[1031] Unter den Armen des Hafens [Anastasia, Galeno]

[August '19]
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Nubis
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[1031] Unter den Armen des Hafens [Anastasia, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Des Nachts war im Hafen an sich nicht sonderlich viel los, wenn man einmal von den armen Leuten absah, die noch etwas von einem Schiff abladen mussten, oder jenen, die ihr Geld in den Hafenkneipen in Flüssiges umwandelten. In manchen Strassen Gassen herrsche sogar eine recht unangenehme Stille, man möge meinen, eine Totenstille. Nahrung war für so manch einen noch immer Mangelware, dieser Mangel führte zu Krankheiten und schlussendlich zum Tod. Oder aber eine Schlägerei zweier Biernasen war doch wieder etwas ausgeartet und hatte einem sogar das Leben gekostet. Es gab unterschiedliche Gründe, warum und wie einige sterben würden und nirgends war man sicher vor dem Tod.

Ein Totengräber, etwas mürrisch und in sich gekehrt, holte heute einmal wieder jene ab, die vergessen gegangen waren, die der Tod mit sich gerissen hatte. Arme Seelen, für die jede Hilfe zu spät gekommen war. Ihn begleiteten zwei Mönche, ein grosser, etwas beleibter und ein kleinerer. Beide hatten die Kapuzen ihrer Kutten ins Gesicht gezogen und bedachten jeden der Toten mit einem segnenden Schweigen.
Doch sie waren nicht nur hier, um den Toten ihre Aufwartung zu machen, sondern auch den noch lebenden. Der Jüngere von ihnen besah sich den einen oder anderen Bettler. Gab Ratschläge, um doch noch etwas Genesung zu erfahren, wer ganz arm dran war, erhielt ein kleines Stück Brot, um wenigstens etwas zwischen den Zähnen zu haben. Doch natürlich war dies nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Das wussten auch die Mönche. Und all zu viel hatten sie selbst nicht dabei. Eben jenes, was sie selbst entbehren konnten. Aber sie taten dies nun auch nicht immer, sparten immer etwas, um wieder einmal solch eine Tour durchführen zu können.
Manch einer erhielt den Hinweis, doch einmal einen Medicus aufzusuchen, man kenne einen, der auch Bürger mit wenig Mitteln behandeln würde, doch war fraglich, ob sie jemals zu diesem gehen würden. Gerade wenn das Geld nicht einmal für Essen reichte, war es schwer, sich für einen Medicus zu entscheiden.

Und so machten die Mönche ihre Runde, liessen sich dann irgendwann auch zurückfallen, denn zerteilen konnten sie sich nicht und schlossen irgendwann wieder auf, wenn es möglich war. Der Totengräber wartete ab und an auf sie, wenn sie doch etwas länger bei einem der Armen zu tun hatten.
Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen.
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Anastasia
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Re: [1031] Unter den Armen des Hafens [Anastasia, Galeno]

Beitrag von Anastasia »

Als die Mönche ihre Runde machten, sahen sie einen unglaublich hässlichen Mann, der scheinbar neu in der Stadt war. Er hatte ein Stück Brot unter drei aufgeteilt und war gerade gegangen.
Die Bettler sahen ihm mitleidig hinterher. Der Arme. So jung, und schon so unter der Fuchtel. Als sie weiter ziehen sehen sie an einer Hausecke eine Gestalt. Weiblich, so nimmt man an, Arme und Beine wohl mal gebrochen und nicht gut zusammen gewachsen, ein Schleier vor ihrem Gesicht. Sie kauert dort, wie andere Bettler auch. Auch sie seht ihr zum ersten mal.
I saw a creature, naked, bestial,
Who, squatting upon the ground,
Held his heart in his hands,
And ate of it.
I said, "Is it good, friend?"


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Nubis
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Re: [1031] Unter den Armen des Hafens [Anastasia, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Die Mönche hatten nicht viel Zeit, sich mit allen sehr lange auseinander zu setzen, weswegen ihnen wohl der Mann zwar unbekannt vor kam, aber das waren viele. Städte lockten nunmal Bettler an, denn nur hier konnte man vielleicht noch etwas bekommen, auch wenn man eigentlich nicht erwünscht war. Vor allem nicht vor den Geschäften von Händlern und Handwerkern oder vor den Villen der hohen Herren.

Irgendwann kamen sie auch zu der Bettlerin, die krumme Beine zu haben schien, einen Schleier trug und nicht sonderlich auffällig zu sein schien. Auch ihr wollte der grössere, beleibtere Mönch ein Stück Brot reichen, während der kleinere von ihnen kurz ihren Körper musterte. Warum trug sie einen Schleier? Manch einer verborg dahinter faulige Zähne, selten unter Bettlern ein gar hübsches Gesicht. Was war mit den Beinen passiert? Welch Schicksal da wohl dahinter steckte?

"Fehlt euch etwas? kann man euch, ausser mit etwas Brot noch anderweitig helfen?" Diese Frage hatte der junge Mönch mit seiner bezaubernd klaren und melodisch hohen Knabenstimme heute Abend schon so vielen gestellt. Nun auch ihr.
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Anastasia
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Re: [1031] Unter den Armen des Hafens [Anastasia, Galeno]

Beitrag von Anastasia »

"Warum tut ihr das?" Fragt die sehr junge Battlerin mit einer angenehmen Stimme, lispelnd, während sie das Brot dem Bettler neben ihr reicht. Sie steht auf. "Und kann ich helfen?"
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Anastasia
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Re: [1031] Unter den Armen des Hafens [Anastasia, Galeno]

Beitrag von Anastasia »

Sie betrachtet die Mönche genau, interessiert, neugierig.

____________________________________________(Wahrnehmung +Aufmerksamkeit)
@🎭  Anastasia (Krissa): 5d10 = (10+3+10+5+2)
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Nubis
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Re: [1031] Unter den Armen des Hafens [Anastasia, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Es war sonderbar, dass sie das Brot einfach weiter reichte. Selten solch ein Anblick unter Bettlern, denn noch eines würde sie sicherlich nicht bekommen.
Doch es schien die Mönche auch nicht all zu sehr zu beirren.

"Nun," meinte der kleinere von beiden, "ein jeder verdient ein paar Gaben, nicht wahr? Also wenn wir etwas teilen können, teilen wir es. Wenn wir helfen können, helfen wir. So dienen wir unserm Herrn mit dem, was wir beisteuern können."

Die Sicht auf die Mönche blieb sehr verborgen. Die Kutten machten es beinahe unmöglich etwas wirklich sonderbares an ihnen auszumachen. Es waren eben Mönche, gekleidet in dunklen Kutten mit einem Kreuz um den Hals, welches bei dem grossen deutlich zu erkennen war, bei dem Kleinen wohl fehlte. Dieser hatte allerdings um das Handgelenk einen Rosenkranz aus Holzperlen gewickelt und zeigte er seine Finger, so waren diese schlank, fast schon dürr. Als würde der Mönch selbst Hunger leiden. Der Grüssere von ihnen dagegen war gut genährt, was man schon an seinem Leib sehen konnte und auch seine Finger sahen gesund aus, trugen Schwielen härterer Arbeit, wie der in einem Garten zum Beispiel und waren rosig anzusehen, nicht so bleich. Auch bei der Übergabe des Brotes hatte man eine gewisse Wärme spüren können, die seinen Händen inne wohnte.

Und dennoch, je länger sie sich hier aufhielten, umso mehr schien es, dass es kühler wurde. War die Nacht gerade einfach kälter geworden?
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Re: [1031] Unter den Armen des Hafens [Anastasia, Galeno]

Beitrag von Anastasia »

"Es ist auffallend. Ihr seid nicht die Einzigen, die helfen. Das fand ich ungewöhnlich, kümmern die Menschen aus der Gosse eigentlich niemanden." Sie sieht den Wagen an. "Was macht ihr mit ihnen?"
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Nubis
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Re: [1031] Unter den Armen des Hafens [Anastasia, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Er blickte zu dem Totengräber.
"Ich denke, er wird seinem Beruf nachgehen und die Toten beerdigen. Vielleicht werden von dem einen oder anderen noch Familienangehörige gefunden oder melden sich. Es wäre doch nicht gut, sie hier liegen zu lassen oder?"
Er legte den Kopf etwas schief.
"Es ist ungewöhnlich, dass andere helfen? Hier in Genua denke ich nicht. Es gibt einige gute Seelen, die auch den Ärmsten der Armen versuchen zu helfen."
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Anastasia
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Re: [1031] Unter den Armen des Hafens [Anastasia, Galeno]

Beitrag von Anastasia »

"Da wo ich herkomme.. ist es nicht üblich. Darf ich ein Stück mit euch laufen?"
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Nubis
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Re: [1031] Unter den Armen des Hafens [Anastasia, Galeno]

Beitrag von Nubis »

Beide Mönche nickten. "Ja, warum nicht." meinte der grössere von ihnen.
Sie setzten sich somit auch in Bewegung, Richtung des Karren mit den Toten darauf. Es waren nun nicht ein ganzer Haufen, aber jede tote Seele war eine zu viel.
"Und woher kommt ihr, wenn ihr nicht aus Genau stammt? Warum seid ihr hier? Hattet ihr auf bessere Umstände gehofft?" Wieder war es der Kleinere, der diese Fragen stellte. Entweder interessierte es den grösseren nicht, oder aber er gehörte eher zu den stilleren Brüdern.
Solange sie noch Brot hatten, und das war wirklich nicht mehr viel, würden sie bei jedem Bettler Halt machen und ihm ein Stück abgeben. Und die Bettler würden weiterhin gemustert werden.
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