[Fluff] Lektionen in Demut [Gasparo]

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Gasparo
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[Fluff] Lektionen in Demut [Gasparo]

Beitrag von Gasparo »

Der kleine Saal füllte sich langsam. Etwas mehr als ein dutzend Jungen begannen, sich auf den Holzbänken zu verteilen. Die älteren Kinder, die schon fast am Ende der Pubertät waren, zündeten vorsichtig eine Kerzen an, um den fensterlosen Raum zu erhellen.

Sie alle sahen sich, wenn man das unterschiedliche Alter nicht berücksichtigte, ähnlich. Sie trugen praktisch identische Tuniken, die aus abgetragener Wolle bestanden. Ihre Haare waren im Stile einer Tonsur geschnitten. Vielen stand die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben.

Sie unterhielten sich im Flüsterton immer wieder einen vorsichtigen Blick auf den Eingang des Saales werfend.

„Ich bin sooooo müde.“

„Reiß dich zusammen, Bernardo.“

„Lass ihn in Ruhe.“

„In fünf Stunden ist schon wieder Morgengebet.“

„Der Magister sagt, dass die Lektionen bei Nacht besser im Geist verweilen.“

„Leise, er kommt!“


In fast panischer Hektik liefen die Jungen kurz durcheinander, so dass jeder auf seinem Platz saß.

Dann betrat der Magister den Saal, aufrecht, fast starr, mit großen Schritten, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Erst, als er einen mit christilichen Symbolen verzierten Pult am Ende des Saals erreichte, würdigte er die Kinder und Jugendlichen eines Blickes. Sein Gesichtsausdruck war neutral, fast gelangweilt, während sein langsam über die Anwesenden schweifte und stumm musterte.

Für einen langen Moment lag völlige Stille über dem Raum. Die Jungen begannen unruhig zu werden und der eine oder andere zappelte nervös auf seinem Platz, vergeblich versuchend, dem Blick des Lehrers auszuweichen.

„Guten Abend, Schüler.“ Gasparos Stimme war klar und tief, aber es schwang auch eine gewisse Schärfe mit, ein irgendwie bedrohlicher Unterton.

„Guten Abend, Signore di Como! Salve!“ Der Singsang der Schüler war einstudiert.

„Bevor ich weiter über den Epikureismus doziere möchte ich einen Zwischenfall vom heutigen Tage ansprechen. Ihr hattet nach dem Mittagsgebet eine Stunde mit Sixtus und was er mir berichtete macht mich unglücklich.“


Die Schüler begannen zu flüstern und zu tuscheln, aber Gasparo schlug mit der flachen Hand auf den Pult vor ihm und der laute Knall brachte die Unruhe zu einem schockierten Ende.

„Sixtus unterrichtete mich, dass eine ganze Reihe von Euch bei einfacher Grammatik versagt habe.“

Er richtete einen anklagenden Zeigefinger auf einen Schüler. „Du machtest Fehler beim Deklinieren.“ Tiefe Enttäuschung schwang in seinem Tonafall mit. Er richtete den Finger auf einen anderen Jungen. „Du konntest eine einfach Redewendung nicht übersetzen.“ Ein dritter Schüler wurde herausgepickt. „Deine Buchstaben waren so undeutlich gezeichnet, dass sie aussahen, als ob ein schwachsinniger Bauer sie mit einer Hühnerklaue in eine Mauer geritzt hätte.“

Der Finger legte sich auf das Amulett auf Gasparos Brust. „Ich bin wahrlich beschämt über diese Ergebnisse. Geben wir Euch hier nicht ein Dach über den Kopf, ein warmes Bett und jeden Tag Brot, um Eure Mäuler zu stopfen? Wie erklärt Ihr diese Verletzungen Eurer Pflichten, diese Faulheit die den Bischof und sogar mich blamieren?“

Er trommelte nun auf dem Amulett und erneut wanderte sein Blick durch die Reihen. Die Jungen sahen betreten auf die Tiche vor ihnen, der eine oder andere begann zu schluchzen.

„Solltet Ihr Eure Ausbildung hier so leicht nehmen sollte sein Zeit an dieser Schule zu einem Ende kommen. Würden Eure Eltern Euch wieder aufnehmen, wenn Ihr dieses Haus verlasst? Habt Ihr überhaupt noch alle eine Heimat, in die Ihr zurückkehren könntet?“ Sein Blick ruhte auf dem kleinen Frollo, von dem er wusste, dass er eine Waise war.

„Oder solltet Ihr Euch nicht lieber besinnen und endlich beginnen, diese Lektionen zu verinnerlichen? Sapientia et doctrina!

Erneut schlug er mit der Hand auf den Pult. Viele der Kinder zuckten erneut zusammen.

„Werter Magister, Ihr könnt nicht nur den Jüngsten die Schuld geben.“

Sofort geriet die Klasse in Aufruhr, als einer der Ihren seine Stimme hob. Felice war einer der älteren Schüler, und vielleicht der Klügste von Ihnen.

Gasparos Augenbraue wanderte nach oben als er sich ganz dem Wortführer widmete.

„Ah, Felice. Wer sonst? Was hast Du zu sagen, Bursche?“

Felice schluckte kurz aber sein Blick begegnete dem des Lehrmeisters.

„Werter Magister, der Unterricht, den Sixtus führt, hat nicht die Qualität von Euren Lektionen. Er scheint vieles nur auswendig herunterzuleiern, ohne selbst ein echtes Verständnis zu haben, und erscheint oft gelangweilt. Als er Luca maßregelte für die falsche Deklination von vis bin ich mir nicht sicher, ob er die richtigen Worte kannte.“

Der Ventrue nickte und schloss kurz die Augen. Mit beiden Händen griff er nach den Ecken des Pultes und er schien sie sehr fest zu umklammern.

Als er die Augen wieder öffnete starrte er Felice kalt an. „Ausflüchte, junger Felice … Ausflüchte und Entschuldigungen und Lügen werden einem schlechten Schüler nie helfen, sein Potential zu entfalten.“

„Aber i-“

„ABER NICHTS! Deine Arroganz gegenüber Sixtus, Eurem Lehrer und Dozent, ist ein neuer Tiefpunkt in Deinem Benehmen. Wenn Du wirklich besorgt wärest über die Qualität Eurer Ausbildung, wenn Du wirklich Zweifel hättest am Urteilsvermögen irgendeines der Lehrer hier im Kastell, hättest Du das Gespräch mit mir suchen müssen. Unverzüglich. Stattdessen produzierst Du Dich hier als Spartacus vor dem Rest der Klasse.“


Gasparo trat hinter dem Pult hervor und ging in Richtung einer Ecke des Saals. Erneut begannen einige der Schüler sich nervös zu winden. Sie ahnten, was folgen würde.

„Ihr seid weit gekommen in den letzten Jahren. Die Lektionen, die ich Euch beigebracht habe, werden Euch zu weisen und begehrten Priestern machen, denen die oberen Ränge Eurer Kirche offenstehen werden. Aber wir sind noch lange nicht am Ende Eurer Formung angelangt und Eure Entwicklung könnte Euch noch zu traurigem Mittelmaß werden lassen. Ihr müsst über Euch hinauswachsen um die Welt und die Menschen zur Besserung zu führen und ich werde Euch dorthin bringen.“

Er drehte sich erneut zur Klasse um und in seiner Hand lag nun ein Bündel blattloser Birkenzweige, dass an einem Ende zu einer Art Griff zusammengebunden war. Die Schüler wagten es nicht, beim Anblick der Rute ein Geräusch zu machen. Diese Lektion hatten Sie bereits früher gelernt.

„Felice.“ Widerwillig erhob sich der Schüler. Er hatte das Züchtigungsexperiment bereits einige Male spüren müssen und er hatte sich geschworen, diesmal nicht zu zittern.

Doch der Magister hatte eine letzte Überraschung an diesem Abend geplant. „Felice, Deine Worte haben Deinen Mitschülern sicherlich gut gefallen. Aber Sie wie Du lernen musst, Deine Borstigkeit mir gegenüber abzulegen müssen sie lernen, dass sie sich nicht zum wiederholten Male hinter Dir verstecken dürfen. Frollo!“

Der Junge, höchstens zehn, schluchzte laut auf als er schnell begriff, was passierte. „Frollo, trete nach vorne.“ Frollo schaute hilfesuchend in die Runde aber keiner der anderen Schüler, auch nicht Felice, konnte seinem Blick begegnen.

„Frolloooooo“, intonierte Gasparo. Seine Mundwinkel schienen leicht zu zucken. Vorsichtig, als ginge er auf glühenden Kohlen, machte der kleine Schüler seinen Weg zum wartenden Magister. Mit einem flehenden Blick sah er zu Gasparo hoch … und fiel mit einem schmerzerfüllten Schrei zu Boden, als der Lehrmeister ihm mit der knallenden Rute quer durch das Gesicht fegte.

„Schüler, wir zählen von 10 herunter.“

„DECIMUS!“ hallte es ihm aus den Saal entgegen. Gasparo nickte zufrieden als er erneut ausholte.
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Gasparo
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Re: [Fluff] Lektionen in Demut [Gasparo]

Beitrag von Gasparo »

Die sternenklare Nacht im Dezember war eisig. Immer, wenn der Wind aufkam, schien er in ungeschützte Hautpartien förmlich zu beißen. Dennoch war im Hafen Genuas ungewöhnlich viel Betrieb. Auf einem Schiff einer riesigen Galeere, hatten sich zahlreiche Männer versammelt. Es waren Seeleute, gewohnt an die harsche Kraft der Elemente und konnte man Widerwillen spüren, sich im Schein der Fackeln an diesem Ort zu treffen. Mäntel und Felle wurden eng an den Körper gezogen.

Mit einem Murmeln, oder war es ein Grummeln, teilte sich die Menge als zwei weitere Männer die Galeere betraten und sich vor der Gruppe aufbauten. Der erste war der Capitano della Mare, der vom Senat ernannte Anführer und Sprecher der Flotte Genuas. Er war ein großer, beindruckender Kerl mit wildem Haar und einer von Wind und Wetter gegerbten Haut, ein Veteran unzähliger Fahrten und Seeschlachten und nicht zuletzt einer der Helden des Krieges von Sardinien.

Das Raunen galt eher der zweiten Gestalt. Gasparo di Como machte große Schritte und ignorierte die unruhige Menge. Sein feines, schwarzes Gewand mit roten Ärmeln war verborgen unter einem mit Lammfell gefütterten Mantel. Er schien blass und schmächtig neben dem Capitano doch strahlte dennoch Selbstsicherheit, sogar Arroganz aus.

Sein Gesichtsausdruck war ernst, als er sich der Menge gegenübersah, fast grimmig. Die Hände legte er hinter seinem Rücken ineinander. Die Seeleute schienen dies zu spüren und das Gebrabbel der Menge wurde lauter. Ein böses Wort hier, ein verstecktes Lachen dort. All dies lies Gasparo über sich ergehen, bis der Capitano della Mare langsam eine Faust über seinen Kopf hob. Nach und nach verstummte die Versammlung bis nur noch das Knistern der Fackeln und das Plätschern der Wellen gegen den Bug zu vernehmen war.

„Kapitäne Genuas!“ Gasparos Stimme war laut und fest. Sie schien jeden Winkel der Galeere zu erreichen und Transporte ein Gefühl, dass der Magister ihr mit auf den Weg gab: Schwer zähmbare Wut. „Erneut Treffen wir uns auf der L'Audace, um die Flotte Genuas, um Euch, auf ein großes Abenteuer vorzubereiten! Mit dieser und weiteren Lektionen könnt Ihr zu den Fürsten des Mediterraneums werden! Aber ...“

Nun begann er vor den Kapitänen auf und ab zu gehen, ohne sie direkt anzusehen. „.. aber bei meinem letzten Vortrag gab es einige unter Euch, werte Kapitäne, die die Gelegenheit nicht zu schätzen wussten! Einige wenige von Euch waren nicht aufmerksam genug, nicht ernsthaft genug, nicht klug genug, um meinen Ausführen zu folgen!“ Einige der Männer tauschten Blicke aus, teilweise nervös, teilweise feixend.

Gasparo senkte seine Lautstärke etwas und Seeleute reckten sich in seine Richtung, um das Gesagte zu verfolgen. „Ich unterrichtete Schüler, die zu Beginn den Nutzen des Unterrichts … den Nutzen des Lehrmeisters … in Frage gestellt haben. Doch dies sind Kinder, zu dumm und unerfahren, um zu begreifen, was das Beste für sie ist, zu blind, um weiter zu sehen als ihre Nasenspitzen.“

Er stoppte an der Reling und drehte sich erneut zu seinen Zuhörern um. „Von Männern habe ich anderes erwartet!“ Das Raunen der Seeleute schwoll an. Diesmal mischte sich auch etwas Verärgerung unter die Töne. Gasparo wartete nicht auf ein Verstummen sondern übertönte die Menge erneut. „Aber die Lektionen, die ich zu erteilen habe, sind zu essenziell, um sie zu verschwenden! Darum werden wir heute nicht nur über die Sterne oder über die Wellen reden sondern auch über Respekt!

Guido, Kapitän der Prymno, trete vor!“

Überraschende Rufe und Fragen wurden laut doch schnell schälte sich ein sehniger Mann aus der Menge, großgewachsen, mit einem spöttischen Grinsen auf dem verpickelten Gesicht. Er machte einige Schritte nach vor, dann verbeugte er sich, theatralisch und spöttisch, was einige Lacher aus der Gruppe hervorruf.

„Guido hier tat sich schon bei unserem ersten Treffen dadurch hervor, schäbige Witze zu erzählen, anstatt meinen Worten zu lauschen. Frage ich ihn nun nach den Himmelsrichtungen oder den Gestirnen, wird er mir antworten können?“

„Mein Arsch wird dir ...“

Mit vier großen Schritten stand Gasparo direkt vor Guido. Das Gesicht des Gelehrten zeigte blanke Abscheu, als er zu dem jüngeren Mann aufsah. „Du solltest den Mund halten und vor Demut niederknien, du Hund!“

Guidos Augen weiteten sich als er vor Gasparo mit zitterten Beinen auf die Knie niedersank. Die Menge johlte vor Überraschung und Schadenfreude und fast hörte man vor Lärm nicht, wie schnelle, schwere Schritte auf dem Deck widerhallten und aus der Menge eine Gestalt auf Guido zu sprintete. Es war Crispianus, das kahlköpfige Narbengesicht, das nur selten Gasparos Seite verließ. In vollem Lauf rannte er auf sein Ziel zu und versetzte dem Mann einen Hieb mit der Rute, der Spucke und Blut aus seinem Gesicht explodieren ließ. Der Capitano della Mare trat einen Schritt nach vorne und betrachtete warnend die aufgebrachten Männer, die wie vor einer unsichtbaren Wand zurückwichen.

Gasparo, mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck, stolzierte um den benommen Guido herum. Sic semper stulti! Dies soll das Schicksal der Narren sein!“

Crispianus ließ die Rute erneut auf den wimmernden Kapitän heruntersausen, dann betrachte er das Werkzeug, wog es in seiner Hand, während sein Herr weitersprach. „Ich habe den Auftrag von den Führern Genuas bekommen, aus Euch Kriegern Entdecker zu machen! Ich soll Euch die Angst nehmen vor Nixen und Nereiden und dafür sorgen, dass nicht die Hälfte der Schiffe verlorengeht sobald Ihr die Küstennähe verlasst! Euer Ruhm, Eure Leben sind es, die am meisten profitieren!“

Er sah hinab auf den gekrümmten Mann vor ihm. „Seid klüger als Guido! Erkennt, was ich Euch biete und konzentriert Euch für die Zeit auf diesem Schiff! Die Konsequenzen, mir und meinen Worten nicht den nötigen Respekt zu zollen, seht Ihr nun!“

Crispianus schlug nun in rapider Geschwindigkeit auf den Kapitän der Prymno ein, viermal, fünfmal, bis seine Rute zerbarst. Der Ghul sah mit einem blutrünstigen, entrückten Blick auf sein Opfer nieder, machte aber keine Anstalten, seinen Angriff fortzuführen.

Gasparo begab sich wieder in zentral vor die Gruppe, den Capitano della Mare hinter sich wissend als stumme Legitimation seiner Handlungen.

„Nun lasst uns fortfahren, bestärkt in unserer Aufgabe! Auf Genua! Und auf seine Kapitäne, die Fürsten des Meeres!“
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