[Fluff] Tavernengeschichten [Alain]

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Alain le Beau
Tzimisce
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[Fluff] Tavernengeschichten [Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

Wie tot liegt die Stadt in dieser Winternacht da, erkaltet und still. Nur aus den Fenstern des Wirtshauses dringt noch Licht, verspricht Wärme, verspricht Leben. Ein Blick hinein enthüllt einen gemütlichen Schankraum, in dem sich die Patrone zu mehr oder weniger großen Gruppen zusammengefunden haben, so als wollten sie durch ihre Gemeinschaft die eisige Welt da draußen für immer fernhalten. In einem der größeren Kreise sitzt Alain und hebt sein Weinglas. "Und dann?" fragt sein Nachbar, ein stattlicher Zecher mit einer dicken, roten Nase und mehr Haaren am Kinn als auf dem Kopf. Alain nimmt einen Schluck. Schließt die Augen und lässt ihn im Munde herumkreisen. Gespannt richten sich alle Augen auf ihn.

"Und dann..." sagt er leise und beginnt zu grinsen "...ging das Scheunentor auf und wir fanden den Pfaffen hinter dem Esel, mit hochgezogener Kutte. Und offenbar im siebten Himmel." Seine Stimme ist lauter geworden, um das ausbrechende Gelächter zu übertönen. "Was man von dem armen Tier kaum behaupten kann. Ich hätte nicht gedacht, dass Esel so leiderfüllt dreinschauen können." Er stimmt in das Gelächter ein und will einen Schluck trinken, was aber misslingt, weil ihm eine Hand auf den Rücken klopft und er das halbe Getränk verschüttet. Das sorgt erneut für Erheiterung. Das fröhliche Lachen hallt auf die Straßen Genuas hinaus.

In diesem Moment steht ein knapp zwei Meter großer Geselle vom Nachbartisch auf und schlurft heran. Erst beachtet ihn die lustige Runde gar nicht. Aber dann beugt er sich zu Alain vor und haucht ihm seinen nach Zwiebeln stinkenden Atem ins Gesicht. "Sach ma... Bis du nich René?" Alain runzelt die Stirn, irritiert ob dieser unangenehmen Erfahrung. "Du siehs aus wie der. Du sprichs wie der. Und wenn du der bis... dann schuldeste mir noch dreißig Schinkel." Er schwankt einen Schritt zurück und macht ein bedrohliches Gesicht, wobei ihm Sabber aus dem Mundwinkel läuft. Es untergräbt die Geste ein wenig.

Alain erhebt sich mit der feurigen Entrüstung des Sünders, der einmal in seinem Leben falsch beschuldigt wird. "Bei Gott", ruft er. "Sankt Martin mein Zeuge! Ich bin NICHT dieser Rene!" Er steigt auf den Tisch. "Schau mich an, du betrunkener Lump! Schau genau hin. Seh ich wirklich so aus?" Die Augen des Großen weiten sich und er glotzt. "Also, René is doch hässlicher..." "Aha!" "...hat so ne Warze auf der Backe..." "Keine Warze, guck!" "...und stinkt auch mehr wie du..." "Kein Zweifel!" "...und außerdem isser fetter." Alain springt vom Tisch und stößt mit der Fingerspitze auf die Brust des Großen.

"Ich bin Alain!" ruft er aus "Und weder René, noch Theodoric, noch Karlmann, oder sonst irgendwer. Alain. Und wer was anderes behauptet ist ein gottverdammter Lügner! Hast - du - verstanden?" Jedes der drei Worte ein Tippen mit dem Zeigefinger.

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Kurz darauf liegt Alain im Dreck vor der Taverne. Offenbar mochte der Kerl keine Zeigefinger. Aber immerhin wollte niemand mehr Geld von ihm. Und er hat die Zeche für den Wein gespart. Der Bretone richtet sich auf, wischt sich den Schlamm von der Schulter und rümpft die Nase. "René... also wirklich..."
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Alain le Beau
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Re: Tavernengeschichten [Fluff, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

Alain sitzt an einem der Tische des Bordells und hält sich die Hand an den Kopf. Eigentlich sollte er ja keine Kopfschmerzen mehr bekommen können - schließlich ist er untot - aber es gibt Situationen, da tauchen sie wieder auf, wie alte, unangenehme Bekannte aus sterblichen Tagen. "Und warum..." sagt die Prostituierte voll Selbstüberzeugung "...solltest du dir sonst einen Decknamen geben, wenn dich hier ohnehin keiner kennt, wenn du neu in der Stadt bist? Nein, nein - so wie du dich gibst, bist du einer von uns. Du bist René!" Sie stemmt die Arme in die Seiten.

"Ich bin nicht René" sagt Alain müde und nimmt sich - nicht zum ersten Mal in den letzten Wochen - vor, den Kerl umzubringen, sollte er ihn je persönlich treffen. "Ich bin es nicht. Keine Warze..." "Die hat dir das Kräuterweib weggehext!" "...feine Kleidung..." "Die hast du gestohlen!" "...und ich habe Stil. Stil, Weib!" "René hat auch Stil, jaha! So wie du. Du hast denselben Stil wie René."

Alain stiert sie an. "Das macht überhaupt keinen Sinn. Er stinkt, ist hässlich und ein alter Hurenbock. Ich stinke nicht, bin nicht hässlich..." er stutzt "...naja, zwei von dreien jedenfalls." "Und woher weißt du soviel über ihn, mhhh?" Die Hure grinst. Ein Totschlagargument. Alain wirft die Hände zum Himmel. "Weil seit Nächten - dutzenden Nächten - irgendwelche Irren zu mir kommen und mich mit diesem René verwechseln. Nur weil wir beide Franken sind. Ich weiß langsam mehr über ihn, als über mich selbst." Er zählt an den Fingern. "Franke, so groß wie ich, war über ein Wochenende weg, während ich auch die Stadt verlassen hatte - ein Riesenfehler - und offenbar hat er eine Vorliebe für Möhren. Zudem einen eingewachsenen Zehennagel und einen Todeswunsch."

Er wackelt mit den Zehen. "Nichts eingewachsen. Überzeugt dich das?" Hoffnungsvoll blickt er die Hure an. Sie schaut skeptisch auf den Zeh. "Du musst mir deinen Bader empfehlen", sagt sie dann. "Wirklich, René. Das hat er gut hinbekommen." Alain schließt die Augen und stöhnt leise.

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Als er am frühen Morgen zu seiner Bleibe zurückwankt, fragt sich Alain, ob Angelique ansteckend gewesen ist. Entweder sind alle anderen verrückt geworden - oder er selbst. "Vielleicht... bin ich doch René?" flüstert er leise, als er in der Dunkelheit verschwindet. "...könnte ja sein..."
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Alain le Beau
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Re: Tavernengeschichten [Fluff, Alain]

Beitrag von Alain le Beau »

Als Alain in dieser Nacht zu einer Zechtour aufbricht, ahnt er noch nicht, wem er endlich - endlich - dabei begegnen wird...
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