Der Leib und sein Schatten [Acacia]

[Januar '16]
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Melissa
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Der Leib und sein Schatten [Acacia]

Beitrag von Melissa »

Melissa, die frischeste Vampirin der Domäne, hatte sich schnell as eine Art regelmäßige Besucherin der nächtlichen Kirche gezeigt, die das Elysium der Stadt beherbergte. Zwar fühlte sie noch eine Einsamkeit in ihrer Brust, die durch die Abwesenheit von tanzendem, singendem, hurendem Fleisch hervorgerufen wurde - aber hier an diesem Ort kam sie anderen ihrer Art viel näher. Konnte Gedanken teilen, die Sterbliche nie verstehen, eigentlich nicht einmal hören durften.
So zumindest war ihre Hoffnung, die nur allzu oft enttäuscht wurde - die Nächte waren schließlich lang und voller Schrecken. Schrecken, die bewältigt werden wollten und nicht jeder versuchte dies wie Melissa in Gesellschaft.

Sie war also, einige Zeit, nachdem sie Brimir dort getroffen hatte, zurück gekehrt in die Kirche San Donato. Nachdem sie dort niemand weiter angetroffen hatte und auch in langen Stunden des Wartens und der Ungeduld kein anderer Verdammter ihr Gesellschaft leistete, hatte sie endlich Mut gefasst. Sie war - des Wartens überdrüssig - zu der weiblichen Person hinüber geschlichen, die sich sonst im Hintergrund hielt und die weder zu den Wachen noch zum Klerus gehörte.

"Du teilst dein Blut mit jener, die diese Halle hütet?", fragte Melissa, ohne sich groß vorzustellen. Ihre Stimme war nicht unhöflich, aber ihr fehlte die schüchterne Freundlichkeit und Unterwerfung, die sie bisweilen bei anderen Kainskindern an den Tag legte. Vielmehr war sie direkt und streng, wie eine Mutter es zu einem aufmüpfigen Kind wäre.
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- Giovanni Faldella
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Acacia
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Re: Der Leib und sein Schatten [Acacia]

Beitrag von Acacia »

Die junge Frau neigte den Kopf vor der Kainitin und knickste ehrerbietig. Gewandet war das hübsche Menschenkind von vielleicht siebzehn Jahren in ein schlichtes, aber qualitativ wertiges Kleid in braun und weiß. "Ja, das tue ich, verehrte Señora Melissa." Höflich sprach die junge Frau und hielt dabei den Kopf anmutig und ein wenig scheu gesenkt.
Wir sind wie Eisblumen, wir blühen in der Nacht. Wir sind wie Eisblumen viel zu schön für den Tag.
Wir sind wie Eisblumen, kalt und schwarz ist unsere Macht.
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Melissa
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Re: Der Leib und sein Schatten [Acacia]

Beitrag von Melissa »

Im Vergleich mit dem Mädchen wirkte die Frau wie ein Bauerntrampel. Ihre Füße und Waden waren nackt und mit einer gewissen, dünnen Schmutzschicht überzogen war, wie sie auf den schlammigen Straßen nun einmal geschah. Ihre Kleidung war langweilig und braun, war womöglich vor zehn oder auch fünfzig Jahren modisch oder hochwertig gewesen, hatte aber auf der Straße gelitten. Risse und Flicken zierten das Kleidchen.

"Signora", tadelte Melissa mit ihrer säuselnden Stimme, obwohl sie selbst das Wort grausam verstümmelte, indem sie einen guten Teil der Vokale weg ließ und es mehr wie "Sgnòr" aussprach.
"Würdest du ihr bitte ausrichten, dass ich mich vorzustellen wünsche? Der Dôna gebührt meine Aufwartung, da es ihre Hallen sind, in denen ich mich aufhalte und sie die letzten Nächte nicht hier treffen konnte..."
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Acacia
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Re: Der Leib und sein Schatten [Acacia]

Beitrag von Acacia »

Auf den scharfen Tadel hin, senkte die junge Frau den Kopf, ebenso wie den Blick. "Si, Signora.", sprach sie in Richtung des steinernen Bodens des Gotteshauses. "Meine Herrin wird Euch in drei Nächten erwarten." Ruhige Gewissheit lag in den Worten der Blutsdienerin, ganz so als wüsste sie wann ihre Herrin Zeit erübrigen konnte oder auch nicht.

Drei Nächte später erschien Acacia tatsächlich höchstselbst in den heiligen Hallen. Die Hüterin wirkte wie ein Bild in schwarz und weiß. Ihr Gewand heute von nachtschwarzer Farbe und mit kostbarem Pelz gesäumt, dazu blasse Haut, die aus Marmor gehauen wirkte. Das schwarze Haar schien das spärliche Licht der hohen Kerzen zu schlucken und wurde wie immer zum Teil von einem feinen Schleier verdeckt. Langsam schritt sie durch die Reihen der Bänke und ließ den Blick aus den dunklen Augen prüfend über Wände, Böden und Wachen gleiten bis sie vor dem Altarbild stehen blieb und es scheinbar versonnen betrachtete.
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Melissa
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Re: Der Leib und sein Schatten [Acacia]

Beitrag von Melissa »

Melissa hatte die Antwort des Mädchens mit nichts weiter als einem anerkennenden Nicken gedankt, ehe sie sich wieder ihrem Nachtwerk zuwandte, das sich nicht länger in der Kirche abspielte.

Nach drei Tagen war sie aber wieder zur Stelle. Sie war geputzt, einigermaßen, wirkte aber dennoch arm und grau.
Im Gegensatz zu Acacia, der Witwe, trug sie ihren Körper recht unfreiwillig zur Schau. Sie trug das gleiche Kleid, wie drei Nächte zuvor, und wie damals offenbarte es ihre Schultern, die Hälfte ihrer Beine und bisweilen viel zu viel eines Dekolletes.
Wenn Acacia ein Bild aus schwarz und weiß war, dann war Melissa eindeutigerweise das Omen, das alte Frauen zur Prophezeiung aus der Asche lasen - schmutzig, grau und ein wenig obszön noch im gutmütigsten.

Die Tzimisce betrat die Kirche nach der Hüterin, fröhlich und leichten Schrittes. Ihre Wangen glühten noch rosig von den Tänzen, das Blut junger Männer rauschte noch in ihr. Sie fühlte sich lebendig und jung, wie lang nicht mehr, und sich zu beherrschen fiel ihr schwer.
Sie kam in einigem Abstand hinter der Lasombra zu stehen. Das Patschen ihrer nackten Füße auf dem kalten Stein verstummte. Sie räusperte sich, ihr Stimmchen bildete das Geräusch weniger in der Kehle und mehr im Rachen, sodass es höher, klarer und etwas zierlicher wirkte.
"Dôna Acacia", flötete sie und vollführte einen possierlichen Knicks, "erlauben, mich vorzustellen?"
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Re: Der Leib und sein Schatten [Acacia]

Beitrag von Acacia »

Sobald Schritte in ihrem Rücken erklangen, drehte sich die schöne Lasombra um und sah dem Neuankömmling interessiert entgegen. Musternd glitt der dunkle Blick über die ... abgerissene Gestalt, allerdings blieb ihr Blick relativ neutral - höchstens etwas Mitleid mochte man in den alten, toten Augen entdecken.
Der Knicks wurde mit einem anmutigen Neigen des Kopfes beantwortet. "Sprecht.", forderte sie die andere Frau auf, wobei ihre Stimme deutlich dunkler als der zarte, helle Sopran der Tzimisce klang.
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Melissa
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Re: Der Leib und sein Schatten [Acacia]

Beitrag von Melissa »

"Mein Name ist Melissa. Ich bin das neugeborene Kind des Korinthian aus Ravêna und in meinen Adern", sagte sie und Stolz vibrierte in ihrer Stimme, "fließt das Blut des Drachen."

Sie ignorierte den mitleidigen Blick. Tatsächlich reckte sie bloß das Kinn noch weiter, Rein körperlich war sie auf Augenhöhe mit der Lasombra, wenn auch ihre Kleidung und ihr Stand in der Stadt dem nicht entsprachen. Ihr Gesicht war hübsch anzuschauen und sie selbst übertünchte mit einer Aura aus Grandezza und Charme all ihre Erbärmlichkeit. Es war zumindest unverkennbar, dass unter den Lumpen nicht nur eine Dame schlummerte, sondern eine feine.

"Ich komme, euch eure Gastfreundschaft zu danken", fuhr sie dann getragen fort. "Meine Gespräche mit den Herren Würdenträgern der Domäne gestalten sich in dieser Kapelle sehr viel angenehmer, als im Schlamm der Straße."
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Re: Der Leib und sein Schatten [Acacia]

Beitrag von Acacia »

Sie hob nur den Kopf höher und ein feines, anerkennendes Lächeln erhellte die Züge der Lasombra. "Willkommen in Genua, Signora Melissa.", erwiderte sie freundlich. "Ich bin Acacia della Velanera, Neugeborene der Lasombra, Ädil ihrer Majestät Aurore, Hüterin des Elysiums und Kind des höchst verehrten Alexander, Ahn zu Pisa." Ihre Stimme glitt über die Titel wie ein Bach über längst glatt geschliffene Kiesel und dennoch schaffte sie es ihnen Bedeutung und Tiefe zu verleihen.

"Es ist mir eine Freude Euch diesen Ort zur Verfügung stellen zu können. Plant Ihr Euch dauerhaft in Genua nieder zu lassen?"
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Melissa
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Re: Der Leib und sein Schatten [Acacia]

Beitrag von Melissa »

"Ich bin erfreut, Eure Bekanntschaft machen zu dürfen", erwiderte Melissa pflichtbewusst.

"Das weiß ich noch nicht. Es ist das erste Mal seit langem, dass ich überhaupt wieder unter Leute komme. Es ist schwer für mich, die Aufregung über Gesellschaft vom Ruf der Stadt zu unterscheiden. Ich bin es zwar Leid, umher zu irren, aber...ich weiß nicht."
Die Tzimisce klang ein wenig hilflos, als sie so sprach. Als wüsste sie selbst nicht, wonach sie überhaupt suchte oder was die Anzeichen wären, an denen sie die Aufregung von der Bestimmung unterscheiden könnte.
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Acacia
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Re: Der Leib und sein Schatten [Acacia]

Beitrag von Acacia »

Sacht neigte sich der Kopf der Lasombra als sie der anderen Frau lauschte. "Ich dachte, Euer Blut sei sehr heimatverbunden. Ist es da nicht schwer für Euch so herum zu ziehen und nicht zu wissen an welchem Ort die nächste Nacht verbracht wird?", erkundigte sie sich interessiert und vielleicht mit einem Hauch Mitgefühl. Das Mitleid war gegangen wie der Schatten, den das Licht traf.
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