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von Brimir » Mo 31. Dez 2018, 14:28
1007 - Nördlich von Genua
Ein riesiger Fels mitten im Nirgendwo ragte in den Nachthimmel. In einigen Jahrhunderten würde man Reihenhäuser in ähnlicher Größe errichten. Aber für heute Verhältnisse war dieser 'Felsen' fast schon ein kleiner Hügel und ragte schräg aus dem Boden heraus. Moos, kleine Bäume und Sträucher überwucherten ihn und ein kleiner Bachlauf hatte eine Kante hinein gespühlt.
"Penthasilea hat also nicht untertrieben... ein großer Stein."
Brimir hatte den Felsen mehrfach umschritten. Hier irgendwo sollen also die Nachrichten hinterlegt werden. Als der Nordmann gerade überlegt hatte, ob dieser Felsen wirklich derjenige sei, den er suchte, hatte er noch eine letzte Idee. Brimir legte sich in den Bach. Das wasser war eiskalt, aber als er sich unter den Felsen zog konnte er die 'Nachrichten' sehen. Symbole, Schrift, Zeichen... manche alt, wie die Zeit... manche neu. Aber die Älteren waren unleserlich, denn das Wasser erneuerte die Schreibfläche in Jahrzehnten und machte Platz für neue Nachrichten... wie eben seine: Ninurta-Sha - Brimir Böggvisson.
Der Nordmann schauderte bei dem Gedanken endlich auf der Fährte dieser großen Jägerin zu sein. Vorfreude, Begeisterung und... Furcht machten sich in ihm breit. Und einige Wochen später war es dann so weit:
Ein Jäger lagerte in der Nähe des Felsens. Als Brimir näher kam, zuckte der Mann herum und richtete seinen Bogen auf den Gangrel. Ein tierisches Knurren drang aus der Kehle von Brimir und er machte sich bereit zum Sprung... als er ein Brandmal erkannte. Polemus hatte dieses Symbol einmal auf seine Brust gemalt.
"Die Jagd ist ewig... ", knurrte Brimir statt anzugreifen. "Ich bin Brimir Böggvisson."
"Endlich!" gab der Mann von sich. "Ich bin Marco. Sie... erwartet dich in den zentralen Apenninen. Sie durchstreift die Gegend zwischen La Spezia und Parma... wenn du sie finden kannst... wird sie mit dir reden. Wenn nicht... bist du nicht würdig dich Jäger zu nennen."
1008 - irgendwo nördlich der Grenze zwischen Toskana und der Emilia-Romagna
Ein Schwarm Fledermäuse zwang den Nordmann zur Landung. Er verließ seine Rabengestallt und kauerte Angriffsbereit auf dem Boden, als ein Schatten im Gebüsch auftauchte und Brimir im letzten Moment zur Seite sprang, um dem Angriff auszuweichen. Nach einer Drehung rammte der Nordmann seinem Angreifer die Krallen in die Seite und zog sie quer über die Brust des Anderen. Dunkle, verfilzte Haare, spärliche Kleidung, rot leuchtende Augen, Tierklauen, ausgefahrene Eckzähne und Mordlust in den Augen. Doch der Hieb des Gangrel veranlasste ihn ohne weitere Aktion zur Flucht. Brimir setzte nach, trieb seine Krallen nocheinmal in den Rücken des Fremden. Schwerste Wunden sorgten dafür, dass dieser erschöpft stehen blieb.
Die Informationen des Gangrel waren hilfreich. Brimir fand einen alten Köhler. Es dauerte nicht lange, um heraus zu finden, dass auch er zur Jagd gehörte.
"Ich bin Brimir Böggvisson und suche ich suche die Jagd, um Wissen zu erlangen."
Ein Nicken folgte.
"Eine Jagd... von ihrem Beginn an sieben Nächte. Von hier 10 Meilen in alle Richtungen... sie trifft sich nur mit würdigen Jägern. Sobald ich das Feuer entzünde geht es los und jeder darf sich der Jagd anschließen. Nennst du dich selbst einen erfahrenen Jäger? Das lockt die Älteren an... ... Wenn sich allerdings heraus stellst, dass du übertreibst... werden sie dich in Starre schlagen und rituell verbrennen."
"Ich suche nicht nur die Älteren... ich suche die Jagd... die eine Jägerin des Kultes... Ninurta-Sha. Ich bin der erste Jäger Genuas... und, wenn ich nicht erfahren genug bin mich den erfahrenen Jägern zu stellen... ... bin ich auch nicht würdig Ninurta-Sha zu treffen."
In der folgenden Nacht
Brimir hatte seine Spuren gelegt, wie ein Welpe sie hinterlassen würde. Nicht offensichtlich aber so, dass man ihn für einen Anfänger halten könne. Leicht Beute, die nur darauf wartet dem Kult geopfert zu werden. Doch der Nordmann lag auf der Lauer. Munin und Frekki umkreisten den Ort und ihnen folgten Eulen und Wölfe. Sie vertrieben all das Getier im Umkreis, um es den Jägern schwerer zu machen. 'Wenn dein Gegner weiß, wo du bist... sei woanders.' Und so lag Böggvirs Kind abseits der fährte auf der Lauer. Die Fallen waren gelegt. Es war ein Brujah, der durch das Geäst brach. Er war schnell und folgte den Spuren geschickt. Doch Brimir überraschte ihn, sprang in seinen Rücken und schubste ihn in die Grubenfalle. Fast wäre der Kainit noch darüber Gesprungen, aber dann spießte das Holz ihn auf.
Hinter Brimir erklangen auffällige Tierlaute. Sieben... Acht... Vielleicht ein dutzend. Erst jetzt wurde dem Wikinger eines klar: Diese Jagd hatte nur eine Beute - ihn. Und die Anderen arbeiteten als Gruppe gegen ihn.
Grinsend wendete sich Brimir ab. Seine Tiere folgten ihm, um die Fährte zu verdecken.
Was folgte war eine intensive Woche in der Brimir sich auf seine Instinkte verlassen konnte. Immer wieder schaffte er es einen seiner Häscher einzeln zu schnappen. Hauptsächlich waren es Gangrel. Ein Nosferatu hatte ihn beinahe bei seinen Vorbereitungen überrascht, doch die Tatsache, dass der Verborgene alleine angriff, verschaffte Brimir die Chance zur Flucht.
Die Tatsache, dass einer der Gangrel mehrfach auftauchte, obwohl Brimir ihn gepflockt hatte, machte deutlich, dass die Anderen zusammen arbeiteten. Und langsam zog das Jägerrudel die Schlinge zusammen.
Eine Woche verging. Doch die Jagd endete nicht. Die Jäger waren angeheizt von der Tatsache, dass sie Brimir nicht gestellt bekamen. Und Brimir fühlte sich an sein 'Mannwerden' erinnert: Das Thing, als er vom Kind zum Neugeborenen wurde. Es war passend, dass diese erste richtige Jagd nach seinem Ancillawerden die Größte seines bisheringen Lebens werden sollte. Sie erinnerte ihn daran, dass er nicht nur Jäger war sondern auch Beute.
In einer der Nächten - Brimir war sich sicher, dass inzwischen ein ganzer Monat herum war - verfolgten den Nordmann Bilder seiner Vergangenheit. Erinnerungen von Verstorben... seine eigene Schwester stand ihm im Kampf gegenüber und rang ihn immer weiter nieder. Böggvir an seiner Seite starb... vernichtet durch Brimirs Bruder... Feuer umkreiste ihn. Sein Verstand spielte ihm immer mehr Streiche... ... bis das Tier in ihm übernahm. Und Brimir ließ es zu. Sein Verstand hielt sich an der Bestie fest und es war mehr so, als würde das Biest ihn retten, als, dass er es reitete.
Dies war der Beginn einer langen Raserei. Der längsten, die Brimir je erlebt hatte. Sein Verstand hatte sich irgendwann auf den Rücken des Biestes zurück gezogen. Der Wikinger verlor jedes Gefühl für die Zeit... für die hunderten Meilen, die sie sich in dem Radius bewegten. Als er wieder klarer wurde, war Brimir am Ende seiner Kräfte. Er hatte nicht mehr mitbekommen, wen er alles bekämpft hatte, wenn sie ihn fanden. Aber er war sich sicher, dass er ohne seine Instinkte und das Vertrauen in sein Biest verloren gewesen wäre.
Nun lag er da... im Schlamm auf allen Vieren. Zähnefletchend und mit ausgefahrenen Krallen blickte er dreien seiner Häscher entgegen. Und gerade, als er losspringen wollte, traten drei andere aus dem Gebüsch zu seiner Linken. Vier Gangrel landeten neben ihm auf der rechten Seite und zwei Verborgene traten aus der Dunkelheit hinter ihm. Alle Zwölf waren da. Sie hatten ihn erwischt... endlich würde diese Jagd enden und Brimir machte sich bereit den Göttern entgegen zu treten.
"Jeder ist Jäger... jeder ist Beute... zu jeder Zeit. Du hast dich gut geschlagen."
"Wir erkennen dich als Jäger an."
"Du und dein Tier... ihr seid eins."
"Ninurta-Sha... erwartet dich... wir bringen dich ins Allerheiligste der Jagd."
Brimir schloss die Augen. Vollkommen erschöpft sank er zu Boden und merkte noch, wie die Jäger nach ihm Griffen und hoch hieften. Also würde die Jagd heute doch noch nicht enden.
"Eines Jeden Rücken ist ungeschützt, es sei denn, er hat einen Bruder."
Grettirs Saga