Maden im Speckmantel [offen]

[September '16]
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Melissa
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Maden im Speckmantel [offen]

Beitrag von Melissa »

Einige hundert Meter vor dem nordöstlichen Stadttor, etwas hinter den Feldern und Gärten des Klosters Sant'Andrea aber noch vor den vielen Hütten von Borgo Incrociati, lag ein recht beeindruckender Fluß von mehreren Metern Breite und Tiefe.
Zu dieser Zeit führte er wie im Herbst üblich, wenn die Regenfälle in den Gebirgen einsetzten und die Hitze ihn nicht mehr zum Austrocknen brachte, hohes Wasser. Noch war es keine Überschwemmung, aber noch ein paar Tage, vielleicht zwei Wochen, dann wäre es soweit.

Seit einigen hundert Jahren überspannte diesen Fluß eine Brücke. Ein nicht weiter auffälliges Bauwerk, das allein durch seine solide Machart bestach: Fünf Meter breit war der Weg darüber, die Brüstung zum Fluss kaum hüfthoch und die Brücke ganz aus gebrannten Ziegelsteinen gefertigt, die mit einem lange verlorenen, geheimnisvollen Mörtel verkleistert waren. Schlicht aber wirkungsvoll, hielt sie doch die Füße einige Meter über dem Fluß trocken.

Auf ihrer Brüstung saß, die Beine über dem reißenden Fluss baumelnd, eine junge Frau von vielleicht sechsundzwanzig Jahre. Sie trug die lockigen Haare offen über den Schultern, die sich des Herbstwindes erfreuten und ein feines, blaues Kleid mit kostbaren Verzierungen, mit Saum und Schmuck und Stickerei.
Ihr Blick ging den Lauf des Flusses hinauf, der sich in fast gerader Linie bis weit, weit die Hügel in das Vorgebirge zog, wo er seinen Anfang nahm.
Neben ihr lehnte, mit dem Blick ebenfalls hinauf in Richtung der Berge, ein Mann in Rüstung. An seiner Seite ein Speer, den er gegen die Brüstung gelehnt hatte, um sich besser darauf abstützen zu können.
Unweit von ihnen, aber immer wieder die Straße in beide Richtung beobachtend, standen zwei weitere Gerüstete. Sie hielten ihre Speere fest, die Augen einigermaßen wachsam, auch wenn einer von ihnen einen Apfel verspeiste.

An dieser Szene war an sich nichts ungewöhnliches.
Eine Edeldame auf einem Spaziergang - vielleicht in die Weinberge vor der Stadt oder die Besitzungen ihrer Familie auf den Hügeln, vielleicht nur ein schlichter Besuch bei Verwandten - begleitet von einer handvoll Getreuer, um das zarte Wesen vor der Wildnis zu schützen. Offenkundig machte sie Pause von dem antrengenden Weg und genoß den Ausblick.
Ungewöhnlich war bloß, dass diese Szene sich in der finstersten Nacht abspielte.
La famiglia é il nido dell'uomo.
- Giovanni Faldella
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Matteo
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Re: Maden im Speckmantel [offen]

Beitrag von Matteo »

Eigentlich hätte es viel schwerer sein müssen die Stadt nach Einbruch der Dunkelheit zu verlassen, hatte Gherardo jedenfalls gedacht und war wieder einmal verblüfft gewesen wie einfach sein Herr mit einer Kombination aus Charme, wohlgesetzten Worten und schlicht nach außen getragener, würdevoller Selbstsicherheit an den Wachen vorbeigekommen war.

Normalerweise hätte ihnen der Innenhof des Hauses Ventura genügt, doch heute Nacht brauchten sie Platz und vor allem Abgeschiedenheit, denn Schmerz und möglicherweise Schreie waren unvermeidbar...

Matteo bewegte sich wesentlich sicherer durch die Nacht als sein Diener, was nicht nur an Erfahrung, sondern vor allem an seinen geschärften Sinnen lag. (Auspex 1)
Und so hatte er die kleine Gruppe dort vermutlich bereits bemerkt, als sie sich ihr näherten. Den Speerträgern und auch Melissa bot sich folgendes Bild:

Matteo, den die Tzimisce bereits kannte, und sein bärtiger, hartgesichtiger Begleiter waren in dunkle, robuste Stoffe gewandet und in Leder gerüstet. Beide trugen Schwert und Dolch, der Bärtige zudem eine noch nicht entzündete Pechfackel und einen Bogen samt Köcher und Pfeilen. Je näher sie kamen, desto deutlicher wurde hörbar, dass der Bartträger leise eine fröhliche Melodie summte. Als sie sich näherten hatten sie weder die Hände an den Waffen, noch wirkten sie sonst in irgendeiner Weise aggressiv.
"Die Sonne lehrt alle Lebewesen die Sehnsucht nach dem Licht. Doch es ist die Nacht, die uns alle zu den Sternen erhebt." - Khalil Gibran
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Melissa
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Re: Maden im Speckmantel [offen]

Beitrag von Melissa »

Die Drachin auf der Brücke hatte die Melodie bereits vernommen, bevor sie sie hatte zuordnen können. Die Nacht nämlich war klar und ihre Sinne scharf. Ihr entging aber lange Zeit, wer dort pfiff und sich näherte, denn den Bärtigen hatte sie nie kennengelernt.

Sie hatte den Kopf ein wenig gedreht, um einen besseren Blick zu bekommen, schwieg aber. Auch ihre Männer schwiegen, abgesehen von dem einen, der den Apfel gerade mitsamt Griebsch verspeiste und leise schmatzte.
Erst als das Paar näher heran gekommen war, nahe genug um im fahlen Mondlicht erkannt zu werden, begann eine leise Unterhaltung statt zu finden. Der Mann zu ihrer Rechten lehnte sich vor, flüsterte etwas. Sie schüttelte die Locken.
Leise, aber gut genug hörbar im Wind sagte sie:
"Nein, ich denke ich kenne ihn. Lass ihn ruhig durch."
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Matteo
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Re: Maden im Speckmantel [offen]

Beitrag von Matteo »

Die beiden näherten sich und blieben schließlich einige Schritte entfernt stehen. Der Melissa bekannte Matteo trat vor, verneigte sich leicht, wie unter Gleichrangigen angemessen, die gesummte Melodie verstummte abrupt.

"Seid mir gegrüßt wohlwerte Melissa. Eine wundervolle Nacht und mir scheint auch Ihr versteht eine solche gut zu nutzen." Ein nächtlicher Spaziergang und das Verweilen an einer Brücke war auf den ersten Blick vielleicht nicht besonders pragmatisch, aber ästhetisch-emotional wertvoll. Zumal in den Augen eines Nachkommen der Arikel.
"Mein Gefährte und ich waren auf dem Weg zu einem Ort ganz in der Nähe, um ein wenig zu üben, als wir euch bemerkten. Es tut mir leid, falls wir eure Betrachtung der nächtlichen Idylle gestört haben sollten."
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Melissa
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Re: Maden im Speckmantel [offen]

Beitrag von Melissa »

Die Tzimisce blieb auf ihrer Brüstung sitzen. Sie drehte sich zwar, zog das eine Bein herauf, so dass sie dem Toreador die volle Vorderseite zuwenden konnte, und nickte lächelnd.
Aber ein informales Gespräch, wie sie scheinbar fand, benötigte keine Komplikationen.
"Guten Abend, Matteo. Wie schön, euch zu treffen."

Sie winkte ab, wischte seine Entschuldigung mit der eingebildeten Störung zusammen fort.
"Das habt ihr nicht, keine Sorge. Tatsächlich wird ein angenehmer Abend durch angenehme Gesellschaft doch nur besser, findet ihr nicht? Und auf Dauer wird es ohnehin langweilig, ganz allein in die Nacht zu starren."
Ihr Blick fuhr über den Bogen auf der Schulter des Ghouls, über die dunkle Kleidung und die Waffen.
"Ihr seid gerne eingeladen, mir ein Weilchen Gesellschaft zu leisten. Bevor eure...Übungen beginnen."
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Matteo
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Re: Maden im Speckmantel [offen]

Beitrag von Matteo »

"Aber gern." Sagte der Toreador und nahm neben Melissa auf der Brüstung platz, während er seinem Diener ein Zeichen machte etwas abseits Wache zu halten.

"Gibt es einen bestimmten Grund, warum Ihr heute Nacht hier verweilt?" Matteo warf einen skeptischen Blick auf die bewaffneten Wachen, den Melissa durchaus mitbekam. Wen oder was fürchtete sie als Kainitin derart? Vielleicht, wenn er seine neu erblühende Leidenschaft bedachte... vielleicht war es Schicksal, dass Matteo ihr heute hier begegnete, eine Gelegenheit. Aber zunächst wandte er sich einer anderen Thematik zu.

"Was eure Proklamation Broglio betreffend angeht, solange Ihre hochverehrte Majestät euren Anspruch nicht in Frage stellt, bin ich geneigt ihn anzuerkennen. Das tue ich, mein Wort darauf. Gestattet Ihr mir euer Siestri zu betreten? Selbstverständlich achte ich eure Regeln und erweise euch den Respekt den Ihr verdient."
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Melissa
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Re: Maden im Speckmantel [offen]

Beitrag von Melissa »

"Ich musste einmal hinaus. An die frische Luft, auf andere Gedanken kommen."
Auf ein Zeichen hin bewegten ihre Wachen sich einige Schritte fort, etwa in die gleiche Entfernung wie Matteos Diener. Sie selbst wandte sich halb wieder der Landschaft zu.
Ein schöner Anblick, wie der Fluß sich breit im Mondlicht in die Hügel schnitt, einige Haine, Wiesen und Felder zu beiden Seiten. Nicht mehr in voller Blüte, aber in herbstlicher Reife. Bis die Fluten kommen würden.

"Bisweilen wird es doch etwas eng in der Stadt, auch in meinem Broglio. Die Landschaft bringt mich auf andere Gedanken. Sie reizt mich nicht so sehr wie das Blut und Fleisch in meinen Straßen und hebt mir einen Augenblick die Sorgen vom Gemüt."
Die Tzimisce hatte den Mond betrachtet mit in den Nacken gelegtem Kopf. Hatte sich das wenige Licht ins Gesicht scheinen lassen, vor dem sie sich nicht fürchten brauchte.
"Ihre Majestät...", sagte sie mit einem Unterton. So ein Hauch von...nicht direkt von Sehnsucht. Aber von Wehmut. Als hätte sie sich seit einer Weile bereits Hoffnug auf die Prinzessin gemacht und als wäre diese Hoffnung wieder und wieder enttäuscht worden.
"Haha. Die Proklamation, ja...Ein feuriges Stück Arbeit, nicht?", sagte sie bitter und schüttelt den Kopf. "Ihr seid mir als Besucher gern gesehen. Ich hatte viel Spaß bei unserer letzten, kleinen Runde. Haltet euch nur aus den Angelegenheiten meiner Schützlinge heraus und wir werden gut miteinander auskommen."


"Wie steht es mit euch? Was sind das für Übungen, die ihr nicht in eurer Zuflucht oder einer anderen Stätte machen könnt?"
Eine unschuldige Frage, scheinbar ohne Hintergedanken gestellt. Trotzdem hatte ihr Blick, den sie aus den Augenwinkeln schickte, etwas neugieriges. Etwas nachforschendes. So als denke sie in ihrem verschlossenen Kopf bereits darüber nach, was dieses Gespräch einbringen könnte.
Landschaft hin, Landschaft her.
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Matteo
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Re: Maden im Speckmantel [offen]

Beitrag von Matteo »

"Ein wunderschöner Anblick, ich kann euch verstehen. Manchmal ist das Land in seiner Einfachheit eine willkommene Abwechslung vom nächtlichen Treiben der Stadt."

Als Melissa von der Prinzessin sprach, sich dieser Hauch von Wehmut zeigte, spiegelte sich dieser in Matteos Zügen, möglicherweise sogar noch etwas stärker, was vielleicht an dem von ihm gewählten Weg durch die Ewigkeit liegen mochte.
Seine Miene klarte sich etwas auf als die Drachin nach seiner heutigen Beschäftigung fragte.

"Vor einiger Zeit, kurz nach meiner Ankunft hier in Genua, führte ich ein Gespräch mit Brimir, welches mich dazu brachte mich fortan in der Schwertkunst zu üben. Da heute eine so klare Nacht ist, bot es sich eînfach an dafür die Stadt zu verlassen."

Erneut sah er hinüber zu Melissas Eskorte. "Ihr scheint besorgt um eure Sicherheit, gibt es hier draußen besondere Gefahren die euch bekannt sind?"
Zuletzt geändert von Matteo am Fr 23. Sep 2016, 09:51, insgesamt 1-mal geändert.
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Melissa
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Re: Maden im Speckmantel [offen]

Beitrag von Melissa »

"Brimirs Inkompetenz", antwortete die Tzimisce trocken.
"Es gibt..."
Sie brach den Satz ab, sah weiter in die Ferne. Ein Seufzen drang aus ihrer Kehle, das schwer wog und gleichmäßig in den Fluss zu ihren Füßen stürzte. Ein trauriges Geräusch, das sich an seinem eigenen Elend festzuklammern schien.
Hier heraus war sie auch gekommen, um diesen Dingen für einen Augenblick zu entkommen.

"Darf ich euch eine persönliche Frage stellen?", fragte sie stattdessen. "Welchem Weg folgt ihr durch die Nacht?"
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Matteo
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Re: Maden im Speckmantel [offen]

Beitrag von Matteo »

Brimirs Inkompetenz, so so... das Klang nach einem ziemlich interessanten Sachverhalt. Auch und vor allem Angesichts seiner neuen Pflicht.

Eigentlich hob der Toreador schon an von seinem gewählten Pfad zu berichten, als er innehielt und entgegnete: "Euere Frage danach beantworte ich euch gern, sofern Ihr mir dieselbe Ehre erweist. Matteo wartete auf ein Zeichen der Zustimmung oder der Ablehnung er er fortfahren würde.
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