Zwei in der Fremde [Melissa, Angelique]

[März - Mai '16]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Angelique
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Zwei in der Fremde [Melissa, Angelique]

Beitrag von Angelique »

Eines kühlen Herbsttages balancierte spielerisch die kleine Angelique die verstopftenGosse entlang auf hohen Trippen durch den vom Regen schlammigen Strassenboden von Borglio. Genauer gesagt war es der Namenstag der heiligen Melitta und Angelique hatte ein kleines Geschenk dabei, sündhaft teuren Honig natürlich.

Obwohl auch hier die Gebäude, besonders die Mietshäuser der armer Tagelöhner, begannen, sich eng an einander zu drängeln, waren Stroh- und Reetbedeckung der kleinen Gebäude üblicher als teure Ziegel und immer noch zeugten die vielen Hühnerställe von eher dörflichen Charakter des Stadtteils. Es war noch früh am Abend und längst nicht alle waren mit dem Tagewerk fertig oder sie strebten erschöpft von den Plackereien als ärmste der armen Freigeborenen nach Hause, zu müde für irgendetwas außer einem kargen Mahl oder einer billigen Dirne.

So fiel das kleine Strassenkind auch nicht weiter auf. Es gab um die Zeit viele Kinder, die noch im Dreck spielten oder die Schwerstarbeit leisten mussten, damit die Mäuler ihrer großen Familien gestopft wurden.
Es reichte nie wirklich. Daran konnte Angelique sich noch gut erinnern.

Am Haus der Melissa angelangt, klopfte sie einige Male. Ah, kein Hund schlug an und nur Gänse schnatterten aufgeregt in der näheren Umgebung ob der kleinen Vampirin.
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Melissa
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Re: Zwei in der Fremde [Melissa, Angelique]

Beitrag von Melissa »

Ein junger Mann von vielleicht 17 Jahren öffnete die Tür. Er sah verschlafen aus, etwas herunter gekommen. Seine Kleidung klebte am Körper wie seine Haare, die lang und brünett waren. Er war schlaksig, ganz gut genährt, aber eindeutig überarbeitet. Tiefe Ringe unter den Augen, ein erster Ansatz eines Bartes und eingefallene Wangen zierten das Gesicht.
Er blinzelte den Schlaf aus den Augen und starrte das Gör an, das ihn wohl eben aus dem Bett oder vom Abendmahl geholt hatte. Es war nicht derjenige, den Melissa bei Yasirs Hinrichtung dabei gehabt hatte.
Noch ehe er etwas sagen konnte, wurde er von einem Getöse unterbrochen.
"Wer's da?", keifte eine Frau aus der Stube. Nicht Melissa. Der Junge drehte sich halb um, brüllte: "Niemand, Ma. Geh ins Bett." und wandte sich wieder Angelique zu.
"Che?", blaffte er nur.
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Angelique
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Re: Zwei in der Fremde [Melissa, Angelique]

Beitrag von Angelique »

Angelique legte den Kopf schräg, lächelte und fragte: "Ist Melissa da?"
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Melissa
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Re: Zwei in der Fremde [Melissa, Angelique]

Beitrag von Melissa »

Das Gesicht des jungen Mannes wurde ausdruckslos, hart. Er schüttelte den Kopf.
"Is ihr Namenstag. Is ausgegangen und kommt erst später wieder."
Er blinzelte.
"Glaub' ich."
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Angelique
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Re: Zwei in der Fremde [Melissa, Angelique]

Beitrag von Angelique »

Angelique seufzte. Nie lief es so, wie sie es gedacht hatte.
Sie hielt dem Mann den kleinen Kugeltopf mit dem Honig entgegen und meinte: "Könnte er das Geschenk der Melissa überreichen? Es kommt von Angelique, kann er sagen, wenn er mag."
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Melissa
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Re: Zwei in der Fremde [Melissa, Angelique]

Beitrag von Melissa »

Der junge Mann sah das Kind einen Augenblick an, ohne etwas zu sagen.
Dann nickte er und nahm den Topf entgegen.
"Mach ich."
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Angelique
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Re: Zwei in der Fremde [Melissa, Angelique]

Beitrag von Angelique »

Angelique grüßte freundlich und ging wieder.
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Melissa
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Re: Zwei in der Fremde [Melissa, Angelique]

Beitrag von Melissa »

Melissas Fignernägel klopften einen ungeduldigen Rhythmus auf das Holz. Der junge Mann, der vor einigen Stunden die Tür geöffnet hatte, stand stramm. Neben ihm sein Bruder, Raffaele, und seine kleine Schwester. Keiner der drei wagte es, auf zu blicken. Alle starrten auf ihre Füße.
Die Dame des Hauses saß auf einem unbequemen Stuhl am anderen Ende. Es war gegen vier Uhr in der Früh und bis auf Raffaele hatten sie alle drei schon geschlafen, standen jetzt halbnackt und schläfrig vor ihr.
Ein Topf mit Honig stand auf dem Esstisch.

Die hübsche Frau von Raffaele machte ein Gesicht, als hätte sie in eine der modernen, arabischen Früchte gebissen, die grün und so sauer waren, dass einem das Gesicht einfror. Ihre Lippen hatten sich von ihren Zähnen zurück gezogen - nicht zu einem Lächeln sondern zu einer Fratze der deutlichen Irritation.
Ihre Fingernägel klopften weiter auf das Holz.
"Woher wusste sie, wo wir wohnen?",
"Wissen wir nicht, Melissa", antworteten alle drei gleich schuldbewusst.
"Ich habe es ihr nicht gesagt", stellte Melissa fest. Das Kratzen ihrer Fingernägel stoppte für einen Augenblick, während dem die Frau überlegte.
"Wissen wir nicht, Melissa", antwortete Raffaele.
"Wissen wir nicht, Melissa", sagte sein Bruder.
"Ich weiß nicht, Lissi", flüsterte das Mädchen.
Alle starrten sie an. Sie erschrak, riss die Augen auf und sah ihre Schwägerin an.
"Ich meine, ich...ich...wir", stotterte sie.

Melissa sprang auf und war schneller bei dem Mädchen, als irgendeiner der Männer reagieren konnte. Ihre Nägel gruben sich tief in das Fleisch der zarten Ohrläppchen, zogen daran, sodass ihr Opfer den Kopf auf die Seite legen und sich auf die Zehenspitzen stellen musste.
"Woher weiß das Gör, wo ich wohne?!", keifte sie und riss den Kopf des Mädchens weiter herum.
"Wissen wir nicht", schrie es. Keiner der Männer schritt ein, sah nur mit großen Augen zu. Tränen liefen dem Mädchen über die Wange, es keuchte. "Wir wissen es nicht, wir wissen es nicht."
Sie alle hörten das Reißen von Fleisch und Haut, das Heulen des Mädchens und sahen das Blut, das ihr am Kopf entlang lief. Melissa ließ sie los, als wäre sie verbrannt worden, und machte einen Satz zurück.
Sie hielt sich ihre rechte Hand vor die Brust und rieb ihren Handrücken, als hätte sie Schaden genommen und nicht das Mädchen. Ein kurzes Rucken ihres Kopfes in Richtung der Tür entschuldigte die drei.
Für den Augenblick.

"Raffaele...", knurrte sie. Ihr Blick war pures Gift. "Besorg einen Hund. Einen bissigen." Der Ghoul und Liebhaber nickte eifrig, dann floh er seinen Geschwistern nach ins Nebenzimmer, um das blutende Mädchen zu verarzten.


Drei Tage später machte der junge Mann, der Angelika die Tür geöffnet hatte, sich auf den Weg zu dem einzig bekanntem Aufenthaltsort der Malkavianerin: Den Hafenbezirk, der ein Wirrwarr aus Gassen, ungewaschenen Mäulern und schlecht verteilten Revieren war. Wo jede Gasse eine Grenze war.
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Angelique
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Re: Zwei in der Fremde [Melissa, Angelique]

Beitrag von Angelique »

Es war pures Glück, dass der junge Mann das Mädchen durch die Strassen schlendern sah. Vielleicht war es aber auch nicht so unwahrscheinlich, war Angelique doch Wahrsagerin und Genua nicht mit der Größe Bagdads oder Konstantinopels zu vergleichen.
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