[1034] Lehren der Etikette [Iulia, Maximinianus (SL)] [Hoftag]

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Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Iulia Cornelia
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[1034] Lehren der Etikette [Iulia, Maximinianus (SL)] [Hoftag]

Beitrag von Iulia Cornelia »

„Gute Manieren wollen nicht wie eine Kunst ausgeübt, sondern unbewusst geübt sein.“, schrieb Jemand einst, doch wieviel Übung dies bedurfte wurde oft verschwiegen oder gar fahrlässig unterschätzt, weshalb es weitaus mehr freie Künstler in der Welt gab, als wahre Könner ihres Metiers.

Schweigend und eisig waren meine blaugrauen Augen auf der Frau gelegen, welche derart dreckig und für mich so unbegreiflich unfertig vor Aurore gekniet hatte. In einem nur schwer zu verheimlichendem Missfallen hatte sich meine Nase unwillkürlich dabei gerümpft. Doch ich wusste dies war weder der richtige Zeitpunkt noch Ort, um mit meinen Gebaren anmaßend wirken zu wollen. Zumal mich zu Recht das ungute Gefühl eines scheltenden Blicks oder gar unausgeführten Nackenschlags ereilt hatte, für meine eigene zu schwachverhüllte Offenheit.

Und so hatte ich umgehend meinen Kopf gesenkt vor Jenen, deren alte Augen kritisch auf mir lagen. Mit spitzen Fingern zupfte ich wiederholt mein eigenes, weißes Kleid feinsäuberlich zurecht, während ich selbst an mir herabsah. Nein, ich wollte in einer solchen Nacht nun wirklich keinen eigenen negativen Eindruck hinterlassen, auch wenn ich bereits ahnte, dass dies wohl ein Ding der Unmöglichkeit sein würde.

Entsprechend hielt ich meinen Kopf etwas gesenkter, als sich die Tore öffneten, während mein Äußeres und meine Haltung weiterhin freundlich und aufgeschlossen geblieben waren. Interessiert verfolgte ich die Eintretenden, während ich aufmerksam die vielen Kleinigkeiten und Details in mir aufnahm, die es hierbei für mich zu sehen gab. Wie sich ein Jeder präsentierte und sich selbst bestmöglich darzustellen versuchte.

Mein Blick war dabei unaufgeregt und dezent über die nach mir Ankommenden gewandert, während ich mich vor einem Jedem dem Status angemessen verneigt hatte, dessen Blick länger auf mir verweilt war, nachdem sie Aurore begrüßt hatten. Ich selbst ging jedoch auf Niemanden von mir aus zu, geschweige denn forderte ich mit Blicken oder Gesten Jemanden zu einem Gespräch auf. Dies wäre schließlich nicht nur wahrlich dreist von mir gewesen, sondern für ein Kind auch schlichtweg unangemessen. Stattdessen behielt ich mein Lächeln bei und achtete auf kleine Gesten, so mich doch widererwarten Jemand zu sich bitten oder sich mir gar selbst zum Gespräch nähern würde. Dabei war es nur allzu verständlich, dass meine blaugrauen Augen manche Kainiten öfter, länger und neugieriger streiften als andere, schließlich wusste ich wessen Blut durch meine Adern floss und was von mir erwartet wurde.
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Il Canzoniere
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Re: [1034] Lehren der Etikette [Iulia, Maximinianus (SL)] [Hoftag]

Beitrag von Il Canzoniere »

Einer derjenigen der sie ein wenig interessierter musterte als andere, war ein hagerer Mann mit einer äußerst vorbildlichen Haltung, auf dem Rücken gekreuzten Armen, einem dunklen Priestergewand und einem intensiven, ernsten aber nicht sonderlich feindseligem Blick. Er hielt sich bisher noch abseits, verneigte sich nur dann und wann als jener oder dieser durch das Eingangsportal trat und behielt es offenbar stets im Blick. Die Position im Raum war gut gewählt. Er hatte sowohl den Eingang als auch Aurore im Blick. Außerdem einen guten teil des restlichen Geschehens.

Warum er ausgerechnet Iulia mit seinem prüfenden Blick bedachte, mochte den meisten so verborgen wie auch gleichgültig sein. Der für die Domäne einst so wichtige Mann hatte offenbar nur noch einige alte Bekannte im Raum wie es schien und konnte daher recht ungestört weiter zu Iulia hinüberschauen um ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen. Falls sie einen Blick riskieren würde glitt seine Hand bestimmt wie auch einladend aus und deutete mit der offenen Handfläche auf den Boden neben sich. Eindeutig eine einladende Geste.

Von dieser Geste schien sonst niemand Notiz zu nehmen. Niemand außer zwei kleinen Äuglein aus der Ecke des Clan des Todes. Die jeden der gewählten Schritte missmutig betrachteten.
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Iulia Cornelia
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Re: [1034] Lehren der Etikette [Iulia, Maximinianus (SL)] [Hoftag]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Ich verspürte dieses undefinierbare Kribbeln. Dieses undeutliche Gefühl, als alte Augen länger auf mir verweilten. Aufmerksam sah ich mich weiter um, bis ich ihn als Ursprung dessen erkannte. Aus der Ferne und ohne ihm dabei in die Augen zu blicken, ließ ich ihm die Aufmerksamkeit zukommen, die angebracht war.

Seine darauffolgende Bewegung der Hand zog meinen Blick wie magisch an. Kurz verweilten meine blaugrauen Augen auf ihr, bevor ich wieder zurück zu seiner Person sah und sehr dezent nickte. Ja, ich hatte seine einladende Geste wahrgenommen und gedachte dieser unverzüglich nachkommen, indem ich ohne zu zögern und angemessen zügig den Raum in seine Richtung durchquerte.

Gleichermaßen vorausschauend wie auch bedacht, glich mein Weg trotz der noch verhältnismäßig wenigen Anwesenden bereits einem gewissen Spießrutenlauf der Etikette. Gerade auf Grund der möglichen neuankommenden oder anderen, unvorhersehbar bewegenden, Gästen. Federleicht versuchte ich meine Schritte zu lenken und mein Äußeres entspannt zu halten, während ich innerlich höchst konzentriert war, um keine Fehler zu begehen. Ich wollte nicht enttäuschen oder mich gar der Erziehung als nicht würdig erweisen, die ich bisher genossen hatte.

Bevor ich den Priester andächtigen Schrittes erreichte, dachte ich kurz darüber nach, wie mächtig und bemerkenswert vielschichtig seine derart kleine Geste doch gewesen war. Dann verlangsamte ich jedoch meinen Gang, während ich auf möglicherweise anderslautende Zeichen von ihm achtete. Im ausreichenden und entsprechenden Abstand blieb ich vor ihm ansonsten ruhig stehen, um mich unverzüglich erneut angemessen lange und tief zu verneigen. Nachdem ich ihm stumm Ehrerbietung erwiesen hatte, richtete ich meinen hochgewachsenen Körper auf, behielt jedoch mein Haupt leicht und meinen Blick in Richtung des Kreuzes meines Gegenübers gesenkt.

Ich verweilte unaufdringlich und respektvoll bei ihm ohne ihm dabei den Blick auf Wichtiges zu verstellen. Eine liebevollstrenge und unnachgiebige Hand hatte meine innere Haltung diesbezüglich geformt und geprägt, so dass sie mir zum völlig normalsten Zustand der Welt geworden war. Diese Erziehung spiegelte sich in meiner äußeren Haltung wider, als ich nicht wartete, sondern vielmehr dezent darauf achtete, welche anweisende Gesten und Worte oder ein entgegenkommendes Zeichen selbst sprechen zu dürfen, ich von ihm möglicherweise erhalten könnte.
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Re: [1034] Lehren der Etikette [Iulia, Maximinianus (SL)] [Hoftag]

Beitrag von Il Canzoniere »

Der stechend intensive Blick aus den haselnussbraunen Augen wanderte die Figur des Iulias bereits ab, als sie näher kam. Offenbar auf der Suche nach irgendetwas. Regungslos stand er da und sah sie herannahen. Was in seinem Kopf vorging war weder ersichtlich noch zu erraten. Steif und kalt wirkte sein äußeres, auch wenn da noch mehr hinter stecken mochte. Vielleicht war dieses Treffen etwas das ihn mehr anspannte als sowieso schon. Vielleicht war es etwas anderes.

Erst als Iulia ihn erreichte, drehte er die linke Schulter leicht von ihr weg, so dass sich ihr sein Oberköper zuwandte. Einen Moment ließ er sie warten, dann nickte er. Als ob er ihr für irgendetwas die Erlaubnis erteilte, ehe er selbst gedachte mit dem Sprechen zu beginnen.

Währenddessen mochte es durchaus so sein das sie sich auf einem Prüfstand fühlen konnte. Als ob er seinen ersten Eindruck auf einem anderen Parkett zu machen pflegte als mit schnöden Worten. Es schien als achte er eher darauf was jemand tat als darauf was jemand schnöde dahinredete. Taten statt Worte. Eleganz statt Eloquenz. Es gab mehr als eine Möglichkeit etwas zu sagen und etwas nicht zu sagen.

Er hingegen hatte sich gerade soweit gedreht das er allen signalisierte das hier eine private Unterhaltung stattfand und dennoch die Bereitschaft da war sie jederzeit abzubrechen, sollte jemand anderes im Saal, der dies fordern konnte, dies im Sinn haben. Seine Position war kaum verändert. Er hatte einen guten Blick auf den Großteil des Geschehens. Iulia hingegen stand nun mit dem Rücken zu einem Großteil der Angelegenheit, konnte dafür den Teil des Saals sehen dem der Benediktiner den Rücken zuwandte.

Beinahe gab es ein stilles Einverständnis, völlig ohne Worte, dass man den anderen vorwarnen würde, falls die heiligen Etikette dies verlangen würden. Hatte er sie herangerufen um ein Gespräch zu führen? Oder als zusätzliches paar Augen welche ihm ermöglichen sollten auch den Bereich in seinem Rücken wahrzunehmen? Oder gar beides?
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Iulia Cornelia
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Re: [1034] Lehren der Etikette [Iulia, Maximinianus (SL)] [Hoftag]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Es war gefühlt eine seltsame Situation, in die er mich gebracht hatte und in der ich mich nun dank ihm befand. Keine, in welcher sich ein unerfahrenes Kind jemals hätte wohlfühlen können. Selbst für einen Neugeborenen mochte das kribbelnde Gefühl, dass sich unweigerlich dadurch ergab, so man gezwungen wurde mit dem Rücken zu einem Saal voller Raubtiere zu stehen, alles andere als angenehm und wohltuend sein.

Dennoch hielt ich es aus und erst als mich sein Nicken erlöste, begann ich mich ruhig zu bewegen. Völlig ohne jegliche Hast oder gar Eile tat ich einige kleinere und bewusst gesetzte Schritte, um mich zu ihm und dem Geschehen neu zu positionieren. Während sich mein Unterkörper dabei wie in einem lange und geduldig einstudierten, höfischen Tanz anmutig bewegte, verblieb mein Oberkörper ihm stets zugewandt. In einer Position, in welcher ich nicht länger gänzlich mit dem Rücken zu einem Großteil der Angelegenheit stand, ließ ich meinen langsamen Tanz ausklingen.

Meine Hüfte war nun deutlicher zum Geschehen gewandt und nur leicht hatte ich den Oberkörper mit eingedreht, so dass ich nun dem Priester nicht länger direkt gerade und somit damit beinahe konfrontierend mit meinem Körper gegenüberstand. Vielmehr schien es fast so, als befände sich zwischen uns nun ein unsichtbarer Spiegel, an dem sich seine eingenommene Geste unmittelbar auf mich reflektierte.

Ich musste darauf verzichten, den Eingang im Blick haben zu können, denn ich empfand es als unverzeihlicher, so ich ihr länger den Blick auf meine Schulter oder gar den Rücken zugemutet hätte, auch wenn wir nicht unmittelbar oder gar im direkten Blick des Prinzen von Genua gestanden waren.

In meiner neuen Position beleidigte ich Niemanden unmittelbar oder direkt, während ich noch immer den Bereich über seiner Schulter hinweg gut wahrzunehmen konnte. Auch bekam ich die Neuankömmlinge mit, schließlich bewegten sich alle zu Aurore hin, bevor sie sich von ihr entfernten und sich von dort aus verteilten.

Das stille Einverständnis und der privatere Charakter unserer Begegnung verblieb bestehen, während ich weiterhin schwieg und ich mich ganz seiner Führung in diesem unserem heutigen Tanz anvertraute.
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Re: [1034] Lehren der Etikette [Iulia, Maximinianus (SL)] [Hoftag]

Beitrag von Il Canzoniere »

Er schien ihre Standwahl zu akzeptieren, ja mit einem durchdringenden Blick gar zu analysieren ehe sein Blick über ihre Schulter erst zu einem Punkt und dann zu einem anderen glitt. Wenn er dort ansah konnte sie nicht erkennen, befanden sich die beiden doch nicht direkt in ihrem Blickwinkel.

Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Iulia zu. "Angenehm euch kennen zu lernen. Ich sehe ihr wurdet bereits auf diesen Abend vorbereitet. Man bat mich einige letzte Korrekturen vorzunehmen, aber ich muss sagen ihr macht das ziemlich gut. Gute Haltung, sicherer Stand, ihr kränkt niemanden unnötig und haltet den Kopf oben. Um genauer zu sein macht ihr bereits jetzt drei Viertel der Genuesen nass. Darunter auch eine bedenkliche Anzahl der Älteren." unverkennbar war da Spott in seiner Stimme. Und wieder flog sein Blick über ihre Schulter, diesmal jedoch, soviel ließ sich erkennen, um jemandem mitzuteilen das man über ihn redete.

"Wenn es gleich soweit ist werdet ihr euch zuerst vor den eigenen Leuten verneigen. Aurore. Ihr streift Playtnus mit dem Blick, verneigt euch dann jedoch vor Blandus von Nizza - Liutprand von Savona - Markus von Ansbach - Adalbert von Schwaben und dann erst vor Platynus. Dann erst folgt ihr den üblichen Regeln der Hierarchie. Es ist wichtig das die Könige euch akzeptieren und ihr sie vor alle anderen stellt, andernfalls werdet ihr Probleme verursachen deren Folgen sich nicht abschätzen lassen." er blickte sie einen Moment an, wohl lediglich um ihr eine Bestätigung abzuverlangen, dann warf er ihr einen durchdringenden Blick zu. "Haltet euch heute außerdem von den Lasombra fern. Man wird euch ziemlich genau beobachten. Vermeidet Blickkontakt und stellt euch so lange blind wie ihr könnt." Kurz hielt er inne, dann verschränkte er die Arme erneut hinter dem Körper.

"Fragen?"
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Re: [1034] Lehren der Etikette [Iulia, Maximinianus (SL)] [Hoftag]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Ich war sichtlich angetan von meinem Gegenüber. Seinem Auftreten, seiner Wortwahl, wie auch dem äußerst schön klingenden Kompliment, mit welchem er mich bedacht hatte. Gerade da es von Jemand wie ihm stammte, der die Erfahrung hierin bis in die kleinste Haarspitze derart natürlich auszustrahlen vermochte, machte mich glücklich. Es bestätigte mich darin, weiterhin auf dem richtigen Weg zu sein und dass die unzähligen Stunden des Übens nicht vergebens gewesen waren. Womöglich war es eben gerade deshalb, weshalb mich seine nachfolgenden Worte derart überraschend getroffen hatten, bissen sie sich doch mit dem, was ich bisher als die richtige Reihenfolge erachtet hatte. Trotz allem war dies eine überaus interessante Anordnung, die er mir da vorschlug. Eine, welche meine Familie über alles stellen würde, aber doch auch eine, welche mehrere Prinzen öffentlich zu beleidigen vermochte oder zumindest ein schlechteres Licht auf meine Erziehung werfen konnte. Letztlich war es eine Entscheidung, welche meine Zukunft unweigerlich prägen würde.

Zwar kroch das unangenehme Gefühl durch meinen Körper, damit womöglich erneut geprüft zu werden, doch ich verstand auch, dass meine unsteten Gedanken über die Wahrheit, die Absichten, die Folgen, die Probleme und die Befürchtungen für mein Gegenüber nicht von Bedeutung sein würden, denn er stellte mich mit seinem konsequenten Handeln nicht vor die Wahl, ob ich jemanden womöglich damit beleidigen wollen würde, sondern nur wen, wann und wie. Ich spürte, wie sein Blick auf mir lag, als er von mir eine Bestätigung dessen abverlangte, doch ich zuckte nicht unterwürfig zusammen. Stattdessen führte ich meine Hände bewusst zwischen unsere Körper und zupfte mit meinen feingliedrigen Fingern, den Stoff meines Kleides an den Ärmeln zurecht. Dann erst bot ich ihm diese in einer respektvollen Geste offen dar.

Ja, ich wollte Teil der Familie sein und würde tun was nötig war, denn ich vertraute auf meine Familie. Darauf, dass sie diese Geste schätzen, gutheißen und unterstützen würde und dieser Fehler nicht dazu führen würde, dass entschieden werden musste, ihr Blut solle besser den Boden in dieser Nacht tränken, als dass es von mir weitergetragen werden durfte. Ich war bereit zu geben und zu empfangen, denn ich wollte angenommen werden und angenommen sein. So dies bedeutete, eine solche Geste hier und heute zu zeigen, würde ich sie mit einem derartigen Selbstverständnis und einer inneren Überzeugung vollziehen, dass sich alle anderen unweigerlich fragen mussten, wer es eigentlich war, der sich hierbei irrte. Und so ließ ich mich willig von ihm in Gebiete leiten, in denen ich nicht ohne Akzeptanz und Fürsprache bestehen würde. Doch ich fürchtete mich nicht, denn ich wusste, wem ich gezeugt worden war. Meine blaugrauen Augen wanderten auf seine Hand ab, während ich mich fragte, ob er es mir wohl erlauben würde, meine Bewunderung und meinen Respekt vor ihm, in einem Handkuss derart öffentlich zu bezeugen. So er mir seine Hand gereicht hätte, hätte es mich sichtlich erfreut, doch ich bedrängte ihn nicht damit und auch bei einem Nein, war ich nicht enttäuscht. Die Verneigung war ebenso respektvoll wie tief, auch ohne die Hand dabei zu küssen. Ich würde handeln, wie er es mir angeraten hatte und die Könige vor alle anderen stellen. Nicht nur heute, sondern immer.

Als ich mich erneut aufgerichtet hatte, wanderte mein Blick auf sein Kreuz zurück. Aufmerksam hörte ich ihm zu, bevor ich auch seine zweite Anweisung verstehend und ohne Widerwillen abnickte. Nachdem er seine Hände hinter dem Rücken verschränkt und mich gefragt hatte, ob es noch Fragen gäbe, dachte ich kurz nach, bevor ich erneut langsam, aber deutlich und ohne Scheu nickte. Ja, ich hatte Fragen. Wie konnte ich auch keine haben als Kind? Die Frage war eher, ob er sich hier und heute tatsächlich die Zeit nehmen wollen würde oder ob es nicht vielmehr die reine Höflichkeit gewesen war, die ihn dieses eine Wort hatte sprechen lassen.
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Re: [1034] Lehren der Etikette [Iulia, Maximinianus (SL)] [Hoftag]

Beitrag von Il Canzoniere »

Sein Blick lag einen Moment bohrend auf ihr, dann neigte sich sein Körper kaum merklich nach rechts, schob ihr einige Zentimeter Vorderseite zusätzlich gegenüber. Mit einer gestattenden Handgeste erteilte er ihr das Wort. Welche der in ihr schwärenden Fragen sie zum Ausdruck bringen würde schien ebenso Teil des Spiels zu sein wie jene die nicht gestellt wurden.

Kurz flog sein Blick zum Eingang, wo noch einige letzte Nachzügler für heute Abend eintrafen, dann wandte er sich wieder ihr zu. Offenbar schien er, trotz all der Anwesenden, sie für den interessantesten Gesprächspartner zu halten. Oder mehr noch: vielleicht verfolgte er gar weitere Ziele, über die zu erahnenden hinaus, welche dieses Gespräch hier notwendig machte. Dem kühlen Mann mit seiner harten Mimik und der schwarzen Robe mochte man abseits davon keinen Grund ansehen weshalb er sich ausgerechnet mit ihr besprechen sollte. Sponnen sich doch die Spinnenetze der italienischen nächtlichen Gesellschaft wie Seile durch den Raum an denen sich jemand wie er entlangbewegen konnte.

Es war eine merkwürdige, zweigeteilte Aufmerksamkeit die er ihr da schenkte. Zum einen war er hier, bei ihr. Zum anderen stand er alleine im Raum, nickte hier, ließ dort den Blick abschweifen. Als ob ein Teil von ihm auf etwas lauern würde, sofort auf etwas reagieren zu können was für niemandes Auge zu erkennen war, während der andere Teil seiner Person sich völlig alleine mit ihr hier befand wie auf einem Spaziergang durch einen verwinkelten Garten. Ungestört von allen Blicken. Gleichzeitig stand er dort ruhig und für jeden gut sichtbar. Als ob er sie gar für irgendetwas - oder jemanden - reservierte.
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Re: [1034] Lehren der Etikette [Iulia, Maximinianus (SL)] [Hoftag]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Ich fühlte mich in seiner Gegenwart trotz seiner Kühle und seiner harten Mimik offenkundig nicht unwohl. Oder zumindest nicht sichtlich unbehaglicher als zuvor. Daran konnte auch sein bohrender Blick, mit dem er mich bedachte, bevor er sich weiter zu mir zugewandt hatte, nichts verändern. Stattdessen ruhte mein Körper noch immer in seiner völlig aufrechten Haltung und zeigte kein Anzeichen von Zweifel an meinem Nicken oder gar Angst davor, ihm womöglich eine unangenehme Frage zu stellen.

Mein Gesicht war noch immer von diesem warmen Ausdruck geprägt, während meine Körperhaltung offen, respektvoll und auch in gewisser Weise ihm zugetan geblieben war. Etwas, was wenig verwunderlich war, machte er es mir doch geradezu leicht, gerne und willig an seiner Seite zu sein, um mit ihm hier spazieren zu gehen. Schließlich genoss ich die entstandene und dadurch auch in gewisser Weise mir zu Teil werdende Aufmerksamkeit durchaus.

Doch vor allem anderen wollte ich seine Augen auf mir und so begann ich trotz der erteilten Erlaubnis zu sprechen nicht durch sein vorheriges Gebaren womöglich verunsichert unkontrolliert vor mich hinzuplappern. Stattdessen geduldete ich mich, bis sein Blick wieder vom Eingang zurück zu mir gekehrt war. Erst als er auf mir allein lag, oder dies zumindest zu tun schien, öffneten sich meine Lippen.

„Würdet ihr mir wohl weiterhin das Vergnügen eurer Gesellschaft erweisen, bis es gleich soweit ist?“ fragte ich furchtlos in Latein und mit einer warmen Stimme, die die Frage mit einem nicht minder angenehmen Lächeln begleitete.
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Re: [1034] Lehren der Etikette [Iulia, Maximinianus (SL)] [Hoftag]

Beitrag von Il Canzoniere »

"Wenn es sich einrichten lässt. Dieser Hof ist außerordentlich dynamisch. Die Konstellation der Gäste explosiv und sich dennoch aufwiegend. Ich hatte die Freude ihrer Majestät bei der Auswahl über die Schulter blicken zu dürfen und habe einiges lernen können. Diese Tedesci einzuladen ist wirklich geschickt gewesen. Seht euch an wer noch alles gekommen ist. Mit einigen hätte ich wirklich nicht gerechnet." sein Blick glitt, für den Augenblick einer Sekunde zu Kometioloes hinüber, der keine anderthalb Meter von Nicolo stand und ins Leere zu starren schien.

"In wie weit seid ihr in die norditalienische kainitische Politik eingeweiht? Ein kleiner Exkurs darüber weshalb es eine gute Idee war, würde mich interessieren. Es gibt mehrere Dimensionen heute Abend. Ich würde gerne wissen welche ihr bereits seht und bei welcher ich euch einen Wink geben könnte. Heute Abend könnt ihr mehr über unsere Gesellschaft lernen als in den letzten fünfzig Jahren. Wenn ihr genau hinschaut und hier und da einen kleinen Brocken Wissen ergänzt." die Hände hinter dem Körper verschränkt glitt sein Blick, als würde er nun nur ihrer Stimme lauschen, zu Boden. Oder suchte er dort unten etwas? Lauschte er ihr? Oder benutzte er sie lediglich als Tarnung, um anderen heute stattfindenden Gesprächen seine volle Aufmerksamkeit zu gönnen?

Die unheimlich glatte Maske die er trug ließ weder das eine noch das andere erkennen. Aber es mochte vielleicht auch daran liegen das er auf diesem Parkett mehr zu Hause war als die meisten hier. Auch die meisten der Älteren. Umso seltsamer das er ausgerechnet mit ihr die rare Zeit verbrachte, die er heute Abend hatte.
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