[1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

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Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Iulia Cornelia
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[1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

„Die Laster tragen Masken, und schreckliche Ungeheuer verbergen sich in schönen Fellen.“, sagte Jemand einst, doch in einer Welt voller Gefahren in der alles möglich war, wäre es ein unverzeihlicher und beinahe tödlicher Fehler, das nicht zu tun.

Ich hatte die Umgebung vor dem Elysium bereits vor einiger Zeit verlassen. Das raue Pflaster Claviculas, das immer stinkende Broglio und das Niemals ruhende Ravecca. Die gute Lage von San Donato an einer der größeren Straßen sorgte dafür, dass es vor dem Ort niemals gänzlich leer war. Einzelne Grüppchen standen da und plauderten vor Hauseingängen, wieder andere hatten sich wohl auf dem großen Vorplatz getroffen, um gemeinsam weiterzuziehen und gelegentlich torkelten bereits manche von einem der allabendlichen Vergnügen in einem der Sestiere zum Nächsten.

Ich selbst stand inzwischen seit einiger Zeit regungslos wie eine der vielen marmornen Statuen allein in dem Gemäuer der Kirche. Mein hochgewachsener, schlanker Körper war von einem dunkelgrauen Umhang und meine Haare von einem weichfallenden weißen Seidentuch bedeckt, als ich mit meinem ungewöhnlich hübschen Kopf in den Nacken gelegt nach oben blickte. Ich betrachtete die grauen Steine, die sich wohl hinter dem Putz verbergen mochten und die sich immer höher und höher stapelten zu dem von außen gut sichtbaren und kunstvoll verzierten Turm.

In einiger Entfernung von mir befand sich mein wohlgenährter Begleiter in dieser Nacht, der sich erneut freundlich in ein entspanntes Gespräch mit einer der Wachen des Ortes begeben hatte, während die anderen dunkel gekleideten Gestalten, sowie einige nordisch anmutende Wachen, die zum Altarraum, in dem ich mich selbst aufhielt, gegenüberliegende schwere, hölzerne Eingangstür im Auge behielten.

Dass sie gerüstet und bewaffnet waren, sowie Pflöcke bei sich trugen, bereitete mir trotz all der Jahre noch immer Unbehagen, auch wenn ich mich an ihren Anblick und ihre Anwesenheit immer mehr gewöhnte, je öfter ich hier war. Auch ihr prüfender Blick auf mir, ob ich wohl offensichtliche oder gar versteckte Waffen bei mir tragen würde.

Dass das Innere der Kirche ansonsten schlicht war, störte mich nicht. Weder der mit Granit ausgelegte Boden noch die zierlosen Wände. Gerade die Schlichtheit des Ortes stellte die steinernen Statuen, die Erinnerungen an Vergangene und die Gebote Kains, sowie die Regeln des Elysiums selbst umso stärker in den Vordergrund. Das Licht der Kerzen war angenehm und das Wachspapier vor den Fenstern verhinderte einen unangenehmen Luftzug in der Kirche, auch wenn das womöglich für mich einen geringen Unterschied machen könnte oder gar würde.
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Signora Achilla
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

Elysium! Als sie noch blutjung gewesen war, so roh und hungrig, dass die Nacht wie ein schreckliches Wunder erschienen war, hatte jemand ihr gesagt, dass dies einer der wichtigsten Eckpfeiler für den Umgang unter den Vampiren war. Die Erklärungen waren lang gewesen, vielleicht zu früh gegeben. Eine Merkwürdigkeit war ihr im Gedächtnis hängen geblieben als wäre sie genauso bedeutungsvoll wie die alten Gesetze: ‘Elysium’ war ein Wort, das von einem älteren kam, einem griechischen wahrscheinlich. ‘Elysion’ hieß es da und war wohl dem ganz ähnlich wie heute die guten Christenmenschen ihr Paradies sich ausmalen wollten.

Mit diesem Gedanken in ihrem Hinterkopf war die Signora von allen Elysien, die sie bislang besucht hatte, enttäuscht worden, bis die ernüchternde Erkenntnis eingesetzt hatte, dass es hier so war wie mit vielen anderen Dingen auch, die aus dem Wünschen, Wollen und Träumen in die Wirklichkeit dieser hässlichen Welt fielen wie ein zartes Vogelei aus dem Nest.
Und so erwartete die Signora hier nun nicht mehr als zerbrochenen Schein und die hässlich verwischten Schlieren davon was hätte sein können.

Eine handvoll ihrer Leute hatten sie begleitet, waren aber unterwegs irgendwie ein wenig abgelenkt worden. Eine der Hübschlerinnen hatte von irgendwoher einen Krug scharfen, klaren Schnaps mitgehen lassen. Gabriele, der nicht sonderlich viel auf den Rippen hatte, hatte sich das gleich zu Kopf gehen lassen, Achilla hatte die Geduld mit dem ganzen Haufen verloren und sie an einem Brunnenplatz in der Nähe gelassen.

So trat sie allein ein, in jenes Elysium, zum ersten Mal in Genua auf solchem Grund. Für diesen Besuch trug sie sie das Kleid einer Fahrenden, zusammengenäht aus den Resten anderer, bunt durch die verschiedenen Stoffe und Farben, auch wenn die allermeisten davon ein wenig abgenutzt und ausgeblichen waren.
Die Maske, die sie trug, hatte sie für diesen Besuch gemacht: Geleimtes Holz und Leder bildeten den Grund für ein Kunstwerk, passend für das alte Elysion. Paradiesisch schöne Blätter und Blüten waren auf den Rand der Maske gemalt. Eine blaue Linie quer über die Augenpartie stand für den Fluss des Vergessens, Lethe, und ein paar aufgesetzte, bunte Holzperlen waren als Früchte und Köstlichkeiten hier und da arrangiert, zwischen gemalten, singenden Vögeln und spielenden Tieren. Es war ein hübsches Bild, dieses Maske. Nur unten, etwas schief am Kinn etwas hin zur linken Wange geronnen. Gelblich-braune Farbe für die Schlieren und an feinem Faden hing die zerbrochene Schale eines echten Vogeleis.
Die Maske lächelte trotzdem - oder vielleicht eben deswegen.


So trat sie ein und sah sich um. Die Blicke der Wächter wogen schwer, doch sie trug keine Waffen, an denen diese Blicke hängenbleiben würden. Es waren zunächst die Statuen, die die Signora anlockten. Sie erkannte das Handwerk und zumindest ein paar von denen, die sich hier hatten verewigen lassen. Bewundernd strich sie mit einigem Abstand darum her, von einer Statue zur nächsten, um sich die Einzelheiten anzusehen, auf welche man bei den Originalen kaum je so lange starren konnte ohne dass es Gegenrede gab.
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Iulia Cornelia
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Mein Blick und mein Körper hatten sich in Richtung der schweren Holztür gewandt, als sie sich geöffnet hatte und grüßend hatte sich mein Körper mit gesenktem Blick dorthin verneigt. Nicht so tief, wie es wohl ein Mensch getan hätte, dennoch tief genug, um zu signalisieren was ich war und wo ich stand. Auch meine Begleitung hatte ihr Gespräch kurz unterbrochen und war der verhüllten Gestalt angemessen begegnet, bevor er es etwas später wieder aufgenommen hatte.

Ob die eingetretene Gestalt mich tatsächlich wahrgenommen hatte oder mich bewusst ignorierte, wusste ich nicht, schließlich verbarg die Maske das Gesicht. Letztlich waren ihre Beweggründe für mich auch nicht weiter von Bedeutung, konnte ich ohnehin nichts tun, außer höflich zu lächeln.

Entsprechend geduldete ich mich noch, ob die verhüllte Gestalt ein Zeichen geben würde, dass widerspiegelte ein Gespräch zu wünschen. Als sie sich jedoch schließlich ab und den Statuen zugewandt hatte, widmete auch ich mich erneut meinen eigenen Angelegenheiten in dieser Nacht.

Dennoch verweilte mein Blick aus den Augenwinkeln heraus immer auf ihr. Nicht aufdringlich oder gar fordernd. Vielmehr war es als wäre sie der Mittelpunkt einer Kugel, um die sich gerade alles zu drehen hätte. Auch ich.
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Signora Achilla
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

Ob es stimmte? Etwas von einem wurde eingefangen, wenn man sich so in Farben oder sogar in Stein fassen ließ. Ob der Baumeister dies getan, vielleicht sogar gewollt hatte?
Achilla strich mit den behandschuhten Fingerspitzen über den Stein einer der Statuen.
Nichts.

Die Faszination ebbte schnell ab, stellte sie fest, und wandte sich um. Warum werden Elysien wie diese errichtet und erhalten? Hier waren Reichtümer hinein geflossen und taten es auch weiter. Was war der Sinn? Ein Fleckchen Boden, auf dem Gesetze gelten sollten wie sonst kaum irgendwo. Ob sie wirklich eingehalten wurden?

Die Signora stand nun Iulia zugewandt und neigte den Kopf ein wenig. Die Maske war zu starr, hinderlich für ein leichtes Zusammentreffen. Sie brach die Starre mit einer behutsamen Geste auf, die zu Iulia hinging. Und erst dann folgte sie selbst der Geste, wie von sich selbst angekündigt - genug Zeit und Gelegenheit für die andere, sie noch abzuhalten.
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Iulia Cornelia
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Ich hielt die fremde Person nicht auf, denn dazu gab es keinen Grund für mich. Ganz im Gegenteil. Ich hatte mich ihr sogar gänzlich offen zugewandt, als sie mich mit ihrer Aufmerksamkeit bedacht hatte. Ein sichtlich erfreutes Lächeln darüber hatte in mein Gesicht gefunden, als ich ihr tiefer auf ihre behutsame Geste hin zugenickt hatte.

Ich geduldete mich, während ich meinen Blick gesenkt hielt, bis sie an mich herangetreten war. Auch danach erlaubte ich mir nicht in ihre Augen zu blicken. Stattdessen schwieg ich, während ich auf ihre Körpersprache achtete und darauf, ob sie mir ein Zeichen geben würde zu sprechen oder ob die maskierte Gestalt selbst sprechen wollen würde.

Interessiert glitten derweil meine Augen ruhig über ihr Äußeres und die vielen Details, die damit verbunden waren. Versuchend sie dezent in ihrer Gänze zu erfassen.
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Signora Achilla
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

Die Signora trat geziert näher. Sie trug feine, genähte Schuhe, die zu viel Straßendreck gesehen hatten, um noch schön zu sein. Dennoch hing ein Schellenring an einem davon, auch wenn die Schellen wohl ebenso zu viel Dreck und Jahre gesehen hatten. Sie gaben kaum einen Ton von sich.
Von nahem war da auch der unverkennbare Geruch von ...Gosse. Verraucht. schmutzig, aber wohl immerhin bekämpft mit dem Duft von ein getrockneten Blüten, Lavendel wohl und vielleicht etwas Rosmarin.

“‘s ist keiner hier, der den Weg zur Begegnung glätten und uns einander vorstellen würde”, bemerkte die Signora behutsam. “Doch der Ort selbst ist einer der Begegnung und so will ich dem Achtung zollen. Erlaubt Ihr wohl, dass ich mich vorstelle?”
Die Stimme der Fahrenden war durchaus wohlklingend, weiblich und auch höflich. Da war eine gute Portion gesunder Vorsicht mit in ihrem Tonfall.
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Ich wich nicht zurück, trotz ihres ungewöhnlichen Äußeren und begrüßte es stattdessen, dass sie nahekam. Unter meinem grauen und hochwertig wirkenden Umhang war derselbe Stoff zu erahnen, wie ich ihn auf meinem Haupt trug, um meine Haare vollständig zu bedecken. Er war rein, weiß und offenbar aus Seide. Auch die ledernen Schuhe an meinen Füßen sprachen von einer regelmäßigen Pflege und wenig Aufenthalt in schmutzigen Gassen. Hohes Blut rann und rannte offen sichtbar durch meine Adern, denn ich machte keinen Hehl daraus, wem und was ich geboren worden war. Dennoch war ich es, die den Blick vor ihr gesenkt hielt. „Es würde mich freuen, so ich euch gemäß alter Sitte begegnen dürfte.“, lautete meine einfach und nicht minder höfliche warme Antwort auf ihre rhetorische Frage, nachdem ich zuvor genickt hatte.
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Signora Achilla
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

Und auch wenn die Signora durchaus einige mal mehr und mal weniger schmerzhafte Lehren in der Etikette und zu den verschiedensten Anlässen genossen hat, so doch nicht unbedingt in den Kreisen derer, die sich durch Geburt und Noblesse vom Rest absetzen - oder absetzen wollen. Doch die Dinge sind eben wie sie sind und noch nie hat sie lang mit sich oder einer Lage gehadert:

“Signora Achilla”, begann sie und tippte kurz mit einem Finger an die Wange ihrer Maske. Eine Anspielung auf das eigentlich unnötige “Signora”? Eine Art Kunstname, vielleicht?
“...neugeboren und vom Blut der Verborgenen”, beendet sie die sehr kurze Vorstellung. Keine lange Blutslinie, keine klangvollen Namen, Bezeichnungen oder Titel.
Die Maske macht es schwer, die Tonart der Worte gut einzuschätzen, doch die Signora wiegt es mit einer Geste etwas auf: die geöffnete Hand, als hätte sie nicht nur ihren Namen gereicht sondern als wollte sie nun auch das Wort weiterreichen.
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Iulia Cornelia
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Das Signora überraschte mich weniger als das neugeboren, denn auch Toma hatte diese seltsam klingende Bezeichnung verwendet. Zeit mir Gedanken darüber zu machen ließ ich mir jedoch keine, als ich die darreichende Geste sah. Stattdessen trug ich in angenehmer Lautstärke eine ebenfalls recht kurze, wenn auch nicht hastige Vorstellung vor: „Gemäß alter Sitte will ich mich vorstellen als Iulia Cornelia, Kind vom Blut der Könige.“ Kein bekannter Erzeuger folgte und auch keine glorreiche Ahnenlinie. Die Vorstellung war jedoch genau so lang, wie sie sein musste und das Selbstverständnis dessen, spiegelte sich in meinem Gebaren wider, als ich erneut höflich und schweigend den angebrachten Respekt vor ihr zollte, nachdem ich nun wusste, wer sie war.
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Signora Achilla
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Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

Achilla ihrerseits hatte nicht die geringste Ahnung, was genau es wohl mit "Kind" auf sich hatte. Doch dann wieder klang es ungefähr ähnlich wie andere Bezeichnungen, die einen dem einen oder anderen Clan angehörig machten, dieser oder jener Sippe, Familie, Tradition oder all die Unterschiede, die man sich erdenken könnte, um sich ein Gesicht zu geben.

Und was für eines! Schön und rein, und hell! Die Signora war im Leben nicht blond gewesen und vielleicht auch nicht so schön. Vielleicht.
Eine einzelne, große Motte kroch an ihrer Schläfe auf der Maske entlang ohne dass sie es bemerkte.

"Das ist auch ein alter Name", gab die Signora zurück. "Und einer aus diesen Ländern. Liegt Genua Euch im Blut? Oder doch eines der Länder, in denen sie unsere Sprache teilen?"

Es war Neugier, nicht nur bloße und leere Wortwechselei. Die Signora kannte kaum jemanden wie diese Frau, die nun direkt vor ihr stand.
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