[1012] Mit dem Herzen handeln [Angelique, Seresa]

[Seresa]

Zwar hatte Seresa ein gutes Gefühl für Sprache, doch die schnellgesprochenen Worte kamen zu überraschend für die Gelehrte, als dass sie sie über Umwege hätte interpretieren können. Einzig das Wort Maire verblieb. Marie? Maria? Miriam? Seresa schüttelte leicht den Kopf, doch war wohl diese Bewegung nicht als Antwort auf Angeliques Frage gedacht, sondern vielmehr, weil sie sich keinen Reim darauf machen konnte, was das Mondkind gesprochen hatte.

Die Kühle indes unter ihren warmen Fingern und der um Nähe suchende Körper der Malkavianerin fühlte sich für Seresa gänzlich ungewohnt an. Die beiden jungen Frauen kannten sich kaum und ihre Tiere waren nicht miteinander vertraut. Entsprechend behutsam ging die Brujah mit der Malkavianerin um, darauf bedacht die Dinge nicht zu verschlimmern.

„Shhhh… Keine Angst.“

Seresas Finger strichen zärtlich über den Kopf des Mondkindes.

„Alles wird gut.“

Ihre Stimme erklang gedämpft und sanft, jedoch bestimmt und zuversichtlich in der Dunkelheit der Nacht.

„Ich passe auf, dass nichts geschieht.“

Ruhig strich sie weiter über den Körper der Zusammengerollten.

„Alles wird gut.“

Seresa pausierte für einen kurzen Moment und wiederholte ihre Worte noch einmal nachdrücklicher.

„Alles wird gut.“

[Angelique]

Angelique hörte auf zu Wimmern, rollte sich zusammen und wand sich wie eine schlafende Katze.
In der Tat beruhigte sie sich offensichtlich und schien unter den sanften Berührungen und den salbenden Worten wegzudämmern. Sie schlief ein...

Konnten Vampire überhaupt mitten in der Nacht einschlafen? War das möglich? Oder war die kleine Wahnsinnige einfach nur überzeugt davon, zu schlafen?

Auf jeden Fall war sie überzeugt davon zu träumen. Es mussten Alpträume sein, denn sie wälzte sich im Schlaf umher. Vielleicht ein Schutzmechanismus, wenn die Alpträume der Visonen die Realität zu überlagern begannen, Schlaf vorzutäuschen, um die Träume wieder Träume werden zu lassen?

Beruhigt und unschlafend, aber dennoch immer noch ein hilfloses Vampirkind vor Seresa.

[Seresa]

Für einen Moment war Seresa gänzlich verwirrt und dann schockiert gewesen, als Angelique einfach still dalag und schlief. Erst als sie dann begann sich hin und her zu rollen, huschte ein kleines und beruhigteres Lächeln über ihre Lippen, bevor sie begriff, dass dies womöglich kein Zeichen dafür war, dass es besser wurde, sondern womöglich eher schlechter. Die Brujah seufzte leise und begann sich nun tatsächlich zu sorgen. Ihr Blick fiel auf Kreuzdorf, dann auf die Stadtmauern zurück und wieder zu Kreuzdorf hin. Seresa schüttelte den Kopf. Sie hätte wirklich später besser eine verdammt gute Erklärung für ihr Handeln parat. Vor allem aber würde sie sich nach zehn Jahren endlich einen Passierschein machen, so sich derlei Dinge weiter häufen würden.

Mit flinken Fingern begann Seresa nun die Eigendrehungen des Mondkindes zu nutzen, um dieses in ihren Umhang einzupucken, bevor sie noch einmal liebevoll über den Körper des ewigen Kindes strich.

„Ich weiß nicht was los ist, aber ich glaube hier zu bleiben und zu warten, ist keine gute Wahl. Mein Bruder wird wissen was zu tun ist. Ich bringe uns zu ihm, ja?“

Seresa wartete für einen Moment ab, ob von der Malkavianerin eine abwehrende Handlung gekommen wäre. Anderenfalls hätte sie sich neben Angelique gekniet, um das Bündel vorsichtig vom Boden aufzunehmen, denn entgegen dem Anschein, welchen Galeno einst auf sie gemacht hatte, wirkte das Mondkind für Seresa noch bei Sinnen, weshalb die Brujah darauf verzichtete, sie einfach über die Schulter zu werfen. Stattdessen hätte sie Angelique wie ein zu groß gewordenes Kind quer vor ihrem Körper getragen. Immer auf die Reaktion ihrer kostbaren Fracht achtend, wäre Seresas Gang wie immer gleichmäßig, ruhig und zügig gewesen, während sie der Malkavinanerin noch immer mit ihrer eigenen falschen Wärme versuchte Geborgenheit zu spenden.

„Alles wird gut.“

[Angelique]

Zufrieden kuschelte sich Angelique an Seresas Brust und ließ sich wegtragen.

[Seresa]

Und so trug Seresa das Mondkind in ihren Armen über mehrere Stunden hinweg - vorbei an Kreuzdorf - den Hügel hinauf hin in Richtung Wachturm ihres Bruders im Blute Ajax. Das zusätzliche Gewicht schien die Brujah dabei nicht im Geringsten einzuschränken oder gar zu stören. Ihre Schritte waren zwar schwerer als normal, doch waren sie fast ebenso lautlos, als wäre sie allein unterwegs. Für Angelique musste es sich auf die eine oder andere Art und Weise anfühlen, als würde sie auf einer warmen Wolke fliegen, welche sie immer weiter weg von der Stadt trug. Einzig der sanfte Wind, welcher wohl ihre Nase kitzeln musste verriet ihr, dass sie nicht standen, sondern sie sich bewegten.

[Angelique]

Oh, wie sehr genoss Angelique die Geborgenheit in Seresa Armen! Die Visionen traten langsam in den Hintergrund und als der phallische Ausdruck brujahscher Dominanz seinen Schatten über die beiden Vampirinnen warf, da schlug sie die großen Rehaugen wieder auf. Sie waren wieder klar geworden und von einer erfrischten Belebtheit.

"Wo bin ich?", fragte die Kleine verwirrt.

[Seresa]

Als Seresa die Stimme Angeliques hörte, hielt die Brujah umgehend an. Sie ging leicht in die Knie, um den Füßen der Malkavianerin wieder sicheren Halt auf dem Boden zu geben, bevor sie mit ihrer dadurch frei gewordenen Hand ein nonverbales Signal in Richtung des Wachturms gab, nur um anschließend zurück auf Angelique zu blicken.

„Ihr seid in der Nähe des Wachturms am Monte Bisagno.“

Die Brujah legte ihren Kopf leicht schief, während sie das Mondkind fragend betrachtete und sich langsam wiederaufrichtete.

„Geht es Euch gut? Seid Ihr wohlauf?“

Noch immer betrachtete Seresa die Malkavianerin besorgt.

[Angelique]

Angelique hielt die Hände verschämt vor Brust und Schoß, obwohl sie angekleidet war, und schaute schüchtern zur Seite.

"Ich... ich...", begann Angelique stammelnd und trat von einem Fuß auf den anderen. Dann sammelte sie sich innerlich und fuhr fort: "Ich wurde von meinen Visionen übermannt, als Ihr... etwas sagtet. So etwas passiert eher selten und dann selten so heftig."

Sie nahm einen Stein hoch und sah einen kleinen vielbeinigen Dämon mit Hörnchen forthuschen, während der Stein ihr freundlich zulächelte. Vorsichtig schaute sie sich um. Elfen tanzten unter Bäumen, Wolkenpferde trugen Späher der Wilden Jagd über den Himmel und der Turm Ajax penetrierte die warme Schwärze der Nacht mit rhythmischem Fackeln.

Engel funkelten kalt am Himmelszelt und Malkavs Auge blinzelte ihr schelmisch zu.

Erleichtert lachend sagte sie zu Seresa: "Aber jetzt ist wieder alles normal."

[Seresa]

Seresa hörte der Erklärung des Mondkindes zu, zögerte einen Moment und nickte schließlich.

„Gut.“

Das Wort klang nicht gänzlich überzeugt. Stattdessen lag ein noch immer zweifelnder, fast skeptischer Unterton darin.

„Gut. Ich hoffe Ihr wisst, es war nicht meine Absicht eine Vision bei Euch auszulösen?!“

Fragend blickte sie auf die Malkavianerin vor sich, bevor sie vorsichtig - offenkundig besorgt - nachfragte.

„Möchtet Ihr mit mir darüber sprechen was Ihr gesehen hattet, werte Angelique?“

[Angelique]

"Ach", meinte die Kleine verschämt, "Ihr habt mich in Eurer Weisheit genau an dem Punkt getroffen, der mir wehtut. Wie kann ich dem HErrn je nahe sein, wenn ich bereits in Gedanken sündige? Euer klarer Kriegergelehrtenblick legte dieses mein Geheimnis offen. Kein Wunder, dass Sousanoula sagt, dass die untoten Richter Ostroms von Eurem Blute seien. Euch bleibt nichts verborgen und kalt wie Marmor könnt Ihr es unbeschönigt aussprechen. Meine Bewunderung und Ehrfurcht vor Eurem Hohen Haus ist wieder gestiegen."