[Fluff] Ein Werk, sie zu ehren... [Seinfreda]

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La Vedova
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[Fluff] Ein Werk, sie zu ehren... [Seinfreda]

Beitrag von La Vedova »

Mit leuchtenden Augen betrachtete sie ihr Werk. Die Augen des falschen Propheten blickten ihr entgegen, zersprungen in tausend kleine Kiesel. Doch von weitem erkannte man das kalte, bosartige Gesicht durchaus wieder, wenn man den Mann schon einmal gesehen hatte. Sie reinigte ihre langen Spinnenfinger in einer Wasserschüssel und betrachtete das Tagwerk zufrieden.
Dann wandte sie sich um und betrachtete den hohen Kirchenraum eingehend. Inzwischen erstrahlte der Innenraum in den mannigfaltigen Rottönen ihrer Farbexperimente. Mit Wonne erinnerte sie sich an das Extrahieren der unterschiedlichen Gemüsesäfte, Sude und Blutarten verschiedener Tiere und Menschen…an das genüssliche Mahlen von Nüssen und Knochenmehl und den wohligen, verführerischen Duft von Leber, Nieren und Herz…Ja, all dies hätte auch ein vorzügliches Mahl ergeben, doch galt der Aufwand nur diesem einen Zweck. Der Huldigung des heiligen Ortes unter den sanften Augen des Weltenrichters im Chor. Im Schein des Kerzenlichts schien er beinahe lebendig.

Voller Erregung bebten ihre Nasenflügel, als die gierig den Geruch von Strömen aus geronnenem Blut einsog.
Umgeben von Engelschören, meinte die Rothaarige beinahe den Himmelsgesang in der absoluten Stille des Gebäudes zu vernehmen und kämpfte kaum gegen die blutigen Tränen an, die ihr vor Rührung über die Wangen liefen. Unter ihm krochen aus dem geöffneten Abgrund halbskelettierte in Leichentücher gewickelte Gestalten, angeführt von riesenhaften Heuschrecken und feuerspuckenden Pferden. Aus einem Meer entstiegen ein Tier mit zehn Hörnern und sieben Köpfen, das von einer wunderschönen bekrönten Frau geritten wurde und ein Mann mit schwarzem Heiligenschein, dessen Augen noch intensiver wirkten, jetzt wo das Mosaik noch nicht getrocknet war. Kriegerinnen mit Engelsflügeln stellten sich den Ausgeburten der Hölle mit nordischen Äxten entgegen.

Fiebrig verzog die ihren schmalen Mund zu einem seligen Lächeln. Liebevoll fuhren die Spinnenhände die nordischen Knoten des Frieses entlang, der die schon vollendeten Fresken der sieben Plagen verband und bis zur Kirchenrückseite führte. Beinahe taumelnd nährte die Nonne sich dem dunkleren Teil der Kirche über die Planken des Gerüstes. Sie stieß ein leises, glückliches Lachen aus, als sich ihr Werk vor ihrem inneren Auge vervollständigte. Dieses grandiose, in Stein gebettete Gebet!
Ihre Augen glitten über die schon vorgemalten Formen der Szenerie, die sich dort schon bald ausbreiten sollte. Die barbusige und geflügelte Mondsichelmadonna mit dem weißen Kleid und den blutroten Schuhen würde das Glanzstück des Raumes werden…
„Oh herrliche Madonna, gebärende Besiegerin des Drachens und aller Ungeheuer, oh heilige Mutter. Schenke mir die Kunstfertigkeit, dieses Werk zu vervollkommnen, lasse mich nicht an deinem wunderbaren Antlitz scheitern, oh meine blasse Herrin….“, betete sie im Niederknien und begann, den Bildhintergrund liebevoll mit den Fingern und dem Rot ihrer Tränen auszumalen.
Oh wie sehr sie sich darauf freute, wie sehr es sie traurig stimmte, dass dieses Kunstwerk schon bald zur Vollendung finden sollte…Alles zu ihren Ehren…
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La Vedova
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Re: Ein Werk, sie zu ehren... [Fluff, La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

Der Witwe neue Kleider


Wie so oft betrachtete die Witwe sehnsüchtig die makellose, saftige Haut des Mädchens. Rosig wie ein frischer Pfirsich, noch warm und so…schön. Liebevoll strich sie über den jungen Körper, beugte sich über den Haarschopf und sog den besonderen, weichen Duft ein, den das Mädchen hinter ihren Ohren verströmte. Der Lieblingsgeruch der Witwe.
Wie viel würde sie dafür geben, nur einmal wieder solch eine schöne, gesunde, lebendige Haut zu haben? Verträumt strich sie durch das dunkle Haar, kämmte es und flocht es zu einer hübschen Frisur. Dann zog sie vorsichtig, wie wenn man Obst schälte, feine Schnitte über die Haut, die Zunge konzentriert zwischen die Lippen geklemmt, um ja keinen Fehler zu machen. Sie brauchte alles…sie durfte sich buchstäblich keinen Schnitzer erlauben!
In mühsamer Kleinarbeit begann sie, den Körper zu häuten. Stück für Stück die wunderschöne Haut von dem Fleisch zu trennen, ganz vorsichtig…

Ja, sie konnte sich noch erinnern, wie rein ihr Körper gewesen war, wie jung und…frisch. Wie sie ihn zelebriert hatte, dieses grandiose Werkzeug, jede Faser davon, und wie begehrenswert sie sich gefühlt hatte, als der Herzog nach ihr verlangt hatte. Er hatte ihre roten Locken wie Flachs zwischen den Fingern gedreht, hatte ihre Haut mit Küssen überseht, ihre Brüste liebkost, jedes Stück ihres Körpers voller Lust berühren wollen. Er hatte sie verehrt! Jeder Blick war so voller Verlangen gewesen, als wolle er sie verspeisen wie eine reife Frucht! Und sie war geschmolzen unter seinen Berührungen, unter seinem Blick, hatte sich ihm hingegeben…

Doch was waren sie nun? Tot. Beide. Er vermutlich schon längst von Würmern zerfressen…und sie? Sie strich sich angewidert über ihre eigene, ergraute, blutleere Haut. Es war ein Segen, sich nie im Spiegel sehen zu müssen, doch konnte sie erahnen, dass sie weniger war als ein Schatten ihrer selbst…eine wandelnde Leiche, die mehr und mehr zerfiel. Mit Duftölen ließen sich vielleicht die süßlichen Gerüche von Verwesung übertünchen, doch keine Schminke konnte ihr diese wundervolle Haut zurückgeben…

Nein, Schminke nicht. Doch ihr Skalpell, das schon.

Voller Freude schlüpfte sie in ihr neues Gewand. Es saß wie angegossen, nur feine Nähte zeugten noch von den Schnitten. Es war wundervoll weich und roch noch immer wie Pfirsich. Endlich fühlte sie sich wieder schön…für eine kurze Weile.
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La Vedova
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Re: Ein Werk, sie zu ehren... [Fluff, La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

Gebet


Oh Herrin, bitte rette mich. Rette mich vor meiner Seele?
Verscheuch das Gewissen mit dem ich mich quäle!
Oh Herrin, bitte vergib mir, denn ich habe die Kontrolle verloren,
und doch fühle ich mich erst jetzt wahrlich neugeboren.
Oh Herrin, bitte sag mir, bin ich im Recht oder verdammt?
Und was ist dies Blut, von dem mein Tier abstammt?
Oh Herrin, bitte hör mich an, bin ich Dienerin oder Gebieterin?
Oh, exorziere den Dämon, löse den Fluch, rette meine Seele!
Oh Herrin, bin ich Sünderin oder Heilige? War all mein Leiden umsonst?
Oh, Herrin, weshalb rettest du mich nicht vor meinen wirren Gedanken und Gelüsten?
Oh bitte zeig mir, wie ich Wasser zu Wein machen kann und Wein zu Blut…
Oh Herrin, habe Gnade mit mir, tauche mich in Weihwasser,
halte mich unter den Wellen, ertränke mich in Hoffnung…
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La Vedova
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Re: Ein Werk, sie zu ehren... [Fluff, La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

Memento Mori


Die wolkenverhangene Nacht warf kaltes Licht auf den kahlen Hang des Hügels, auf dem eine schmale Gestalt die schwere Schaufel schwang. Mit ihren eigenen Händen schaufelte sie das Grab für die drei kleinen verkrümmten Gestalten, die auf einem Haufen neben ihr lagen.
Dunkle Brocken rieselten von dem Erdbrocken hinab, wurden vom Wind verstreut. Die helle Stimme der Frau rief beschwörende Formeln in den Wind.
Es war kein Gebet, das die Nonne da von sich gab, nicht wirklich. Und doch beschwor sie alte Kräfte, alte Namen, Sprach dunkle Formeln in ihrer Wut!*

„Memento mori!
Ich verfluche dich zum ersten Mal, elender Nosferatu Godeoc!
Ich werde dich in deinen Träumen besuchen. Drei mal.
Du sollst sterben morgen früh, drei mal. Keiner von uns ist unsterblich, keiner auch nicht du.
Du verbreitest Angst und Schrecken doch an diesem Tag werde ich dein Succubus sein, an diesem Tag wirst du derjenige sein, der Angst hat!“

Der dunkle Erdhaufen wurde höher und höher, das Loch tiefer. Eigentlich viel zu tief, doch die Wut sorgte dafür, dass die Witwe bis zum Mittelpunkt der Erde gegraben hätte, wenn es denn hätte sein müssen! Inzwischen war das Gewand völlig von Erde verdreckt, die dünnen Arme geschunden. Mit jeder neuen Schaufel voller Erde stieß sie neue Flüche hervor!

“Ich verfluche dich zum zweiten Mal, ich werde dir deinen Mut aussaugen, ich werde dich fressen, dich ertränken und dich quälen. Du wirst dir wünschen, nicht eingeschlafen zu sein!”

Immer wieder wiederholte sie diese Worte, beschwörend, bald wurden sie zu einem Singsang.
Irgendwann war das Loch tief genug gegraben. Mit letzter Kraft stieß Seinfreda die Schaufel neben dem Loch in den Boden. Sie zog stöhnend das verdreckte Kleid aus, wobei ihr auch die langen, knielangen roten Haare aus der Haube fielen und ihren Körper wild umgaben. Den Stoff warf sie zur Seite, nun nur noch in ihr helles Unterkleid gehüllt.

Beherzt griff sie nach dem toten Körper der ersten Katze. Das räudige, graue Fell war von Erde verschmutzt und hing strähnig herab. Die Augen starrten blutig ins Leere, der Mund war umgeben von blutigem Schaum. Kurz musterte Seinfreda das tote Tier in ihrer Hand, die Augen zusammengekniffen, der Kiefer verkrampft. Verdammte Kreaturen!

Mit kalten, entschlossenen Lächeln warf sie den kleinen, toten Körper schließlich hinab in die Grube. So stand sie für einige Momente über dem Grab, starrte auf das tote Tier hinab. Dann griff sie mit beiden Händen nach den anderen Katzen- riss sie am Schwanz in die Höhe, hielt sie über ihrem Kopf dem Himmel entgegen.
Mit schriller Stimme schrie sie die letzten Worte in den Wind:

„Ich verfluche zum dritten Mal. Bedenke, dass du sterben musst wie jeder auf dieser Erde. Deine Vernichtung wird meine Genugtuung sein, deine Tode mein Triumph!"

Sie schwenkte die Tiere noch einen Moment an ihren Schwänzen über ihrem Kopf. Präsentierte sie wie Opfergaben, spuckte dreimal hinunter in die schwarze Erde.

“Oh vous forcez là-haut!”
Morpheus, Phobetor, Phantasos!
Fais trois, trois petites morts, je t'en supplie! Visitez ce monstre, montrez-lui les limites de son être!
Sois mes messages, sois ma rage!
Je te maudis trois fois, Godeoc!“**

Damit warf sie die beiden letzten Katzen in das kalte Grab hinein, streifte sich das weiße Unterkleid vom Leib und ließ sich auf die Knie herab. Dann begann sie mit bloßen Händen die Graberde hinunter in die Grube zu stoßen, bis die toten Katzen völlig von Erde bedeckt waren, bis das Grab aufgefüllt war, bis sie darauf tanzen konnte.





___________
* Die Formeln waren auf Latein, doch werden von dem Autor der Einfachheit halber auf Deutsch übersetzt ;)

**Oh ihr Kräfte dort droben!
Morpheus, Phobetor, Phantasos!
Drei Gestalten, drei kleine Tode, ich flehe euch an! Besucht dieses Monster, zeigt ihm die Grenzen seines Seins! Seid meine Boten, seid meine Wut!
Ich verfluche dich drei Mal, Godeoc!
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