Uralte Rituale [Maria]

Zeitsprung [Februar '16]
Benutzeravatar
Brimir
Gangrel
Beiträge: 1827
Registriert: Do 21. Jan 2016, 13:52

Uralte Rituale [Maria]

Beitrag von Brimir »

Drei Tage waren vergangen und nun wartete Brimir mitten auf einer Waldlichtung, in deren Mitte ein großer, einsamer Baum stand. Der Gangrel kauerte dabei neben einem Wolf und ein Rabe saß auf seiner Schulter. Die Ausrüstung und Bewaffnung des nordischen Kriegers lagen etwas Abseits. Und wieder prangerte das Wolfsfell auf seinen Schultern, dieses mal bedeckte dessen Schädel jedoch den des Gangrel.

Wer auch immer in dieser Nacht über die Waldwege oder auch abseits jener in Richtung des Dorfes kam, würde beobachtet werden. Jäger in der Nacht; gewohnt an das Tier in den Kindern Kains. Gut ausgebildete Tiere, die in der Dunkelheit lauerten, beobachteten und bereit waren ein Revier zu schützen.
"Eines Jeden Rücken ist ungeschützt, es sei denn, er hat einen Bruder."
Grettirs Saga
Benutzeravatar
Maria Penthesilea
Beiträge: 1009
Registriert: Do 21. Jan 2016, 23:54

Re: Uralte Rituale [Maria]

Beitrag von Maria Penthesilea »

Was macht das Wesen einer Prozession aus? Sind es die Kleider der Teilnehmenden, der langsame Schritt? Oder vielleicht heilige Symbole, die davor her getragen werden? Es kann nicht die Anzahl der Teilnehmer sein. Denn obgleich nur zwei Nonnen die Straße nach Luccoli entlangschritten, war ihr Schritt feierlich, trug die erste ein seltsames Symbol aus Knochen und Federn wie ein Kruzifix vor sich, trug die zweite ein schweres Bündel.

Es war eine Prozession, dafür konnte für die unsichtbaren Beobachter kein Zweifel bestehen.

Die Nonnen sangen, leise, aber durchgängig. Ihre Bewegungen waren trotz der Last geschmeidig, ihre Augen wachsam, ihr Schritt zielgerichtet. Als sie Luccoli erreichten, verstummte der Gesang und die Nonnen setzten ihre Last ab. Dann suchten sie die Milizionäre und fragten nach Enrico.

---

Als die Nonnen auf die Lichtung geführt wurden und Brimirs Gewahr wurden, nickten sie sich bestätigend zu. Ja, dies war der richtige Ort. Und so schritten sie auf den Gangrel zu. Maria Penthesilea war nicht zu sehen. Die eine Nonne breitete das Bündel auf dem Boden aus und entnahm ihm Tonkrüge und andere Paraphernalia. Die andere trat an Brimir heran.

"Ich bin Thermodosa vom Kult der Jagd. Ihr geht den Weg. Aber ihr seid kein Teil des Kultes. Hört also zu."

Sie sah ihn einen Moment an und fuhr dann fort. "Dies ist das Ritual der Rangfolge. Ihr seid der Jäger. Ihr seid die Beute. Ihr werdet von uns gezeichnet. Der Wald ist der Ort des Rituals. Das Ritual endet, wenn die Rangfolge feststeht. Wenn ihr um Gnade bittet, seid ihr niedriger. Wenn ihr in den Schlaf fallt, seid ihr niedriger. Wenn ihr den Wald verlasst, seid ihr niedriger. Wenn ihr die Hilfe anderer sucht, seid ihr niedriger."

Thermodosa schaute ihm in die Augen. "Wenn ihr endgültig tötet, seid ihr der einzige, der übrig bleibt - aber in den Augen des Kultes sinkt ihr auf den Status eines Jagdschülers, der sich nicht beherrschen kann." Sie klang, als würde sie bezweifeln, dass es dazu kommen würde.

"Ihr dürft alle Ausrüstung mit euch nehmen, die ihr wünscht. Eure Beute verzichtet darauf. Ohne Waffen, ohne Rüstung ist das Tier am wahrhaftigsten." Die andere Nonne stand mittlerweile neben dem ausgebreiteten Leder bereit. Auf der Innenseite war es mit einem seltsamen Kreis verziert.

"Tretet hinein und entblößt den Oberkörper" sagte die Dienerin des Herrn. In ihren Augen brannte ein erwartungsvolles Feuer.
Benutzeravatar
Brimir
Gangrel
Beiträge: 1827
Registriert: Do 21. Jan 2016, 13:52

Re: Uralte Rituale [Maria]

Beitrag von Brimir »

Enrico war ein junge und aufstrebender Milizführer und sich scheinbar durchaus der Anfrage der beiden seltsamen Nonnen bewusst gewesen. Anstatt jedoch einen der Seinen zu schicken führte er sie selbst durch die Wälder. Zu Fuß waren sie eine halbe Stunde abseits der Wege unterwegs. Schweigsam und zielstrebig ging Enrico vorrang und deutete dann auf die Lichtung und verabschiedete sich wieder, um den Weg zurück anzutreten.

Brimri löste die Hand von seinem Wolf, als er sich der Anwesenheit der Nonnen bewusst wurde. Langsam erhob sich der Gangrel und wartete, bis die Beiden ihn erreicht hatten. Er selbst kam nicht auf sie zu. Dann hob er eine Braue. Wieder keine Vorstellung, nichteinmal eine Verbeugung. Doch er zeigte Geduld. Irgendwann wird er wissen, welches Spiel hier getrieben wird. Dann hob Brimir während ihrer Erklärung die zweite Braue.

"Ich kenne ähnliche Rituale der Stärke, um die Rangordnung zu klären. Doch ich kenne noch immer weder meine Beute, noch dich oder deine Schwester hier. Und nicht jede Beute ist es würdig gejagd zu werden. Noch kenne ich deinen Kult... doch ich respektiere Stärke. Also nehme ich an, dass jeder Einsatz von Blutgaben, die nicht körperlicher Natur sind, sondern die Beute zu Aufgabe zwingen oder geistig kampfunfähigmachen ebenfalls dafür sorgen, dass der Jäger niedriger ist? Dass es am Ende der Jagd zum Kampf kommt?"

Sorgsam legte Brimir den Wolfspelz ab und beiseite, ehe er das Hemd überstreifte und achtlos beiseite warf.

"Wenn Maria Penthesilea ebenfalls dem Pfad folgt, wird sie wissen, dass das Tier zwar am wahrhaftigsten ohne Waffen und Rüstung ist... der Jäger jedoch mit ihnen effizienter ist... und sein muss, wenn er sein Revier verteidigt. Und beim Verteidigen des Reviers zu versagen... ist eine der größten Sünden, die man dem Tier antuen kann."

Auch heute waren die rasierten Seiten seines Schädels bemalt. Allerdings nicht mit Kohle und Kalk, sondern mit feinen Linien aus Blut. Kaum noch erkannte man Raben und Wolf, so stilisiert waren sie. Runen und nordische Symbole waren erkennbar. Ebenso trug Brimir eine Halskette mit den Symbolen von Odin, Thor und Tyr.

Sein Rabe hatte sich kurz erhoben als Brimir den Oberkörper frei legte. Jetzt setzte er sich wieder auf die freie Schulter. Der Wolf hatte sich in den Rücken des Gangrel begeben, der unbesorgt wirkte, über das was passieren könnte. Es folgte ein freundschaftliches Knurren in Richtung des Vierbeiners, der sich darauf hinsetzte und Brimir mitsamt Rabe in den Kreis treten lässt. Und doch waren ihm die Nonnen suspekt; dem Wolf und dem Tier.

"Was passiert jetzt?" fragte er und es schien nicht so, als würde er Taten als Antwort erwarten, sondern eine Erklärung bevor es los ging.
"Eines Jeden Rücken ist ungeschützt, es sei denn, er hat einen Bruder."
Grettirs Saga
Benutzeravatar
Maria Penthesilea
Beiträge: 1009
Registriert: Do 21. Jan 2016, 23:54

Re: Uralte Rituale [Maria]

Beitrag von Maria Penthesilea »

"Ihr werdet viele interessante Gespräche führen können. Wenn es vorbei ist" sagte Thermodosa. Die andere Nonne, die auf der anderen Seite neben Brimir getreten war, hatte eines der Tongefäße genommen und begann nun, ihm seltsame, archaische Zeichen auf die Arme zu malen, mit erfahrener Hand.

"Um euren Geist müsst ihr euch keine Sorgen machen", sagte sie fröhlich. "Es gibt allerdings im Kult darüber eine interessante Diskussion..." Ein Blick von Thermodosa brachte sie zum Schweigen. Auch die strenge Nonne hatte eines der Gefäße ergriffen und widmete sich Brimirs anderem Arm. Die Stille war feierlich, nicht vorwurfsvoll.

Sie schwiegen. Flink glitten die Hände über Schultern und Oberkörper, bis in den Bauchbereich. Dann traten die Nonnen zurück. Brimir konnte den erdigen Geruch der Farbe wahrnehmen. Ein Geruch, der ihn im Zweifel eher verbergen als offenbaren würde. Die Bemalung eines Jägers.

"Ihr sprecht wahr", sagte Thermodosa dann. "Aber heute verteidigt ihr euer Revier nicht. Das Ritual dient einem Zweck alleine. Der Rangfolge."

Die beiden Nonnen hoben die Hände und blickten ihn ernst an. "Eure Beute ist vorbereitet worden. Sie hat den Wald bereits betreten. So wie ihr sie jagt, wird sie euch jagen." Dann intonierten sie gemeinsam Worte, die Brimir nicht verstand. Doch in der Stille darauf übersetzte Thermodosa: "Bevor es die Städte gab, gab es den Kult. Bevor es den Acker gab, gab es den Kult."

Sie zögerte - zum ersten Mal - und fügte dann hinzu: "Die Jägerinnen wünschen euch eine gute Jagd, Brimir." Dann schlossen sie die Augen und begannen wieder ihren Singsang, einen Singsang, der ihn begleiten würde. Alte Worte. Lebendig geworden in dieser Nacht.

Schwarz und still lag der Wald vor ihm.
Benutzeravatar
Brimir
Gangrel
Beiträge: 1827
Registriert: Do 21. Jan 2016, 13:52

Re: Uralte Rituale [Maria]

Beitrag von Brimir »

Brimir wirkte nicht sonderlich glücklich darüber, dass die Beiden ohne Erklärung anfingen ihn mit Erde zu Zeichnen. Und doch streckte er die Arme von sich und der Rabe erhob sich von seinem Körper, um über den Dreien zu kreisen. Die Aussage über seinen Geist jedoch nahm er mit einem Nicken auf, als hätte er nichts Anderes erwartet oder würde nichts Anderem Respekt zollen, als einer ehrlichen Jagd. Dann folgte ein Kopfschütteln, als sie sagte, dass es nicht um die Verteidigung des Reviers ginge.

"Auch ein Wolf, der mit einem neuen Rudel gemeinsam jagen will, dringt erst einmal in das Revier dieses Rudels ein. Es gibt keine unklare Grenze... sie ist hier... und sie jagt mich. Selbst, wenn sie mir Luccoli nicht streitig machen will, so ist sie ein Eindringling. Hier und heute zu scheitern würde in einer ernsteren Situation auch dazu führen, dass ich unterliege. Du siehst... es gibt keine Trennung zwischen einem Angriff und dem Ritual aus Sicht des Reviers. Eine Jagd ist eine Jagd."

Es war mehr, wie eine Erklärung, als alles Andere. Und vor Allem war es eines nicht: Eine Rechtfertigung. Zumal die Nordmänner nicht dafür bekannt wahren, einem der nicht zu ihnen gehörte die selbe Ehre zu erweisen, wie einem der ihrigen. Und da Brimir werder Marias Clan noch ihre Herkunft kannte, war sie in dieser Jahr wahrlich Beute. Vielleicht würden sie es eines Tages wiederholen, wenn Dinge klarer waren.

"Die Jagd und das Tier sind seit jeher. Mögen die Götter über diese Jagd wachen. Nimm meinen Umhang mit und lasse ihn bei Enrico, soabld ihr Luccoli verlasst."

Der Gangrel nickte den beiden Nonnen zu und ging zu seinen Sachen. Kettenhemd und Axt fanden ihren Platz an seinem Körper, das Hemd aus Stoff nicht mehr. Dann rannte Brimir los und spürte wie das Blut in seine Adern schoss. Er spürte, wie seine Beine ihn immer schneller trugen. Er spürte das eigene Biest das an seiner Seite lief und grinste, wie es nur der Wolf in seinem Inneren konnte. Er würde dieser Nonne schon zeigen, welcher Fehler es war, ihm den Heimvorteil zu lassen.
"Eines Jeden Rücken ist ungeschützt, es sei denn, er hat einen Bruder."
Grettirs Saga
Benutzeravatar
Maria Penthesilea
Beiträge: 1009
Registriert: Do 21. Jan 2016, 23:54

Re: Uralte Rituale [Maria]

Beitrag von Maria Penthesilea »

Dunkel lag der vertraute Wald vor ihm, irgendwo darin der Eindringling, der ihn in seinem eigenen Revier herausforderte. Und dann hörte Brimir etwas. Ein leises Heulen, dann lauter - eine Herausforderung. Es klang nicht wie eine Nonne. Es klang auch nicht wie ein Mann, oder wie ein Mensch überhaupt. Hier brüllte eine Bestie.

Brimir folgte dem Heulen tiefer in den Wald - und dann sah er das erste Totem. Ein Rabenschädel mit Federn und Bändern, wenn er sich nicht täuschte. Ein Rabenschädel, der hier zuvor nicht gehangen hatte. Unter dem Schädel hatte jemand ein Zeichen gemalt, das der Gangrel nicht erkannte.

Das Heulen erklang wieder, diesmal deutlich näher.
Benutzeravatar
Brimir
Gangrel
Beiträge: 1827
Registriert: Do 21. Jan 2016, 13:52

Re: Uralte Rituale [Maria]

Beitrag von Brimir »

Brimir hielt kurz inne. Nur ein knapper Blick auf den Schädel und ein kehliges Knurren folgte. Dann machte Brimir auch schon wieder einen Satz. Der gangrel sprang in eine Richtung, von dem Heulen weg. Beinahe wirkte es, als würde er tatsächlich Opfer spielen. Beute, auf der Jagd.

Zumindest erweckte Brimir dieses Gefühl. Sein Ziel jedoch stand schon fest, als er losgelaufen war.
"Eines Jeden Rücken ist ungeschützt, es sei denn, er hat einen Bruder."
Grettirs Saga
Benutzeravatar
Maria Penthesilea
Beiträge: 1009
Registriert: Do 21. Jan 2016, 23:54

Re: Uralte Rituale [Maria]

Beitrag von Maria Penthesilea »

Das befriedigende Krachen der Fallgrube drang an die Ohren des Gangrel - und ein noch befriedigenderes Brüllen. Aber dann herrschte Stille. Bis das tiefe, grollende Lachen an sein Ohr drang, fast ein Knurren, aber menschlich, zu menschlich.

Dann wurde es wieder still. Der Wald hielt den Atem an.
Benutzeravatar
Brimir
Gangrel
Beiträge: 1827
Registriert: Do 21. Jan 2016, 13:52

Re: Uralte Rituale [Maria]

Beitrag von Brimir »

Das wölfische Grinsen zeichnete sich auf Brimirs Mundwinkel ab, als das Holz brach, dass die Grube verdeckt hatte. Das grinsen wurde noch breiter, als er auch den Schrei vernahm. Gut. Er hatte sein Ziel erreicht. Sie wusste nun zumindest, dass die Jagd nicht so einfach sein würde und er sich vorzubereiten wusste. Doch war das Ganze auch ein Test für die Jägerin. Und so rannte Brimir weiter, statt umzudrehen. Er rannte weiter in die Dunkelhei und bereitete so seinem Dasein als Beute ein weiteres Leben.

Es war noch nicht zeit zum Jäger zu werden.

Fast erinnerte Brimir das an seine Aufnahme ins Rudel, als er zum Neugeborenen wurde und eine Stimme beim Thing erhielt. Überleben, um Stärker zu werden.
"Eines Jeden Rücken ist ungeschützt, es sei denn, er hat einen Bruder."
Grettirs Saga
Benutzeravatar
Maria Penthesilea
Beiträge: 1009
Registriert: Do 21. Jan 2016, 23:54

Re: Uralte Rituale [Maria]

Beitrag von Maria Penthesilea »

Der Gangrel flüchtete in die vorbereitete Höhle und die beiden Wachen, die davor standen, nickten ihm zu. Die Nordmänner hatten strikte Befehle: Sie würden sich nicht einmischen, sie würden Maria Penthesilea passieren lassen. Und so ließ Brimir sie hinter sich, wissend, dass sie keinem Risiko ausgesetzt waren.

In der Höhle wartete er. Und wartete.

Erst ein knackendes, schmatzendes Geräusch vom Höhleneingang ließ ihn zusammenfahren. In diesem Moment begriff er, was die Jagd bedeutete. Was sie wirklich bedeutete. Hier gab es nur noch Jäger und Beute. Keine Unbeteiligten.
Gesperrt

Zurück zu „967 - 976“