische Mietskasernen stürzten ob der schweren Treffer ein und begruben weitere Genuesen unter sich. Zwar dauerte der Beschuss nur einige Minuten, aber die teils schweren Feuer brannten auch noch in der folgenden Nacht lichterloh und begannen bereits auf Domus und Ravecca überzugreifen. Große Teile Claviculas glichen zu dieser Zeit jedoch bereits schlichtwegs der Hölle. Es waren die schlimmsten Feuer seit Menschengedenken. Und auch wenn man allerorts versuchte sie unter Kontrolle zu bringen, schaffte man es bis zur Nacht noch nicht.

Beinahe gnädig zieht nun die Dämmerung ihr Leichentuch über die Stadt und überall erwachen die Verdammten...
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Re: [Sterblich] Sieben Nächte - Apokalypse in Zeitlupe

Beitrag von Il Canzoniere »

Die zweite Nacht und der Tag darauf

Man hatte gehofft die nächste Nacht würde nicht so schwer die letzte, dass die Kämpfe irgendwann aufhören würden…das Chaos. Doch diese Hoffnung wurde unter Blut und Toten begraben.
Bereits früh in der Nacht hatte sich jede Hoffnung auf Ruhe mit dem Brennen einer alten Villa der Familie Brigori im Norden von Platealonga erledigt. Man berichtet von schwer bewaffneten Männern auf beiden Seiten die sich gegenseitig bis aufs Blut bekämpften. Was genau dort geschah ließ sich für die verschreckten Anwohner kaum herausfinden. Zu serh waren sie auch später damit beschäftigt die lichterloh brennende Villa davon abzuhalten das ganze Sestieri mit sich in die Feuersbrunst zu reissen. Die ganze Nacht dauerten die Löscharbeiten und schlußendlich blieb nichts davon übrig außer Asche und Kohle.

Auch anderswo war man offenbar eifrig damit beschäftigt die Feuer zu löschen. Die meisten Brände in Clavicula wurden ebenfalls in der Nacht gelöscht. Es schien als ob die kühle der Nacht die Feuer niederdrücken würde. Ausgehend von Osten erloschen nach und nach viele der Feuer. Nur noch weit im Westen an vereinzelten Stellen brannten im Morgengrauen noch Häuser. Im Laufe des Tages konnten auch hiervon die meisten gelöscht werden. Ein feiner Regen aus Asche legte sich auf die umliegenden Sestieri.

All diese Feuer reichten jedoch nicht für jene Nacht. Wie bereits einen Sonnenlauf zuvor gab es wieder Kämpfe in Platealonga. Gegen Mitte der Nacht, kam es zu Gefechten am Kettenturm. Die Hölle selbst hätte ihr Maul aufgetan, wie schon die Nacht zuvor, berichteten Augenzeugen. Die Dunkelheit verschluckte jegliches Licht und brach über jene die dort Wache hielten herein wie eine finstere Urgewalt, entzog jenen das Leben und die Seele, wie jener Priester von San Giorgio lauthals verkündete. Man müsse jene Dämonin stoppen. Mit Feuer. Im Angesicht der Sonne verkrieche sie sich an dunklen Orten und verkleide sich als hübsche Frau. Die braven Einwohner Genuas begannen sich bereits zusammenzurotten.

Der Angriff auf den Kettenturm schien jedoch einem größeren Plan zu folgen. Mehrere fremde Schiffe versuchten in den Hafen zu gelangen, da offenbar die Zollkette heruntergelassen worden war, die vom Kettenturm aus geschützt wurde. Zwei von ihnen schafften es gar ins Hafenbecken, wo sie von der Hafenverteidigung sofort unter Feuer genommen wurde. Ein drittes Schiff krachte in die eilig wieder hochgezogene Kette. Weitere Schiffe mussten abdrehen. Wären es mehr als zwei fremde Schiffe gewesen, wäre der Hafen sicherlich in die Hand jener... Söldner?... gefallen. So aber sanken beiden Schiffe nahe der Einfahrt. Und zwei offenbar geistesgestörte Kapitäne bereits im Hafen liegender, älterer genuesischer Galeeren steuerten ihre Schiffe zwischen die sinkenden, lichterloh brennenden Kähne. Fingen ebenfalls Feuer, sanken ebenso. Nun ist die Hafeneinfahrt Genuas versperrt. Kein größeres Schiff kommt hier mehr durch, ehe nicht jene vier gesunkenen Schiffe in der Hafeneinfahrt gehoben werden.

Wären jene Kämpfe nicht bereits genug gewesen gab es auch einen Angriff auf das Bischofskastell hoch über Mascharana. Trotz des heldenhafetn Einsatzes der Bischofsgarde wurde die Verteidigung durchbrochen und der Bischof von nordischen Söldnern getötet. Auch sonst sollen diese Heiden zügellos unter den Bewohnern des Kastells gewütet haben und jene Jünglinge der Priesterschule massakriert haben. Erst gen Morgengrauen konnten sie von den Resten der Bischofsgarde vertrieben werden. Trauergottesidenste für Landolfo I., Bischof von Genua fanden des Tags in allen Kirchen Genuas statt. Der über den Tod seines guten Freundes sehr erzürnte Graf Hugo von Mailand, Genua und Bobbio erklärte jene Nordmänner daraufhin für vogelfrei und ließ ihre Heime in Luccoli angreifen und jeden von ihnen den er erwischte, gefangensetzen und hängen. Ihr großes Haupthaus in Luccoli ließ er bis auf die Grundmauern niederbrennen.

Auch andernorts wurde gekämpft. In Ravecca war noch immer keine klare Front zu erkennen und die Gewalt eskalierte explosionsartig an einem Ort, nur um Minuten später wieder völlig zu verschwinden und andernorts aufzutauchen. In Staglieno, direkt vor der Porta Soprana, gab es gar ein größeres Gefecht zwischen normannischen Söldnern und einer heldenhafetn Truppe aus der gräflichen Söldnerschule. Jene zweitere erlitten schwere Verluste und wurden durchbrochen, die fremde Söldner wurden ohne Gegenwehr der Wache Broglios in die Stadt eingelassen. Viele Tote pflasterten die Straße vor der Porta Soprana. Über den Tag hinweg waren die Totensammler noch damit beschäftigt die Leichen zusammenzutragen. Ein Großteil der Bevölkerung Staglienos konnte sich zuvor in die Stadt flüchten und kehrte bereits am Tag zurück. Den Mönchen des Kloster San Andrea und einem Medicus aus der Stadt war es zu verdanken dass einige der jungen Söldner gerettet werden konnten.
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Re: [Sterblich] Sieben Nächte - Apokalypse in Zeitlupe

Beitrag von Il Canzoniere »

Die dritte Nacht und der Tag darauf

Oder: die Nacht in der es eskalierte.
Nicht das der Flächenbrand von Clavicula, die Versperrung der Hafeneinfahrt durch gesunkene Schiffe, die auch in der dritten Nacht andauernden Kämpfe in Platealonga und anderswo in der Stadt nicht bereits eine Eskalation gewesen wäre. Aber dies war die Nacht in der es kippte. Hatten die Einwohner Genuas bisher ängstlich ihre Fensterläden verschlossen und gebetet das ihnen nichts widerfahren möge, war es damit nun vorbei. Aber von vorne:

Eigentlich gab es mehrere Ereignisse die dazu führten, das am darauffolgenden Tag eine bewaffnete Einheit der Arduinici - in deren Gefolge sich etwa hundertfünzig Genuesern mit Küchenmessern, Fleischerbeilen und Schaufeln bewaffnet befanden - das Domus Medicorum stürmten. Sechs Martinsritter und den Wirt zerhackten sie förmlich und schleiften eine schlafende, bleiche, rothaarige Frau nach draußen... die augenblicklich Feuer fing, erwachte und höllisch zu kreischen begann. Sie hackten und stachen auf sie ein und erhaschten einen Blick auf ihre dämonischen Augen und ihre scharfen Eckzähne. Sie sahen entsetzt dabei zu wie sie sich langsam auflöste und sich in feine Ascheflocken verwandelte die - aufgewirbelt vom Wind - langsam in die Höhe wirbelten und über die Stadt verteilten.

Eines dieser Ereignisse die zu jenem Tod im Domus Medicorum führten war beispielsweise der Brand der verruchten Spelunke "Alla Mura" im Nordwesten Raveccas, direkt an der Stadtmauer (wie der Name schon sagt). Brände hat man in den letzten Tagen genügend gesehen. Dieser hier wurde jedoch offenbar von zwei leibhaftigen Dämonen gelegt. Einem Incubus von schöner Gestalt und mit reissenden Zähnen; animalisch und mit eleganten Bewegungen befahl er Feuer an das voll besetzte Gebäude zu legen, berichtet man. Warum? Es heißt die Herrin des Hauses habe den Teufel betrügen wollen - einen Pakt mit diesem habe sie zweifelsfrei geschlossen - ist sie doch seit bald 50 Jahren das Ebenbild einer wunderschönen, jungen Frau. Die zweite dämonische Gestalt, manche raunen es wäre der Diener des Incubus gewesen, war ein wahrhaftiger Dämon. Kreidebleiche Haut, eine entstellte Kopfform, keine erkennbare Nase, zerfledderte Ohren und eine verrutschte Pestmaske die so weit hochgeschoben worden zu sein schien, dass die geifernden, kreuz und quer stehenden, nadelspitzen Haifischzähne völlig blutverschmiert und obszön, gut zu erkennen waren. Jeder der ihm angesichtig worden war wie er durch Ravecca jagte, wie auf der Hatz nach Seelen, war sich sicher: die Dämonen wandeln unter uns.

Ein anderes Ereigniss war der Angriff auf das Lager der deutschen Söldner im Hafen. Durchgeführt von einer zierlichen Frau die die Hölle selbst auf die Söldner losließ, die wie ein schrecklicher Teppich der Nacht über die Veteranen zog und einige von ihnen leer und seelenlos, bleich und tot am Boden zurückließ. Den Rest, in Horror umherirrend, wurde von einem alten Mann in Kriegerrüstung, der sich schneller bewegte als das schnellste Rennpferd des Kalifen von Damaskus, mit einem riesigen Zweihänder zerhackt . Das Gemetzel war derart blutig und heftig das mehrere Anwohner ebenfalls in ihren Betten starben. Als ob die unheimliche Kraft die hier wirkte auch sie geholt habe.

Oder es waren die urplötzlich in Domus aufgeflammten Kämpfe zwischen Einwohnern und ihrer eigenen Stadtwache und einigen Söldnern. Die nach stundenlangen Kämpfen und mehr als hundert Toten und noch viel mehr Verletzten das Quartier der domusser Wache in Brand steckten. Das bisher weitestgehend von Kämpfen verschont gebliebene, größte Sestieri Genuas, in das sich auch viele aus anderen Sestieri geflüchtet hatten, löste geradezu eine Massenpanik aus, mit sich niedertrampelnden Menschen in engen Gassen die den Kämpfen zu entkommen versuchten.

War es die offensichtlich immer chaotischere Situation die eine Bande Plünderer dazu brachte das Kloster San Marcellino bei Burgus zu plündern? Man raunt davon das die größte Bibliothek Genuas einfach verschwunden sei. Bei dem Überfall sollen sowohl der Abt auch ein halbes Dutzend Mönche ermordet worden sein. War es der versuchte Mord mit einer vergifteten Armbrust am Stellvertreter des Bürgermeisters durch einen ausländischen Händler namens Leon? War es der geständige Teufel Capitano Amadeo am Hafen? Er beichtete seine Sünden Pater Romeo von San Giorgio, wie es schien. Gab schreckliche Dinge zu. Der Beweis dafür das etwas vor sich ging. War es der dritte Dämon in Ravecca der, wie Kinder berichteten, einem Seemann sein Blut raubte und es wie guten Wein trank?

Waren es die Kämpfe östlich von Maddalena, zwischen einem bleichen, riesenhaften Mann der offenbar immun gegen jegliche Arten von Waffen war? Der das Blut der sterbenden Feinde trank, nachdem er sie niedergemacht hatte? Oder war es sein Gegner, der viel offensichtlichere Dämon mit Pfauengefieder, rot glühenden Wolfsaugen und riesigen Krallen der mehr als ein Dutzend schwer bewaffnete Martinsritter abschlachtete als wären es Kinder?

Fast beneidet man den friedlich in Santa Maria, Mascharana, eingeschlafenen Pater Matteo diesen wilden Zeiten entkommen zu können.

Eines, mehrere oder alle dieser Ereignisse führten offenbar zu einem überlaufenden Faß. Ottovani Scuto, Senator von Ravecca, verkündete in der Früh das sich alle Genuesen, die des nächtlichen Terrors Leid waren, auf dem Piazza di San Giorgio in Platealonga einfinden sollten. Der Andrang war enorm.
Vor einem bis auf den letzten Platz gefüllten Georgsplatz verkündete er das jene Dämonen die sie in Angst und Schrecken versetzten tatsächlich Dämonen waren. Blutsaugende Parasiten die gotteslästerlichen Praktiken nachgingen und sich vor der Anlitz des Herren verstecken würden. Sie kämen nur Nachts heraus und fürchteten die Sonne und Feuer. Man müsse sie ausrotten. Wer ihm nicht glaube, der brauche nur zusehen. Er zeige ihnen nun eine dieser Kreaturen. Er würde sie von Gottes Anlitz tilgen. Daraufhin brachten seine Männer eine Kiste zu ihm auf den Podest empor die sie sogleich öffneten und einen reglosen Mann in bunter Kleidung aus ihr herausschütteten. Sofort fing dieser an zu qualmen, zu rauchen und zu zischen... ehe er... nur Sekunden darauf, zu zerfallen begann. In Staub und Asche, Stofffetzen und einen hölzernen, angespitzten Pflock, der ihm offenbar im Herzen gesteckt hatte.
Die Menge wütete. Ottovani heizte sie an. Die Menge tobte. Und Ottovani gab ihr das nächste Ziel: das Domus Medicorum. Von da an wisst ihr bereits Bescheid.
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Re: [Sterblich] Sieben Nächte - Apokalypse in Zeitlupe

Beitrag von Il Canzoniere »

Die vierte Nacht und der Tag darauf

Nach den schweren Unruhen in der vergangenen Nacht, hauptsächlich in Domus, sowie der Vernichtung zweier Dämonen auf dem Piazza San Giorgio und dem Domus Medicorum, ging es in dieser Nacht weiter. Ja man könnte sagen die Ereignisse nahmen kamen zu ihrem vorläufigen Höhepunkt.

Erneut rottete sich eine große Menschenmenge am Piazza San Giorgio zusammen, viel größer noch als in der vergangenen Nacht. Hunderte Platealonger und andere Bürger kamen mit Fackeln und allem was sie hatten greifen konnten, um sich dem entgegen zu stellen was die Hölle in Genua freigelassen hatte. Für ihre Leben, für ihre Stadt. Und wie eine entfesselte Macht kamen sie über die Diener der Hölle. Sie überrannten den Schnitter mit der Gestalt des alten Mannes direkt an der Wasserkante, als er dabei war fremde Söldner abzuschlachten. Sie zerrissen und verbrannten ihn bis nichts mehr von ihm übrig war als Asche. Der hohe Blutzoll, den er forderte, konnte sie in ihrer Raserei nicht aufhalten. Sie schickten die zierliche, wunderschöne Dämonin mit der Kraft der schwarzen Hölle in der Vicolo Silenzioso zurück zu ihrem gehörnten Herren, obwohl dutzende, ja vielleicht sogar hunderte tapfere Genuesen dabei starben. Sie schlugen sie in die Flucht, überrannten ihre Lakaien und stellten sie schlussendlich unter Gebeten und mit gemeinsamer Kraft. Auch sie zerfiel, wie alle Dämonen vor ihr, zu Asche.
Ein weiterer Dämon, klar als solcher zu erkennen, buckelig und widerwärtig, wurde von der Menge zuerst tanzend auf einem Dach gesehen, ehe er mit Brandpfeilen lichterloh in Flammen gesetzt wurde. Er flüchtete ins Hafenbecken und verging zwischen den Wellen. Männer suchten am nächsten Tag den Grund mit Stangen ab, aber auch dieser Dämon könnte sein Ende gefunden haben.
Der vierte Dämon wurde gesichtet wie er gehetzt vor der aufgebrachten Meute Platealongas floh. Ein Wesen mit kalkweisser Haut und schwarzem ranzigen Fell soll auf allen vieren durch Mascharana gerannt sein. Mit seinen langen Armen und Pranken erklomm es die Mauer und verschwand im Umland.

Die Stadtwache zog daraufhin mit Verstärkung und einem Teil der Bürger von Platealonga noch in den frühen Morgenstunden durch Mascharana, doch konnte keine weiteren Kreaturen oder Spuren entdecken. Auch in den Feldern vor der Stadt suchte man danach, doch verlor eine scheinbare Spur Richtung Norden. Ottovani Scuto, der bereits die Existenz der bluttrinkenden Kreaturen öffentlich enthüllt hatte, wies den Stadtwachen und Bürgern daraufhin weitere Orte, wo sich die Monster verborgen halten sollen.

Auch in Ravecca kam es zu Aufständen der hiesigen Bevölkerung. Erneut wurde das Alla Murra in Ravecca Opfer der Flammen. Aufgebrachte Bürger, die auf der Suche nach den Monstern von letzter Nacht waren, trafen dort auch auf einen von ihnen wieder. Mit seinen Schergen floh der Dämon in eine Gasse, wo sie sich gegen die Genuesen kurz zur Wehr setzen konnten, doch dann flohen sie über die Dächer. Verkleidet waren sie wie Soldaten. Vieleicht waren sie das auch. Ausgebildete Kämpfer mit Speeren und Schwertern.

Zwischen den beiden Aufständen dieser Nacht kam es auch zu weiteren, auffälligen Vorkommnissen als ob jene Gruppierungen die hier Krieg führten noch immer nicht voneinander ablassen konnten. Die Santa Theodora, ein privates Vergnügungsschiff, brannte nieder und versank im Hafenbecken.
Das Kastell des Grafen wurde von fremden Soldaten attackiert und in Burgus wurde eine volle Abteilung Savoner Söldner von den Einheimischen in einen Hinterhalt gelockt und abgeschlachtet, wie man sich erzählt. Auch schien jemand sich an den Vorräten der deutschen Söldner am Hafen zuschaffen gemacht zu haben. Ohnehin von mehreren verheerenden Angriffen geschwächt brach die Einheit nun völlig in sich zusammen. Wer nicht an der Vergiftung starb machte sich von dannen und starb. Kein Sold der Welt war solche Zeiten wert.

Des Tags gingen die Säuberungen weiter. Maßgeblich angeführt von Ottovani Scuto und der Raveccanischen Stadtwache, unterstützt von zahlreichen aufgebrachten Genuesen wurde das Haus und die Werkstatt des deutschen Jakob von Ebersberg durchsucht und alle Bewohner die man finden konnte ans Tageslicht gezerrt. Keiner zerfiel zu Asche, auch Jakob selbst war nicht zu finden. Dafür machten die Menschen eine grausige Entdeckung:
In einem Wandschrank fand man drei Menschen. Aufgehangen wie Rinderhälften. Jedoch noch lebendig. Nicht in der Lage zu sprechen oder sich zu bewegen, hingen sie nackt und mit Panik in den Augen da. Schnitte, Narben und Druckstellen fanden sich an Handgelenken und Hals. Der Rumpf eines jeden sah seltsam verformt aus und gemeinhin waren sie abgemagert. Der Anblick ward so grausig das viele der Retter sich übergaben oder auf die Knie schmissen und Gott um Gnade anflehten. Die Entstellten wurden noch vor Ort von einem Priester gesegnet und gesalbt, ehe man sich ihnen erbarmte und ihre erbärmliche Existenz beendete. Ihre Leichen wurden auf dem Piazza di San Giorgio in Platealonga öffentlich verbrannt, auf das jeder sehen konnte was jene Ungeheuer, die des Nächtens Genua unsicher machten, schreckliches taten.
Jene Männer und Frauen die in den Stätten des Jakob von Ebersberg aufgegriffen wurden, wurden neben den Leichen der entstellten Menschen verbrannt. Und sie waren nicht die einzigen. Ein abgefallener Priester, der in einer Holzfällerhütte nahe Luccolis lebte, brannte mit ihnen. Außerdem ein vielen bekannter Mann namens Grimmstein, den die meisten für vor Jahren verstorben erachteten und wirklich überrascht ob seiner quicklebendigkeit waren. Er war im Nordlandkontor in Platealonga aufgegriffen worden. Zwei Küster aus dem Umland von Borgio Incrociati und ein fahrender Händler der in Ravecca aufgegriffen wurde, fanden ebenfalls den Tod auf den säuberlich aufgeschütteten Scheiterhaufen die den ganzen Tag den Piazza di San Giorgio in dunkle Rauchschwaden hüllten - auch nachdem die Schreie der Verbrennenden bereits längst verstummt waren.

In der Villa Fiore in Mascharana suchte der Mob ebenfalls nach einem Kainiten, hatte jedoch kein Glück. Vielleicht war auch jener Dämon der hier hauste bereits geflohen. Auch in der Martinsfeste vor den Toren der Stadt hatten sie kein Glück. Die Martinsritter verrammelten die Tore und drohten die Genuesen mit kochendem Pech zu überschütten, sollten sie nicht von dannen ziehen, was jene dann auch taten.

Als die fünfte jener chaotischen Nächte aus dem Jahr 1034 herandämmerte, herrschte eine kaum zu beschreibende, angespannte Stille in der Stadt. Hatten sich viele der Vampirjäger am Nachmittag noch einmal aufs Ohr gelegt, strömten zur hereinbrechenden Dunkelheit erneut Männer und Frauen zum Piazza di San Giorgio. Mehr noch als in der Nacht zuvor.Es schien beinahe als ob ganz Genua auf den Beinen sei...

Was würde in dieser Nacht geschehen? Waren alle Kainiten vernichtet? Würde es weitere Kampfhandlungen geben? Jeder fragte sich das. Und auch was jene besondere Persönlichkeiten aus den vorherigen Nächten anging, gab es allerlei Gerede. Wer waren jene vier die den Willen der schwarzen Hexe in der Vicolo Silenzioso brachen? Wer war jener Bettler mit den eisblauen Augen der verhinderte das die ganze Menschenansammlung von einer dämonischen Wolke aus Finsternis ihrer Seelen beraubt wurde? Woher wusste Senator Ottovani Scuto wo all jene Kainiten zu finden waren? Suchte er sie schon länger? Wie konnte Pater Romeo von San Giorgio so genau wissen woran die Seele Genuas krankte? In jener Nacht suchten sie alle nach Antworten. Und auf dem Piazza di San Giorgio, dem größten Platz Genuas, hofften sie jene zu bekommen.
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