Heiliger Boden [offen]

[Januar '16]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Brimir
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Heiliger Boden [offen]

Beitrag von Brimir »

Wie lange schon war er nicht mehr hier gewesen? Monate. Jahre. Heute jedoch kehrte der Gangrel zurück. Er schob die Türe hinter sich und erhob den Blick, als er sich umdrehte. Schweigend ließ Brimir den Blick über das Hauptschiff der Kirche wandern, ehe er weiter ging. Schwer hallten seine Schritte auf dem Steinboden wieder. Und auch, wenn der Nordmann die Rituale, die tagsüber in dieser Kirche abgehalten wurde, wohl nie ganz verstehen würde, so hinderte es den Mann in lederner Hose udn Tunika gekleidet nicht daran die Imposants dieses Gebäudes zu bewundern.

Waffen trug Brimir keine offen zur Schau, als er völlig ruhig zu den Tafeln ging. Dafür jedoch waren Rabe und Wolf auf die Seiten seines Schädels gemalt. Ein Umhang, einst ein riesiger Wolf mit dunklem Fell, ruhte auf seinen Schultern. Seine bernsteinfarbenen Augen erfassten die Schrift, die er nicht deuten konnte. Und doch kannte Brimir, um ihre Bedeutung: Die Gesetze Kains, des ersten Einherjers - gleich, was die Christen auch sagen mögen.
"Eines Jeden Rücken ist ungeschützt, es sei denn, er hat einen Bruder."
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Melissa
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Re: Heiliger Boden [offen]

Beitrag von Melissa »

Das leicht feuchte Patschen nackter Füße auf dem kalten Steinboden erklang. Das sorgenfreie Geräusch tapsiger Schritte, die sich nicht bemühten, verborgen zu bleiben.

Die Frau mochte als hübsch gelten. Keine Schönheit, auch nicht in ihrer Freizügigkeit und dem eleganten, katzengleichen Gang ihrer Bewegungen, aber ein durchaus angenehmer Anblick. Der selbstsichere, beherrschte Gang und der strenge Blick aus starken Augen unterstrich nur die gewisse Anziehungskraft einer Frau, die wusste, was sie wollte.
Ihr schlanker Leib steckte in einem einfachen Kleidchen, das ihre Beine und Schultern freil ließ, das ohne Muster oder Verzierungen aus schlichtem, faden hellbraunen Stoff bestand und recht unvorteilhaft hier und dort immer wieder rutschte. Auch war es an einigen Stellen gerissen und nur notdürftig geflickt worden.
Im Kontrast dazu stand ihr Verhalten.

Schüchtern räusperte sie sich hinter dem Gangrel und knickste, sollte Brimir ihr Aufmerksamkeit schenken. Die Hände hielt sie vor dem Schoß ineinander verschränkt, die Haltung war gerade, aber
"Erlauben Sie, mich vorzustellen?", säuselte sie, ihre Sprache eine seltsam kurz gefasste und musikalische Form des Italienischen, ihre Stimme zaghaft und süß, als wären laute Töne ihr zuwider, als wäre sie gewöhnt, mit Kindern zu sprechen, von einer gewissen Wärme erfüllt, die den meisten Vampiren verloren ging.

Sie wirkte fast lebendiger, als viele der Bauern und Leibeigenen, die Brimir in letzter Zeit gesehen hatte. Sie bewegte sich natürlich, sie stand und redete und ging, ganz wie eine junge Frau, sie schlug die Augen nieder und blickte umher, wie es ein Mensch gerne tat. Wäre da nicht der kleine Fakt, dass sie nicht atmete.
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Brimir
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Re: Heiliger Boden [offen]

Beitrag von Brimir »

Noch immer ruhte der Blick auf den Tafeln. Auch, als die Schritte hinter ihm erklangen, drehte sich der Gangrel nicht um. Vielleicht bereitete er sich auf ein Gespräch mit Angelique vor, dass ihm wieder Alles an geduld abverlangen würde, die er aufbringen konnte. Brimir verschränkte die Arme hinter dem Rücken, als Melissa stehen blieb. Doch erst als sie sich räusperte, drehte sich der Jäger langsam um.

Wie die Schlange vor dem Kanninchen, legten sich seine Augen auf die scheinbar junge Frau. Die Lippen verzogen sich zu einem wölfischen Grinsen, dass wunderbar zu dem Bernstein seiner Augen passen wollte, als sie ihre Frage stellte. Dann nickte Brimir nach einer ganzen Weile, gespannt wer da vor ihm stand. Noch waren sie einander unbekannt. Oder wusste Melissa gar, wem sie gegenüber stand?
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Melissa
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Re: Heiliger Boden [offen]

Beitrag von Melissa »

"Mein Name ist Melissa, Kind des Korinthian, Neugeborene vom Blut des Drachen und für den Augenblick Gast dieser Domäne", erklärte die Frau und schlug die Augen nieder. Ihre Züge hatten sich wenig verändert, während sie diese Worte sprach. Stolz war vielleicht in ihrer Stimme aufgeleuchetet, als sie den Drachen erwähnte, hatte sich aber nicht in ihrem Gesicht niedergeschlagen.
Ihre Lippen verzogen sich zu keinem Lächeln, klafften tatsächlich nicht weit auseinander, während sie die Worte aussprach, und ihre hübsche Stirn zeigte keine Bewegung ihrer Augen.
Ganz als hätte sie sich nun entblößt und mit ihrer Abstammung auch sich selbst preis gegeben, erwartete sie nun schüchtern das Urteil.
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Brimir
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Re: Heiliger Boden [offen]

Beitrag von Brimir »

Melissas Worte verklangen und noch immer schaute er sie an, als sei sie die neuste Beute in der Stadt. Lauernd legte brimir den Kopf zur Seite und betrachtete die Tzimisce eine Weile schweigend. Der Kopf wurde zur andere Seite gelegt und wieder dauerte es eine Weile, ehe er sich wieder regte. Ganz so, als würde der Nordmann den Wert ihrer Worte abschätzen. Dann öffneten sich seine Lippen und die Stimme des Gangrel erklang das erste mal zu einer Vorstellung bei einer Fremden.

"Brimir Böggvisson, Neugeborener vom Clan des Tieres, Liktor Genuas und Kind von Böggvir 'Bärenklaue' Olafson, Ancilla und Blutvogt von Locarno. In unseren Adern fließt das Blut von Espen 'Sturmrufer' Kjellsson aus Seeland, Ahn vom Clan des Tieres, Kind von Wetzel 'Klingenwind', Kind von Manasco, Kind von Panaka, Ahnherrin vom Clan des Tieres, Kind von Ennoia, Erste ihres Blutes und Enkelin unser aller Vater Kain."

Der Stolz in seiner Stimme war deutlich heraushörbar, deutlich mehr, als bei den Vorstellungen, die Grimsteinn für Brimir übernommen hatte. Das wölfische Lächeln verschwand zu keinem Augenblick. Dann nickte er sachte.

"Du bist die erste deines Blutes, die meines Wissens nach, seit dem Angriff der Sarazenen, in Genua verweilt. Magst du mir erzählen, was dich her treibt?"
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Melissa
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Re: Heiliger Boden [offen]

Beitrag von Melissa »

Melissa schien darauf nicht sogleich eine Antwort zu haben. Sie beschäftigte sich zunächst mit Plattheiten - fand sich erfreut, die Bekanntschaft eines Liktors zu machen, von denen sie bereits gehört hätte, einen Diener der berühmten weißen Prinzessin und derlei Allgemeinplätze mehr - während sie mit den Augen irgendwo unter der Brusthöhe des Gangrel die Kirche betrachtete. Die Fußböden, die Wände und Säulen waren wohl von überaus großem Interesse für die Frau.

"Nichts besonderes", antwortete sie schließlich. "Ich komme aus Ravêna, eine Stadt am Meer, wie diese, wenn auch älter, römischer, und freier. Von dort wurde ich vertrieben vor...oh, ich weiß nicht, einiger Zeit. Venedig war mir versperrt von meines Vaters-Geliebten Seiten her, also nahm ich Vorlieb mit dieser Stadt hier."

Als käme ihr nach einiger Zeit noch in den Sinn, zu wem sie diese Sätze gesprochen hatte, fügte sie hinzu:
"Ich wurde nicht wegen Verbrechen vertrieben, bevor ihr diese Frage stellt, Littore, sondern weil gewisse Personen dort Neider voller Missgunst waren."
Die Spur eines Lächelns trat auf ihr Gesicht, als die Tzimisce den Blick wieder hob und dem Gangrel in die Augen sah, verschwand aber schnell wieder. Bloß die Mundwinkel hatten sich dabei verzogen, ohne ihre Zähne zu zeigen oder einen freundlichen Funken in ihre Augen treten zu lassen, die kalt und leblos wirkten - aller Schönheit zum Trotz.
"Brimir Böggvirson", sagte sie dann leise, rollte die Worte im Mund herum, wie als würde sie alten Wein verköstigen.
"Wo kommst du her, Brimir, Kind des Böggvir? Dein Name und Blut ist nicht mit diesem Land verbunden, nicht wahr?"
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Brimir
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Re: Heiliger Boden [offen]

Beitrag von Brimir »

Ihr Zusatz kam wohl gerade im rechten Moment, denn der Gangrel hatte schweigend gelauscht und über ihre Worte nachgedacht. Und er war zu dem Entschluss gekommen, dass eine Vertreibung einen Grund haben musste. Seine Lippen öffneten sich, als sie zu ihrer Erklräung ausholte. Dann schlossen sie sich wieder zu ihrem Grinsen und Brimir nickte, scheinbar zufrieden gestellt durch diese Antwort.

"Missgunst... ist meinem Blute nicht fremd.", stellte der Gangrel schließlich nüchtern fest. Dann blickte er zurück zu den Tafeln, ehe seine Augen Melissa erneut fixierten. "Aber Genua als Heimat zu wählen, weil man keine Alternative hat? Gibt es wirklich Nichts, was dich antreibt hier zu verweilen außer dem Wunsch einer Rast oder Zuflucht? Da du noch nicht vorstellig geworden bist, würde ich dir raten, Aurore gegenüber zumindest einen guten Grund vorzulegen, weshalb sie es dir gestatten sollte hier anzusiedeln." Woher er wusste, dass sie noch nicht vorstellig wurde, ließ er offen. Aber vielleicht lag es einfach an seiner Aufgabe als Liktor. Dann machte der Gangrel eine kurze Pause und musste schmunzeln. "Andererseits... du glänzt mit deinem Benehmen... etwas, was der letzte Gast nicht konnte... ganz im Gegenteil... und selbst sie ist noch hier... was ihr sichtlich gut getan hat. Ich habe momentan ein gutes Gefühl bei dir... der erste Eindruck ist wichtig, sagt man. Nicht? Und wahrscheinlich brauchst du meinen Rat gar nicht."

Das musste ein Kompliment gewesen sein, auch, wenn es von der Stimme her vielleicht nicht so klang. Aber was wollte man auch von einem Gangrel erwarten? Empathie?

"Woher ich komme? Heute Abend aus Luccolli... ein Dorf in den angrenzenden Wäldern... Falls du die Hilfe der Liktoren brauchst, wirst du mich dort finden... oder suche einen nordischen Händler am Hafen. Grimsteinn ist mein treuer Blutsfreund. Aber das ist sicher nicht, dass was du meinst. Der Mensch, der ich einst war stammt aus einem Dorf am Hafrsfjord in Norðvegr. Wandere weit in Richtung Norden... passiere das Gebiet der Germanen und Dännen. Dann kommst du zum Meer. Über dieses setzt du drüber und du erreichst die Länder aus dennen ich stamme. Hierzulande nennt man uns Nordmänner oder Wikinger."
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Melissa
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Re: Heiliger Boden [offen]

Beitrag von Melissa »

Mit einem leichten Schlenker des hübschen Köpfchens gab Melissa dem Gangrel einen komischen Blick. Fast, als hätte er etwas überaus seltsames gesagt. Als hätte er ihr vorgeschlagen, sich den Kopf zu rasieren und ihre Locken zu verkaufen, um sich eine Perücke leisten zu können.
"Aber ich weiß noch gar nicht, ob ich mich hier ansiedeln soll", sagte sie.

"Ob dir...Deine Heimat liegt fern, sehr fern, jenseits der Berge und der Sümpfe und weiteren Bergen und über ein Meer hinweg. Ich weiß nicht, ob du verstehen kannst, was es heißt, eine echte Heimat zu haben?"
Nachdenklich runzelte die Frau die Stirn, als müsste sie länger überlegen, wie sie es wohl formulierte, wie sie selbst begreifen konnte, was in ihrem Innersten vorging.
Schließlich erzählte sie mit ernster Stimme:
"Ein Drache...braucht einen Hort, so sehr wie ein Adler den Horst und der Wolf den Bau. Aber wo jene sich bloß ihre Plätze aussuchen, gerade so wie die Not es befiehlt, da sucht sich der Hort seinen Drachen. Meine Familie, mein Blut - sterblich oder nicht - lebt seit Urzeiten in diesem Land. Seit Rom. Seit Troja, seit die ersten Männer aus den Bergen hinabstiegen in das Tal, sickert das Blut meiner Väter in die Erde, die unsere Kinder ernährt.
Wählst du, welche Farbe dein Haar hat, wer dein Vater und deine Mutter sind? Ebenso wenig wählt ein Tzimisce, welchen Ort er seine Heimat nennt."
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Brimir
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Re: Heiliger Boden [offen]

Beitrag von Brimir »

Als sie zugab, dass sie noch gar nicht wüsste, ob sie sich ansiedeln solle, nickte Brimir verstehend. Vielleicht hätte er etwas ähnliches gesagt, wenn sein Auftrag ihn nicht dazu gezwungen hätte her zu kommen.

"Die Heimat von uns Nordmännern ist dort, wo unsere Familie ist. Es gibt für uns kaum ein festeres Band, als zu unserem Blut. Kein Stück Land kann dies ersetzen. Daran hat sich auch nachdem ich den Kuss erhielt nicht viel geändert, nur, dass die leibliche Familie ersetzt wurde. Auch, wenn ich nun fern meines Geburtslandes lebe, so weiß ich sehr wohl... was eine echte Heimat bedeutet, auch, wenn es sich nicht auf ein Gebiet bezieht."

Ein weiteres Nicken folgte und Brimir löste die Hände hinter seinem Rücken, um in einer weitreichenden Bewegung auf die Halle zu deuten, in dennen sie standen. Eine Halle als Sinnbild für die Domäne.

"Nun... ich verstehe, was du mir sagen willst. Und ich kann es durchaus nach vollziehen. So bleibt mir nicht mehr, als dir zu wünschen, dass dein Hort dich bald finden wird. Und vielleicht wird es gar Genua sein."

Schließlich senkte er die Arme wieder.

"Gibt es etwas, dass ein Liktor für dich tuen kann, um dir bei deiner Ankunft zu helfen? Hast du Fragen, die dir auf dem Herzen liegen?"
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Melissa
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Re: Heiliger Boden [offen]

Beitrag von Melissa »

"Nein, Littore, habt vielen Dank", sagte Melissa. "Es sind wohl zu viele Fragen, um sie in nur einer Nacht zu beantworten. Auch, wenn ich mich frage, was Eure Aufgabe ist und die des Alerio. Wie ich Anjelicha verstanden habe, seid ihr eine Art Gesetzeshüter?"

"Ich mag die Stadt bislang. Sie liegt am Meer, wie meine alte Heimat. Es ist nur das falsche. Wir werden sehen, was das Land und seine Geister sagen werden."
In diesem Moment huschte ein geheimniskrämerischer Ausdruck über ihr Gesicht, als hätte sie eine Weisheit mit Brimir geteilt, die weder er noch sie wirklich verstanden.
"Fleisch und Blut sind fast genauso wichtig, wie diese Verbindung. Aber eben nicht ganz. Sie sind formbar, etwas wankelmütig. Das Land dagegen ist fest und stark."
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- Giovanni Faldella
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