[Fluff] Die Schatten der Vergangenheit [Ilario]

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Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Ilario
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Re: [Fluff] Die Schatten der Vergangenheit

Beitrag von Ilario »

Genua, anno domini 1026

Leise schlurfend und doch von einer Sicherheit die von jahrelanger Vertrautheit sprach näherte sich Yakub dem Wartenden. Er hörte das leise Plätschern des Teiches, roch den Duft von aufgeschnittenen Früchten untermalt vom leicht erdigen Geruch des Gartens.

 

Fast den gesamten Herbst seines Lebens hatte er hier verbracht, im Dienst eines Christen. Und fast täglich dankte er Allah für sein Schicksal. Als er vor einem halben Leben, noch in seiner Heimat, in Ungnade gefallen, geblendet und in die Sklaverei verkauft worden war, hätte Yakub niemals gedacht noch einmal so etwas wie Glück oder Zufriedenheit zu erleben. Doch dann hatte dieser Embriaci ihn gekauft und auch wenn er ein Sklave blieb, lebte der blinde Baumeister fast wie ein Fürst. Es mangelte ihm an nichts und das einzige Mal, dass er wirklich etwas hatte tun müssen war es für den sinistren Ratgeber seines Herrn gewesen. Einen Raum ohne Licht hatte der sonderbare Mann geplant haben wollen, doch über Entwürfe und erste Bohrungen war das Projekt nie hinausgekommen. Man hatte ihn in Frieden gelassen… bis heute.

Der Ratgeber hatte ihn rufen lassen, er orientierte sich am flachen Atem des Mannes. Einst hätte er schwören können dieser Mann würde gar nicht atmen, so flach waren die Atemzüge. Doch mussten ihm seine Sinne damals einen Streich gespielt haben, welche Kreatur unter der Schöpfung Allahs war schon ohne Atem? Der irrwitzige Gedanke eines alten Mannes, Yakub verwarf ihn so schnell wie er gekommen war. Er blieb stehen, ein paar Schritt entfernt. Nun nahm er auch den Geruch von Pergament und Tinte wahr, ebenso den einer Öllampe.


„Setz dich Yakub.“

Und er nahm Platz, der sanften Stimme des Ratgebers, des Wesirs folgend. Weiche Kissen, auf einer im Garten gebreiteten Decke empfingen ihn. Yakub hörte mit Erstaunen, wie der Wesir in die Sprache seiner Heimat, des Morgenlandes wechselte. Mühelos und ohne den grausamen Akzent den die Bewohner des Abendlandes für gewöhnlich im Munde führten. Dem Zungenschlag nach mochte dies ein gelehrter Herr sein aus Damaskus oder Alexandria.

„Zu deiner Rechten findest du Früchte und Ziegenmilch. Fürchte kein Unheil Yakub, auch wenn sich deine Zeit auf Erden dem Ende neigt. Ich will, dass du mir deine Geschichte erzählst und alles was du an Wissen über die Baukunst besitzt. Ich werde sie bewahren für kommende Generationen, junge Baumeister und angehende Architekten sollen deinen Namen rühmen und Bauwerke errichten auf der Basis deines Wissens. Wir alle sind wie Sand in Allahs Hand, doch unser Wissen mag uns selbst überdauern.“

Verunsichert und zugleich geschmeichelt rieb sich Yakub die Hände. „Herr, wo soll ich anfangen? Wie beginnen?“ Die trüben Augen blickten zu Boden, während von gegenüber das Rascheln von Pergament zu hören war.

„Am Anfang Yakub, am Anfang…“
Die Nächte lehren viel, was die Tage niemals wissen.
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Ilario
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Re: [Fluff] Die Schatten der Vergangenheit

Beitrag von Ilario »

Stimmen in der Dunkelheit

Nächte der inneren Einkehr, wochenlang, bereite ich mich vor und nutze die Zeit in der meine Untergebenen die Paraphenalia auftreiben. Der Sklave, kaum fähig eine zivilisierte Sprache zu sprechen, hat geübt und wartet darauf sein Werk zu beginnen. Ich wappne mich gegen den Schmerz, erwarte ihn… Das Tier begehrt auf als die Nadel, getränkt in die tiefschwarze Tinte, so nah an meinem Herzen immer und immer wieder in meine Haut sticht. Mit Ketten geschmiedet aus Willen und Selbstbeherrschung zerre ich es zurück, die Bestie verstummt. Der Sklave darf weiterleben und sein Werk weiterführen. Die Tinte, gewonnen aus einer Kreatur der der Tiefe, des Meeres, verschmilzt mit meinem Blut und brennt sich geradezu ein. Striche und Rundungen fügen sich aneinander, meine Haut aufgerissen, gefüllt mit Schwärze und es pocht, pulsiert als würde mein kaltes, totes Herz noch schlagen. Die Haut heilt, doch das Schwarz bleibt darunter. Ich fühle wie es tiefer dringt… und wehre mich nicht, heiße es willkommen.

Noch ehe der Sklave weiß wie ihm geschieht verliert er sein Leben. Meine Fänge dringen durch die Haut an seinem Hals und ich trinke in großen, gierigen Zügen. Mit einem wohligen Seufzen verlischt sein Lebenslicht, doch ich lasse nicht ab und leere sich bis zur Neige. Er wird stirbt trotz seiner wertvollen Fertigkeiten, er sah was keinem Sterblichen bestimmt ist zu sehen. Galba war da sehr klar.

Kurz genieße ich das berauschende Gefühl meinen ewigen Hunger fast gestillt zu haben. Ein vergänglicher Moment. Dann entkleide ich mich und kleide mich in warmes Pech, trage es mit behutsamen, gleichmäßigen Bewegungen auf meinen gesamten Körper. Es klebt, setzt sich fest und frisst sich in meine Haut. Einfach abstreifen werde ich es nicht mehr können. Es wird Teil von mir und versiegelt auch das Zeichen über meinem Herzen, ich spüre es kalt brennend auch wenn die Wunde längst verschlossen ist.

Ich gehe hinunter in mein Herz der Finsternis und setze mich im Schneidersitz in die Dunkelheit die nie ein Lichtstrahl drang. Das gestohlene Leben, das Blut des Sklaven nutze ich um mich für das kommende zu wappnen, ganz so wie Galba mir riet. Ich blicke in die Dunkelheit, sehe Steine und Holzbalken… keine Schatten, denn wie sollten sie hier auch entstehen? Keine? Nein, denn sie sind nicht begrenzt. Hier sind sie überall. Sie sind eins, sie sind alles hier. Alles um mich herum. Sitzend warte ich, das Gefühl für Zeit verlierend. Das einzige was ich spüre ist das Pulsieren. Stetig wie mein einstiger Herzschlag, ist es das einzige worauf ich mich zu fokussieren vermag. Es wird stärker und mir wird kalt. Eisige Kälte, nichts gegen jene die mich seit meinem Kuss begleitet, zieht von außen in mich hinein…

Etwas in mir begehrt auf, und es ist nicht das Tier. Ich kann es nicht aufhalten oder verhindern, selbst wenn ich wollte. In spastischen Zuckungen verliere ich mich, mein Rücken krümmt sich, drückt sich zu einem unnatürlichen Hohlkreuz durch. Knochen knacken, der Schmerz ist unermesslich und selbst mein Tier könnte mir nicht helfen. Meine Augen verdrehen sich, rollen nach hinten in den Augenhöhlen. Ich sehe nichts mehr, Dunkelheit umfängt mich, während meine Vitae durch die Adern rauscht, hochkocht. Plötzlich wirft mich etwas nach vorn und ich erbreche krampfartig einen dunklen Schwall. Blut bricht aus meinem Mund, meiner Nase, rinnt aus Augen, Ohren und Unterleib. Es bildet eine Lache am Boden der Kammer.

 
Ich höre Stimmen. Nicht von außen. Sie flüstern. In mir. Alle durcheinander. Verschiedene. Durchdrungen von Lügen und Boshaftigkeit. Von Fleischeslust, Habgier und Hochmut. Von Treulosigkeit und gebrochenen Eiden. Worte sind nichts mehr als Schall und Rauch. Jeder lügt…nichts ist einem heilig. Es gibt keine Ehre, keine Loyalität. Keinen Respekt, kein Vertrauen… scheint es. Jeder ist sich selbst der nächste und nimmt dafür alles in Kauf. Etwas in mir zerbricht. Ein Teil meines Selbst? Liebe, Freundschaft und echtes Vertrauen, wie menschlich. Lügen… Teil geworden des kainitischen Selbst. Doch was sind Schwüre und heilige Eide noch wert, wenn niemand sie ernst nimmt? Was wenn Ehre und Respekt für den Herren nur leere Konzepte sind? Leere Hüllen wie der tote Sklave oben… Eine Leere frisst sich tief in mein Innerstes.

Das Wispern verändert sich, etwas klingt lauter als die anderen Stimmen. Wer?
Die Nächte lehren viel, was die Tage niemals wissen.
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Ilario
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Re: [Fluff] Die Schatten der Vergangenheit [Ilario]

Beitrag von Ilario »

Der Feind meines Feindes...

Sprichwörtlich hatte er unter jeden Stein schauen müssen bei seiner jahrelangen Recherche... und wortwörtlich dann auch als er die Örtlichkeit nach dem Schatz durchsucht hatte. Ob es das wert gewesen war?
Ilario stand am Bug, die "Schwalbe" glitt über die unruhige See. Gischt durchtränkte sein Haar, seine Kleidung. Er schmeckte das Salz auf den Lippen und fragte sich wieder einmal ob die Sehnsucht nach der See auch in seinem Blut lag und ob sie mit dem Alter zunahm.

Sie erreichten ihr Ziel am zweiten Tag ihrer Reise, die eingespielte kleine Mannschaft machte bei Einbruch der Dämmerung das Beiboot klar und seine Diener bereiteten alles weitere für Ilario vor.
Nach Einbruch der Nacht dauerte es noch geraume Zeit, dann betrat der der Kastellan das Deck. Er wies seine Männer an das in Tuche eingeschlagene und gut verschnürte, etwa menschenlange, Packet vorsichtig in das Boot zu verfrachten, ebenso wie den wertvollen Gefangenen. Einen Mann ohne besondere Auffälligkeiten, deren Namen Ilario nicht einmal kannte. Zuletzt stiegen Ilario und Mercurio in das Boot.

Kurz aber sorgsam sicherten sie den einsamen Strand. Ilario dachte daran, dass er hier vermutlich etwas vorteilhaftes für seine Herrin tat. Wenn man denn dem Wort eines Ahnen und Königs trauen konnte... Nun zumindest wäre seine Schuld damit endlich abgegolten.
Sie lösten Riemen und Schnüre, entfernten das Tuchwerk mit höchster Sorgfalt, während Ilario die Handgriffe seiner Leute mit Argusaugen verfolgte. Dann betrachtete er ein letztes Mal ehrfürchtig das Geborgene: Ein vertrockneter, ausgezehrter und uralter Leichnam, den seine spitzen Fangzähne als Kainiten auswiesen.

Während seine Männer wieder in das Boot kletterten, blieben Ilario und Mercurio bei dem namenlosen Gefangenen und dem Geborgenen zurück. Schließlich löste Mercurio die Fesseln des Menschen und sein Herr trat vor diesen. Ganz nah, die nachtschwarzen Augen Ilarios fraßen sich förmlich in den Blick des Mannes und geflüsterte Worte wanden sich in dessen Geist.
Sie ließen ihn mit leerem Blick zurück, gaben ihm ein Messer und begaben sich in das Ruderboot. Still stand der Mann da, während kräftige Ruderschläge das Boot weit vom Ufer entfernten. Und noch etwas blieb zurück: Ein schattiger Beobachter.

Die Männer konnten im Gegensatz zu ihrem kainitischen Herrn nicht sehen was in der finsteren Nacht am Strand geschah, doch Ilario beobachtete es in angespannter Erwartung: Der Mann am Ufer schnitt sich mit der Klinge in den Unterarm und ließ das warme Blut in den Rachen des starr liegenden Kainiten rinnen. Lange Zeit geschah nichts, doch jedoch, urplötzlich, sprang der ausgedörrte Kainit ruckartig auf, packte sein Opfer und leerte es bis zum letzten Tropfen.

Das Wesen stand dort, aufrecht und in Lumpen gehüllt und dennoch in der Haltung eines geborenen Fürsten, und sah zu dem Boot hinüber. Zu Ilario. Eine Geste folgte:

Komm.
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Re: [Fluff] Die Schatten der Vergangenheit [Ilario]

Beitrag von Ilario »

Pest oder Cholera?

Jeder Schritt in Richtung des Tarda Ora schmerzte fast körperlich. Das hier würde ein Balanceakt werden, ein Tanz auf scharfer Klinge. Vor sich selbst konnte er den Weg den er dabei war einzuschlagen rechtfertigen, auch wenn kein Außenstehender es würde wirklich verstehen können. Macht und Einfluss, ja. Pflicht und Wort, ja. Furcht und Blut, aber auch mehr...

Lydiadas

Noch immer hallten Galbas Worte nach. Ilario verehrte seinen Erzeuger und hielt seine Linie in Ehren. Nie würde er tun was Acacia tat und sie verleugnen. Und doch war da im Hintergrund, im Schatten seines Bewusstseins, stets der Zweifel und die Furcht. Lydiadas war vieles, stand für einiges das Ilario nicht mochte. Aber man konnte dem Schwarzen Prinzen nicht nachsagen, dass er nicht zu seinem Wort stand. Und immerhin war er Lasombra.

Aurore

Sie war seine Prinzessin. So lange. Gewesen? Hätte sie doch bloß nicht das vergiftete Geschenk der Tedesci angenommen. Sie hatte er gewusst, hätte es wissen müssen. Sie hatte es in seinem Geist gesehen, als sie ihm Gewalt angetan hatte. Die Ilario seiner Prinzessin hatte vergeben können, aber nicht vergessen. Sie hatte dreihundert sterbliche Soldaten genommen und ihn, bis dahin ihren treuesten Vasallen, dafür fortgeworfen. Verletzte Eitelkeit die er sich nicht eingestehen wollte... Und mehr.

Genua


Also hatte Ilario beschlossen zu tun was er geschworen hatte: Genua zu schützen, koste es was es wolle. Galba hatte vorgeschlagen Genua derart zuzurichten, dass es nie wieder von Interesse für Sizilien oder die Tedesci würde. Nein, niemals. Es musste einen anderen Weg geben. Er musste ihn nur finden, egal wer nun Prinz sein würde: Das Wichtigste war, dass der uralte Schrecken niemals durch die gierigen Hände der Tedesci entfesselt würde.
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Re: [Fluff] Die Schatten der Vergangenheit [Ilario]

Beitrag von Ilario »

Heiden und Schatten im Kastell

Er schritt zwischen den Leichen der eigenen Leute, der Bischofsgarde und denen der Nordleute. Dann blieb Ilario stehen, blickte grimmig in den Nachthimmel. Was hatte man ihn nur gezwungen zu tun? Der Befehl war klar gewesen, die Intention dahinter verständlich. Ein kluger Schachzug, der die Vorherrschaft des Tyrannen brechen und zugleich einen nicht unbedeutenden Schlag in diesem Krieg um die Prinzenwürde darstellte. Und doch... fühlte es sich falsch an. Ersteres hätte er auf andere, wenn auch langwierigere Art und Weise tun können und an Zweitem konnte der Lasombra einfach keine Freude empfinden.

Der Bote Lydiadas traf ein, die Antwort war nicht jene die Ilario erwartet hatte. Auch wenn das Kastell nun keinen strategisch-taktischen Wert mehr besaß und nur Ressourcen binden würde. Es wieder aufgeben? Nun gut, einem Ahnen widersetzte man sich nicht. Aber der andere Befehl? Die Intention dahinter war ebenso klar wie mehrschichtig und Ilario selbst konnte nur verlieren. Nun er durfte sich dem Befehl nicht verweigern und doch blieb ihm Spielraum. Der Gangrel und seine Nordleute.

Zwei kurze Gespräche, mit einem seiner eigenen und einem der Diener Brimirs, und in aller Heimlichkeit wurde der Diener Gasparos herausgeholt aus der Zelle und gen Hafen, zu seinem Herrn, geschickt. Und während der Meisterschüler des Ventrue durch Mascharana eilte, erklangen die ersten Schreie. Später würde der Nordmann seinem Herrn berichten, dass er entgegen den Anweisungen des Schattens die Geistlichen geschlachtet hatte um seinen Göttern zu gefallen und den alten Sitten genüge zu tun. Und obschon sich offensichtlich ein einfacher Sterblicher seinen Befehlen widersetzt hatte, lächelte Ilario leise während er dem Gangrel gegenüber das Haupt schüttelte. Barbaren.
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Re: [Fluff] Die Schatten der Vergangenheit [Ilario]

Beitrag von Ilario »

Auf den Knien

Jeder Schritt hin zum Castelletto hatte Überwindung gekostet, jeden Schritt hatte er sich gefragt ob Lydiadas hiermit auch einen einfachen Weg suchte sich seiner zu entledigen und die Hände in Unschuld zu waschen. Aurore würde verstimmt sein. Mehr als verstimmt... wütend.

Ilario fürchtete ihren gerechten Zorn, hatte er ihn doch bereits einmal erlebt. Damals hatte sie seinem Geist Gewalt angetan, ihn geschändet und achtlos wie ein Buch benutzt. Er hatte es nicht einmal als Übergriff empfunden, sie war seine Herrin und damit war dies ihr Recht. Wo ein Wandler auf dem Weg der Bestie oder der Sünde sich vielleicht in seiner Freiheit, einer der seiner Humanitas folgte es als Verletzung seines Selbst gesehen hätte, hatte der König nur Selbstverständlichkeit und das Recht und die Pflicht des Herrschers gesehen.

Diesmal war es anders.

Er hatte sich erklärt und um Vergebung gebeten, seine Motive offenbart. Die Botschaft des Schwarzen Prinzen war überbracht worden und nun harrte der Bote schon eine Stunde auf den Knien, die Stirn auf den kalten Marmor gepresst, einer Antwort. Furcht war sein stiller Begleiter, wie oft schon war der Bote einer schlechten Nachricht erschlagen worden? Ilario blieb in der unbequemen Position, erwartete den kalten Stahl des Schwertes. Lucio il Omnivoro stand bereit den Willen Aurores zu vollstrecken, das wusste er.

Auf Geheiß der Weißen Prinzessin erhob sich Ilario. Nahm die schmerzenden Worte, ebenso stoisch entgegen wie die Schriftrolle, die Antwort, an Lydiadas. Glaubte sie tatsächlich er wäre jetzt sein Herr?

Der Weg zurück zog sich hin, doch so hatte der Lasombra genug zeit alles zu überdenken. Ja, er hatte Fehler gemacht. Das alles war ein Rückschlag, doch bisher war er auch schneller vorangekommen als man erwarten konnte. Noch war nicht alles verloren und in gewisser Weise könnte er das alles Galba womöglich sogar als Teilerfolg angesichts der Katastrophe verkaufen...

Ein entschlossenes Nicken, er empfand keine Liebe mehr für die Weiße Prinzessin und noch weniger für ihr schwarzes Gegenstück. Nein, er würde seinem Eid treu bleiben. Seiner Herrin, die da hieß Genua.
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Re: [Fluff] Die Schatten der Vergangenheit [Ilario]

Beitrag von Ilario »

Blut und Asche


Der Bote war aus der Lagunenstadt zurückgekehrt, mit der ersehnten Antwort. Nach all dem Chaos, den Verwerfungen und persönlichen Rückschlägen, würden sie reden. Ilario erhoffte, nein sehnte sich den Rat seines Erzeugers herbei. Den Rat des gerissensten und zugleich verschwiegensten Kainiten den er kannte.

Als die Nacht seines Freispruchs durch den Prinzen Tiberian sich jährte, zur genauen Stunde gar, begab er sich hinab in sein Herz der Finsternis. Da war kein Licht und dennoch trug er viele Rollen Pergament und Schreibzeug mit sich in die kleine Kammer. Nachdem sie diese durchsucht hatten schickte der Lasombra seine dort hausenden schattigen Diener fort. Dies würde ohne Zeugen geschehen. Ein gewisser Stolz durchflutete seinen Geist, sicher war er nicht der erste der seine Fähigkeiten so nutzte, doch sicher einer der wenigen Neugeborenen die dies bewerkstelligen konnten und zugleich auf die Idee gekommen waren.
In der Finsternis beschwor Ilario eine brodelnde Wolke abbyssalen Chaosund zwang sie Kraft seines Willens in die komprimierte Form einer kleinen, glatten Kugel. Kniend und mit gesenktem Haupt spähte er hinein.

Auf der anderen Seite der Verbindung saß Galba auf einem dunklen Stuhl, vor einem dunklen Tisch. Beide schienen aus Holz zu sein, hatten jedoch keinerlei Maserung. Vor ihm ausgebreitet lag jedoch keinerlei Schreibzeug. Stattdessen fand sich ein kleines, mit einer brodelnden Masse gefülltes Becken voller abyssaler Tätigkeiten. Die Oberfläche der beinahe an eine Flüssigkeit erinnernden Schale zeigte Verwirbelungen auf und dann und wann streckte sich eine Kontur hinaus.

Ilario erhob sich und es entspann sich eine merkwürdig anmutende Konversation zwischen Erzeuger und Kind. Während er selbst seine Worte mittels Feder und Tinte auf Pergament bannte, so dass Galba sie lesen konnte, erschuf jener Lettern aus der formlosen Masse des Abbyss über der Schale vor ihm. Zunächst erbat der Schüler Rat in politischer Sache, die Situation schien verzweifelt und niederschmetternd, wenngleich auch nicht so schlimm wie es hätte kommen können. Doch dann...

"Die Mailänder wissen noch nicht was dort auf sie zukommt. Ich würde also ihren Sorgen nicht unbedingt die gleiche Aufmerksamkeit zuwenden wie ihrem üblichen Gewimmer, in dem man immer noch hier und da die Ansätze von Wissen erkennen kann. Wir haben nun einen Vorteil. Weder die See, noch die Tedesci oder die Etrusker wissen was kommt. Nur wir. Und wir werden uns diesen Vorteil in Blut und Asche auszahlen lassen."

Durchaus beängstigende Aspekte ließen sich vielleicht zu ihrer beider Vorteil nutzen, schon jetzt überlegte Ilario wie er dadurch vielleicht zur rechten Zeit am rechten Ort wieder an Ansehen gewinnen konnte. Wenn die Narren es nicht kommen sahen, aber er... Dies versprachen interessante Dekaden zu werden.

Die Feder Ilarios kratzte flink über das Pergament. "In meinem Schreiben deutete ich ein noch sensibleres Thema an... Ich habe Nachforschungen angestellt bezüglich unserer Linie und konnte einen Namen auftun. Eines der Gesichter des Ätna. Ihr wisst um mein Streben nach Erkenntnis, nach Wissen und nun erbitte ich euren Rat und euer Wissen um den Bruch den unsere Linie allem Anschein nach mit der See der Schatten vollzog." Ilario verneigte sich demütig und harrte einer Antwort.

Zum vorangegangenen Thema äußerte er sich nicht weiter, sondern verschränkte die Finger vor dem Körper, als Ilario das nächste anging. Erst nach einer Weile, nachdem er offenbar einige Gedankengänge durchgespielt hatte, öffnete er sie wieder und tunkte den Finger in das Becken voller Ursuppe vor sich, zog in rauchigen, sich nach außen verflüchtigenden Linien eine Antwort vor sich in die Luft: "Viel weiß ich darüber ebenfalls nicht. Mamercus redet nicht darüber und das was ich weiß stammt von einer sizilianischen Quelle die im besten Falle als neutral einzuschätzen ist und einem griechischen Brujah der einst mit Mamercus aliiert war. Wie hast du herausgefunden das es dieser Kainit ist und wie verlässlich ist die Quelle? Der Zeitpunkt erscheint mir... verdächtig."

"Kometiolos." Weitere Erklärungen der genauen Natur der Herkunft jenes Wissens folgten. Dann war es wieder an Lucius Valerius Galba zu schreiben.

"Es gab ein schweres Zerwürfnis zwischen dem Eremiten und ihr, soweit ich das in Erfahrung bringen konnte. Offenbar verlor er den Verstand und zog sich in seine Grotten zurück. Es ist gut möglich das sie versucht hat ihn zu vernichten, da sie fürchtete er fiele dem Tier anheim. Ich schätze er war damals tatsächlich dem Tier sehr nahe, da er zu dieser Zeit seinen Weg wechselte. Ich vermute seine Kinder wurden ebenfalls von ihr ermordet. Mamercus entkam oder war nicht Anwesend und sagte sich von der See los. Floh nach Norden, zu den Feinden Siziliens und übernahm deren via. Mit dem Wissen um den Kreisel hielt er die See auf Abstand und kaufte sich so einen Platz unter den Königen sowie ihre Akzeptanz. Das ist aber schon lange her. Ich selbst habe unsere Herkunft nur selten und sehr unterschwellig zu spüren bekommen. Du bist gar ohne ihr Wissen schadlos durchs Leben gekommen. Mich beunruhigt deine Suche daher. Es könnte Staub aufwirbeln...
Den schwierigsten Schritt zur vollen Linie hast du bereits getan. Ob du sie einsetzen möchtest überlasse ich dir. Es kann jedoch riskant sein, je nachdem wer dabei ist oder wer davon hört. Viele schwierige Komponenten. Ich weiß das ungebrochene Herkunftslinien gerade bei einigen Clans in hohem Ansehen stehen, aber sie verraten viel und können im Ohr des falschen auch viel Schaden anrichten."


Erneut schabte die Feder in der Dunkelheit über das Pergament und der Schüler antwortete seinem Mentor: "Dann werde ich sie lieber im Dunkeln lassen beziehungsweise nur verwenden wenn es das Risiko wert wäre. Ich danke euch für euren Rat."

Nachdem er noch einen weiteren Ratschlag Galbas erhalten hatte und das Gespräch beendet worden war, ließ Ilario die abbyssale Kugel in seinen Händen zu Rauch und Schatten verrinnen. Er blieb in der Finsternis noch lange sitzen und überdachte das neu erlangte Wissen... und seit Beginn der unseligen fünf Nächte des Krieges zeichnete sich ein ehrliches Lächeln. Blut und Asche...
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Re: [Fluff] Die Schatten der Vergangenheit [Ilario]

Beitrag von Ilario »

1034 - Auf den Knien

War es nicht sogar teils seine eigene Idee gewesen, die ihn hierhergeführt hatte? Nach all den Wirren, dem dreifachen Verrat, dem Blut und all dem Tod? Er hatte seit langer Zeit wieder selbst getötet, dutzendfach. Es war Krieg, von seiner schmutzigsten Seite, und sie hatten Tod und Verderben über das Kastell gebracht. Dennoch hatte er Gasparo gewarnt und vor dem Schlimmsten bewahrt. Vielleicht war er deshalb Lydiadas Unterhändler gewesen, vielleicht auch weil der Ahn gehofft hatte Aurore würde ihn sofort vernichten.

"Wenn du das nächste Mal vor mich trittst wirst du deinen Kopf verlieren!"

Das waren ihre Worte gewesen. Und doch war er hier, kniete auf dem marmornen Boden vor seiner alabasternen Herrscherin. Hatte dargelegt wie ihre Annahme des tedescischen Geschenkes ihn in die Arme des Lydiadas getrieben hatte. Dass es die Entscheidung gewesen war welchen Teil seines Eides er über den anderen stellte. Das kleinere Übel zu wählen um das größere abzuwenden. Turin zu schützen um Genua zu bewahren.


"Ein Leben für ein Leben... für ein Leben." wisperten seine trockenen, rissigen Lippen fast tonlos. "Für eure Vergebung."

So war sie ihm zuteil geworden: Vergebung. Erkauft durch die Schuld einer Ahnin bei einer Neugeborenen, deren gleiche, schwere Schuld bei dem Ancilla nun erloschen war.

Verlust war was blieb. Ein Teil seiner Selbst, Amt und Ehre, das Leben so vieler Getreuer. Das Unleben war ihm geblieben, ebenso Reste von Macht und Einfluss die nicht einfach so vergingen. Etwas worauf er aufbauen konnte, und hatte nicht einst Brimir gesagt, dass das Überleben das Wichtigste war? Wer starb konnte seine Fehler nicht wiedergutmachen, noch Vergeltung üben. Wer vernichtet wurde Rückschläge nicht wettmachen. Wer vergangen war konnte nichts von Dauer mehr errichten.

Als Ilario sich schließlich mit gesenktem Haupt erhob und ging, wusste er: Es würde ein langer Weg werden.
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