[1026] Das Blut der Fischer [Alain, Sofia]

[Alain le Beau]

Der Wald liegt still und leise vor Sofia. Das einzige, was sie hört, ist der Wind, der in den Zweigen raschelt. Ob die Finsternis ihn verschluckt hat?

[Sofia Caruso]

Was genau der jungen Frau durch den Kopf gehen mochte, war nur schwer zu erkennen. Zumal ihre Gesichtszüge ohnehin meist einen neutralen Ausdruck an den Tag legten und wenn, dann nur minimale Gefühlsregungen zeigten.

Sie macht einen zögerlichen Schritt auf den Wald zu und steht nun genau einen Schritt hinter der Baumgrenze. Ein letzter Blick zu ihrem Begleiter bevor sie einen weiteren Schritt in die Dunkelheit wagt.

"Alain?" ruft sie vorsichtig und tastet sich langsam vor, immer darauf bedacht, den Rückweg nicht aus den Augen zu verlieren.

[Alain le Beau]

Je weiter Sofia in den Wald hereintritt, desto mehr gewöhnen sich ihre untoten Augen an die Dunkelheit. Ein kleiner Trampelpfad führt zwischen den Stämmen hindurch, verliert sich irgendwo vor ihr in der Finsternis.

"Hier", hört sie leise die Stimme des seltsamen Jünglings. Irgendwo vor ihr. "Ich bin hier." Der seltsame Akzent lässt Sofia an Geschichten ihrer Kindheit denken, von seltsamen Feenwesen, die kleine Kinder in die Nacht locken. Kinder, die dann nie wieder gesehen werden.

[Sofia Caruso]

Sofia hält inne, lauscht dem Klang der Stimme, die vor ihr in der Dunkelheit zu vernehmen ist. Natürlich hatte sie darüber nachgedacht, wie vernünftig es wohl war, nachts in einen Wald zu gehen und einem Fremden zu folgen. Doch hatte sie auch darüber nachgedacht, wie unvernünftig es wäre, dieses Rätsel einfach entfliehen zu lassen.

Behutsam tastet sie sich weiter vor in den Wald, setzt vorsichtig Schritt vor Schritt und folgt dem Pfad, folgt der Stimme und folgt dem Rätsel.

[Alain le Beau]

Der Pfad ist tatsächlich, soweit Sofia das im Dunkeln erkennen kann, recht malerisch. Die Bäume neigen sich zu beiden Seiten und geben hier und da sogar einen wundervollen Blick auf den Sternenhimmel frei. Keine Zweige oder Steine lassen die nächtlicher Wandererin stolpern. Nach einer Weile beginnt gar, eine Nachtigall zu singen.

Als Sofia eine majestätische Eiche umrundet, sieht sie Alain. Allein. Keine Spur ist von den zwei grobschlächtigen Kerlen zu sehen, die ihm in den Wald gefolgt sind. Dafür sieht Sofia etwas anderes, das sie nicht erwartet hätte. Eine Mauer, mitten im Wald, sicherlich drei Meter hoch.

Der seltsame Jüngling steht vor der Mauer, die Hand nachdenklich ans Kinn gelegt und, soweit Sofia das erkennen kann, mit gerunzelter Stirn. "Ah", sagt er leise, als sie neben ihn tritt. "Sofia." Er blickt sie an und lächelt. "Ist das nicht seltsam?"

Ob er ihre Anwesenheit hier meint oder das Bauwerk vor ihm? Diese Frage bleibt offen.

[Sofia Caruso]

Sofia bleibt an der Eiche stehen, lässt den Blick über die Szenerie gleiten. Es fehlten zwei. Ruhig legte sie die Hände vor ihrem Körper wieder ineinander und nähert sich dann Alain. Ihr Begleiter folgt, dieses Mal jedoch mit etwas größerem Abstand, und hält die Umgebung sorgfältig im Blick.

Abwartend sieht Sofia ihr Gegenüber an. Eine rhetorische Frage...? Ihr Blick gleitet zu der Mauer. Oder meint er was anders?
Sie wendet sich ihm wieder zu.

"Was denn?" fragt sie sachte nach.

[Alain le Beau]

Ein kurzes Lächeln huscht über Alains Gesicht, dann zieht er die Augenbraue hoch und blickt Sofia an. "Die Mauer, natürlich." Er schüttelt leicht den Kopf. "Ich hätte gedacht, dass wir mittlerweile auf dem Strand stehen müssten. Stattdessen eine Mauer." Mit einem Mal stellt er sich auf die Zehenspitzen, aber natürlich reicht das bei weitem nicht, um über die Befestigung zu blicken.

Ein Blick nach rechts, dann nach links. "Dort entlang", sagt Alain und zeigt zu seiner Linken an der Mauer entlang. "Das muss der Weg zum Strand sein. Ich bin sicher!" Und ebenso sicher setzt er sich in Bewegung.

[Sofia Caruso]

"Ihr seid so flatterhaft, kein Wunder, dass der Wind es Euch angetan hat..." merkt sie an und schaut ihm einen Moment nach. Dann gleitet ihr Blick erneut über die Mauer, für die sie selbst natürlich auch zu klein war um auch nur ansatzweise herüber sehen zu können.

Sei es drum... Langsam setzt sich auch Sofia in Bewegung und folgt der Mauer zur Linken, während Alain schon ein gutes Stück vorausgeeilt war.

[Alain le Beau]

Kurz darauf hat sie ihn auch schon eingeholt, denn er steht mit der Hand an die Mauer gelehnt und schüttelt den Kopf. "Vielleicht müssen wir doch in die andere Richtung? Ich meine, wir sollten längst am Strand sein und in den Wellen tanzen, aber nein..."

Während Alain vor sich hinklagt, fällt Sofia etwas auf. Ein Stück vor ihnen, leicht von Efeu umrankt, ist eine Einbuchtung im Mauerwerk zu sehen. Eine Tür!

[Sofia Caruso]

"Ihr seid wahrlich zu ungestüm... Vielleicht habt Ihr die Orientierung verloren und nunja..." Sie schaut nachdenklich nach oben zu den Baumwipfeln. "Werdet den Strand heute nicht mehr finden."

Sie neigt den Kopf wieder, um ihn ansehen zu können, als ihr Blick an ihm vorbei fällt. Nachdenklich legt Sofia den Kopf zur Seite und mustert die Einbuchtung. Faszinierend... Allerdings nicht annähernd so faszinierend, wie der Fischersjunge. Sie wendet sich ihm wieder zu.
"Ich... ich würde vorschlagen, dass wir uns wieder dem ursprünglichen Vorhaben zuwenden und Ihr Euern Strand ein anderes Mal aufsucht..."