Das bleiche Rot der Nacht [Maria]

[Juli & August '16]
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Melissa
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Re: Das bleiche Rot der Nacht [Maria]

Beitrag von Melissa »

"Ihr fünf würdet es nicht so tun, wie ich es tue", sagte sie wieder ausweichend. Ihr Blick löste sich von der seltsamen Nonne, huschte durch die Gegend. Über die Vorsprünge und Eingänge, die Dächer und geschlossenen Fenster.
Sie wollte es vergessen, so schnell wie möglich. Sie wollte den Mann in Erinnerung behalten, der den halben Abend um sie geworben hatte, der nicht ganz ihr Typ, aber doch auf eine gewisse Art niedlich gewesen war. Nicht das Tier, das sie geschlachtet und bewusstlos in einer Gasse liegen gelassen hatte.
Unwohl verlagerte Melissa ihr Gewicht. Wieder huschte ihr Blick durch die Gasse. Diesmal runzelte sie die Stirn.
"Was gefällt euch so daran, andere zu verletzen? Reicht es nicht, dass wir sie benutzen, müssen sie auch noch getötet werden?"
La famiglia é il nido dell'uomo.
- Giovanni Faldella
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Maria Penthesilea
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Re: Das bleiche Rot der Nacht [Maria]

Beitrag von Maria Penthesilea »

Die Nonne zog die Augenbraue hoch, als Melissa sie direkt attackierte. Dann grinste sie. "Ah! Ein Missverständnis. Verletzen macht keine Freude. Töten... ein guter Jäger tötet schnell. Damit die Beute nicht leidet. Grausames Töten... ist zivilisiert."

Sie hob den Zeigefinger. "Ah, aber die Freude? Die Freude ist in der Jagd. Dem Akt. Dem heiligen Akt." Sie trat einen Schritt auf Melissa zu, zeigte auf deren Brust. "Mensch und Tier, vereint. Ja? Kein Töten notwendig. Du tötest nicht. Trotzdem jagst du. Weil du Jägerin bist."

Den Kopf schiefgelegt, schaute sie Melissa an. "Warum hasst du dich selbst so?"
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Melissa
Tzimisce
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Re: Das bleiche Rot der Nacht [Maria]

Beitrag von Melissa »

Die Tzimisce schüttelte den Kopf.
"Wir haben sehr unterschiedliche Ansichten über Zivilisation."
Eine schlichte Feststellung. Keine Frage, kein Vorwurf, nicht einmal die Neugier, den Unterschied deutlicher zu machen.

"Ihr solltet bleiben, wo ihr seid. Du und das Mädchen, das schleicht wie eine Kuh. Ja, du."
Melissas Kopf zuckte herum, dort wo die Nonne verborgen in der Dunkelheit lauerte. "Du bist warm und weich. Ich kann deinen Atem hören, selbst das Fressen, das du dir heute Mittag in den Magen gestopft hast, höre ich rumoren und zu Scheiße werden, die du bald von dir geben wirst. Versuchen nicht zu schleichen, wenn du auf Meilen stinkst."
Sie hatte geschnappt, war lauter geworden, als sie es gewollt hätte. Ihre Bewegung war schnell gewesen, abrupt und hatte nachhaltig das Bild der Sterblichen gestört, das sie sonst abgab. Zu schnell, zu zielgerichtet, zu abgehackt für eine Sterbliche war sie gewesen.

Ihr Blick wanderte zurück zu Penthesilea. Dann zu dem Platz hinter den Nonnen, wo das Feuer noch sanft leuchtete. Wo irgendwo am Tor ein paar Männer standen, mit Rüstungen und Schwertern. Und Hunden. Auf dem Rückweg blieb er einen Augenblick an an einem Hauseingang hängen.

Melissa machte einen, zwei Schritte zur Seite, fort von der Nonne auf dem Dach, während sie sprach. Wieder schüttelte sie das Haupt.
"Ich hasse mich nicht. Ich mag mich. Ich bin stolz, ich zu sein. Ich bin stolz auf das Blut in meinen Adern. Ihr wisst schon, was ich meine. Die Familie, das Blut des Drachen? Ich hasse, was ich manchmal tue. Weil es sinnlose Akte der Zerstörung sind, ohne Nutzen oder Schönheit, die nur noch mehr Leid gebären."
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- Giovanni Faldella
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Maria Penthesilea
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Re: Das bleiche Rot der Nacht [Maria]

Beitrag von Maria Penthesilea »

Während die jüngere Nonne die Luft einzog, während die Nonne auf dem Dach sich stirnrunzelnd aufrichtete, blieb Maria Penthesileas Blick ganz auf Melissa gerichtet. Studierte deren Mienenspiel, deren Tonfall. "Ich habe dies bereits gesehen...", sagte sie dann. "Diese Wut. Mh? Du weißt nichts über uns. Aber du klagst an. Du siehst in uns dein Spiegelbild. Jägerin."

Nachdenklich blickte sie Melissa an. "Erschreckt dich das?"

Sie hob die Hand. "Nein, keine weiteren Beleidigungen. Bitte." Ein Nicken zu ihren Begleiterinnen. Die jüngere Nonne zögerte kurz, dann ging sie die Gasse zurück, die sie gekommen war. Die Nonne auf dem Dach verschwand ebenfalls.

"Mensch und Tier sind eins in dir", sagte Maria Penthesilea leise. "Du hast... Schwierigkeiten. Die Bedürfnisse des Tiers. Sie scheinen dir sinnlos. Sie scheinen dir nutzlos. Sie sind es nicht. Du hasst dein Blut nicht? Aber du hasst einen Teil von dir. Siehst seine Schönheit nicht."

Ein seltsames Feuer war in ihre Augen getreten. "Wir kennen den Weg. Den Weg des Gleichgewichts. Du musst nicht töten. Nicht, um ihn zu gehen. Heb deinen Blick von Blut und Zorn und Käfig. Lass uns ihn dir zeigen."
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Melissa
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Re: Das bleiche Rot der Nacht [Maria]

Beitrag von Melissa »

"Vielleicht", gab Melissa zu und zuckte mit den Schultern.
"Vielleicht kennt ihr einen Weg. Ich kenne einen anderen. Einen, der mich Schönheit lehrt und Mitgefühl. Die Schönheiteiner blühenden Blume, die ich nicht erst ausreißen muss, um sie zu erkennen. Es gibt kein Gleichgewicht zwischen diesen Dingen. Es gibt den Tod und das Leben und was sich dazwischen glaubt verschließt die Augen vor der Wahrheit."

Nun war es an der Tzimisce, die Stirn zu runzeln. Ihre Haltung lockerte sich etwas, als die anderen Nonnen verschwanden. Im Tanz der Worte preschte sie nach vorn, begann die Fragen zu stellen.
"Aber ich bin neugierig, das gebe ich zu. Ich frage mich, was ihr zu sehen meint. Ich frage mich etwa: 'Wissen sie, was sie jagen?' 'Können sie auf etwas andres blicken als auf ihre Jagd?' 'Sind sie vielleicht blind für alles andere? Für alles, was um sie herum geschieht?'
Ich kann Hingabe bewundern. Ich kann auch...eine gewisse Bewunderung aufbringen für eure Fähigkeiten.

Ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern, das Maria Penthesilea noch gerade erreichen sollte.
"Wisst ihr, was in eurem Rücken geschieht? Wer den Jäger jagt?"
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Maria Penthesilea
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Re: Das bleiche Rot der Nacht [Maria]

Beitrag von Maria Penthesilea »

Die Augen der Nonne weiteten sich - aber nicht aus Furcht, sondern in einer Art Verzücken. "Jaa!" Ihr Mund stand leicht offen und Melissa konnte hören, wie ihr Atem schneller ging. "Der stärkere Jäger jagt den schwächeren. Es ist eine Ehre..." sie schloss den Mund kurz und runzelte die Stirn. "...für die die es zu schätzen wissen."

Sie rieb sich den Kopf, wobei sie ihren Schleier mit einer kleinen, geschmeidigen Geste zur Seite schob. "Aber meinst du, was ich meine? Oder meinst du etwas anderes?"
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Melissa
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Re: Das bleiche Rot der Nacht [Maria]

Beitrag von Melissa »

"Oh, ich weiß nicht, was ich meine. Vielleicht könntet ihr mir einen Anreiz geben, warum ich euch etwas zeigen sollte?", fragte Melissa schlicht. Ihre Stimme war noch immer ein Flüstern, leise in der Nacht. Ihr Blick glitt wieder an der Nonne vorbei, hinter sie in einen düsteren Hauseingang. Er ließ sich Zeit dabei, wollte sicher gehen, dass er sich nicht irrte. Dass die Nonne vielleicht den Schleier der Finsternis durchdringen und ihrer Andeutung folgen könnte.

Dann zuckte sie mit den Schultern, blickte wieder zu der Jägerin. Ein Mundwinkel zog sich spöttisch nach oben, ohne die weißen Zähne der Vampirin zu zeigen.
"Wahrheiten sind nicht billig."
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Maria Penthesilea
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Re: Das bleiche Rot der Nacht [Maria]

Beitrag von Maria Penthesilea »

Die Nonne runzelte die Stirn. "Da - Zivilisation. Du willst Wahrheit verkaufen. Wie eine Ware. Wir bieten dir, einen Weg zu zeigen. Ohne Geld. Ohne Kosten. Alles was benötigt ist, ist Geduld. Und Interesse." Sie schüttelte den Kopf. "Wir kaufen Wahrheit nicht. Wir lernen gern dazu. Und wir lehren auch gerne. Aber nicht für einen Preis."

Ihr Blick folgte dem von Melissa, zumindest halbwegs - sie blieb offenbar auf der Hut, als erwarte sie, dass die andere sie anspringe. Aber sie schien selbst nichts zu sehen.
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Melissa
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Re: Das bleiche Rot der Nacht [Maria]

Beitrag von Melissa »

Melissa lachte, leise.
"Alles hat einen Preis. Ihr wollt mir einen Weg zeigen und der Preis dafür ist meine Menschlichkeit. Tut nicht so, als wäre es die reine Nächstenliebe, mit der ihr eure Wahrheiten verteilt. Ihr verlangt als Preis Anstand und Zivilisation, die es euch zu opfern gilt - Dinge, die ich doch recht lieb gewonnen habe und die ihr allem Anschein nach verabscheut.
Ich weiß aber nun etwas, das ihr nicht wisst, und ich verrate es euch nur für einen eben solchen Preis. Der Unterschied ist bloß..."

Die Tzimisce zog einen Mundwinkel nach oben. Ein schiefes Lächeln bildete sich, noch nicht ganz gewiss, ob es spöttisch oder geheimnisvoll wirken wollte.
"Der Unterschied ist, dass ich kein Interesse an eurer Ware habe. Ich glaube aber, ihr habt Interesse an meiner. Es ist eine hübsche kleine Wahrheit, für die ich viele andere Käufer finden könnte. Käufer, die euch Nonnen jagen könnten. Denen wäre sie sicherlich etwas wert."
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Maria Penthesilea
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Re: Das bleiche Rot der Nacht [Maria]

Beitrag von Maria Penthesilea »

"Mh..." Die Nonne runzelte die Stirn. Dann gingen ihre Augenbrauen nach oben. "Ah? Ich bin nicht ganz sicher aber..." Sie senkte die Stimme. "Die Geheimnisse der Jagd? Ja?"

Dann nickte sie. "Dann müssen wir reden." Einen Blick die Gasse hinunterwerfend, wo noch immer der Bewusstlose liegen musste, rieb sie sich die Stirn. "Mit den anderen. Entscheidung für alle." Wieder schaute sie auf den Hauseingang, zog fragend die Augenbrauen hoch.

Dann winkte sie Melissa, ihr zu folgen.
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