[1015] Fremd in alten Gassen (Seresa, Gasparo)

[Januar '19]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Gasparo
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[1015] Fremd in alten Gassen (Seresa, Gasparo)

Beitrag von Gasparo »

Kurz nach Mitternacht waren die Straßen in Ravecca wie leergefegt. Es war kalt in Genua, eisig. Wind, Regen und Hagel hatten wochenlang das Wetter bestimmt und, obwohl zur Zeit kein Tropfen fiel strömten kleine und größere Rinnsale über die Wege.

Durch diese triste Szenerie schritten zwei neue Gesichter in Genua. Gasparo di Como hatte sich einen Wollumhang mit Kapuze übergeworfen, der seine feine Kleidung verbarg bis man ihn genauer betrachtete und die kunstvoll gefertigte Lederweste, das scharlachrote Hemd aus teurem Tuch oder die prächtigen Stiefel erkannte. Sein Leibwächter, Crispianus, trug einen kurzen Lammfellumhang über einem Harnisch aus gehärtetem Leder. Ein Schwert hing, für jeden Beobachter gut sichtbar, von seiner Hüfte.

Das ungleiche Paar machte an einer Kreuzung halt. Crispianus sah sich etwas ratlos um während Gasparo ihn fixierte.

„Diese Gassen sind mir nicht vertraut, Herr. Der Priester, mit dem ich sprach, beschrieb den Weg auch kürzer als das, was wir bereits gelaufen sind.“

Der Magister verschränkte seine Hände hinter seinem Rücken.

Infinitus est numerus stultorum, Crispianus. Wahrscheinlich kannte dein Gesprächspartner sich nicht wirklich mit unserem Ziel aus. Der Stadtteil, in dem er sich befindet, soll nicht der beste sein. Vielleicht wollte er uns von diesem Ort fernhalten? Clavicula?“

Crispianus schüttelte kurz ungläubig den Kopf. „Viel schöner ist es hier auch nicht. Mir scheint, als würde nur die Brise die Ratten in ihren Löchern halten. Vielleicht sollten wir umkehren und ich suche am Tag den Weg.“

Gasparo neigte den Kopf etwas und ließ seinen Blick über die dunklen Mauern kreisen. Einen weiteren Tag verlieren passte nicht in seine Pläne. "Wir wollen nicht noch mehr meiner Zeit verschwenden. Es wartet viel Arbeit auf mich aber es gibt Aufgaben, die dringender sind. Sieh, dort hinten." Dann nickte er in Richtung des anderen Endes der Straße.

Crispianus, eine Hand am Schwertknauf, folgte dem Blick seines Herrn und sah eine Gestalt in der Distanz. Er hob den Arm und seine Stimme.

„Ihr da! Bursche!“
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Seresa
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Re: [1015] Fremd in alten Gassen (Seresa, Gasparo)

Beitrag von Seresa »

Seresa war in dieser Nacht wie so oft in den vergangenen Jahren in Richtung der südlichen Stadtmauer unterwegs gewesen. Der schlanke, zierliche Körper unter einem schlichten, wollgrauen Umhang verborgen. Die braunen, kinnlangen Haare wehten offen umher, als sie zügigen Schrittes in Richtung ihres Zieles ging. Als sie das durch die Nacht lauter wirkende Rufen einer Stimme hörte, blieb sie abrupt stehen und blickte sich um, sah im ersten Moment jedoch nichts.

Der angesprochene Bursche war bereits zwei Schritte vorbei gegangen an der Gasse, bevor er zurückkam und den Weg entlangblickte. Mit einer schnellen Bewegung des Kopfes sah er sich in der Straße um, nur um wenig später festzustellen, dass er allein mit den zwei Männern darin war. Dann ging sein Blick zu dem Mann mit der erhobenen Hand. Musternd und abschätzend blieben die braunen Augen auf dem Schwertarm des Mannes hängen, bevor der Bursche fragend seinen Kopf neigte und mit der rechten Hand auf sich selbst deutete.

„Meintet Ihr mich, Signore?“

Die Stimme klang hell, gar fast wie die eines Mädchens. Offenkundig war der Bursche am Ende der Gasse noch nicht in den Stimmbruch gekommen.
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Gasparo
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Re: [1015] Fremd in alten Gassen (Seresa, Gasparo)

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Crispianus winkte erneut! „Genau, ja! Verdient euch eine Münze!“

Gasparo fragte sich einen Moment, ob es klug war, in dieser Gegend laut mit einer gefüllten Geldbörse zu prahlen. Andererseits war ihm bewusst, dass Straßenräuber in der Regel ein gutes Gespür für ihre Beute hatten. Sein Leibwächter sollte eine entmutigende Wirkung auf diejenigen haben, die nicht völlig entschlossen … oder verzweifelt … waren.

Als der Bursche näher kam zog sich Gasparo seine Kapuze etwas tiefer ins Gesicht. Sollte sein Diener sich mit dieser herumlungernden Gestalt befassen. Es musste nicht jeder Streuner den neuen Magister der Priesterschule unter diesen Umständen kennenlernen.

Das kahlköpfige Narbengesicht tat dies auch und breitete seine Arme in einer freundlichen Geste aus, wohl auch um zu signalisieren, dass sein Gegenüber sich nicht um das Schwert sorgen musste.

„Was haben wir doch für ein Glück, dass sich noch jemand in dieser gottverlassenen Nacht hierher verirrt. Hört, mein junger Freund, wir sind Gäste in Genua und die Dunkelheit hat uns überrascht. Wir suchen die Kirche San Donato. Sie muss sich in der Nähe befinden aber ...“ Er zuckte mit den Schultern und sah sich übertrieben um, ein schiefes Grinsen auf seinem entstellten Gesicht. „ ... hier kann ich nun wirklich nichts Heiliges entdecken.“
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Seresa
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Re: [1015] Fremd in alten Gassen (Seresa, Gasparo)

Beitrag von Seresa »

Der vermeintliche Bursche, welche den zwei Herrschaften mit einem freundlichen Signori zugenickt hatte, als er nähergetreten war, hielt fast zwei Armlängen Abstand, ganz so als wüsste er nicht recht, was er von Gestalten, welche die Kapuze tiefer in ihr Gesicht zogen und mit Münzen des Nächten lockten wahrlich halten solle. Es schien als hätte er schlechte Erfahrungen gemacht mit Fremden, weshalb er nicht noch nähertrat. Trotz allem spiegelte sein aufrechter Gang keine Form der Angst wieder, denn die Hände ruhten gut sichtbar und entspannt über dem Schoss. Die rechte in die linke Hand gelegt und beide mit den Handinnenflächen in Richtung Himmel deutend. Als der Mann von San Donato gesprochen hatte, hatte sich die Stirn kurz nachdenklich gekräuselt und als der Sprecher geendet hatte, blickte sich der Bursche selbst um, als würde er sich orientieren, während er dabei leise vor sich hinmurmelte.

„Heiligkeit liegt im Auge des Betrachters. Nicht alles was Heilig erscheint mag wahrhaft heilig sein.“

Dann fanden ihre braunen Augen wenig später zurück zu ihrem Gegenüber.

„San Donato liegt in dieser Richtung.“

Der junge Bursche deutete mit seinem Arm überzeugt auf ein Haus schräg seitlich zu seiner Rechten. Ganz so, als wüsste er nur zu gut, dass dies womöglich nicht weiterhelfen würde, beschrieben seine Hände eine öffnende Geste.

„Würden die Signori es mir erlauben, sie aus dem Gewirr der Gassen heraus dort hinführen zu dürfen?“

Eine kurze Pause folgte. Ob der Bursche einfach nur hilfsbereit sein wollte, sich eine zusätzliche Münze verdienen oder gar Böses im Schilde führte, war in diesem Moment nicht ersichtlich. Durch den geöffneten Umhang war die schmucklose, einfache Woll- und Leinenkleidung des Burschen zu sehen gewesen. Das einzig teure daran schien der schlichte Waffengurt zu sein, an dem sich jedoch keine offensichtliche Waffe befand, fehlte hierfür die verräterische Ausbeulung am Umhang. Ruhig erklärend fügte Seresa noch einige wenige Worte hinzu.

„Es ist leicht sich in der Stadt zu verirren und San Donato selbst liegt an der Kreuzung zu einem Sestieri, in welches sich Herrschaften aus Geblüt, einerlei ob es hohes oder niederes sein mag, nicht verirren wollen. Es sei denn, sie würden dort erwartet werden.“
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Gasparo
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Re: [1015] Fremd in alten Gassen (Seresa, Gasparo)

Beitrag von Gasparo »

Crispianus lachte auf. Es war ein heiseres und häßliches Geräusch. „Seht, Herr, der Junge wird uns nicht nur führen, er klingt auch dazu noch höflich und sieht aus, als ob er sich manchmal waschen würde.“

„Ja, er scheint ein echter Orpheus zu sein.“ Gasparo musterte den Knaben kurz, wobei die nicht einmal der Mond hinter den Wolken viel Licht spendete. Crispianus hatte wahrscheinlich recht. Der Jüngling schien etwas fehl am Platz zu sein, für diese Zeit und diesen Ort. Mit fester Stimme, die es gewohnt war, Kinder und Jugendliche zu führen, wandte sich der Magister nun doch an den neugewonnenen Lotsen.

„Habe keine Sorge um uns. Wir werden in dieser Nacht von niemandem erwartet, aber zumindest an unserem Ziel werden wir willkommen sein. Und mit dir werden wir sicherlich schnell dort ankommen. Also …“ Gasparo machte eine Geste mit der rechten Hand als würde er eine Fliege verscheuchen. „Los, los. Lasst uns nicht zögern oder zaudern. Tempus fugit.“

Für den Ventrue war dieser Abend eine kleine Qual. Das Aufsuchen des Elysiums war eine Formalität, um deren Wichtigkeit er wusste. Dennoch hätte er die Zeit besser nutzen können.

Als die kleine Gruppe voranschritt betrachtete Gasparo ein weiteres Mal den schmächtigen Führer. Er wünschte, Sixtus wäre bei Ihnen, um ein Gespräch mit dem Unbekannten zu beginnen. Crispianus war damit beschäftigt, unauffällig aber gewissenhaft die Umgebung im Auge zu behalten.

Nun gut, vielleicht war es die Überwindung wert.

„Ahem, junger Freund, was bringt dich zu so später Stunde nach Ravecca? Halten wir dich von einer Aufgabe ab?“
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Seresa
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Re: [1015] Fremd in alten Gassen (Seresa, Gasparo)

Beitrag von Seresa »

Mit Worten geführt zu werden, schien dem vermeintlichen Burschen nichts gänzlich fremdes oder unangenehmes zu sein, auch wenn die scheuchende Bewegung der Hand dabei eine leichte Verwunderung auf das Gesicht gezaubert hatte, bevor es unter dem lateinischen Ausdruck zu einem verstehenden Nicken, gar einem Lächeln geworden war. Seresa begann folgsam die Gruppe in Richtung San Donato zu führen.

Als sie angesprochen worden war, hatte sie zu dem Sprechenden aufgeblickt, bevor sie den Kopf leicht schüttelte als er geendet hatte. Jetzt, da sie näher neben ihm schritt, fiel Gasparo deutlich auf, wie klein und zierlich der Bursche doch war im Vergleich zu Anderen. Er mochte wohl kaum sechzehn Lenze zählen. Womöglich ein oder zwei mehr, doch nicht viel älter vermutlich. Seine Stimme war angenehm ruhig und doch klang sie für einen Burschen seines scheinbaren Alters äußerst erwachsen.

„Seid unbesorgt, Signore, zumal es mir eine Freude und Ehre ist, Euch dorthin führen zu dürfen, wo Ihr willkommen sein werdet. Obwohl nicht viele gewöhnliche Gäste der Stadt jenes Haus des Herrn aufsuchen. Vor allem nicht um diese Zeit.“

Kurz pausierte Seresa, bevor sie leiser fortfuhr.

„Wisst Ihr, Signore, vor vielen Jahren soll dort ein Dämon des Nachts gesehen worden sein, welcher eines der Fenster zerstörte und die Tür schwer beschädigt hatte. Ebenso ein blutlüsterner Kobold, der schwarze Katzen hinter sich herzog wie ein Rattenschwanz.“

Der Bursche schloss die Augen und schüttelte den Kopf, ob dieser Schauermärchen.

„Alles Humbug und die Geschichte von einem Betrunkenen sagte man später, doch das gewöhnliche Volk fürchtet sich vor derlei Dingen, wisst Ihr? Vor allem nach den anhaltenden Gerüchten um die Teufel in der Stadt.“

Dann wandte sich ihr Kopf kurz Crispianus zu, bevor sie zu Gasparo zurückblickte und sanft lächelte.

„Aber die Signori wirken so, als könnten sie es mit jedem Teufel aufnehmen, welcher sich ihnen zeigen würde. Ich denke, ihr seid sicher vor ihnen.“

Sicheren Schrittes bog Seresa in eine Gasse ein und leitete die kleine Gruppe durch die verwinkelten Straßen weiter, wobei sie offensichtlich kleinere Umwege nahm, um sie nicht durch die allerschlimmsten Gegenden oder enge Stellen führen zu müssen. In einem zügigen, aber noch angenehmen Schritttempo gehend und dabei mit einem unangestrengt wirkendem Plauderton sprechend, fuhr sie gedämpft, ob der nächtlichen Ruhe, weiter fort.

„Nach Ravecca führte mich in dieser Nacht die Arbeit für eine Signora, deren Wohlwollen ich zurückerlangen will. Zwar erscheine ich in den Augen der Meisten als einfacher und gewöhnlicher Botenjunge, doch es heißt, die Linie meiner Familie ginge auf gelehrte Männer und Frauen zurück. Zwar keine griechischen Philosophen oder gar Dichter und Sänger wie Orpheus es wohl einst gewesen sein mag, dennoch vermag auch ich es zu lesen und zu schreiben, sowie Worte ohne Fehler in andere Sprachen zu übersetzen.“

Ein sichtlich stolzes Lächeln spiegelte sich in dem jungen Gesicht wieder, als die Gelehrte für einen kurzen Moment pausierte und aufmerksam die Reaktion ihres Gegenübers beobachtete. Dann fuhr sie nach einem höflichen Nicken fort.

„Sollten die Signori derlei Dinge benötigen, würde es mich freuen, so sie eine Nachricht für mich in San Donato hinterlassen würden, auch wenn ich wohl annehmen muss, dass sie des Lesens und Schreibens grundlegend selbst mächtig sind. Tempus fugit. Das ist lateinisch für die Zeit flieht, nicht wahr?! Wohl mehr als ein geborgter Begriff aus einer Euch gänzlich fremden Sprache, oder?“

Neugierige braune Augen wanderten ruhig und unaufdringlich über ihr Gegenüber, welche der vermeintliche Bursche noch immer offenkundig versuchte einzuschätzen.
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Gasparo
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Re: [1015] Fremd in alten Gassen (Seresa, Gasparo)

Beitrag von Gasparo »

Während Seresa die Gerüchte über einen Dämon erzählte starrte Gasparo sieh nur ungeduldig an. Jeder Kommentar zu diesem Kind über was auch immer am Elysium vorgefallen war schien mehr als überflüssig.

Crispianus antwortete auf ihr Kompliment erneut mit einem schiefen Grinsen. „Teufel, Junge? Ist es das wovor die Einwohner Genuas in der Nacht zittern? Scheinen ja sehr fromm zu sein, was?“

Während die Gruppe weiterging und Gasparo versuchte, sich den Weg einzuprägen. Es war kein Labyrinth aber noch einmal würde er sich nicht von fremden Führern abhängig machen. Dann merkte Seresa beiläufig an, dass sie die Geschichte von Orpheus kannte. Er betrachtete Sie abrupt und er merkte, dass sie aufmerksam den Blick erwiderte. Funkelte da etwas wie eine Herausforderung in diesen Augen?

Dann fuhr sie fort und übersetzte das lateinische Sprichwort, das er benutzt hatte. Gasparo stoppte. Crispianus fuhr herum, seine Hand sofort am Schwertgriff, sein Blick von links nach rechts wandernd, während der Ventrue eindringlich ihren Führer musterte.

„Es scheint, als wären wir in dieser Nacht einem fähigeren Kundschafter begegnet, als ich es zuerst dachte, Crispianus. Verzeiht meine Rastlosigkeit, die mich gerade umtreibt. Vielleicht könnt ihr mir in San Donato noch etwas über diese Kirche erzählen. Sobald wir diese Straßen verlassen haben, natürlich.“ Er beendete seinen Satz mit einem einzelnen Nicken, dass man vielleicht auch als eine angedeutete Verbeugung interpretieren konnte. Außerdem hatte er aufgehört, den Burschen zu duzen.

Crispianus fiel das veränderte Verhalten seines Herrn ebenfalls auf. Er blieb nun angespannt und sein spöttischer Ton war einer Stille gewichen, die man als vorsichtig oder bedrohlich einordnen konnte.
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Seresa
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Re: [1015] Fremd in alten Gassen (Seresa, Gasparo)

Beitrag von Seresa »

Auf die Frage nach der Frömmigkeit hatte der vermeintliche Jüngling schlicht nur mit den Schultern gezuckt und gleichzeitig genickt, ganz so als wäre er sich nicht gänzlich sicher darüber, ob der Teufel in Genua nun eingebildet sei auf Grund der Frömmigkeit oder gar leibhaftig geworden war auf Grund des Fehlens dieser.

Als Gasparo gestoppt hatte war auch Seresa stehen geblieben. Ihr Blick fiel kurz auf den Schwertarm des Begleiters, während sie ihre eigenen Hände weiterhin entspannt vor dem Körper hielt. Trotz der verwinkelten, dunklen Gassen und der Hand auf der Waffe schien ihr junger Führer in diesem Moment keine Spur von Angst oder gar Furcht zu zeigen. Stattdessen schien er tief in sich zu ruhen und mit seiner kerzengeradestehenden Haltung Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein wieder zu spiegeln.

Abwartend wanderte der Blick aus braunen Augen ruhig zwischen den beiden Männern hin und her, während der Ventrue selbst die Brujah musterte. Als Gasparo geendet hatte, mochte es für ihn wohl für einen kurzen Moment so wirkten, als würde er in einen ruhig liegenden See blicken, denn der junge Körper vor ihm wiederholte mit kontrollierten und langsamen Bewegungen die seltsame Kombination aus einem Nicken, welches man durchaus auch als angedeutete Verbeugung deuten konnte. Diese nicht verspottend nachahmend, sondern respektvoll erwidernd, ganz so, als würde es schlicht keine andere Art geben, als derlei Dinge auf diese Art und Weise zu tun.

„Es wäre mir eine Ehre Euch mehr über San Donato in dieser Kirche zu erzählen. Als bescheidenen Dank hierfür würde es mich freuen so ich zu gegebener Zeit den Namen des werten Signore erfahren würde, welchen ich in dieser Nacht zu diesem Ort führen durfte.“

Das werte klang etwas zögerlich fragend, als sei der Jüngling sich nicht gänzlich sicher, ob die Anrede an den Herrn wirklich korrekt wäre. Dann wanderte ihr Blick abschätzend über den wachsamen und bewaffneten Begleiter, anscheinend prüfend, ob auch diesem Respekt zu erweisen wäre. Geduldig ruhten ihre braunen Augen für einen Moment auf ihm, bevor sie nach der entsprechenden Reaktion zurück zu Gasparo blicken würde.

„Doch sprecht Ihr wahr. Gerade in Nächten wie diesen scheint die Zeit zu fliehen. Entsprechend sollten wir sie nutzen. Bitte. So ich Euch weiter dorthin führen dürfte.“

Es folgte ein freundliches Lächeln verbunden mit einer einladenden Geste, welche weiter entlang der Straße deutete. So die beiden Männer der Einladung folgen würden, würde Seresa nach einigen Metern des Weges erneut in einen angenehmen ruhigen und gedämpften Plauderton verfallen.

„Latein demnach.“

Ihr Kopf war leicht in den Nacken gelegt, als sie zu dem Mann neben sich aufblickte.

„Ein gelegter Grundstein für andere Sprachen?“
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Gasparo
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Re: [1015] Fremd in alten Gassen (Seresa, Gasparo)

Beitrag von Gasparo »

Gasparo war darum bemüht, sich seine Überraschung ob dieser neuen Situation nicht anmerken zu lassen. Seine Emotionen zu überspielen fiel ihm nie besonders schwer. Wer auch immer vor ihm stand war ihm gegenüber im Vorteil. Eine fremde Stadt, fremde Kainiten … er hatte gewusst, dass diese Nächte ihn fordern würden. Aber gleich in der ersten Woche in Genua auf dem Weg ins Elysium abgefangen zu werden erschien ihm wie eine Katastrophe.

Der Jüngling vor ihm schien freundlich genug aber der Ventrue wusste, dass in dieser Welt wenig dem Anschein entsprach. Wurde er gerade in eine Falle gelockt? War es ein Kainit, ein Ghul oder etwas anderes, welches Crispianus und ihn tiefer in die Gassen locken wollte?

Wenn ja, dann war es ein arroganter oder unbedachter Gegner, der seine Maskerade unnötigerweise fallengelassen hatte. Sein Leibwächter erfasste die Situation vielleicht nicht ganz, aber Crispianus sollte wach genug sein, um den Wandel im Verhalten seines Herrn zu spüren. Nun gut, er würde auch an diesem Spiel teilnehmen. Vielleicht würde der Weg doch noch nach San Donato führen.

„Mein Name ist Gasparo di Como, Magister Trivium aus Lucca.“ Erkannte sein Gegenüber diesen Namen? „Ich hoffe, durch die ehrwürdige Kirche San Donato mehr über Genua zu lernen. Schließlich ist sie ein wichtiger Teil der lokalen Geschichte, soweit ich weiß.“

Als die Gruppe schließlich weitermarschierte und Seresa nach seinen Lateinkenntnissen fragte antwortete Gasparo in seinem gewohnten, strengen Ton, der kaum Raum für eine Unterbrechung ließ. Man könnte meinen, er hatte eine Rede auswendig gelernt, dabei referierte er nur über ein Thema mit dem er bereits Stunden gefüllt hatte.

„Mein werter Freund, Latein als die Muttersprache Roms ist ein unabdingbarer Bestandteil unserer Identität. Ich bedauere jeden, der nicht befähigt ist, Phaedrus Fabeln selbst zu lesen oder die Vergangenheit durch die Augen des Tacitus zu sehen. Selbst Lygdamus, den ich nicht zu den begabtesten Poeten zähle, hat komplexere Lyrik erschaffen als alles, was die Menschen in den letzten 200 Jahren auf Pergament gebracht haben. Latein ist ein erster, wichtiger Schritt in eine glorreiche Vergangenheit, die uns weit mehr bieten kann als dieses dunkle Jahrtausend durch das wir wandeln. Historia est vitae magistra!

Beim letzten Satz schwoll seine Stimme etwas an. Er ließ die Worte einen Moment in der Luft hängen, bevor Seresa wieder ansah.
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Seresa
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Re: [1015] Fremd in alten Gassen (Seresa, Gasparo)

Beitrag von Seresa »

Der Bote schien für einen Moment nachzudenken bei dem Namen des Magister Triviums. Klang er vertraut? Hatte er ihn bereits einmal irgendwo gehört? Wenn ja, von wem und warum? Der vermeintliche Jüngling nickte schließlich einzig höflich, als der Magister über San Donato sprach. Mehr sagte er in diesem Moment nicht gab es schließlich Dinge, welche man besser nicht derart ausführlich in dunklen Gassen besprach. Seine Nachdenklichkeit hatte er jedoch mit einem kurzen Kopfschütteln verworfen. Ob der Name ihm inzwischen etwas sagte war ungewiss oder nicht von weiterer Bedeutung in diesem Moment. Entgegen allem was womöglich dagegen sprechen würde, meinte es der Führer offenkundig weiterhin gut mit den beiden Gästen Genuas in dieser Nacht, denn er folgte den größeren und einfach zu merkenden Straßen, welche immer weiter in Richtung Nordosten hin in Richtung San Donato führten und somit weg vom Bischofskastell in ihrem Rücken.

Als Gasparo im Anschluss auf ihre Frage antwortete und sein Blick wieder auf sie gefallen war, konnte er sehen, wie gebannt sie seinen Worten gelauscht hatte und dass sie selbst einen Moment benötigte, um sich aus dieser Starre herauszureißen.

„So dieses Jahrtausend wahrlich dunkel wäre, läge es dann nicht eben an Männern wie Euch ein strahlendes Licht darin zu sein? Ein glänzendes Vorbild, um eine weitaus glorreichere Zukunft zu schaffen? Ein allseits bekannter Mann, welcher bewundert und dem nachgeeifert wird wie Jenen, welche Ihr selbst verehrt? Dabei ein wohlwollender und großzügiger Förderer für all Jene zu sein, welche nicht befähigt sind zu lesen, um sie teilhaben zu lassen an der glorreichen Vergangenheit, anstelle sie für ihre Unwissenheit zu bedauern? Solltet Ihr nicht ihren Geist und Verstand schulen, so dass sie selbst zu Lichtern werden, auf dass die Dunkelheit mehr und mehr verbannt wird, so dass die Welt wahrlich zum Leuchten gebracht wird?“

Ihre Stimme klang nicht herausfordernd, sondern vielmehr wie die eines neugierigen und interessierten Schülers. Dies spiegelte sich auch in den braunen Augen wieder, aus welchen der vermeintliche Bursche den Magister anblickte.
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