Ein Abend im Elend [offen]

[Juli & August '16]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Melissa
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Re: Ein Abend im Elend [offen]

Beitrag von Melissa »

"Hm", brummte Melissa und wandte sich für einen Moment wieder dem Sündenpfuhl zu, den Godeoc seine Domäne nannte. Sie schien abzuwägen, ob ihre Moral, ihre Verpflichtung auch andere zu stützen und aufrecht zu halten, den Kampf gegen den gemeinsamen Feind überwog. Oder ob Resultate in diesem Kampf notwendiger waren, als die Erziehung von Angelique.
"Dann wäre ich doppelt vorsichtig an deiner Stelle", verkündete sie vielsagend.

Die Härte wich langsam aus ihrer Stimme, im gleichen Maße, in dem sie wieder in das Hier und Jetzt fand.
"Um auf deine Frage zurück zu kommen: Ich...denke. Oder beobachte. Ich weiß noch nicht. Diese Dinge sind nie so leicht."
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Angelique
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Re: Ein Abend im Elend [offen]

Beitrag von Angelique »

Angelique legte neugierig den Kopf schief und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. "Was denkt Ihr, was beobachtet Ihr?"

So etwas interessierte sie immer. Es war faszinierend, wie die meisten Vampire menschlich dachten, obwohl Schwingen aus Blut ihren Geist schon weit über den Boden gehoben hatten und dem Himmel - oder der Hölle - eigentlich näher. Vielleicht hatte Drachenblut Melissa näher an den cthonischen Abgrund ihres Meisters gebracht.
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Melissa
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Re: Ein Abend im Elend [offen]

Beitrag von Melissa »

Falten huschten über ihre bleiche Stirn, um kurz darauf wieder zu verschwinden. Ihre Augen legten sich auf die Männer auf der anderen Seite des Platzes, nur einen Moment auf den Schatten hinter ihnen und neben ihnen und wanderten wieder zurück. Als würde die Tzimisce versuchen, aus ihren harmlosen Gesten und ihrem Geplauder mehr heraus zu finden, als darin offenkundig zu erkennen war.

"Den Grund, aus dem ihr vorsichtig sein solltet", sagte sie. "Aus dem wir vorsichtig sein sollten. Manche Übel sind alt und grausam, mit ihnen sollte man nicht spielen."
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Angelique
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Re: Ein Abend im Elend [offen]

Beitrag von Angelique »

"Alte Dinge sind brüchig und morsch und gehen schneller kaputt. Und alte Hunde lernen keine neuen Tricks. Und sie sind wenige, da soviele vor ihnen schon kaputt gingen. Ein alter Bär mag stark sein, aber eine sich einige Meute junger Wölfe bringt ihn dennoch zu Fall." Sie benutzte Platitüden, denn normale Argumente zogen nie gegen Leute, die glaubten, die alleinige Weisheit zu besitzen. Melissa war eine solche. Aber immerhin dachte sie nach und plante.

"Ist es nicht leichtsinnig, hier zu sitzen? Oder wollt Ihr den Gossenprinzen reizen, Euch anzugreifen? Ist der Hund gegen seine Katzen oder gegen seine Unsichtbarkeit?"
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Melissa
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Re: Ein Abend im Elend [offen]

Beitrag von Melissa »

Der Drache schnaubte und schüttelte das Haupt.
"Armes Kind. Ich würde dir ja Recht geben, wenn wir von wilden Tieren ohne Verstand reden würden. Aber genau das will er von uns. Dass wir ihn mit seinen hirnlosen Katzen verwechseln. Wie viele Meuten sind in den letzten hundert Jahren hier wohl durch gezogen? Wie ich hörte hat einer der Wölfe, ein großer, böser, vor einiger Zeit tatsächlich einen solchen Bären gelegt. Eine große Leistung" - ihr Tonfall war giftig-ätzend geworden, so dass der Hohn darin fast zu spüren war - "Für die er nun selbst gejagt wird.
Mach diesen Fehler und du wirst wie die Anderen enden: In einer kleinen Box auf dem Grund des Golfes."


Ihr Spott verschwand aus ihrer Stimme, wurde ersetzt durch ein Lächeln, das recht zufrieden mit sich selber wirkte.
"Atreus ist aus keinem dieser Gründe hier", erklärte sie und zeigte flüchtig auf die andere Seite des Platzes. "Dort drüben liegt jene Linie, von der er seine Katzen fern zu halten versprach. Wie also sollte ich ihn reizen, wenn ich doch in meinem eigenen Gebiet sitze?"
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Angelique
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Re: Ein Abend im Elend [offen]

Beitrag von Angelique »

Mit einem Mal wurde Angelique sehr mißtrauisch. "Atreus? Ein griechischer Name? Ihr gehört doch wohl nicht etwa diesem heidnischen Kult der falschen Nonnen an, die wer-weiß-welchem Dämonenhaus angehören?"

"Natürlich", sagte sie und schlug sich mit der Hand vor die Stirn. Die Malkavianerin lachte bitter, was bei ihrer hellen Kinderstimme besonders zynisch klang. "Aber das war bei den Drachen wohl zu erwarten. Holt Ihr Euch die Stadt für die Byzantiner wieder zurück? Sind die Nonnen Eure Molosser so wie Atreus? Ist die Prinzessin der germanischen Barbaren müde und sehnt sich wieder nach Ostroms schützender Hand?"
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Melissa
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Re: Ein Abend im Elend [offen]

Beitrag von Melissa »

Die Tzimisce drehte den Kopf langsam wieder zu der Malkavianerin.
Für einen Moment war sie sprachlos. Für einen langen, langen Moment, der jedem lebenden Wesen unendlich unangenehm vorgekommen wäre, starrte die tote Frau das Mädchen nur an, unfähig ein Wort über die Lippen zu bringen.
Schließlich, nach gut fünf Minuten oder mehr, schloß sie die Augen und schüttelte den Kopf. Ein Seufzer hallte durch die Nacht, der ganz tief aus ihrem Inneren zu kommen schien. Ein Seufzer der Müdigkeit. Sie fuhr sich mit den Händen über das Gesicht, rieb sich die Augen und blinzelte darauf mehrmals, ehe sie ihren Blick wieder auf die Grenze zwischen Broglio und Clavicula richtete.

"Was ist dein Problem?", fragte sie dann, ihre Stimme schlapp und kraftlos. "Wieso steckt für dich hinter jeder Kleinigkeit irgendein Ding, dass es nicht gibt? Wieso hast du Angst vor deinem eigenen Schatten und spinnst dir aus jedem Wort eine Bibel der Lügen zusammen?"
Melissa schüttelte wieder den Kopf. Dann griff sie erneut um ihre Knie und begab sich in ihre halb wartende, halb schlafende Ausgangslage zurück: Kinn auf den Knien, die Beine angezogen, der Blick geschärft.
"Ich will Ruhe und Frieden in dem Gebiet, in dem meine Familie lebt. Stattdessen habe ich einen Haufen irrer Sterblicher, einen tollwütigen Köter, eine unfähige Miliz und all die merda am Hals, die von Anderen hierher geschleppt wird.
Du kannst mir dabei helfen, sie loszuwerden und dir einen Platz an meiner Tafel verdienen. Oder du jagst weiter Schatten und Alpträumen hinterher und nennst sie die Wahrheit.
Deine Entscheidung."
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Angelique
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Re: Ein Abend im Elend [offen]

Beitrag von Angelique »

Angelique seufzte ebenfalls und setzte sich auf einen Abweiser an der Straße. "Leider könnt Ihr keinen solchen Platz vergeben, sonst wäre ich gerne Eure Vasallin. Ich bin nun schon so lange in der Stadt, aber doch nur geduldete Bettlerin."

Sie starrte grimmig auf die elenden Gestalten und Gossenkinder, die furchtsam versuchten, den Tritten vorübergehender Bürger auszuweichen und diese nicht durch ihr Tun oder Nichtstun zu provozieren, ihre Waffen zu ziehen. "Vielleicht habe ich deshalb auch einen wunden Punkt beim Schicksal von Bettlern, Dirnen und Armen."
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Re: Ein Abend im Elend [offen]

Beitrag von Melissa »

"Deine Entscheidung, wie ich sagte. Aber glaube ja nicht, dass es die Fülle meiner Absichten ist, dem Mönch das Häuschen sauber zu halten."
Die Tzimisce zuckte mit den Schultern. Einen Augenblick lang überlegte sie, starrte in das Nichts, das jenseits dieses Platzes begann. Überlegte wohl, wie viel sie offenbaren, was nur andeuten und was besser verschweigen sollte.

"Die selben armen Bettler, die zu Dutzenden hier und anderswo stehlen, was ehrliche Leute sich erarbeiten? Dieses Jahr musste ich schon wieder einige von ihnen aus meinen Lagerhäusern werfen, weil sie Diebe sind und Säufer, die meine ausgestreckte Hand noch jedes Mal ausgeschlagen haben."
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Angelique
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Re: Ein Abend im Elend [offen]

Beitrag von Angelique »

Angelique seufzte. "Ihr wisst nichts über Armut und was sie aus einem machen kann. Was wart Ihr im Leben? Reiche Bäuerin oder schon eine dieser neuen Burgfreien, dieser ,Bürger', die nur dem König gehören und nicht dem Adel oder Klerus?Oder gar selbst Adlige? Ihr wisst nichts über Steuern, die Kinder verhungern lassen und Erwachsene ins frühe Grab bringen. Nicht aus eigener Anschauung, meine ich."

Keines von Angeliques Worten war anklagend, nur ihren Standpunkt erklärend. "Jede Sünde hat die Sünden anderer, die zu ihr geführt haben, bis zurück zur Erbsünde. Leider tragen wir zu diesen Sünden kräftig bei. Unsere führen sich auf L... Kains Erbsünde zurück."

Sprunghaft wie immer fügte sie hinzu: "Lagerhäuser sagt Ihr? Wie es der Zufall will, lasse ich Handel treiben. Stehen diese Häuser zur Pacht?"
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