[1022] Eine Rose in der Nachbarschaft (Avelina, Gasparo)

[Februar '19]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Gasparo
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[1022] Eine Rose in der Nachbarschaft (Avelina, Gasparo)

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Der Herbst war in Genua nicht immer eine angenehme Jahreszeit. Oft brachte das Meer Niederschlag und stürmischen Wind. An diesem Tag war die Sonne auch zur Mittagszeit hinter dichten Wolken verborgen. Die Händler in den Gassen fluchten, als sie versuchten, Ihre Waren vor der Feuchtigkeit zu schützen. Die Mönche in San Marcellino pflegten ihre Gärten geduldig und stoisch, während die Prostituierten in Ravecca sich noch müde in ihren Betten räkelten, trotz der kühlen Luft noch froh, die Strohmatratzen für sich allein zu haben.

Der Lehrmeister namens Sixtus zog seinen Mantel enger um sich, während er die Straßen von Mascharana hochhumpelte. Sein rechtes Knie schmerzte bei dieser Kälte noch mehr als sonst. Er wünschte, nicht zum ersten Mal, dass er in der Küche des Bischofskastell saß, ein Becher Wein vor sich und einen Laib warmes Brot. Der Ofen hätte ihn gewärmt und die Bediensteten in der Küche lachten über seine Scherze, mehr als es diese frechen Schüler taten.

Sixtus seufzte und betrachtete mürrisch den verhangenen Himmel. Der nächste Schauer würde nicht lange auf sich warten lassen. Hoffentlich war sein Meister ihm dankbar für die Opfer, die er immer wieder brachte.

Er rückte sich seine verrutschte Mütze, die die zerzausten, grauen Haare kaum verbarg, wieder gerade und schritt auf die Villa dei Fiori Rossi zu. Zwei Wachen waren an der Außenmauer postiert und betrachteten den korpulenten, älteren Mann, der mit einem steifen Bein auf sie zumarschierte. Als er näherkam winkte er überschwenglich mit dem linken Arm. Seine Stimme war laut und jovial. „Ah, was sehen meine müden Augen? Zwei tapfere Centurionen, die ihren Dienst auch unter diesen widrigen Umständen verrichten. Werte Krieger, ich trete mit einem höchst wichtigen Anliegen vor Euch.“

Er stoppte kurz und verbeugte sich, tief und schnell. „Ich bitte Euch mich zu der geschätzten Person zu führen, die zur Zeit für den Haushalt verantwortlich ist. Wie gesagt, es geht um Belange von äußerster Bedeutsamkeit.“
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Avelina di Braida
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Re: [1022] Eine Rose in der Nachbarschaft (Avelina, Gasparo)

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Die Wachen am Tor, neben welchem eine hohe Mauer aufragte, nahmen ein wenig Haltung an als ihnen bewusst wurde, dass der Mann der sich näherte offenbar sie meinte. Bei seiner lauten Überschwänglichkeit wechselten sie einen skeptischen Blick, und womöglich mochte Sixtus ein Handzeichen ausmachen das der Jüngere gab, worauf der andere den Kopf wog und schließlich nickte.
„Grüße, Signore. Das Wetter mag rau sein, aber wenn wir Wind und Wetter scheuen würden, wären wir hier wohl fehl am Platze.“ erwiderte der Jüngere, während der Ältere Sixtus weiterhin eingehend musterte.
„Ich hoffe ihr habt keine Waffen dabei, dies ist ein friedliches Haus.“ fuhr er freundlich fort, und machte schließlich eine einladende Geste, als der Ältere noch einmal nickte, „Ich bringe euch zum Herrn des Hauses.“

So wurde Sixtus in den Garten geführt, einen Laubengang entlang, an dessen hölzernen Säulen und Gittern prächtige Rosengewächse wucherten, die inzwischen so dicht waren, dass sie gar ein schützendes Dach über den Köpfen der beiden Männer bildeten. Noch schienen sie nicht für den kommenden Winter zurückgeschnitten, und doch konnte man bereits die Äste der alten Orangenbäume erkennen, die direkt jenseits der Rosenbüsche wuchsen. Wie dürre Finger ragten sie über die Pergola hinweg.
Einige Schritte weiter wurde der Blick auf die schwere, hölzerne Eingangstür der Villa frei, die noch im Stile der heidnischen Vorfahren erbaut war.
Der junge Wächter klopfte ein paar mal und nahm weiterhin Haltung an, bis Schritte zu hören waren und im nächsten Moment ein Hüne von einem Mann im Türrahmen erschien. Er war von einschüchternder Gestalt, blond, mit kühlen, grauen Augen die Sixtus nun eingehend musterten. Die Kleidung war die eines Adligen, wie man es wohl in Mascharana erwarten durfte.

„Herr, der werte Signore hier bat darum zu euch geführt zu werden.“ informierte die junge Wache zackig und gewissenhaft den Hünen, der nur knapp nickte und ihm dann einen stummen Wink gab sich zurück zu ziehen – und die Wache zögerte da auch keinen Moment.

„Einen guten Tag.“ grüßte der Hüne zwar nicht unhöflich, aber zunächst knapp, mit seiner dunklen und immer ein wenig mürrisch klingenden Stimme, „Mit wem habe ich die Ehre und um was geht es, wenn ich fragen darf?“
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Gasparo
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Re: [1022] Eine Rose in der Nachbarschaft (Avelina, Gasparo)

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Sixtus Augen weiteten sich für einen Moment, als die Wache ihn nach Waffen fragte. „Junger Centurio, was müsst Ihr für ein guter Hüter Eurer Herren sein. Sogar in mir vermutet Ihr eine Gefahr?“ Er klopfte sich, erneut mit übertriebener Inbrunst, gegen den Wams.

„Seid beruhigt, werte Aufseher. Ich nenne weder Messer noch Beil mein eigen.“ Mit einem Grinsen tippte er gegen seine Schläfe. „Es sei denn Ihr sprecht von meinem scharfen Verstand.“ Er lachte laut auf und folgte seinem jungen Führer.

Auf dem Weg zum Tor sah sich Sixtus aufmerksam um. Er war immer wieder beeindruckt von den Gebäuden in Mascharana, vor allem verglichen mit dem spartanischen und zweckmäßigen Bischofskastell. Was würde er nicht dafür geben hier zu residieren, anstatt umgeben von all den Priestern und Kindern. In seinem Geist malte er sich aus, wie ein Sommerfest in dieser Villa aussehen musste, und ein schmutziges Lächeln kroch auf sein Gesicht, bevor ihn das Erscheinen des Hünen aus seinen Gedanken riss.

Sixtus blinzelte, dann verbeugte er sich tief, bevor er sich mit einem Stöhnen und einem Griff in seine Hüfte wieder aufrichtete. „Ah, verehrter Herr, mein Name ist Sixtus. Ich bin einer der Lehrer, die in der Priesterschule schuften, um den Klerus der Zukunft auszubilden. Ich bin zutiefst erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen, Signore …?“

Er zeigte kurz auf die alte, römische Burg, die über Mascharana thronte, während er sich vorstellte. Nachdem er den Namen seines Gegenübers erfahren hatte, fuhr Sixtus vor.

„Habt Dank, dass Ihr Euch einen Moment Zeit nehmt. Seht Ihr, der Meister der gerade erwähnten Priesterschule, der edle Gasparo di Como ... er erfuhr über Bekannte von Eurem gemeinsamen Interesse an der Restauration von Kirchen und Monumenten in Genua. Es geht ihm besonders San Donato.“

Für einen Moment betrachtete er Bernardo mit leicht gehobenen Augenbrauen. „Er hofft, an einem der nächsten Abende mit Euch und der Dame des Hauses über jenes altehrwürdige Gebäude und andere Themen zu sprechen wie es sich für Nachbarn mit ähnlichen Neigungen geziemt.“ Er hob beide Hände in einer abwehrenden Geste. „Ich möchte Euch nicht mit dieser Bitte um einen Besuch bedrängen. Ich werde in den Abendstunden nach meinen Einkäufen noch einmal in der Nähe sein und ansonsten kann ein Bote mir jederzeit eine Nachricht im Kastell zukommen lassen.“

Er verbeugte sich erneut, nicht so tief wie vorher. „Seid versichert, dass Magister di Como dieses Treffen sehr schätzen würde und sicher ist, dass es von Vorteil für alle Beteiligten wäre.“

Erwartungsvoll musterte Sixtus den großgewachsenen Mann nun erwartungsvoll an. Er hatte ein freundliches Lächeln aufgesetzt und hoffte, dass der Blonde seine Wortwahl zu deuten wusste.
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Avelina di Braida
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Re: [1022] Eine Rose in der Nachbarschaft (Avelina, Gasparo)

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Schon als sich die Tür geöffnet hatte, mochte Sixtus einen der Gründe erahnt haben können, weshalb die Wachen so eifrig bei der Arbeit waren. Aus dem Haus strömte im Moment ein köstlicher Duft der es schon alleine vermochte den Magen knurren zu lassen, und man hörte wohl wie eine Frau Anweisungen gab das Essen an die Bediensteten zu verteilen. Auch konnte man gemütliche Beleuchtung erahnen, alles in allem wirkte es recht einladend – und dies stand gänzlich im Kontrast zu dem blonden Hünen in der Tür.

Der Blick aus seinen kühlen Augen lag ungebrochen auf ihm, und er ließ mehrere Momente verstreichen, in denen er nicht auf die Frage nach seinem Namen antwortete. Eine unangenehme Stille.
„Für den Moment könnt ihr mich Visconte di Braida nennen.“ meinte er schließlich tonlos.

Dann lauschte er den weiteren Worten, ohne dass man in seinen Zügen eine Regung erkennen konnte. Doch während Sixtus noch sprach hörte man Schritte und eine drahtige, erstaunlich edel gekleidete Magd mit griechisch anmutenden Zügen trat schräg hinter Bernardo, den Fremden musternd. Sie neigte leicht den Kopf zum Gruße. Ihre Augen weiteten sich ein wenig, als sie von San Donato hörte. Und wenn auch durchaus Skepsis in ihrem Blick zu lesen war, so wechselte sie doch einen Blick mit dem Hünen der vermuten ließ, dass eine Art stummer Kommunikation zwischen den beiden stattfand.

Schließlich meldete sich die Magd leise und mit leicht griechischem Akzent zu Wort, „Χαίρετε, Signore.“ wobei sie sich sogleich an Bernardo wandte, „Die Padrona würde uns in diesem Falle sicher dazu anhalten die genuesischen Gastfreundschaft in Ehren zu halten.“ und schließlich an Sixtus gewandt, „Wollt ihr nicht eintreten und ein bescheidenes Mal mit uns zu euch nehmen, sofern eure Einkäufe dies zulassen?“
Dem Gesichtsausdruck nach schien dies dem Hünen nicht zu gefallen, doch er machte Platz, so dass Sixtus eintreten konnte, wenn er denn wollte. Dass die Magd sich zu dem Gespräch hinzu gesellt hatte, schien ihn allerdings in keinster Weise zu stören.

„Die Padrona wird Zeit für den Magister haben.“ verkündete Bernardo dabei noch, „Ihr könnt ihm ausrichten, dass es in drei Nächten recht wäre. Sollte dies nicht passen, so halte ich gerne Rücksprache mit ihr und wir werden euch weitere mögliche Nächte nennen, und jene Informationen zum Kastell entsenden.“
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Gasparo
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Re: [1022] Eine Rose in der Nachbarschaft (Avelina, Gasparo)

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Die Mundwinkel des älteren Lehrers hatten sich zu einem etwas unangenehmen Grinsen verzogen, als die Magd erschien. Augenscheinlich war ihm ihre Präsenz lieber als die des Visconte.

Er verstand zwar Ihre griechischen Floskeln nicht, nickte aber trotzdem wissend. Und dann erwähnte sie auch noch ein Mahl. Sixtus Magen grummelte leicht und die Aussicht, mit der fremden Schönen mehr Zeit zu verbringen wirkte verlockend auf ihn. Er tat zwei Schritte auf das Tor zu bevor er mitten in der Bewegung stoppte.

Er verzog sein Gesicht wehmütig, bevor er sprach. „Signora, wie gerne würde ich auf Euer Angebot eingehen. Ich bin sicher, die Speisen, die in diesem Haus zubereitet werden, würden Vesta selbst zur Ehre gereichen. Aber … aber ...“ Er schüttelte den Kopf. „Meine Pflichten rufen tatsächlich. Sixtus, sagen sie … Sixtus, der Tag ist schon halb vergangen. Die Kinder warten auf Dich und Deine weisen Lektionen.“

Sein Blick wanderte kurz zum Visconte bevor er die Magd wieder anstrahlte. In seinem Hinterkopf hallte allerdings die warnende Stimme Gasparos. Sixtus blinzelte, als er sich auf seine Gesprächspartner zu konzentrieren versuchte. Aber die mahnenden Worte seines Meisters, die von hinterhältigen Gräueltaten anderer Kainiten erzählten, schienen in seinen Ohren zu rauschen.

Er machte einen vorsichtigen Schritt rückwärts. „Ich werde dem Magister die erfreuliche Nachricht mitteilen. Er wird Euch in drei Nächten einen Besuch abstatten und ich hoffe, ihn begleiten zu dürfen.“

Eine weitere Verbeugung und ein weiterer Schritt zurück. „Ich wünsche Euch einen gesegneten Tag und eine friedliche Nacht.“

So humpelte Sixtus von dannen, etwas hastiger, als er angekommen war.
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Avelina di Braida
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Re: [1022] Eine Rose in der Nachbarschaft (Avelina, Gasparo)

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Lauernd blieb der Blick des blonden Hünen auf Sixtus Zügen. Die Augen verengten sich leicht, und etwas in ihnen sprach von 'erkennen'. Wenn Blicke sprechen könnten, so würde dieser vermutlich besagen, 'Mir gefällt nicht, wie du sie ansiehst. Ich werde dich in diesem Hause keine Sekunde aus den Augen lassen. Dies ist mein Revier, nicht deines.'
Ja, alles in allem konnte man den Eindruck bekommen, dass sich in diesem Mann, selbst wenn er kein Kainit war, das Wesen eines Adeligen und eines Tieres vereinten.

Die Magd unterdessen hielt weiterhin das Haupt geneigt und nur sehr kurz sah sie in leichtem Erstaunen auf, als der Mann die Göttin des Herdfeuers erwähnte.

„Dann sehen wir uns vielleicht in drei Nächten.“ meldete sich der Hüne wieder zu Wort, „Ich bin bereits neugierig, was ihr über die Priesterschule zu berichten habt.“ tatsächlich wanderte nun einer der Mundwinkel in die Höhe. Dies änderte leider nichts an seiner einschüchternden Gestalt. Fast schon wirkte es ein wenig beängstigend, da man den Eindruck bekommen konnte er amüsiere sich über etwas, das nur er verstand und das womöglich auch nur für ihn vergnüglich sein würde.
„Ihr könnt mich Bernardo nennen, Sixtus. Auch euch noch einen angenehmen Tag und eine friedliche Nacht.“

Bernardo nickte nur leicht, vermutlich sprach da der Adel aus ihm, der eindeutig besagte, dass es nur wenige gab vor denen ein Visconte das Haupt neigte. Die Magd jedoch knickste und tauschte dann einen Blick mit dem Hünen aus, als Sixtus davon eilte.

Bedächtig schloss Bernado die Tür und führte die Magd in Richtung Küche, um mit ihr zu besprechen, was es der Padrona auszurichten galt.
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Gasparo
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Re: [1022] Eine Rose in der Nachbarschaft (Avelina, Gasparo)

Beitrag von Gasparo »

Drei Tage später, einige Stunden in die Nacht hinein, näherten sich erneut zwei Gestalten der Villa dei Fiori Rossi. Voran schritt der hagere Magister, gerade wie ein Pfeil, fast steif. Er trug eine schwarze Tunika mit dunkelrot gefärbten Ärmeln. Das Gewand sah vornehm geschnitten und kostspielig aus. Um den Hals hing ein Amulett, das auf seiner Brust ruhte. In seiner Hand hielt er eine gebundene Pergamentrolle.

Ihr folgte sein Leibwächter. Der gedrunge, kahle Mann mit dem vernarbten Kopf war ähnlich gekleidet. Seine Tunika war vollständig rot, aber die Farbe war nicht so kräftig wie die seines Herrn und man konnte erkennen, dass die Kleidung etwas älter war, nicht schäbig, aber auch nicht nobel. In einer Lederscheide, die an seinem Gürtel befestigt war, steckte ein Messer, in der Art eines Schmalsax. Eine Lampe, die er trug, spendete etwas Licht.

Als sie die Wachposten erreichten trat Gasparo vor seinen Herrn. Seine Stimme war rauh und heiser. „Ihr dort! Dies ist der edle Gasparo di Como, Magister Trivium. Er wird von Euren Herrschaften erwartet. Ja?“

Gasparo dachte, was für einen armseliger Herold Crispianus abgab. Seine Talente lagen woanders. Den Lehrmeister hatte allerdings Sixtus Schwärmerei von dem „schönen Haus“ und der „freundlichen Magd“ gestört. Dieses Gerede verdiente keine Belohnung und so sah verbrachte Sixtus diese Nacht allein im Kastell.

Als die Wachen sie zum Eingang führten beachtete der Ventrue die Bewaffneten kaum. Das Gebäude selbst hatte seine Aufmerksamkeit verdient. Er bemerkte die wuchernden Rosen aber auch die Sorgfalt, die an den Tag gelegt wurde um möglichst viel der antiken Identität des Hauses zu bewahren. Seine Augen wanderten wohlwollend über Spuren der römischen Baumeister, bis sie die Eingangstür fixierten.
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Avelina di Braida
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Re: [1022] Eine Rose in der Nachbarschaft (Avelina, Gasparo)

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Die Wachen hatten bei dem doch leicht flapsigen Zuruf einen Stirnrunzelnden Blick gewechselt, vor dem Magister verneigten sie sich jedoch leicht und gaben zu verstehen, dass sie informiert waren. Er wurde ohne Umschweife direkt zur Tür geführt und nach kurzem Klopfzeichen öffnete der blonde Hüne, von dem womöglich Sixtus bereits berichtet hatte.
Diesmal jedoch legte dieser ein äußerst höfliches Verhalten an den Tag. Vor dem Magister verneigte er sich tief und bat ihn einzutreten. Seine Begleitung Crispianus wurde jedoch noch skeptischer gemustert als Sixtus zuvor.

Die Eingangshalle bestätigte, was das Äußere des Hauses erwarten ließ. Auch hier hatte man darauf geachtet das Erscheinungsbild zu erhalten, mehr noch es lebendig wirken zu lassen. Die Wände hier waren geziert von Fresken, wobei eines direkt ins Auge fiel. Der unkundige Betrachter mochte an die Darstellung Adams und Evas im Paradies erinnert werden. Das geschulte Auge jedoch konnte darin Herakles erkennen, der sich einer Hesperide und dem Baum mit den goldenen Äpfeln näherte, um dort jenes Hochzeitsgeschenk des Zeus an seine Gemahlin Hera in seinen Besitz zu bringen. Im Baum schlängelte sich dessen Bewacher, der Drache Ladon.

Doch es war nicht nur die Darstellung an sich, die das Augenmerk auf sich zog, es war die Art in der die Eingangshalle in Szene gesetzt war. Von den Dachbalken hingen Bahnen feinster, farbiger Seide, die hintergründig von Laternen und Kohlebecken beleuchtet waren. Sie flatterten in einer leichten Brise und zauberten so ein mysteriöses Licht- und Schattenspiel auf die Wände. In der Mitte des Raumes befand sich ein Becken im Boden eingelassen, in welches bei Regen wohl selbiger von der Aussparung im Dach in kleinen Wasserstürzen hinein plätschern würde. Im Moment jedoch begnügte sich die Wasseroberfläche wie Edelsteine in bunten Farben zu glitzern.

In einer Ecke, in der ein Gang weiter ins innere des Hauses führte, war das ebenfalls antike Lararium zu sehen, der Hausaltar. Bei genauerer Betrachtung offenbarten sich mehrere kleine Statuetten die ebenso alt schienen. So war eine davon eine nackte Frau, mit Flügeln auf dem Rücken und Vogelfüßen, die auf zwei Löwen stand, und Schilfknoten in die Luft hielt. Gleich daneben eine barbusige Gestalt mit weitem Rock, die statt des Schilfes Schlangen gen Himmel reckte. Und seltsamerweise fand sich neben diesen beiden fremdartig wirkenden Figuren eine Marienstatuette.

Mit Gasparos Zustimmung wurde Crispianus von Bernardo in die Küche geführt, während eine Magd die in Sachen Etikette dem Hünen an nichts nachstand, ihn selbst zur Viscontessa brachte. Sollte Crispianus an der Seite seines Herren verweilen, so wurden sie von Bernardo geführt.
So oder so folgte man einem Gang, und wurde irgendwann in einen nicht minder erstaunlichen Raum gebracht aus dem schon von weitem die zarten Töne einer Lyra klangen. Kein Lied, nur einzelne Töne, als wolle erst noch eine Melodie daraus entstehen.
Hier dominierten die saftigen Grüntöne der Natur. Die Wände zeigten Fresken von weiten Wiesen und tiefen Wäldern. Seen, an denen Nymphen spielten, die von Faunen heimlich bei ihrem Treiben beobachtet wurden. Tiere und Pflanzen so weit das Auge reichte, als befände man sich nicht mehr in einem Haus, sondern mitten unter ihnen.

Eine Seite des Raumes war tatsächlich offen, und bot eingerahmt von Säulen einen Ausblick auf das Atrium des Hauses. Rosenbüsche wuchsen auch hier in tönernen Töpfen. Zwei gepolsterte Triclinia und mehrere geflochtene Lehnstühle waren um einen Tisch angeordnet, und luden zum gemütlichen beisammen sitzen ein.
Doch dies schien nicht nur als Empfangsraum für die Gäste zu dienen. In der Ecke, auf den ersten Blick fast unscheinbar, befand sich ein großer Tisch, auf dem Pergamente ausgebreitet waren, die auf geistige Beschäftigung schließen ließen, und von dem sich nun auch der wohl interessanteste Anblick des Raumes erhob.

Gekleidet in ein antik anmutendes Gewand aus feinster, dunkelroter Seide, deren Säume von silbrig glänzenden Ornamenten geziert waren, und das sich durch raffiniert um den Torso geschnürte Bänder eng an verführerisch weibliche Formen schmiegte, trat die Padrona des Hauses auf ihren Gast zu. Trotz der blassen, fast marmornen Haut, die Gesicht, Arme und Dekolleté offenbarte, wirkte sie tatsächlich sehr lebendig für eine der ihren. Es mochte an den großen smaragdfarbenen Augen liegen, in welchen ein Feuer zu lodern schien das sowohl unschuldig, als auch erfahren wirkte. Oder am üppigen, schwarzen Haar, das einer Mähne gleich über ihre Schultern fiel und den Eindruck machte, als würde es sich nicht wirklich zähmen lassen wollen. Wobei durchaus der Versuch gemacht wurde es zusammen zu binden, doch hier und da löste sich eine vorwitzige Strähne, ohne dabei unordentlich zu erscheinen, oder dem Gesamtbild zu schaden. Und trotz der gezeigten Haut, trotz der natürlichen, verführerischen Schönheit der Signora, trotz der Körperbetonenden Gewandung strahlte sie eine gewisse unschuldige Würde aus.

Neugierig, aufmerksam und einschätzend betrachtete sie ihr Gegenüber einen Moment mit einem zarten Lächeln auf den vollen Lippen, bevor sie das Haupt neigte.
„Werter Magister, ich freue mich euch in meinem Heim willkommen heißen zu dürfen. Viscontessa Avelina di Braida, Neugeborene vom Clan der Rose, Tochter der Baronessa Sarina di Lerone, Ancilla vom Clan der Rose.“
Mit diesen Worten, welche das Gesamtbild mit einer leicht dunklen, sanften Stimme abrundeten, hob sie den Kopf wieder und blickte den unbekannten abermals interessiert an, „Ebenso freut es mich euch in der Nachbarschaft begrüßen zu dürfen. Kaum einer der unsrigen findet so schnell nach Mascharana.“
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Gasparo
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Re: [1022] Eine Rose in der Nachbarschaft (Avelina, Gasparo)

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Als Bernardo die Tür öffnete und sich verbeugte reagierte Gasparo mit einem langsamen, deutlichen Nicken. Sein Gesichtsausdruck zeigte keine Regung aber seine Stimme klang deutlich und bestimmt. „Ihr müsst der Visconte di Braida sein. Es ist mir eine Freude, Euch kennenzulernen.“ Diese Freude war ihm nicht wirklich anzumerken. Dennoch vor er fort. „Mein Name ist Gasparo di Como, aus dem Geschlecht der di Comos aus Pietrasanta.“ Seine linke Hand zeigte nach hinten, ohne dass er sich umsah. „Mein Diener, Crispianus.“ Seine ausgestreckten Finger zuckten kurz und Crispianus, der die Lampe inzwischen gelöscht hatte, verbeugte sich, tief aber steif. Zu Lebzeiten war seiner Familie vielleicht kein großer Adelstitel vergönnt wie „Visconte“ aber dennoch wusste er um der Verantwortung, die auch einem sterblichen Nobelmann oblag.

Der Ventrue und sein Leibwächter folgten Bernado in die Villa. Erneut wanderte Gasparos Blick über die reichhaltigen Details, die das Gebäude beherbergte. Auch wenn er es genossen hätte, das Fresko oder den Altar näher zu begutachten, so ließ er sich sein Interesse nicht einmal durch das Heben einer Augenbraue anmerken. Vielleicht wäre dafür später noch Zeit …

Crispianus folgte Bernardo schweigsam in die Küche. Er schien entspannt als er Bernardo musterte, lehnte aber Speisen und Getränke ab.

Im Atrium angekommen blieb Gasparo für einen Moment wie angewurzelt stehen, als Avelina auf Ihn zuschritt. Die Inszenierung hatte ihn beeindruckt, daran gab es keinen Zweifel. Sowohl die Einrichtung des Atriums selbst als auch das außergewöhnliche Erscheinungsbild seiner Gastgeberin bewirkten, dass der Magister für einen Moment eine Regung in sich spürte, die er nicht sofort einordnen konnte.

Dann brachten ihn die Worte der Rose wieder in die Gegenwart zurück. Gasparo verneigte sich ebenfalls, fast ein Spiegelbild der Bewegung, die Avelina zuvor gemacht hatte. „Werte Viscontessa Avelina di Braida, ich grüße Euch und bedanke mich, dass Ihr mich in Eurem so prunkvollem Heim willkommen heißt.“ Er schloss seine Augen, als er sich selbst vorstellte und in seiner Stimme schwang zugleich Stolz und Ehrfurcht mit:

Mein Name ist Gasparo di Como, Neugeborener des Clan Ventrue,
Kind des Majorianus,
Kind des Desiderio,
Kind der Brutia Livia,
Kind des Caracallas, Ahn des Clans der Könige und Herrscher der 12 Städte,
Kind des Lucius Tarquinus Priscus Ahnherr des Clans der Könige und Kind von Ventrue selbst.“


Nach einigen Sekunden der Stille öffnete er die Augen und hob seinen Kopf. Er blieb ernst und bewusst würdevoll. „Darf ich Euch ein Präsent überreichen?“ Gasparo bot Avelina die Pergamentrolle an, die er in seiner rechten Hand getragen hatte. „Es ist der griechische Mythos der Entstehung der Rosen, aufgeschrieben von einem meiner Schüler, dessen Schrift vorzüglich ist. Ich bin sicher, Ihr kennt die Legende: Adonis verbringt Zeit mit seinen Geliebten, Aphrodite und Persephone, wird dann aber von einem Ebers getötet. Aus seinem Blut und Aphrodites Tränen entstanden die ersten … Rosen.“

Der Anflug eines Lächelns flog für einen Moment über sein Gesicht, als er in Richtung der Toreador nickte.

„Ich muss zugeben, der Besuch dieser Villa fühlt sich wie eine lehrreiche Exkursion für mich an. Meine Bewunderung gehört unseren römischen Vorfahren und zu sehen, wie sehr diese Räume nach alten Idealen eingerichtet wurden, erfüllt mich mit Wohlgefallen.“ Er machte einige Schritte in Richtung eines Freskos. „Im Bischofskastell findet man leider nur noch wenige Spuren der Vergangenheit.“
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Avelina di Braida
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Re: [1022] Eine Rose in der Nachbarschaft (Avelina, Gasparo)

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Bernardo schien ein Kommentar auf den Lippen zu liegen, als der Kainit ihn ansprach, doch er überlegte es sich anders und verwies ihn respektvoll darauf hin der Magd zu folgen. Er selbst führte Crispianus in die Küche – verblieb dabei allerdings auch weiterhin recht Wortkarg. Erst als eine weitere Bedienstete auftauchte wurde dem Begleiter des Magisters sowohl Speis' als auch Trank angeboten, doch da er ablehnte musste er wohl zusehen wie die anderen beiden aßen. Und es roch zugegebenermaßen wirklich verlockend.

Von all dem bekam man in jenem Raum, der zum Atrium hin offen war, nichts mit. Avelina verfolgte die Vorstellung des Magisters mit einem weiterhin zarten Lächeln, und jenem neugierigen Leuchten in den Augen.
„Eine Selbstverständlichkeit, werter Magister di Como. Ich bin äußerst erfreut darüber einen weiteren Angehörigen vom Blut der Könige in dieser Stadt zu wissen.“ erwiderte sie auf seine Begrüßung hin. Tatsächlich lag dabei ein fast hoffnungsvolles Strahlen auf ihren Zügen, das erst recht nicht vergehen wollte, als sie das Pergament entgegen nahm. Der Vorsicht mit der sie das Schriftstück behandelte und dem erfreuten Lächeln als sie es betrachtete war zu entnehmen, dass er wohl ins Schwarze getroffen hatte was die Vorlieben der Viscontessa betraf.

„Ich danke euch vielmals für dieses Präsent. Tatsächlich kenne ich den Mythos. Die Lyrik und die Mythen der Alten sind eine Bereicherung meiner Nächte. Ein Quell der Inspiration.“ sie folgte ihm mit dem Blick und ließ ihm einen Moment das Fresko in Ruhe zu betrachten, während sie das Pergament auf ihrem Arbeitstisch ablegte.

„Wie es scheint teilen wir in dieser Hinsicht eine Leidenschaft.“ bemerkte sie mit einem sachten Schmunzeln, „Umso mehr erfreut es mich, dass ihr den Weg hier her gefunden habt.“
Sie selbst ließ den Blick einmal durch den Raum schweifen, bei den nächsten Worten.
„Es war mir ein Bedürfnis dieses Haus zu erhalten, fielen doch so viele der alten Mauern den Kriegen zum Opfer. Und jenes was nicht zerstört wurde, nutzte man zum Bau neuer Gebäude. Genua trägt unglücklicherweise sehr viele dieser Narben. Doch die höchst verehrte Majestät wird die Stadt zweifelsohne wieder erstrahlen lassen.“

Sie machte eine Geste hin zu den Sitzgelegenheiten.
„Nehmt doch Platz, werter Magister. Wünscht ihr eine kleine Erfrischung um euren Durst zu lindern?“
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