[1024] Feste feiern wie sie fallen [Achilla, Caspar (SL)]

[Februar '19]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

Benutzeravatar
Signora Achilla
Nosferatu
Beiträge: 1472
Registriert: Do 7. Feb 2019, 23:24

Re: [1024] Feste feiern wie sie fallen [Achilla, SL]

Beitrag von Signora Achilla »

Das war etwas, das Achilla berührte, die eigentlich einen ganz anderen Namen hatte. Für einen Moment wurde sie still wie jemand, der völlig unvorbereitet getroffen wurde.

“Geschichten”, sagte sie leise, “habe ich hunderte und mehr.” Das war auch wahr, in vielerlei Hinsicht. Da waren die Fahrenden und ihre Truppe und Geschichten waren das Handwerkszeug der Schausteller. Wer ein ganzes Leben - und länger noch - so zubrachte, der sammelte davon. Doch die Signora meinte nicht allein das, denn sie glaubte doch, dass es Caspar ganz ähnlich ging.

Sie hob die Hand an die Maske, die sie trug, und zog eine fette, braune Motte darunter hervor. Auf der flachen Hand hielt sie sie Caspar hin. “Hundert Masken, hundert Namen, hundert Geschichten, kleine und große. Einige alltäglich wie Straßendreck, andere wundersam wie Sternlicht im Spiegel. Ich trage sie alle in mir, wo sie wachsen und sich spinnen. Irgendwann kommen sie zum Vorschein. Jeder Einzelnen lausche ich, bevor sie in die Welt aufbricht, um dort zu sterben.”

Vage erinnerte sie sich daran, dass sie eine Maske für ihn mitgebracht hatte. Wo war die nur hin gekommen? Fahrig suchte sie mit der anderen Hand in den Falten ihres Kleides danach, eher verstohlen und verhalten.
“Ich könnte dir eine geben - zum Gruß und zum Austausch gegen eine über dich, schöner Herr. Denn von dir wüsste ich gern mehr.”
Und war das ein Wunder? Die Nacht mit all ihrem Zauber drehte sich um ihn, die Herzen der Menschen umher schlugen für ihn. Die Signora war sich sicher, dass sie taub sein müsste, um das zu überhören.
Niemand kann auf Dauer eine Maske tragen. (Seneca)
Benutzeravatar
Il Cavaliere
Erzähler
Beiträge: 2420
Registriert: Fr 14. Jun 2019, 23:47

Re: [1024] Feste feiern wie sie fallen [Achilla, Caspar (SL)]

Beitrag von Il Cavaliere »

Fasziniert betrachtete er die Motte und hob fragend eine Braue. "Was so ein kleines Wesen wohl für Geschichten zu erzählen vermag? Sternenlicht im Spiegel, ein schönes Bild. Doch was ist wenn etwas im Spiegel keine Entsprechung findet? Aber das ist eine Geschichte für eine andere Nacht."

Caspar trat einen Schritt zurück und deutete mit beiden Händen auf sich. "Ihr wollt also eine Geschichte hören über den Mann den ihr hier vor euch seht? Nun gut, warum nicht. Aber zuerst erzählt ihr, nach eurer Kunstfertigkeit will ich meine Geschichte bewerten. Dann haben wir eine Basis, und sehen weiter." Süß wie vergifteter Honig war da Lächeln des Ravnos, als er die Königin der Motten mit galanter Geste aufforderte zu erzählen.
Benutzeravatar
Signora Achilla
Nosferatu
Beiträge: 1472
Registriert: Do 7. Feb 2019, 23:24

Re: [1024] Feste feiern wie sie fallen [Achilla, Caspar (SL)]

Beitrag von Signora Achilla »

Achilla, die in Wahrheit nicht einmal so hieß, sah sich die Motte ebenso an. “Ich frage mich auch oft, was sie zu erzählen haben. Manchmal träume ich, dass ich es weiß. Dass ich sie höre. Eines Nachts werde ich es wissen und ihnen allen zuhören.”
Sie war sich nicht völlig sicher, weshalb sie ihm dies gesagt hatte. Es schien wie das Richtige und wie ein Versprechen. Auf eine gewisse Weise war es ein Versprechen an sich selbst oder an die vielen, vielen kleinen Leben in ihrem brüchigen Leib.

“Ich erzähle dir eine alte Geschichte, schöner Herr”, sagte sie ihm und zu seinem süßen, verführerischen Lächeln. “Vielleicht kennst du sie, auf die eine oder andere Weise. Doch nicht so.”
Für einen Moment schloss sie die Augen und lauschte auf das leise Knistern unter ihrer Haut. Es war überall, wo sie fraßen und nisteten, wuchsen und sich einsponnen.

“Es war einmal…”, begann sie die Geschichte wie unzählig viele Geschichten begonnen werden. “...ein schreckliches Monstrum, das im Schatten der Schönen und der Reichen lebte. Es lebte verborgen dort, weil niemand von ihnen gern in die dunklen Nischen ihrer schönsten, prachtvollsten Stadt sah. Und es war einfach, sich dort zu verstecken, denn die Stadt war so gleißend schön, dass all das Leuchten unweigerlich die tiefsten Schatten werfen musste.”

Die Signora begann ihre Geschichte, während sie noch mit der Erinnerung des Tanzes in den Beinen um ihn her schritt. Nun kam sie ungefähr vor ihm zum Stehen. Mit einem Fuß und ein paar groben Strichen zeichnete sie das Gesicht des Markuslöwen in den Straßendreck - das Zeichen der schönen Stadt, die fast so stolz war wie Genua selbst. Drei Striche hinter dem Löwenkopf stellten die Schwingen dar. Wer das Wappen kannte, würde es wissen. Wer nicht, der würde sich vielleicht am fantasievollen Bild freuen.

Sie reichte Caspar die Hand hin, wie zum Tanze: Handrücken an Handrücken, einmal um das Löwenwappen herum geschritten.

“Doch so, wie das hellste Licht die tiefsten Schatten wirft, so strecken sich die tiefsten Schatten nach dem Licht. Das Monster jedenfalls tat es und sah begehrlich dorthin, wo sie alle im Lichte wandelten. Immer wieder und wieder streckte es seine verrotteten, schwarzen Klauen nach ihnen aus. Doch was es auch berührte, das musste faulen und verrotten wie es selbst. Das machte das Monster schier wahnsinnig, denn es konnte nichts anlangen ohne es zu zerstören.”

Dem förmlichen Tanz nach müsste nun der Wechsel der Hände kommen, doch die Signora hielt inne. Sie machte mit dem Fuß - einem nachgezogenen Schritt - einen Strich unter das Löwenwappen. Darunter kam, in einer geschwungen-buckligen Linie, die gedrungene Gestalt des Monsters. Ohne ihre Worte dazu würde man es wohl nicht erkennen.

Und wieder hob sie die Hand, dieses Mal die andere, für eine weitere Runde im Tanz.

“Licht und Schatten können sich nicht berühren ohne dass das eine oder das andere vergeht”, erklärte sie milde. “Oder so hatte es das Monster jedenfalls doch bitter lernen müssen. Doch dann sah es eine der schönsten und jüngsten, der buntesten und lebendigsten Gestalten in der Stadt. Wie ein Schmetterling, sicher im nächsten Sommer schon verloschen oder alt oder rund um den Bauch, vom nächsten Balg.”

Die Tanzschritte, wie sie sie nun vormachte, waren lustiger und wilder und scherten sich nicht besonders um die Musik. Mit einer weiten Geste ihres freien Arms und einem Schwung ihres Kleides gab sie die Schmetterlinge der Geschichte frei. Die hatten bei Nacht keine Farbe, doch so war es eben.

“Und da griff das Monster zu, weil es nicht anders konnte. “Du musst ja nicht ganz das eine oder andere sein”, sagte es dem Schmetterling.” Als die Signora mit der Stimme des Monsters sprach, klang sie düsterer und rauer, wie die einer finsteren, alten Frau. Da klang auch ein Dialekt mit, italienisch zwar aber eher aus dem Osten.
“Doch das Mächen, das das Monster in Wahrheit gefangen hatte, konnte das schwerlich verstehen. Sie hatte den Kopf voller Wünsche, den Bauch voller Wein und Gelächter und ganz sicher auch Lust auf einen jeden von den Herzliebsten, die ihr den Hof machten. Ha!”

Die Signora machte dies nach, spöttisch mit der Maske vor ihrem Gesicht, und wiegte sich hin und her wie die schöne Maid, die sich zwischen ihren Liebhabern kaum entscheiden konnte.

“”Pack dich!” rief das Mädchen dem Monster zu. “Licht oder Schatten, was interessiert’s mich!”” Hier wurde die Stimme der Signora heller und klarer. Sie könnte wirklich von einer hübschen, jungen Frau stammen - wenn auch nicht von einer besonders freundlichen.
“Oh, wie zornig wurde das Monster da”, raunte die Signora dann und schauderte und schüttelte sich. “Und verzweifelt auch: Wie konnte die Schöne so hässlich im Herzen und mit Worten sein? Und die Maid lachte nur, denn wie erbärmlich schien auf einmal das schreckliche Monster aus dem tiefsten Schatten?”

“Und so kam es, wie es eben in dieser uralten, immer wieder neu erzählen Geschichte immer kommt: Sie gerieten aneinander und miteinander. Das Monster schlug seine Klauen und Fänge in das makellose Fleisch, die Schöne schrie und weinte und es nutzte ihr doch nichts. Doch ihre Tränen und ihr Weinen verletzten das Monster tiefer im Herzen als je einer es für möglich gehalten hätte. Beide bluteten. Auf eine Weise starben sie beide. Das ist die Hochzeit von Licht und Schatten, Stolz und Begehrlichkeit, Wunsch und Wirklichkeit.”

Die Signora zuckte mit den Schultern. “Genau dort, schöner Herr, als der Schmetterling zu sterben begann und die Fäulnis von den Klauen des Monsters kam, wurde der erste Nachtfalter geboren. Nichts für den Tag, Nachts für den Tanz, sehnt sich nach dem Licht. Lebendig in all dem Tod und Sterben, irgendwo dazwischen. Das ist die alte Geschichte, neu erzählt, für dich.”
Damit machte sie ihren Knicks und beendete ihre Vorstellung vor ihm.
Niemand kann auf Dauer eine Maske tragen. (Seneca)
Benutzeravatar
Il Cavaliere
Erzähler
Beiträge: 2420
Registriert: Fr 14. Jun 2019, 23:47

Re: [1024] Feste feiern wie sie fallen [Achilla, Caspar (SL)]

Beitrag von Il Cavaliere »

Er hörte zu, bewegte sich mit und das Lächeln in seinem exotischen Gesicht wurde mit jedem ihrer Worte tiefer. Tiefer, verführerischer, aber definitiv nicht ehrlicher. Was Caspar, der Fürst der thrakischen Lande, aber auch gar nicht versuchte. Er lächelte so wie es ihm gefiel.

"Eine wirklich schöne Geschichte, ich mag wie ihr die Worte benutzt. Wie ihr mit ihnen spielt. Licht und Schatten, Monster und Schmetterlinge. Wisst, dies könnte der Anfang einer wirklich großen Geschichte werden."

Irgendeine schwer deutbare Absicht lässt er erahnen, als der Ravnos mit weitschweifiger Geste Weiteres erfragen möchte. Selbst in der Art und Weise wie seine Hände sprechen spiegelt sich der Zauber fremder Lande. Mehr Morgen- als Abendland, jenseits selbst byzantinischer Gefilde.

"Bevor ich nun meinerseits zu einer Geschichte über diesen hier..." Er deuten mit beiden Händen auf sich, sein Gesicht, seinen Körper. "... ansetze um euer Herz zu erfreuen, möchte ich wissen ob es diesen Nachtfalter wie die meisten seiner Art magisch zum Licht der Flamme zieht? Oder ist es die tiefe Finsternis welche euch wie eine Flamme zu verzehren droht?"
Benutzeravatar
Signora Achilla
Nosferatu
Beiträge: 1472
Registriert: Do 7. Feb 2019, 23:24

Re: [1024] Feste feiern wie sie fallen [Achilla, Caspar (SL)]

Beitrag von Signora Achilla »

Mit der Frage kam die Signora ins Stocken und sie machte einen kleinen Schritt zurück, fort von ihm. Sie hatte schlichtweg keine Antwort darauf.
Und so hob sie die Schultern und auch die Hände an, in einer Geste der Ratlosigkeit: “Das klingt nach einer Frage, die ich vielleicht in zehn Jahren beantworten könnte… oder fünfzig oder hundert. Oder nie, schöner Herr. Heute Abend kann ich nur sagen: ich bin weder dem einen noch dem andern je nahe genug gekommen um’s zu wissen.”

Sie machte einen kleinen, unschlüssigen Seitenschritt. “Ihr müsstet mir mehr erzählen, wolltet Ihr eine bessere Antwort haben. Oder es bliebe nur diese: ‘Spielt’s eine Rolle, helles Licht oder tiefste Finsternis, solange es nur stark genug ist? Der Tanz gilt nicht der Moral, nicht Recht oder Unrecht, Gott oder Teufel oder der Farbe. Er gilt dem, was es wert ist, es zu schauen.’”
Niemand kann auf Dauer eine Maske tragen. (Seneca)
Benutzeravatar
Il Cavaliere
Erzähler
Beiträge: 2420
Registriert: Fr 14. Jun 2019, 23:47

Re: [1024] Feste feiern wie sie fallen [Achilla, Caspar (SL)]

Beitrag von Il Cavaliere »

Ein weiteres Lächeln, mehr nicht und doch beantwortete er wohl damit das Gesagte. Hatte sie da etwas erreicht, oder war alles nur schöner Schein? Das Lächeln wurde wieder schwächer und Caspars Miene trug nun eine gewisse Ernsthaftigkeit. Er deutete wieder auf sich. "Dieser hier erblickte in Gefilden östlich der Goldenen die Welt. Sein Leben, sein Sterben und Wiedererwachen in der Nacht waren geprägt von der Mühsal des Überlebens. Ein Wanderer zwischen den Städten, kostete verbotene Früchte und trieb so manches das besser unerwähnt bleibt. Wie ein Blatt im Steppenwind trieb der Mann ohne wirkliches Ziel dahin, bis ihn irgendwann seine Schritte unweigerlich ins herrliche Byzanz."

Ein Schulterzucken, fast schon entschuldigend, als würde er sagen wollen, dass letztlich alle Wege nach Ostrom führen würden. Dann legte der Ravnos theatralisch seine Hand auf die Brust. "Völlig überwältigt von der Pracht der Goldenen verblieb der Wanderer dort. Sein dunkles Verlangen jedoch wuchs und wuchs, diese Stadt bot Verheißungen wie keine andere Domäne. Fremd dort und nur ein kleines Licht in der strahlenden Dunkelheit hingen die meisten Früchte viel zu hoch für diesen hier. In seiner Verzweiflung irrte er durch die Gassen und Paläste..."

Mit geschlossenen Augen dachte Caspar wohl an die lang zurückliegenden Ereignisse, ein wohliges Lächeln auf den Lippen. Er öffnete die Augen. "Und dann fand er sein Glück, sein Unglück... sein Schicksal, in Gestalt eines wunderschönen Mannes. Es war wie Begehren auf den erste Blick. Der wunderschöne Mann spielte mit dem dunklen Verlangen, fütterte es, doch war er sich der Gefahr nicht bewusst. Schließlich kam es wie es kommen musste in Geschichten unerwiderten Verlangens: Es übermannte diesen hier und er tat dem schönen Mann Gewalt an, raubte ihm das Leben. Doch war er kein eiskalter Mörder, nicht mehr. Als der Mann den ihr hier vor euch stehen seht erwachte... verfolgte ihn die Untat auf Schritt und Tritt, alles in Byzanz erinnerte ihn an den Schönen und sein Bedauern war groß. So verließ er die prächtigste aller Städte und sucht nun sein Heil in der Fremde..."

Zum Schluss entfuhr Caspar ein Seufzer der entweder meisterhaft gespielt oder aber von echtem tiefem Wehmut zeugte.
Benutzeravatar
Signora Achilla
Nosferatu
Beiträge: 1472
Registriert: Do 7. Feb 2019, 23:24

Re: [1024] Feste feiern wie sie fallen [Achilla, Caspar (SL)]

Beitrag von Signora Achilla »

Und was spielte es schon für eine Rolle? Was ist wahr und was ist nur hübsche Fassade, Maskerade, seidenglatte Lüge oder schöne Geschichte?

Für die Signora machte es keinen Unterschied. Sie war ein Ding, das aus Masken gemacht war, aus Geschichten, aus Lack und Farbe, in Form geschnürt und genäht. Der eigene Körper war ausgehöhlt und mottenzerfressen, das eigene Leben längst verblichen, das eigene Gesicht zerfallen.
Was ist schon echt? Was ist wahr? Und wofür ist das von Wichtigkeit?

Wahrheit, so wusste die Signora seit sie die Masken aufgesetzt hatte, entstand in den Herzen und Köpfen der Menschen. Erinnerungen, so wusste sie nur zu genau, war nichts anderes als eine jedes Mal neu geformte Geschichte im Kopf der Leute, der Zuschauer. Alles war Schau, alles war Ablenkung, alles war Bühnenbild und kaum dicker als Farbe und Segeltuch.

Es gab ein paar Dinge, die echt waren. Eines davon war die Schönheit von der Sorte wie eben jene, mit der Caspar seine Geschichte erzählte. Die Signora kannte das Wandern und Treiben zwischen den Städten. Sie selbst hatte so lange, lange Jahre auf der Straße zugebracht. Keine Domäne heißt einfach so Neulinge willkommen. Sie kannte die Gefahren der Straße und sie konnte verstehen, wie es sein musste, auf einmal in eine so leuchtende, so sagenumwobene Stadt wie jene treten konnte. Oh, die Pracht…! Oh, die Verlockungen… .

Mit halb geschlossenen Augen folgte sie Caspars Geschichte und malte sich die Schönheit aus, die er beschrieb. Die Schönheit, die er beschrieb, die dunkle Versuchung, das Erwachen in der Nacht und dann jene Alpträume um ihn her, die in allem um ihn erwachen konnten. Es lag Sehnsucht in jener Geschichte. Da waren Reue und Gier, Flucht vor sich selbst und noch so viel mehr.
Die Signora Achilla, die in Wahrheit ganz anders hieß, konnte es sich ausmalen. Für sie, in jenem Moment, war die Geschichte so wahr wie alle anderen.

Ein Satz kam ihr in den Sinn, eine alte Weisheit der Fahrenden. Sie flüsterte:
“Kein Mann und keine Frau dieser Welt kann vor dem eigenen Schatten davonlaufen.”
Niemand kann auf Dauer eine Maske tragen. (Seneca)
Benutzeravatar
Il Cavaliere
Erzähler
Beiträge: 2420
Registriert: Fr 14. Jun 2019, 23:47

Re: [1024] Feste feiern wie sie fallen [Achilla, Caspar (SL)]

Beitrag von Il Cavaliere »

"Nein... das kann er nicht." Ein schelmisches Lächeln, garniert mit einem Hauch Boshaftigkeit und nah an der Grenze zum Hämischen, unterstrich die Worte des Ravnos und ließen unwillkürlich dir Frage aufkeimen was an dieser Geschichte richtig oder falsch war. Oder was in endlosen Schattierungen von Grau verblasste, verschwand oder aufging.

"Auch keine Frau kann ihrem Schatten davonlaufen... Andererseits: Wer sind wir schon absolute Wahrheiten in Sprüchen Fahrender, so weise sie auch sein mögen, zu suchen?" Das Boshafte war aus seinem Lächeln verschwunden und das charmant-schurkische hatte wieder die Oberhand. Caspars Linke hob sich und er schnipste mit den Fingern. "Hah! Wisst ihr dass es in Genua einst einen Mann gab der es doch geschafft zu haben schien? Fabrizio Begado, Schatten, Botschafter, König und Seeräuber. Und vermutlich noch einiges mehr. Der hatte keinen Schatten mehr. Leider wurde der Gute am letzten Hof der Höchstverehrten hingerichtet."
Benutzeravatar
Signora Achilla
Nosferatu
Beiträge: 1472
Registriert: Do 7. Feb 2019, 23:24

Re: [1024] Feste feiern wie sie fallen [Achilla, Caspar (SL)]

Beitrag von Signora Achilla »

“...und was ist schon die Wahrheit?” gab Achilla auf die wahrscheinlich eher rhetorische Frage Caspars zurück. Und das war auch eine ihrer Wahrheiten: Am Ende spielten sie keine Rolle. Es war wie mit “Recht” oder “Unrecht”, “Wahr” oder “Falsch”, “Gut” oder “Böse”.
Das wurde mit den leichthin gesprochenen Fragen der Signora recht deutlich: “Wen kümmert’s? Wer kann’s bezahlen? Und ist es das wert?”

Die Eröffnung über den fehlenden Schatten aber ließ sie mit der Zunge schnalzen. Der Laut war etwas zu trocken und dumpf, gelang nicht so recht.
“Dann hat ihn doch ein Schatten eingeholt. Wahrscheinlich seiner, wenn’s denn sein Ende war”, sinnierte sie mit einem Schulterzucken.

“Hier ist eine Wahrheit aller Fahrenden: Was man sich auflädt, in Wort oder Tat, Wunsch oder Wille, Eid oder Pflicht, das muss man mit sich tragen. Am einfachsten aber fährt es sich, wenn das Gepäck leicht ist.”
Hier zögerte sie, neigten den Kopf ein wenig und betrachtete den Ravnos neugierig.
“Schwer für unsereins, eh? Wir laden uns schon die Jahre auf und es wird ein wenig mehr mit jedem Jahrzehnt. Und in all der Zeit könnte man sich mit so vielem beschweren… .”

Ein wenig hob sie das Kinn und fragte dann: “Was ist deine größte Last, schöner Herr?”
Niemand kann auf Dauer eine Maske tragen. (Seneca)
Benutzeravatar
Il Cavaliere
Erzähler
Beiträge: 2420
Registriert: Fr 14. Jun 2019, 23:47

Re: [1024] Feste feiern wie sie fallen [Achilla, Caspar (SL)]

Beitrag von Il Cavaliere »

"Meine größte Last?" Lang und intensiv blickte der Ancilla der Wanderer, Brecher zahlloser Herzen und Meister der Täuschungen, der Signora in die Augen. "Meine größte Last bin ich mir selbst." Dabei vermittelte Caspar irgendwie das Gefühl hier einen seltenen Einblick zu gewähren, aus einer bestimmten Perspektive heraus einen wahrhaftigen Blick in sein Inneres zu gestatten. Oder war alles doch nur Lug und Trug?

"Es wird die Nacht kommen, da es Zeit wird weiterzuziehen. Mit leichtem Gepäck, ganz wie ihr sagt. Morgen, übermorgen oder in hundert Jahren. Genauso wichtig, wenn nicht sogar bedeutender, als das was wir mitnehmen wird dann das sein was wir zurücklassen. Welche Geschichte daraus erwachsen wird."

Unvermittelt, geradezu schlagartig, wurde er ernst


"Was ist deine schwerste Bürde? Ist sie der Grund deines Hierseins?"
Gesperrt

Zurück zu „1016-1025“