[1012] Narrenschiff [Angelique, Sousanna]

[Angelique]

Fröhlich ließ die kleine Vampirin sich abschleppen. Sie würde schon aufpassen, nicht aus Versehen an Kulthandlungen teilzunehmen.
Spaß war aber etwas, was die kleine Epikureerin neben Geborgenheit am meisten anstrebte. Sie freute sich, wieder im Strudel der Lebenslust von Sousanna schwimmen zu können.

[Sousanna]

Kulthandlungen gab es nicht in diesem Schiff. Noch nicht einmal die Anklänge davon. Das Schiff mochte auf der Idee heidnischer Kaiser gewachsen sein, doch sein Stil war ganz der der schönen Schwester der heiligen Stadt. Pure Schönheit ohne den lästerlichen Anklang von Götzen. Eine Schönheit, die an die alten, besseren Tage erinnerte, in denen der Herr noch nicht so fern gewesen war.
Gemeinsam tollten die Vampirinnen durch diesen Zaubergarten voller Herrlichkeiten und das Lachen verlieh den Toten Leben. Zum ersten Mal seit Jahren schien die Harpyie glücklich, erinnerte wieder an jenes zu menschliche Wesen, das einst in Genuas Hafen angekommen war und so gelitten hatte. In dieser Nacht war Sousanna wieder ganz und da sie ihrer ersten Freundin ein Spiel von Fang mich vorschlug, mochte man vergessen, dass sie überhaupt in der Lage war, Intrigen zu spinnen.

[Angelique]

Angelique, ewig ein Kind, war nur zu bereit, alles zu vergessen und für eine Nacht mit ihrer Freundin zu feiern. Zu machen, was ihr gefiel, ohne an die Winkelzüge der Intriganten und die Düsternis des Schicksals denken zu müssen.

Sie fühlte sich sicher und geborgen bei ihrer Schwester, obwohl diese das verlogenste und gefährlichste Amt innehatte, was die vampirische Gesellschaft sich ersonnen hatte. Aber das war der kleinen Untoten herzlich egal. Ihr bedeutete Freundschaft für ihr fragiles inneres Gleichgewicht mehr, als es Status und Reichtümer je konnten.

Auch der Herr selbst hatte Ehebrecherinnen und Zöllner als Freunde gehabt. Warum nicht sie eine Harpyie?

[Sousanna]

So taumelten sie von einem Spaß zum anderen, schwebten in der heiligen Unschuld und taumelten in die Feier ihres Außenseitertums.
Doch jede Nacht fand ein Ende und so blickten die großen braunen Augen früher oder später in Angeliques Gesicht, während die Ravnos leise, ja beinahe schüchtern fragte, ob die Schwester nicht bei ihr den Tag über bleiben wollte.

[Angelique]

Für einen Moment schaute sich Angelique wild und panisch um. Ein gehetztes Rehkitz, voller Furcht vor Verfolgern.

Dann fing sie sich wieder, schien tief einzuatmen.
Mit gequältem Lächeln sagte sie: "Sehr gerne."

Sousanna konnte gerade nur erahnen, welch Vertrauen die Freundin ihr entgegenbrachte. Nichts schien die Kleine mehr zu fürchten, als bei anderen den Tag zu verbringen.

Ihr mochte einfallen, dass bei Alerio, ihrem Angebeteten, vor vielen Jahren ein Angriff erfolgt war, bei dem die Kinder des Waisenhauses ins Tageslicht gezerrt worden waren. Wäre Angelique damals dort gewesen...

[Sousanna]

Freudig fiel die Ravnos ihrer Freundin in die Arme. Immer wieder küsste sie ihre Wangen.
"Oh ich freu mich so.", flüsterte sie und würde sich gemeinsam mit Angelique ein gemütliches Taglager zu bauen, um ungestört zu schlummern.

Da die Theodora frisch im Hafen liegt, will Angelique sie erkunden und entdeckt Sousanna als Besitzerin. Sie verbringen die Nacht gemeinsam und erleben erneut die ungewöhnliche Freundschaft zweier Monster.