[1016] Dem Engel zur Rettung (Seinfreda, Ilario, Livia, Sousanna, Amalia, Galeno, Brimir, Titus, Vergonzo)

[Livia]

Es war eine unbekannte Anzahl an Monden vergangen, seit Angelique verschollen war. Bisher hatte das wenig Aufmerksamkeit erzeugt - war die Kleine doch wie üblich alleine und ohne Bescheid zu geben aktiv gewesen.
Doch da hatte Seinfreda fast panisch, und für ihre Art ungewöhnlich normale, Brief verschickt - an viele verschickt - selbst an jene, die sie manches Mal noch mit Argwohn betrachtet hatten.

Man hatte sich in der großen Baustelle des neuen Gotteshauses verabredet, einige Martinsritter standen zum Schutz bereit und nach und nach traf die halbe Domäne mit eigenem Geleit ein. Alle sammelten sich wie die Kultisten in der stillen Baustelle.

Die Anwesenden hatten eine weile Diskutiert, es waren schwere Vorwürfe und milde Dämpfungen des Aktionismus gefallen...
Seinfreda hatte berichtet... Dass Roger d'Arles tod sei, Godeoc habe ihr seinen Kopf vor wenigen Nächten als Warnung gesand...

Dann schnitt die Setitin das erste Mal die kurze Stille entzwei - sie hatte sich bisher zurückgehalten. Livia wirkte sehr verschüchtert, sie trug immer noch eine starke Rötung im gesicht, wie von Sonnenbrand.

"Was ihren Zustand angeht...

Als ich das letzte Mal in unserer gemeinsamen Zuflucht nächtigte, ereilte mich ein üblicher Traum...
und ich träume sonst nicht.
dieser Traum... war so eng mit der realen Welt vershcmolzen, dass ich danach beinahe zu Asche verbrannt erwachte." Sie schauderte.
"Es könnte ein Hilferuf oder eine dunkle Vorahnung sein, die mir das Band zu Angelique, meiner Schwester, geschickt hat."

Sie schluckte... dann begann sie ihren Traum zu schildern. Langsam, erst bedächtig, dann wirklich verängstigt.

"Verrat.
Enge.
Schmerz.

Ein Raum - er brennt. Nein, es sind nur Kerzen.
Schmerzende Augen sehen.

Binden.
Schwere Ketten an allen Gliedern, Armen, Beinen, Hals. Schwere Ketten schmerzen.
Sie glühen!
Glühen bläulich - geisterhaft.
Eine unbekannte Macht bindet und schmerzt zugleich.

Die Lichter schwinden, aber die Angst steigt. Das Tier lauert. Wieso?
Es ist gebettet auf Stroh. Stroh wie für ein Tier. Schmerzend.
Wieso steigt die Angst, wenn das Licht schwindet? Der Geist wird klarer.

Das Feuer - es ist wenig. Aber es wird so wenig, dass es droht. Die Kerze brennt herab. Eine einzelne Kerze ist fast herabgebrannt, steht nicht weit entfernt, mittem im Stroh!

Feuer und Rauch schleudern sich herum, umfließen alle Sinne, reißen alle Gefühle ein. Die Angst wird übermannend. Das Tier schließt seine schützenden Arme, sein Versprechen will es halten, es wird das Leben retten, will sich selbst retten.

Doch: Es ist zu schwach. Die Ketten leuchten bläulich-weiß. Das Ende naht.

Feuer überall. Schmerz. Unendlicher Schmerz. Schmelzendes Fleisch, ein Schrei durchstößt die Nacht, ein einzelner Schrei, er trägt die Qual aller Leben in sich, die in all den Jahren in den Leib geflossen sind, aller Vitae, aller Reste von Menschlichkeit...
Er trägt das gesamte Tier in sich.
Ein einzelner Schrei durchbricht die Existenz und das Wesen. Vernichtet.

Dunkelheit. Nichts. Tod."

Ihre Stimme war nicht schwächer geworden und doch wirkte die Menschliche als würde sie gleich weinen... wenn es für ihrereins noch unwillkürlich möglich gewesen wäre , ihre Wangen wären sicherlich feucht... oder eher noch blutrot.

[Nubis]

Galeno hört dem ganzen ruhig zu, besonders den Worten Ilarios. Auch hört er die an Livia geschickte Vision und grübelt.

"Zum einen ist es recht riskant, wir haben keine Informationen, die wirklich ins Detail gehen, müssten uns weit rauslehnen und uns alle ziemlich in Gefahr begeben...zumindest was ich bisher über jenen Kainiten gehört habe. Ich bin daher der gleichen Meinung, wie der wohlwerte Ilario. Es bringt nichts, überstürzt zu handeln.

Jedoch klingt die Vision auch, als wenn wir nicht viel Zeit haben. Das Feuer ist ein böser Zeitfaktor, der nicht ausser Acht gelassen werden sollte... Was gäbe es denn für Möglichkeiten , ausser den werten Vergonzo dort hinein zu schicken, Informationen zu beschaffen."

[Livia]

Livia sah zu Seinfreda, dann zu den anderen Anwesenden.
"Ich halte auch wenig davon, sie im Hort des Drachen zu suchen...
Das wäre ein verstoß gegen die Traditionen.

Aber Angelique war es doch, welche ide höchst verehrte Prinzessin gerettet hat... gefunden hat, als diese in Starre lag...
Wenn wir gemeinsam, nicht nur Kastellan oder Harpyie, sondern eine große Delegation ihrer Vasallen, Gäste und gar Amtsträger, sie hierbei um Hilfe bitten - im Namen der Domäne womöglich?
Sie würde es sicherlich tun...
Meint ihr nicht?
Ein Wort von ihr müsste doch genügen, und der Ahn wird sich ihr fügen?"
Livia schien große Hoffnung in diese Idee zu liegen, fast angstvolle Hoffnung - eher Verzweiflung.

[Sousanna]

Sie hatte versprochen zu kommen und das war sie auch. Sousanna war erschienen. Ganz in schwarz. Verhüllt nach Art ihrer Heimat und bleich wie der Tod. Das Verschwinden ihrer Freundin schien sie schwer getroffen zu haben.
Ruhig hörte sie an, was die anderen zu sagen hatten. Schien sich ihre eigenen Gedanken zum Geschehen zu machen und erst ihre Worte suchen zu müssen, die sie im Schock wohl verloren hatte.

[Ilario]

Samt einer Entourage von vier Schattenkriegern war Ilario gekommen. Noch ernster und nachdenklicher als gewöhnlich hatte er alle anderen begrüßt und sich vorerst zurückgehalten. Lediglich ein paar Bedenken geäußert, dass Männer aus Calvicula, selbst Diener des Nosferatu, nicht unbedingt heißen mussten, dass dieser hinter Angeliques Verschwinden steckte. Täuschung und Verrat lagen nun einmal im verfluchten Blut Kains.
Die Nachricht von Rogers ehrlosem Tod hatte ihn zwar berührt, aber bei aller Sympathie war dieser doch nur ein Mensch gewesen. Ein Ghul, der in logischer Konsequenz den Preis für Angeliques Übergriffe gezahlt hatte. Doch seine Angelique war es bei der Ilarios Gedanken waren, sie musste gerettet werden.

Mit besonderem, wenn auch von Skepsis geprägtem, Interesse hatte der Lasombra die Vision Livias aufgenommen. Ihre weiteren Worte jedoch ließen eine kleine, zornige Falte auf seiner Stirn entstehen. Wem dieser Zorn galt war jedoch nicht ganz klar... Godeoc? Aurore? Livia? Angelique?

"Unser höchstverehrter Prinz ist unterrichtet. Die Liktoren mit Ermittlungen betraut. Wenn ihre höchstverehrte Majestät es für nötig und klug erachten würde zu tun was ihr vorschlagt werte Livia wäre dies bereits geschehen. Nun vor ihr aufzulaufen und sie in eine derart unmögliche Situation zu bringen, uns in eine solche zu bringen, wäre höchst respektlos und unklug. Ebenso halte ich jede Art von überstürzter Befreiungsaktion oder eines Angriffs auf den sehr verehrten Godeoc für sinnlos. Selbst wenn alle hier Anwesenden daran teilhaben würden, wäre Angeliques Schicksal damit besiegelt. Und unseres auch. Abgesehen von des werten Vergonzos Angebot nachzuforschen und zu suchen, schlage ich vor abzuwägen ob Verhandlungen mit dem sehr verehrten Godeoc zielführend wären. Inoffiziell selbstverständlich... Immer vorrausgesetzt natürlich er hätte Angelique, was wären wir bereit für sie zu zahlen?"

Ihm schauderte bei dem möglichen Preis und doch wäre er immer noch geringer als der Blutzoll und die unvermeidliche Niederlage eines Angriffs. So sah zumindest Ilario die Situation.

[La Vedova]

Seinfreda war die Sorge und die Wut ins Gesicht geschrieben. Zuerst hatte sie noch versucht, Fassung zu bewahren, hatte jeden einzelnen der Gäste dankbar willkommen geheißen, auch den Ghul Grimmstein, der als Brimirs Vertretung anwesend war. Auf seine vorlaute Frage danach, was Godeoc für eine Nachricht geschickt hatte, war sie dann vor alle getreten.



Wortlos griff sie nach dem Korb, den sie mit äußerster Vorsicht vor den Altar. stellte. Einen Kurzen AUgenbloick veharrte sie vor ihm, bevor sie ihn öffnete und ihn den Blicken der Anwesenden preisgab.
Er war mit Asche gefüllt. Darauf lag der bleiche, schmerzverzerrte Kopf von Roger d´Arles mit Seilspuren am Hals, die darauf hindeuteten, dass er wie ein gewöhnlicher Verbrecher gehängt wurde.

Noch bevor sie etwas dazu sagen konnte, brach eine Flut an Fragen über sie herein. DIch ihr Blick galt vor allem dem verzweifelten und trauernden Grimmstein. Rang er mit seinem Tier? EIn Ghul? Erst als dieser ruhiger geworden war, wandte sie sich den anderen zu, die sich um den Korb drängten.

"ja, werte Liktorin, ich weiß, dass Angelique Godeocs Männern wohl ähnliches angetan hat, doch das tut doch nichts zur Sache. Roger war ein Held Genuas. Vor allem war er aber Angeliques Vertrauter und ein guter Mann. Dass die Claviculaner miese Hunde sind, ist kein Geheimnis. Dass Angelique sie oft gejagt hat ebenfalls nicht..."

Dankbar wanderte ihr Blick zu Titus, der begann nun die wirklich wichtigen Fragen zu Angeliques Verschwinden zu stellen. Sie schluckte, brauchte kurz, um sich zu sammeln und auf die vielen Fragen zu antworten. Sie zitterte und schloss die Augen, rang mit der Beherrschung.


"Es ist nicht Angeliques Asche...Gottseidank. Sie ist von Roger, er wurde nicht bloß erhängt...vielfach...er wurde zu Tode gequält!" Nun war ihre Stimme lauter geworden , hasserfüllt. "Godeoc hat seine Hunde auf ihn losgelassen...Metzger! Sie haben ihn verstümmelt und gefoltert, sie haben ihm alles genommen und ihm dann nicht einmal einen schnellen Tod gegönnt! Ich will, dass seine Mörder dafür bezahlen und ich will, dass Godeoc nicht einfach damit davon kommt! Angelique ist verschwunden, doch sie hat sich uns mitgeteilt, sie wird gefangen gehalten. Wir müssen etwas unternehmen!"
Ihre Stimme überschlug sich beinahe. Sie bot den Anwesenden ein wahrhaft ungewohntes Bild. Sie, die sonst so beherrscht war, die sonst selten Gefühlsregungen zeigte. Sie, die immer Mäßigung predigte.

Als Ilario einwarf, dass ein diplomatischer Weg vorerst die klügste Vorgehensweise war, schnaubte sie und sah ihn fassungslos an: „Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass der sehr verehrte Godeoc wenig Interesse an Diplomatie hat. Er scheint mehr ein Mann deutlicher Gesten... und es waren seine Männer, die Roger gefoltert haben! Seine Hunde, seine miesen..."
Sie schlug sich die Hand vor den Mund, um nicht ausfallen zu werden und machte eine Geste in Richtung Livia, als Titus danach fragte, wie Angelique sich mitgeteit hatte.
Die kurze Pause, in der Livia ihren Traum schilderte, nutzte sie, um sich ein wenig zu beruhigen. Nur, um dann auf Ilarios erneuten Vorschlag eines diplomatischen Vorgehens eine undeutliche und verzweifelte Geste mit den Händen zu machen. Natürlich hatte sie keine bessere Idee, natürlich hatte sie alle hier eingeladen, um eine Lösung zu finden, ein Vorgehen.
Doch Diplomatie? Nach alldem, was Godeocs Männer Roger angetan hatten? Nachdem sie mit ansehen musste, was....! Nach alldem, was Godeoc ihren Männern angetan hatte und werweiß in diesen Minuten noch antat?

Sie starrte die Wand hinauf zu den Fresken. Wüsste man es nicht besser, könnte man beinahe meinen, sie käpfe mit den Tränen.
„Ich weiß es nicht! Am liebsten wäre es mir, Angelique dort in einer unauffälligen, schnellen Aktion herauszuholen... doch mir ist bewusst wie schwierig dies ist. Deshalb habe ich Euch ja hergebeten... weil ich Euren Rat brauche, weil ANgelique Hilfe braucht und ich alleine nicht gegen ihren Entführer angehen kann. Und vielleicht habt Ihr auch Recht...doch an eine Finte und gekaufte Claviculaner glaube ich nicht. Und was, wenn er es einfach leugnet? Was, wenn ihn dieser Schritt erst dazu bringt, Angelique noch mehr anzutun?“

Die Emotionen wechselten auf Seinfredas Gesicht im Sekundentakt. Sie wirkte elend und verwundet, im nächsten Augenblick wütend und voller Energie und Verlangen, die Mörder büßen zu lassen und einen Augenblick später schon wieder traurig und voller Sorge.
Immer wieder wanderten ihre Augen bittend von einem zu nächsten. Vor allem an Vergonzo und Titus blieben sie lange hängen aber auch an Sousanna und Ilario.
"Er ist es gewesen, ich weiß es! Ich hätte niemals diesen Antrag stellen sollen, ich hätte niemals Angelique von seinen Übergriffen auf meine Leute in Domus erzählen sollen...Sie darf nicht der Preis sein...", flüsterte sie dann mehr zu sich als zu den anderen.

[Livia]

"Er hatte es sicher schon lange auf sie abgesehen, wohlwerte Seinfreda, grämt euch nicht... Es ist nicht eure Schuld. Gewiss nicht.
Aber euer Zorn ist mehr als verständlich..." Sie schüttelte den Kopf, kraftlos. Blickte Seinfreda innig an. Ihre Augen waren voller Erschöpfung und Angst.
"Hier ist nicht der Ort für Zweifel und Schuldgefühle...
Hier müssen wir über Lösungen nachdenken."

Sie seufzte. Brachte ihren Vorschlag nicht ein zweites Mal hervor. Ihr fehlte die Kraft schlicht. Vorsichtig blickte sie sich um, sah auf Ilario, ob er dem Vorschlag etwas abgewinnen konnte?

[Sousanna]

Der Kopf der Ravnos war gesenkt gewesen. Die Trauer strahlte von ihr ab wie eisiger Regen. Sie hatte Roger gern gehabt und ihr Herz schlug auch für Angelique.
Bei den Worten Ilarios aber nickte sie zustimmend. Es gab wenig Sinn in Befreiungsaktionen. Niemand würde Godeoc so einfach übertölpeln. Und niemand der es wagte, würde nicht mindestens ein ebenso grausiges Schicksal wie Roger erleben.

"Der wohlwerte Ilario und die werte Livia haben Recht.", flüsterte sie dann. "Rache auf diese Weise wäre Angeliques sichere Vernichtung. Und eine weitere Bitte an die Prinzessin ein Affront."

Einige Augenblicke schwieg sie wieder, schien von Düsternis umgeben. Dann strafften sich die schmalen Schultern mit einem Mal und beinahe schon trotzig blickte sie in die Runde. "Ich, die Harpyie Genuas, biete mich für eine Verhandlung unter der Hand. Ich wurde als Bindeglied gerufen und zur Neutralität verpflichtet. Ich biete an, die Verhandlungen zur Rettung unserer Freundin zu führen. Mit allem Geschick und aller Dezenz, die ich aufbieten kann.", verkündete sie.

[Livia]

Livia wirkte froh und zustimmend, als Sousanna sprach.
Doch dann hob sie die Braue.

"Wieso wäre es ein Affront, der Prinzessin die Sachlage zu schildern?
Wäre es nicht hingegen wichtig?
Wäre sie uns nicht böse, wenn wir es nicht täten und sie daher ihre einstige Befreierin nicht rechtzeitig selbst retten könnte?"

Sie wirkte ebenso kraftlos wie verwundert. War Sousanna nicht gewillt alles zu tun, um ihre Schwester zu retten?

[Sousanna]

"Weil der wohlwerte Kastellan es, wie er es bereits gesagt hat, an unsere höchst verehrte Prinzessin getragen hat.", erklärte die Sünderin, sich offenkundig zur Geduld zwingend. "Sie überlässt es den Liktoren. Möchtest du diese Entscheidung anzweifeln? Möchtest du sagen, die höchst verehrte Prinzessin habe falsch entschieden?"