[1022] Der Mann in der Ecke [Niphon, Alain]

[Alain le Beau]

Auf die letzten Worte des Setiten hin zieht der junge Mann die Augenbrauen hoch und für einen Moment verzerrt sich sein Gesicht zu einer Maske aus Überraschung und Wut. Dann blinzelt er. Das freundliche Lächeln erscheint wieder. "Ist es durchgeblutet?", sagt er leise. "Ich hatte ja gehofft, dass man den Verband gar nicht unter dem Tuch erahnt." Da liegt Spannung in der Stimme, die selbst der fremdartige, melodische Akzent nicht abmildern kann. Ein Akzent, den Niphon jetzt noch deutlicher bemerkt.

"Ich bin, mh, überfallen worden", sagt Alain mit einem Schulterzucken. "Es will leider nicht aufhören zu bluten". Er fühlt an dem Tuch herum, so, als würde er die feuchte Stelle suchen.

[Niphon]

Überrascht ob der heftigen Reaktion zog auch Niphon eine Augenbraue hoch.
„Nein, es ist nicht durchgeblutet, keine Sorge. Nun, das Tuch wirkt vielleicht etwas seltsam, aber
man kann auch den Verband darunter kaum erahnen.“

Dann legte er seinen Kopf leicht schief und betrachtete ihn aufmerksam.
„Aber man kann es riechen.“
Abermals zog er seine Braue nach oben, ein Schmunzeln umspielte seine Lippen.
„Es mag nicht aufhören, hmm?“

[Alain le Beau]

Alain schnuppert unwillkürlich. Der Bratengeruch aus der Küche, das Zwiebelaroma aus den Mäulern der Gäste, der Geruch verschütteten Biers, von Schweiß und anderen Körperflüssigkeiten, dieses wundervolle chaotische Miasma, all das ist deutlich zu riechen. Aber Blut? Er hebt die Augenbraue. "Ihr habt eine exzellente Nase, werter Niphon. Was mich nachdenklich macht. Möchtet ihr mir vielleicht etwas über eure Familie erzählen, das ich noch nicht weiß?"

Er nimmt noch einen Schluck aus dem Weinkrug, aber seine Augen bleiben auf das Gesicht seines Gegenübers fixiert.

[Niphon]

„So exzellent, wie sie scheinen mag, ist sie zum Glück nicht, sonst würde mich der Geruch in den Gassen umbringen, schätze ich.
Es wäre mir eine Freude, werter Alain.“

Er senkte seine Stimme noch etwas, ehe er fortfuhr und seinem Gegenüber noch einmal zunickte.

„Ich bin Niphon Eirenikos und Neugeborener vom Clan der Schlangen, Kind von Niccolò Lodario, Ancilla vom Clan der Schlangen. Bitte verzeiht, dass ich mich nicht zu Beginn als solcher vorgestellt habe, ich war mir nicht sicher, wo genau der Duft herkam und wollte ihn erst lokalisieren.
Und Ihr seid?“

[Alain le Beau]

"Der Duft?", fragt Alain und lächelt sanft. "Niphon, Niphon... Schmeicheleien werden euch bei mir nicht weiterbringen." Ein leises Lachen. Niphon hat das Gefühl, dass der Jüngling durchaus Schmeicheleien genießt. "Ich bin - immer noch - Alain, nur Alain, Neugeborener vom Clan des Drachen, Kind des Konrad von Wolmar, Kind des Radislav Draculea. Und Entschuldigungen sind keinesfalls notwendig. Ich habe euch schließlich auch für einen vorwitzigen Sterblichen gehalten."

Er zwinkert. "Ich würde euch ja erneut etwas zu trinken anbieten, vermute aber, dass ihr den Wein wohl kaum genießen würdet." Wie um seine Worte zu unterstreichen, nippt er erneut an dem Becher.

[Niphon]

Niphon quittierte es nur mit einem Schulterzucken, dann mit einem Kopfschütteln.
„Ich lehne dankend ab. Aber.. genießt Euren Wein.“
Er war sich noch immer nicht sicher, wie Alain trinken konnte, ging aber nicht weiter darauf ein.

„Ihr seid nicht wirklich überfallen worden, oder?“, fragte Niphon mit leichter Bestürzung in der Stimme und blickte zu den beiden Wächtern. Hätte er heute Nacht doch nicht auf Begleitung verzichten sollen?

[Alain le Beau]

"Warum sollte ich lügen?" sagt der Tzimisce mit einem Stirnrunzeln. "Doch, doch - man hat mich überfallen. Oder besser gesagt: Etwas hat mich überfallen." Alain flüstert nun beinahe, in einem Tonfall, bei dem sich die Nackenhaare hochstellen. "Was auch immer es war, es hat mich beobachtet, verfolgt. Dann hat es meinen Ghul angegriffen. Ich habe gedacht, es wäre ein Bettler, aber in Wahrheit war es eine schleimige, spinnenartige Monstrosität. Mein Ghul hat sein Leben gelassen. Mich hat es vergiftet, mit seinem widerlichen Blut."

Er fasst sich an den Hinterkopf, unwillkürlich. "Meine eigenen Kräfte haben sich gegen mich gewandt, werter Niphon. Ich würde euch das Ergebnis zeigen, aber ich fürchte, dass die Stille das nicht zulässt." Er grinst schief und hebt den Becher. "Aber ich trage meine Wunden mit Stolz. Schließlich hätte das Attentat auch ganz anders ausgehen können." Alain nimmt einen Schluck und Niphon sieht, dass die Hand seines Gegenübers leicht zittert. Offenbar hat ihn das Erlebte doch mehr mitgenommen, als er zuzugeben bereit ist.

[Niphon]

„Weil Ihr dachtet, mit einem Sterblichen zu reden, als Ihr von dem Überfall erzähltet-“

Ihm lief ein Schauer über den Rücken, als er Alain weitersprechen ließ. Dann schloss er kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete, war sein Blick für einen Moment in die Ferne gerichtet, als wäre er in Gedanken versunken, bevor er sich wieder auf den jungen Mann zentrierte.
Er würde vorsichtiger sein müssen und nicht mehr offen auf den Straßen dieses Viertels laufen und sich einmal nach ähnlichen Begegnungen umhören. Würden sie sich häufen, könnte es noch in der Nähe sein und Alain die Wahrheit gesprochen haben. Dann müsste er einige Pläne umgestalten.
Falls nicht, dann war es entweder fort, Alain hatte es sich eingebildet.. oder er log.

„Solltet Ihr diese Geschichte nicht noch anderen Kainiten erzählen, als Warnung, oder damit sie.. es jagen? Nicht, dass sich diese Begebenheit mit einem tragischeren Ausgang wiederholt. Ich weiß zwar nicht genau, an wen genau Ihr Euch da wenden müsstet, da ich noch recht neu hier bin, aber womöglich wisst Ihr das besser als ich. Wie seid Ihr überhaupt entkommen? Oder konntet Ihr es niederringen?“

Dann zögerte er kurz.

„Ihr solltet auf jeden Fall froh sein, dass es Euer Gesicht verschont hat, es wäre eine Tragödie gewesen.“, dabei nickte er ihm mit einem ernsten Gesichtsausdruck zu- auch wenn zu seiner warmen Stimme eher ein Lächeln gepasst hätte.

[Alain le Beau]

"Oh, Niphon" sagt Alain mit einem Augenaufschlag und einem kecken Grinsen. "Wie lieb von euch!"

Etwas ernster fügt er hinzu: "Der verehrte Blutvogt und die wohlwerten Liktoren sind bereits alarmiert. Gemeinsam mit mir haben sie den Fluss der Gerüchte umgeleitet, der in dieser Nacht entsprang. Und soweit ich weiß jagen sie die Kreatur jetzt. Aber seien wir doch ehrlich: Der Auftragsmörder ist selten die wahre Gefahr."

Der Tzimisce schüttelt den Kopf. "Ich kann mir nur vorstellen, dass eines der Kainskinder der Stadt mir mein unbeschwertes, lustvolles Dasein missgönnt. Oder dass jemanden mein hübsches Gesicht stört. Aber dass sie gleich zu solchen Mitteln greifen würden... Ah. Was ist das Leben ohne ein wenig Aufregung, habe ich recht? Oder das Unleben, besser gesagt..."

[Niphon]

Er erwiderte das Grinsen, wenn auch etwas verhaltener.

„Nein, das sind sie meistens nicht. Aber vielleicht verfügt diese Kreatur über einen Funken Intelligenz und weiß etwas über seinen Auftragsgeber. Oder etwas an ihrem Körper lässt Rückschlüsse auf ihn geben. Aber ich bin sicher, dass sie der Lage schon Herr werden. Eine Möglichkeit wäre natürlich auch, einmal mit Jenen, die Euch Euer Gesicht missgönnen könnten, zu sprechen, vielleicht gibt eines der Gespräche ja Aufschluss. Aber daran haben sie bestimmt auch schon gedacht.“

Er schwieg für einen Moment, das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht und er sah wieder vollkommen ernst aus, auch wenn sein Blick wieder in die Leere, leicht neben Alains Kopf schweifte.
„Es lässt einen die Existenz in einem gänzlich anderen Licht erblicken.“
Dann, so schnell wie er gekommen war, war der Moment auch schon wieder vorbei und er sah dem Tzimisce wieder in die Augen.
„Ihr müsst Euch bei jemandem wirklich unbeliebt gemacht haben, wenn man etwas Derartiges auf Euch angesetzt hat.“