[1012] Ein Spiel voller Unschuld [Simon]

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Sousanna
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Re: [1012] Ein Spiel voller Unschuld [Simon]

Beitrag von Sousanna »

In anmutiger Geste warf sie das Haar zurück. Ihr Lächeln war das einer zerbrechlich starken Schönheit. Glasscherben, in denen sich das Licht brach und die nach Blut dürsteten.
"Was tat sie euch, diese Frau?", fragte sie nachdenklich und musterte Simon erneut. Schien nach Anzeichen der Geschichte zu suchen. Doch dann schüttelte sich der schöne Kopf. Ihr Lächeln mochte Wolken vertreiben. "Nein, es ist nicht wichtig. Nicht das Gestern zählt in dieser Nacht. Nicht sie. Das heute ist es - und du." Die Glut der Leidenschaft glomm hinter den großen, braunen Augen voller Unschuld.

Seine Sorgen dann brachte sie zum Lachen. "In diesem Haus gibt es keine Wölfe, guter Simon. Eingelassen hab ich dich und mich." Nachdenklich begann sie mit einem kupfernen Ring an ihrem Daumen zu spielen. "Ich gab euch das Versprechen für eine Nacht. Nicht mehr und nicht weniger. Niemand wird dieses Wort brechen."
Sacht streckten sich die zarten Finger in seine Richtung. Schienen sich nach seinen Furchen zu sehen. Sie glätten zu wollen. Etwas Linderung des Leidens in der Nacht zu bringen. "Was wünscht du in dieser Nacht? Den Biss hast du nicht gewagt."
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
Denn mein Herz gehört den Todten an!
Friedrich Hölderlin
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Simon
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Re: [1012] Ein Spiel voller Unschuld [Simon]

Beitrag von Simon »

Er vernahm den letzten Satz, wie ein Verdurstender Wasser in einer Wüste empfängt. Gleichzeitig, als hätten ihre Worte tatsächlich eine lindernde Wirkung, lächelte er. Mit einer Wärme, die tatsächlich die Augen berührte, den Blick klärte und seinen Mund zu etwas werden ließ, über den Verse kamen - nicht heißes Blut.
Er nahm ihre Hand mit der Zärtlichkeit eines Liebenden. Er legte ihre Finger auf seine Wange, die Sousanna - seine Sofia - berühren wollte, und schmiegte sich an sie wie jemand, der lange eine weiche, warme Hand entbehren musste.
"Wie sehr", sagte er und blieb im Griechischen, "habe ich mir gewünscht, so etwas in einer Nacht zu erleben? Die Kälte, erhellt durch die Wärme einer Gleichgesinnten, vielleicht einer Freundin, zu vertreiben?" Zwischen halb geschlossenen Lidern betrachtete er sie, schien sich jeden Zoll von ihr einprägen zu wollen.
"Nichts weiter will ich, als dass du mein Lager teilst, bei mir bist, sprichst und zuhörst. Und wenn der Morgen anbricht, meine Schöne, meine liebe Sousanna, dann gehe ich mit der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen."
Etwas Schelmisches trat in seinen Blick. "Und damit die Nacht nicht langweilig wird, erzähle ich dir die Geschichte der eitlen Isabella und ihrer Kröte von Prinzen." Er nahm ihre Hand von seiner Wange und küsste sie sanft. "Wenn du sie denn hören möchtest."
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Sousanna
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Re: [1012] Ein Spiel voller Unschuld [Simon]

Beitrag von Sousanna »

Zärtlich legte sie die Hand an seine, barg die kühlen Finger mit ihrem warmen Leib. Bat Schutz trotz ihrer Zerbrechlichkeit.
"Dann lasst uns diese Nacht zu einer Nacht der erfüllten Wünsche werden.", hauchte sie und warmer Atem strich über seine Haut. Ihr zartes Lächeln erinnerte an ein Röslein, das frisch benetzt vom Morgentau nur darauf harrte, zu erfreuen. Noch immer war ihr Griechisch das sachte, warme Griechisch des Orients. Eine Melodie, in die sich die Rauheit dunkler Gassen geschlichen hatte und die feinen Töne adeliger Gespräche.

"Eine Freundin hast du gewonnen." Warm und tief glühend schimmerten die dunklen Augen unter den langbewimperten Lidern. Dann traf ein Kuss seine Lippen. Ein ehrlicher Kuss.
Dann schmiegte sie sich eng an den Mann und legte den Kopf an seine Brust. "Nichts lieber als das." Ernst und voller Klarheit sah sie ihm in die Augen. "Die meinen lieben Besuche und Geschichten."
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
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Simon
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Re: [1012] Ein Spiel voller Unschuld [Simon]

Beitrag von Simon »

Simons Überraschung war echt, als er den Kuss mit all seiner Ehrlichkeit empfing.
"Die Deinen?" Er hob die Brauen, schob den Gedanken aber sichtlich fort. Auch die Falten in seinem Gesicht glätteten sich, als hätten ihre Worte allein dafür genügt. Er legte eine Hand auf ihren Kopf, strich durch ihre weichen Haare, und nahm die Freundschaft an, die sie ihm bot.
Simons Kleidung roch nach dem Staub der Straße, nach den wilden Kräutern am Wegesrand und nach dem billigen Wein aus der Schenke, dessen Geräusche und Gerüche sie aus ihrem kleinen Paradies ausgesperrt hatten. Simon legte eine Hand auf ihren Kopf, streichelte ihre weichen Haare - geübt, leicht, ohne Zögern - und schloss die Augen.
"Die Geschichte", sagte er leise, "begann mit einem Ausreißer aus einem Kloster, dem zehnten Kind eines verarmten Adligen, der seine Schulden wohl kaum mit Kraut und Rüben bezahlen konnte." Simons Gesichtszüge wurden noch weicher bei der Erinnerung. "Der Vater war gutmütig, aber Platz war kaum für zehn Mäuler und noch weniger zu essen. Also schickte er einen seiner Söhne ins Kloster. Der Junge lernte schnell lesen und schreiben, doch ein Leben mit Tonsur und christlicher Tortur konnte er sich nicht vorstellen. Also machte er sich einen Monat später, verkleidet als Bauernjunge, davon."
Sousanna konnte erkennen, dass alles, was er bisher erzählt, vollkommen der Wahrheit entsprach. Es war keine Geschichte: Es war eine Vergangenheit. Simons Vergangenheit.
"Stelle dir dieses Bild vor, meine Liebe", sagte er. "Ein junger Novize, der sich in grobe Bauernkluft kleidet und, den breitkrämpigen Hut des Bruders Botanicus auf dem Kopf, nebem einem leeren Karren aus dem Haupttor des Klosters hinausspaziert ..." Er lächelte wieder ob dieses alten, aber dennoch herrlichen Scherzes, den er sich mit den Mönchen geleistet hatte.
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Sousanna
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Re: [1012] Ein Spiel voller Unschuld [Simon]

Beitrag von Sousanna »

Ein geheimnisvolles Lächeln. Die Mysterien des Orients gebannt in diese Miene einer schönen Frau. "Die wandernden Herren der Lagerfeuer, die Fürsten der Straßen und Gassen." Ihre Worte klangen wie vor langer Zeit auswendig gelernte Verse. Wie der Beginn einer Geschichte voller Wunder und Schönheiten. "Ich sagte dir, auch ich sei überall zuhause und doch nirgendwo."
Hier war alles ausgesperrt. In dieser Kammer voller Schönheit und Geborgenheit schien es nichts zu geben außer die Zauber des Augenblicks. Die Düfte der östlichen Märkte schwebten hier umher wie wunderschöne Geister.

Eng schmiegte Sousanna sich an ihn, schien in seiner Nähe aufzugehen und tieferen Frieden zu finden. Während er sprach strichen ihre zarten Finger sacht über seine Hand, die ihren Kopf nicht streichelte. Ihr verträumtes Lächeln war das eines glücklichen Mädchens, das heimgefunden hatte.
Die Herrin der Lüge erkannte Wahrheit, wenn man sie ihr präsentierte. Und sie wusste sie zu achten und als den Schatz zu betrachten, der er war. Leise lachte sie über diesen Scherz.
"Es war sicher ein herrliches Bild.", schmunzelte sie und lächelte zu ihm hoch. "Und ein mutiger Schritt."
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Simon
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Re: [1012] Ein Spiel voller Unschuld [Simon]

Beitrag von Simon »

Mit der freien, kühlen Hand, die ihre Wärme nicht aufnehmen konnte, liebkoste er die ihre, ließ die Finger gelegentlich ihren Arm hinaufgleiten, nur um kurz darauf wieder herunterzuwandern und ihre Finger mit seinen zu umschließen. Weiterhin strich Simon seiner Sousanna durch das geschmeidige Haar - wie ein Bruder es mit seiner kleinen Schwester tun mochte, damit sie einschlief, während er ihr eine Gutnachtgeschichte erzählte.

"Ein Fürst", fuhr Simon mit leiser, geübter Stimme fort, "war der Junge danach. Er hatte bereits ein halbes Dutzend Mal seinen Namen gewechselt, denn er hatte beschlossen, ihn zu vergessen. Was ihn noch an die Vergangenheit band, lag alsbald weit hinter ihm. Was vor ihm lag, war Verona." Bei dem Namen glühte etwas in seinen Augen auf. War es Trauer? Wut? Sehnsucht? Alles zugleich?
"So prächtig die Stadt ihm auch erschien, nichts glich jener Dame, die ihn, der bald sein dreißigstes Lebensjahr erreichen sollte, mit all ihren Künsten verführte - ob nun im Bett oder außerhalb davon."
Seine Hand glitt von Sousannas Kopf zu ihrer Wange, wo er sanft eine Strähne hinter ihr Ohr strich und sich einen Moment lang in ihrem Blick verlor.
"Sie brachte ihm Griechisch und Spanisch bei und ließ ihn ihre liebsten Verse zitieren, auch auf Italienisch. Isabella, seine Liebste, wurde zu seiner Herrin und Besitzerin, und er zu ihrem Narren." Er neigte den Kopf zur Seite, hob Sousannas Kopf leicht an und sah ihr geradewegs in die Augen. Er lächelte und küsste sie sanft und nach allen Regeln der Kunst.
"Dies, meine Sofia, ist eine Kostprobe dessen, was Isabella Gutes hinterließ."
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Sousanna
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Re: [1012] Ein Spiel voller Unschuld [Simon]

Beitrag von Sousanna »

Scheinbar zufrieden räkelte sie sich in seinen Armen. Wie eine kleine Schwester. Die Beine angewinkelt, das Haupt an ihn gebettet. Langsam strichen ihre Finger weiter über seinen Arm, schien jedes einzelne Detail in sich aufzusaugen.
Ein zartes Strahlen lag auf ihren Zügen. Sie schien die Geschichte aus ganzem Herzen zu genießen.

Dann erwiderte sie seinen Blick und dann den Kuss. Und was er an Kunst beherrschte war ebenso die ihre. So wurde der Kuss der beiden zu einem atemberaubenden Ereignis. Einer Symphonie der Schönheit und des Zaubers. Ein Bann entstand zwischen den beiden, den man kaum lösen wollte, so man halbwegs bei Verstand war.
Da sie es dennoch tat, glühten die Augen dieses wundersamen Wesens voll sanfter Lust. "Lass uns nicht an den Schrecken eines Besitzers hängen, sondern am Guten.", hauchte sie.
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Re: [1012] Ein Spiel voller Unschuld [Simon]

Beitrag von Simon »

Simons Gesicht wechselte von zarter Erinnerung in eine lustvolle Gegenwart. Er ließ seine Finger immer wieder durch ihr Haar gleiten, nahm ihre zarten Finger zwischen die seinen.
"Was Isabella hinterließ, war immer das Gefühl, gewollt zu sein. Niemand war eifersüchtig in ihrer Gegenwart, nur ein wenig traurig, wenn sie nicht zugegen war." Er betrachtete Sousannas Gesicht, suchte nach seinem Spiegelbild in ihren Augen - ohne es zu finden - und sagte schließlich: "Bei dir, meine Sofia, scheint es umgekehrt. Jeder würde in deiner Gegenwart vor Eifersucht zerfressen werden, aber Trauer empfinde ich bei dir nicht."
Als hätte es nur dieser Worte bedurft, ließ er sich neben sie auf die Kissen sinken, zog sie sanft zu sich, so dass sich ihre Lippen fast wieder berührten, und lächelte. "Manchmal wünsche ich mich zurück zu ihr, zu diesen Momenten, wie du sie gibst. Doch, ach, zu spät dafür. Ein verblasstes Lächeln."
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Sousanna
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Re: [1012] Ein Spiel voller Unschuld [Simon]

Beitrag von Sousanna »

Sie ließ es zu. Ließ zu, dass er sie mit sich zog. Zart strichen ihre Fingerspitzen über seine Wangen. Sanft kitzelte ihn sein Haar und die Nasenspitzen lagen aneinander. "Aber sie bin ich nicht.", flüsterte sie und ihr warmer Atem strich über seine kühle Haut. "Lass mich dir neue Erinnerungen geben." Erneut fanden ihre Lippen die seinen, liebkosten sie in süßer Zärtlichkeit und ließen ihn ihr sanftes Lächeln spüren.
Vorsichtig fuhren die zarten, geschickten Finger durch sein Haar. "Lass ein verblasstes Lächeln ein neues werden."
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Re: [1012] Ein Spiel voller Unschuld [Simon]

Beitrag von Simon »

Er genoss den Kuss, genoss jeden Augenblick. "Sousanna ...", hauchte er zwischen den Liebkosungen, während er ihren Duft in sich aufnahm wie ein Süchtiger. Er spürte, wie ein Teil seiner Seele - und sei es auch nur für den Moment - wieder zusammengefügt wurde in ihren Armen, in ihrer Stimme, in ihrem ganzen Sein.
Er schloss die Augen. Ein wenig traten die Falten in seinem Gesicht wieder hervor, wurden die leichten grauen Stellen an seinen Schläfen sichtbar: Zeichen einer Vergangenheit, die sich eingegraben hatten. Die unwiderruflich waren.
"Irgendwann", fuhr er nach langem Schweigen fort, während ihre Finger weiter durch sein Haar fuhren und er jede Berührung in sich aufnahm, "küsste Isabella ihren Narren, machte ihn zu dem, was er nun ist. Zu einem Dichter, Denker ... und Dummkopf. Denn kaum hatte sie seine Naivität für sich entdeckt, kostete sie diese zu ihrem eigenen Vergnügen aus."
Seine Stimme schwebte wie eine unsichtbare Wolke zwischen ihnen. "Und kaum drei Jahre später küsste sie den Ring eines anderen, eines neuen Fürsten. Und ihre Liebe zu ihrem Narren wurde zu Verachtung und Verbannung."
Simon legte seine Hand auf die Wange seiner Sofia, seiner schönen Sousanna. Ein weiterer Kuss folgte den Worten, ließ alles so erscheinen, als sei die Vergangenheit nur das. Und wie ein Ertrinkender nahm er ihre Sinnlichkeit auf und ließ sich fallen, fallen, fallen ...
"Neue Erinnerungen ... Welch schöner Gedanke ..."
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