[Fluff] Komm und folge mir nach [Seresa]

Geschichten über Monster

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Seresa
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Re: Komm und folge mir nach [Seresa, Fluff]

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1006 AD: Genua (heutiges Italien)

Einige Tage vor Ostern
Vorsichtig strichen die schlanken Finger der Brujah über die geschwungene Schrift der ausgehangenen Nachricht. Ein gemeinsames Gebet, Trost in der Gemeinschaft der Gläubigen, Austausch von Wissen und Meinungen dem einzig wahren Glauben betreffend. Das Paschafest. Die Überwindung des Todes. 39 Tage bis Ascensio Domini. Die Himmelfahrt. Ihre Finger strichen weiter über jeden einzelnen der Buchstaben, bis er auf dem Wort pilgern für einen Augenblick verweilte. Seresa seufzte, während ihre Finger weiterwanderten. Seien wir nur unter uns im Blute und im Glauben vereint. Die Brujah senkte kurz den Blick, bevor ihre Finger in die nächste Zeile wanderten. Gemeinsamen Glauben. Ihre braunen Augen blieben an den Worten hängen. Ihre Finger schlossen sich sanft um den Gegenstand unter ihrer Kleidung. Hielten ihn fest, wie einen rettenden Anker.

Dann blieben ihre Augen an den lateinischen Worten hängen. Todsünden. Ihre Lippen verzogen sich. Seresas Finger ballten sich zur Faust und ihre Fingernägel krallten sich in die helle, tote Haut. Ira. Superbia. Invidia. Seien aus unserer Mitte verbannt. Fides. Prudentia. Temperantia. Mögen uns allein erfüllen. Prudentia und Temperantia. Tugenden. Titus. Seinfreda. Ihre Hand öffnete sich und Seresas Zeigefinger wanderte zurück auf das Wort Fides. Sie tippte darauf, während sich die Stirn der Brujah in Falten legte. Lange betrachtete sie das Wort, bevor sie erneut von vorne las.

Jähzorn. Hochmut. Neid. Seien aus unserer Mitte verbannt. Treue, Glaube oder gar Vertrauen?! Geduld. Mäßigung. Mögen uns allein erfüllen.

Seresas Finger strich nachdenklich und dennoch vorsichtig, gar liebevoll über den Namen des Liktors, bevor sich ihre Hand vom Pergament löste und sie das Elysium verließ.

~*~ Die Nacht vor Ostern und Seresas Vorbereitungen für Ostern
Seresa flocht kleine grüne Zweige um eine bleiche, kleine, schlanke Kerze. Sie steckte geschickt einige frischgepflückte Weideblumen hinein. Sie würde sie am morgigen Tag halten, nachdem sie entzündet worden war, auch wenn sie sich davor fürchtete. Sich davor fürchtete was passieren würde, wenn die kleine Flamme nicht länger kontrolliert wäre. Wenn sie zu nahe oder zu dicht an sie gelangte. Aber es war ihre Opfergabe an den Herrn. Bunte Blumen und grüne Blätter als blühendes Zeichen der Hoffnung. Geklärtes Bienenwachs als Zeichen ihres reinen Glaubens an die Auferstehung. Sie würde in jener Nacht auf den Herrn vertrauen, dass ihr nichts geschehen würde, trotz der Umstände.

Seresa wandte ihren Blick zu ihrem Bruder im Blute und sie sprachen über die morgige Nacht. Er würde sie nicht begleiten und sie wusste, dass sie ihn nicht überzeugen konnte. Seresa blickte betrübt auf die Kerze vor sich. Sie würde alleine gehen müssen. Ohne ihn. Fides, Prudentia, Temerantia. Es war eine Einladung von Titus. Sie wollte ihm nicht absagen, an einem Fest wie diesem, aber sie wollte auch nicht ohne Ajax gehen. Ihr Blick ging auf ihren Bruder im Blute. Sie fragte ihn, was sie tun solle und er sagte, was er ihr so oft sagte. Er stellte es ihr frei, ob sie alleine gehen wollte. Er würde sie nicht daran hindern und Seresa war dankbar, dass er es nicht tat. Dass er sie gewähren ließ in ihrem Glauben. Dass er sie nicht zwang sich zu entscheiden. Dass er sie nicht beschränkte. Dass er ihre aufrichtige Liebe an den Herrn, neben ihrer unendlichen Liebe an ihn duldete.

Doch seine Worte regten ihren Verstand an und ihre Fangzähne fuhren in ihrem geschlossenen Mund nur Augenblicke später aus. Zwangen sie, ihren Unterkiefer sinken zu lassen, um sich nicht selbst zu verletzen, während sie die Lippen aufeinanderpresste. Womöglich wusste Ajax nicht einmal, was sie verärgerte in jenem Moment. Womöglich wusste auch Titus nicht einmal, was sie verärgerte in jenem Moment. Seresa aber wusste es und in ihrem Zorn griff sie nach einem Pergament.

Sie war es leid. Sie war ihn leid. So unendlich leid. Seine andauernden Vorwürfe. Sein ständiges Misstrauen. Seine immerwährenden Zweifel an ihr und ihrem Glauben. Er hätte seine Worte anders wählen könnten. Er hätte den Tag der Veranstaltung anders wählen können. Aber er hatte sich entschieden und so hatte sie es auch. Sie glaubte anders, ob er dies akzeptieren wollte oder nicht. Sie glaubte mit reinem Herzen, ob er dies glauben wollte oder nicht.

Spitze Zähne blitzten im Fackelschein auf, während sie Ajax fragte, ob sie auch sein Fernbleiben mit bekunden solle. Ein Nicken seitens des Gelehrten und wenig später zeigte die Brujah ihrem Bruder im Blute ihre geschriebenen Worte. Zorn spiegelte sich noch immer in ihren braunen Augen wieder. Wut, welche nicht vergehen würde binnen einer Nacht. Ihr Blick wanderte auf die Kerze, bevor sie das Pergament vorsichtig um das Licht wickelte.

Seresa sendete dem Kappadozianer eine Botschaft und war dabei selbst der Botschaft ähnlich.

Ihr Glaube war unscheinbar und ruhte wie die Kerze geschützt im Inneren einer wütenden und erneut enttäuschten Hülle. Klein und schlank war ihr Glaube. Einfach verziert und dennoch voller demütiger Hoffnung, dass die Opfergabe vom Herrn niemals abgelehnt werden würde, auch wenn Titus sie wieder und wieder ablehnen würde.

~*~ Ostern
Sie war Teil der Gemeinschaft der Gläubigen am Paschafest. Sie betete und sang, auf dass ihre Stimme die Ohren des Herrn erreichen mochte. Sie hörte schweigend zu, während die lateinischen Worte ihr Herz berührten. Doch sie tauschte kein Wissen oder gar Meinungen aus. Glaube bedeutete für sie zu vertrauen und sie maßte es sich nicht an, den Willen des Herrn wahrlich erahnen zu können.

Seresas Blick fiel auf ihren Bruder im Blute und ihre Lippen umspielte ein dankbares Lächeln. Er war mit ihr in die Stadt gekommen. Sie beide nahmen teil, wohlwissend niemals wieder gänzlich teil nehmen zu können. Er wandte sich nicht ab von ihr. Er zwang sie nicht. Er legte ihr keine Ketten auf. Er wollte sie nicht verändern. Er nahm sie an, trotz all ihrer vielen Schwächen und Fehler. Bei ihm durfte sie sein, wer sie wirklich war. Zum ersten Mal seid langer Zeit wieder und dafür liebte sie ihn jetzt mehr denn je. Dafür liebte sie beide. Ihren Bruder im Blute und den Herrn.
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Seresa
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Re: Komm und folge mir nach [Seresa, Fluff]

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1007 AD: Genua (heutiges Italien)

Was bedeutete es ein Mensch zu sein? War es die Luft, die durch seine Kehle in seine Lungen kroch? War es das Blut, welches in seinen Adern pulsierte? War es die Wärme, die sein Körper abstrahlte auch wenn er schlief?

Seresas Finger strichen über das schüttere Haar ihres Ghuls. Betrachtete wie er schlief, während sie wachte.

War es ihr Glaube, der sie führte in dunklen Stunden? War es ihre Hoffnung auf den neuen Tag, der alles besser machen würde, als den vorherigen? War es ihre Liebe, welche selbst schwere Zeiten erträglich machte?

Ihr kalter Körper schmiegte sich an den des alten Mannes, wie ein Kind, welches die Nähe eines lieben Vaters suchte.

Und was bedeutete es menschlich zu sein, wenn man selbst längst tot war? Hielt man sich verzweifelt daran fest, weil man nicht akzeptieren konnte, dass man längst verloren hatte? Weil man nur so die Illusion aufrechterhalten konnte, kein wahres Monster zu sein?

Seresa schloss die Augen, doch sie fühlte nichts. Kein Bedauern. Keine Trauer.

Was machte den Unterschied in einer Welt, die einzig aus Lügen, Verrat, Betrug und Selbstsucht bestand? War sie menschlich, weil sie blutige Tränen, über den Verlust einer Seele weinte? War es ihre Weigerung sich um jeden Preis zu verkaufen und schweres Unrecht zu begehen? War es die Bedacht, welche sie beim Trinken walten ließ? Doch wenn alle um sie herum Monster waren, was war dann sie, welche sich noch immer daran festklammerte menschlich sein zu wollen?

Ihre Hand strich über den Schlafenden. Zärtlich. Liebkosend.

Sie hatte ihn damals ausgewählt, weil er ihm so ähnlich war. Ihrem Vater, welcher sie zu früh verlassen hatte. Sie hatte die Wahl damals für gut empfunden. Er würde ihr Halt geben. Würde sie nicht erneut in die Dunkelheit fallen lassen, auch wenn sie getrennt waren. Wie sehr sie sich doch geirrt hatte. Sie hatte mit vielem gerechnet. Sie hatte vieles bedacht. Doch sie hatte ihn nicht kommen sehen.

Ein Lächeln umspielte Seresas Lippen, bevor sie Raffaele einen Kuss auf die Wange gab und sich schließlich erhob.

Er hatte ihr gezeigt, was es bedeutete zu leben, auch wenn sie tot war. Er hatte sie erneut ihren Körper spüren lassen. Er hatte sie gefördert ihren Verstand zu nutzen. Er hatte ihr so viel beigebracht und sie war eine äußerst gelehrige Schülerin. Wieder und wieder hatte er dafür gesorgt, dass sie endlich begann sich zum ersten Mal in ihrem Leben überhaupt zu fragen, was es war, dass sie begehrte.

Ihre Hand legte sich auf das schwere Holz.

Inzwischen wollte sie nur eines. Aufrichtig und mit ganzem Herzen.

Sie lächelte, als sie die Tür vorsichtig und leise aufschob.

Ihn.
~*~ Die Glut des Herzens ist am besten in den Nächten voller Dunkelheit zu erkennen. ~*~
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Re: Komm und folge mir nach [Seresa, Fluff]

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1007 AD: Genua (heutiges Italien)

„Was soll das heißen?“

Seresas Fangzähne glitzerten bedrohlich, während Raffaele schützend die Hände über den Kopf geschlagen hatte. Eng war er gegen die Wand gepresst und Seresas kalte Augen ruhten auf ihm.

„Es… es geht nicht weg, Seresa. Ich… ich weiß auch nicht warum. Es ist… es ist noch immer da… Ich… Ich habe wirklich alles versucht… Es…“

Die Faust der Brujah bohrte sich neben ihrem Ghul in die Wand, bevor sie ihn in Richtung Tür warf. Gerade wollte Raffaele sich bei Seresa erneut entschuldigen, als er die Veränderung in ihrem Körper wahrnahm. Das Tier gewann Oberhand und der Wurf war keine Boshaftigkeit, sondern sein Schutz. Eilig öffnete und schloss er die Tür. Dann durchzog das Geräusch von umgeworfenen Möbeln den Raum. Gepaart von einem wilden, unnatürlichen Knurren.

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis erneut Ruhe in dem kleinen Raum einkehrte, dann jedoch öffnete sich nach einigen weiteren Momenten der Stille die Tür. Wütend sah Seresa in Richtung des Eindringlings, während fauchende Worte ihm entgegen hallten.

„Versch… Ajax?!… Ich…“

Seresa blickte panisch durch den Raum, welcher erneut von Unordnung geprägt war. Sie bot das Bild einer unkontrollierten und unkontrollierbaren Furie. Seresa seufzte, während sie die Hände sinken ließ, in welchen sich zwei polierte Rüstungsteile befanden. Sie legte sie bei Seite und senkte das Haupt. Statt hektisch den Raum aufzuräumen, wandte sie beschämt den Blick und ihren Körper von Ajax ab. Die Hände vor ihr Gesicht haltend und seinem Blick ausweichend.

Dann wurde ihr bewusst, was er gerade sehen könnte und panisch legte sie stattdessen ihre Hände in den Nacken, bevor sie ihm wieder ihren Oberkörper zuwandte. Doch das machte die Sache nicht besser, sondern nur noch schlimmer. Vielleicht wäre es ihm nicht aufgefallen, doch nun wusste er, dass etwas nicht stimmte. Wusste er es denn nicht so schon, betrachtete man die Unordnung im Raum. Unsicher und schweigend ging sie vor Ajax auf und ab. Die Hände noch immer in ihrem Nacken haltend, während ihr Gesicht sich immer weiter gequält verzog voll Scham. Sie konnte seinen Blick auf ihr spüren. Wie er sie ansah. Es fühlte sich für sie wie eine Ewigkeit an, während er nur geduldig zu warten schien. Ob er etwas sagte, wusste Seresa nicht. Zu sehr war sie in ihrer eigenen Welt gefangen.

Schließlich seufzte Seresa schwer, denn sie wusste, es würde ihr nicht gelingen, es vor ihm zu verbergen. Sie konnte es ihm nicht verheimlichen, so sehr sie es auch gewollt hätte. Sie konnte seinen Blick auf sich kaum ertragen, denn wie Nadelstiche bohrte er sich in ihren Verstand. Dann gab sie auf. Langsam näherte sich Seresa Ajax, bevor sie ihm ihren Rücken zuwandte und den Kopf senkte. Zögerlich nahm sie die Hände von ihrem Nacken und strich dabei ihre braunen Haare beiseite. Der rote Strich begann an ihrem Haaransatz und folgte ihrer Wirbelsäule, bevor er kurz unter ihrer Kleidung verschwand und aufhörte. Er bildete einen deutlichen Kontrast zu der ansonsten bleichen und makellosen Haut der Brujah.

Sie spürte seine kalten Hände in ihrem Nacken und ein leises Knurren ging über ihre Lippen. Nicht ihm drohend, sondern tief grollend und wütend. Seresa hatte die Stelle selbst befühlt. Die Haut war noch immer glatt, auch wenn die Farbe auf eine Narbe hätte schließen lassen, war da kein Narbengewebe. Es war, als hätte sich die Haut punktuell entlang ihrer Wirbelsäule unter dem Einfluss der Sonne verfärbt.

„Es geht nicht weg. Weder mit Wasser, noch mit Alkohol, noch mit Blut.“

Das Knurren lag noch immer in ihrer Stimme und das leichte Lispeln legte nahe, dass ihre Fangzähne im Weg waren, als sie sprach.

„Ich habe es weggeschnitten, aber es wächst nach. Es ist als wäre es schon immer ein Teil von mir gewesen.“

Seresas Worte wurden wütender und ungehaltener, bevor sie Ajax knurrende Stimme hörte. Sie wandte sich zu ihm um und blickte zu ihm auf, als er ihr die Frage stellte, welche sie nicht beantworten wollte und dennoch tat, weil sie es nicht anders konnte.

„Toma.“

Ihre eigene Wut übertrug sich auf ihren Bruder im Blute, der die Hände zu Fäusten geballt hatte. Sie erzählte ihm, was vorgefallen war. Weshalb sie eigentlich wütend war und je länger sie redete, umso mehr wurde auch Ajax klar, dass sie den Strich auf ihrem Nacken nicht als Schande sah. Nicht als Narbe eines verlorenen Kampfes. Nicht als Niederlage. Toma hätte alles mit ihr tun können, dass war sowohl Seresa wie auch Ajax in diesem Moment klar, als sie zusammen im Raum standen und sich anblickten. Dass er sie stattdessen unrechtmäßig nur gebrandmarkt hatte, machte die Sache jedoch nicht besser. Dennoch hätte der Drache sich keine symbolträchtigere Stelle aussuchen können, um etwas Dunkles und lange Weggesperrtes in Seresa zu wecken. Ohne es zu wissen, hatte er sie in eine Richtung gestoßen, in welche Seresa nie wieder hatte gehen wollte. Doch nun, da er es getan hatte, war da keine Trauer. Keine Verzweiflung. Keine Scham. Da war einzig Wut. Das tiefe und innige Gefühl von Rache. Er hatte ihren Körper wider ihrem eignen Willen verändert, doch im Gegensatz zu dem Tzimiscen, versank die Brujah auf Grund dessen nicht in Selbstmitleid. Sie hatte eine Entscheidung getroffen und lebte mit den Konsequenzen. So hatte sie es schon immer getan und so würde sie es immer tun. Wild flackerten ihre Augen im schwachen Licht des Raumes. Toma hatte unbewusst den letzten Rest jedweden Gewissens, welches Seresa hochgehalten hatte zerstört. Er hatte damit die Tür zu einem verborgenen Weg aufgestoßen gegen welchen sich Seresa innerlich noch immer geweigert hatte und welchen sie niemals freiwillig gegangen wäre. Doch nun ersuchte sie ihn sehnlicher denn je.

„Mattia hatte recht.“

Sie knurrte erneut, als sie sprach. Einzugestehen, dass ihr Ältester recht hatte, schien ihr noch schwerer zu fallen, als den Strich in ihrem Nacken zu erklären.

„Er hat es kommen sehen. Er hatte mich gewarnt. Meine Unterwürfigkeit. Meine Höflichkeit. Meine Vorsicht. Das alles schadet dem Clan und macht ihn schwach. Sie fangen an, sich Dinge herauszunehmen. Überschreiten leichtsinnig Grenzen. Es reicht, Ajax. Es reicht endgültig. Es reicht mir, dass sie mich und mein Blut als schwach ansehen und meinen sie könnten ungestraft auf der Nase herumtanzen. Das muss aufhören, Ajax.“

Seresa schwieg für einen Moment. Dann sprach sie mit einer inneren und bisher unbekannten Überzeugung weiter.

„Das wird aufhören.“

Dann hörte sie die wütende Stimme ihres Bruders im Blute. Wie er davon sprach, dass er sowieso noch etwas mit Toma zu klären hätte. Doch Seresa schüttelte ihren Kopf und ihre Hände legten sich auf seine starke Brust und krallten sich in seiner Oberbekleidung fest.

„Nein! Nein, Bruder! Du kannst nicht immer bei mir sein und du kannst nicht alle meine Kämpfe kämpfen. Es ehrt dich, dass du es tun willst. Es ehrt mich, dass du versuchst mich damit zu schützen, aber es macht mich schwach! Es macht den Clan schwach!“

Seresa blickte zu ihrem Clansbruder auf und Entschlossenheit lag in ihrem Blick.

„Toma gehört mir! Bitte Bruder! Lass ihn mir!“

Ihre Hände wanderten zu seinem Nacken, während sie flehend zu ihm aufblickte.

„Bring es mir stattdessen bei, Ajax!

Ihre Finger streichelten ihn. Liebkosten ihn. Zärtlich, aber innig. Sie wollte es. Sie wollte es so sehr.

„Lass mich stärker werden, Ajax, um unser beider Willen. Ich will mit dir kämpfen. Ich will neben dir kämpfen. Bring es mir bei, nicht länger nur auszuweichen, weil ich mein Gegenüber nicht verletzen will. Bring mir bei, wie du es geschafft hast.“

Seresas braune Augen lagen in den grünen Augen der Person, welche sie über alle Maße vergötterte und der sie nun nacheifern wollte.

„Bitte, bring es mir bei, die Klinge ohne zu zögern, ohne zu zaudern und ohne Bedauern zu führen. Zeig mir den Weg, Ajax.“

Eine unumstößliche Gewissheit lag in ihrem Blick und ihre Worte waren fordernder denn je.

„Leite mich, Bruder.“
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Re: Komm und folge mir nach [Seresa, Fluff]

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1007 AD: Mailand (heutiges Italien)

Unruhig wanderten Seresas Augen durch die Umgebung. Ihr Tier kratzte an der dünnen Hülle, von welchem es zurückgehalten wurde. Es spürte, dass nun seine Chance da war. Der Moment in dem Seresa schwach war. Die Hände der Brujah verkrampften sich. Ihr Körper wollte ihrem eigenen Willen nicht länger folgen. Das Rot drohte sich wie ein dicker Schleier über ihre Augen zu legen, während sie sich auf Händen und Knien befand. Sie hatte zu viel riskiert. Zu viel gewagt. Nun bezahlte sie den Preis dafür. Ihre Faust bohrte sich mit einem Knurren in die weiche Erde.

„Mein Leben gehört mir.“

Ihre Worte waren leise. Kaum mehr als ein stummes Flüstern in der Dunkelheit. Das Tier lockte sie. Machte ihr gar süße Versprechungen. Weshalb sollte sie ihm versagen, wonach es dürstete? War denn nicht das Tier der Grund, weshalb ihr toter Körper noch immer durch die Nacht wanderte? Die Macht des Tieres und die Kraft, mit welchen es sich gegen seine Ketten warf, machten ihren Körper und Geist wahnsinnig. Sie spürte diese unbändige, urtümliche Gewalt in sich. Wie sie an ihr zog. Wie sie von ihr forderte. Trotzig knurrte Seresa die Erde unter sich an.

„Mein Leben gehört mir!“

Erneut schlug ihre Faust nun deutlich fester in den Boden. Sie würde nicht zulassen, dass das Tier die Kontrolle übernahm. Sie bestimmte was geschehen sollte. Was geschehen würde. Es war ihr Wille, der die Richtung bestimmte, in welche sie gingen. Kein mystisches Ding, welches angeblich in ihr wohnte. Dennoch spürte sie sich und ihr Tier. Zwei Bestien eng ineinander verkeilt, die miteinander rangen um die Vorherrschaft des Körpers der jungen Frau.

„MEIN LEBEN GEHÖRT MIR!“

Ihre Stimme hallte in der Dunkelheit der Nacht nach, während die Faust sich ein drittes Mal in den Boden bohrte. Dann klärte sich ihr Blick. Sie war noch immer die Herrin. Dieser Körper gehörte ihr. Diese Kraft gehörte ihr. Nicht dem Tier, welches erneut versucht hatte, sich ihrer zu bemächtigen.

Die Welt war einst dunkel und kalt geworden für Seresa. Sie wünschte sich, sie wäre auch einsamer geworden, doch stattdessen spürte sie die Anwesenheit des Tieres deutlicher denn je zuvor. Wie es knurrte. Wie es lauerte. Wie es wartete. Geduldig auf den nächsten Moment der Schwäche, an dem es für immer frei wäre.

Doch das Tier irrte sich, so wie sich so viele in der jungen Brujah irrten. Mühsam kämpfte sich Seresa hoch, denn in der Ferne war ein schwaches Licht auszumachen, dass sie zu sich rief. Dass ihr den Weg leuchtete. Dass sie nicht alleine mit dem Tier zurückließ. Dass ihr Schutz und Hilfe versprach. Dass sie leiten würde.

Ihre Hand lag über ihrer Brust und sie umklammerte das Lederbeutelchen darunter. Sie war nicht alleine in der Dunkelheit und sie würde all jenen beweisen, die an ihr zweifelten, wie sehr sie sich in ihr irrten. Ihr Blick wanderte nach unten zu dem engelsgleichen, jungen Mädchen und ein Lächeln umspielte ihre Lippen, bevor sie es hochhob. Sanft strich sie über dessen Wange. Fast liebevoll. Sie war so rein und unschuldig. Seresa so unglaublich ähnlich, als sie selbst noch jung war und Uta sie damals gefunden hatte. Die Brujah würde dafür sorgetragen, dass sie einen angemessenen Platz in der Welt finden würde. Schließlich war sie der Grund gewesen, weshalb Seresa zu sich selbst gefunden hatte.
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Seresa
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Re: Komm und folge mir nach [Seresa, Fluff]

Beitrag von Seresa »

1008 AD: Mailand (heutiges Italien)

Der Lavendel blühte vor Seresa in dicken Büscheln, während sie einen weiteren flachen Stein zwischen Wildrosen und Efeu ablegte. In den vergangenen Monaten waren es viele Steine geworden, denn fast täglich war sie hierhergekommen. Sie hegte und pflegte den Ort, während stets ihre Hand nachdenklich auf dem Lederbeutelchen unter ihrer Kleidung ruhte. Schweigend betete sie. Stumm zweifelte sie. Innerlich hoffte sie. Doch der Herr erhörte sie nicht. Stattdessen fühlte er sich unendlich fern an, denn da war nichts was sie fühlte. Da war keine Reue oder gar Bedauern. Kein Gefühl der Trauer oder die Erkenntnis einen Fehler begangen zu haben. Da war einzig das dumpfe Grollen ihres inneren Tieres, welchem sie in jenen Nächten nähergekommen war, als jemals zu vor.

Doch sie beherrschte das Tier. So wie sie es immer beherrscht hatte. Es war hier, doch war es ihr Wille, welchem es sich unweigerlich beugen musste. Es protestierte nur noch leicht gegen die neuerlichen und unbekannten Ketten, welche die Brujah ihm angelegt hatte, auch wenn es sich für das Tier ungewohnt anfühlte. Doch noch immer war da auch in ihrem Hinterkopf der leichte Hauch von Zweifel, dass die Bänder nicht stabil genug sein könnten, welcher unentwegt an ihr nagte. Zwar fühlten diese sich vertraut an, denn sie hatte ihr Tier bereits über viele Jahre unbewusst - und seit einiger Zeit gänzlich bewusst - in sie gelegt, doch hatten sie bisher nie direkt dazu gedient, das Tier in Zaum zu halten. Nun aber, da die Gelehrte die hinderlichen und schweren Ketten der Menschlichkeit gänzlich abgestreift hatte, nagte das Tier unaufhaltsam an ihrer Überzeugung, ganz so als wollte es stets fragen: Glaubst du wirklich, solch feine Fäden könnten mich wahrlich halten? Als würde es drohen: Bald bin ich frei und dann gehörst du mir.

Seresa strich sanft über den Lavendel und die daliegenden Steine. Titus Worte kamen ihr erneut in den Sinn und die Brujah schüttelte leicht den Kopf. Ihr neuer Weg war nicht weniger steinig als der Seinige. Sie war bereit gewesen, ihm nachzufolgen. Dem Herrn zu dienen. Doch der Kappadozianer hatte sie vor eine Wahl gestellt und sich schließlich abgewandt. Dann jedoch hatte die Welt begonnen sich für Seresa zu ändern. Ajax hatte sie bewusst und unbewusst verändert. Er hatte seiner Schwester im Blute die Augen geöffnet und ihr gezeigt, worin sie sich all die Jahre geirrt hatte. Welchem Trugbild sie innerlich aufgesessen und gänzlich blind nachgerannt war.

Und als sie es sah und schließlich erkannte, hatte er sie an die Hand genommen.

Und Seresa?! Sie war offen für Ajax Worte gewesen.

Sie folgte ihm bereitwillig nach auf dem Weg, welchen sie von nun an gemeinsam beschreiten würden.

~*~ Die Glut des Herzens ist am besten in den Nächten voller Dunkelheit zu erkennen. ~*~
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