[Fluff] Der Zahn der Zeit [Gasparo]

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Gasparo
Ventrue
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[Fluff] Der Zahn der Zeit [Gasparo]

Beitrag von Gasparo »

Schallendes Gelächter hallte durch die Küche des Bischofskastells. Es war schon spät, das Abendbrot war bereits vor Stunden verzehrt worden, und der Koch und seine Helfer hätten eigentlich schon mit dem Aufräumen fertig sein sollen. Doch noch immer war der Herd nicht ganz gereinigt und der Schmutz des Tages ausgefegt. Statt dessen saß die kleine Gruppe um einen Tisch herum und lauschten den Geschichten des Lehrers, Sixtus, der sie wie so oft nach der Erledigung seiner Pflichten besucht hatte. Sixtus hielt einen fast abgenagten Hühnerknochen in der rechten Hand während er wild gestikulierend erzählte. Weinflecken und Essensreste in seinem Bart zeigten, dass der Lehrer den Abend bisher genossen hatte.

„ … und dann sagt Gott zu dem Papst : Für uns alleine lohnt sich nicht mehr!“

Sixtus lachte laut auf, ein fröhliches, ansteckendes Geräusch, und auch der Koch und die Mägde schlossen sich ihm an. Ein Junge klopfte sich auf die Schenkel vor Freude und eine der anwesenden Frauen wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

„Versteht Ihr? Sie sind die Einzigen!“ Der Ghul klopfte, über seinen eigenen Scherz am meisten erfreut, auf den Tisch und Kelche und Teller sprangen und fielen durcheinander.

Die älteste Küchenhilfe, eine beleibte Angestellte, im Kirchenhaushalt seit vielen Jahren, die nur noch wenige graue Haare unter ihrer Haube verbarg, hielt dem Lehrer drohend einen Kochlöffel vors Gesicht. Sie konnte sich jedoch ein Grinsen nicht verkneifen. „Herr Sixtus, Ihr seid ein schlimmer, schlimmer Mann. Wie Ihr es geschafft habt, in einer Kirche angestellt zu werden, werde ich nie verstehen.“

„Ach Carla, es ist offensichtlich der Wille unseres Herrn, dass ich etwas Schwung in die Hallen von Genua bringe. Vergesst nicht, dass es auch in den heiligen Schriften nicht nur traurig zugeht. Isaak war zum Beispiel ein begnadeter Sänger mit schmutzigen Versen und König David war bekannt für seine Zoten!“

Schmunzelnd winkte Carla ab und drehte sich weg und Sixtus beugte sich auf seinem Schemel vor und kniff ihr in den Po. Erneut begann die kleine Gruppe zu johlen und zu grölen, selbst Carla, der es nicht mal für einen Moment gelang ihre Empörung zu spielen.

Es sollte noch einige Stunden vergehen bis Sixtus, eine kleine, mit Wein gefüllte Karaffe in der Hand, durch die Gänge des Kastells sein Zimmer aufsuchte. Er humpelte, aber hatte schon vor vielen Jahren Frieden mit dem Zustand seines Beins geschlossen. Der Reitunfall lag einfach schon zu lange zurück, als das er noch einen Gedanken daran verschwendete.

Sein Herr war von seinem Ausflug mit Crispianus wohl noch nicht zurückgekehrt, ansonsten hätte er nach ihm gerufen. Auch dies war nicht ungewöhnlich. Sixtus war mehr darum bemüht bei Tage die Geschäfte des Lehrmeisters weiterzuführen als an den nächtlichen Aktivitäten teilzunehmen. Oft empfing er seine Aufgaben nur kurz nach Sonnenuntergang und musste dann darauf verzichten, die Nähe des Herrn zu erfahren.

Mit einem Seufzen stieß er die Tür zu seinem Gemach auf und erschrak, bevor sich zufriedenes Lächeln auf sein Gesicht legte. „Herr!“

Gasparo di Como saß auf einem der beiden Betten in dem Raum. Er trug wie so oft ein teures, schwarzes Gewand mit blauen Ärmeln. Sixtus hatte es Nachmittags selbst ausgesucht und geglättet. Er bemerkte nicht den kalten Gesichtsausdruck auf den Zügen des Ventrue und erst nach einem Moment fiel ihm auf, dass Crispianus sich ebenfalls in dem Raum befand. „Herr, ich ahnte nicht, dass Ihr zurück im Kastell seid. Warum habt Ihr mich nicht alarmiert? Was kann ich für Euch tun, so kurz vor dem Sonnenaufgang?“

Gasparo sah kurz aus dem Fenster. Noch war es finster, ohne Spuren der verhassten, todbringenden Eos. Aber der Kainit spürte bereits die Müdigkeit in seinen Gliedern, die sich wie eine Taubheit aus seinen Fingerspitzen langsam ausbreiten würde. Viel Zeit hatte er nicht.

„Wie du weißt, Sixtus, hatte ich vor einigen Monaten ein Gespräch mit dem wohlwerten Herold, Toma. Wir sprachen viel über das Äußere, über Veränderungen.“ Er schwieg einen Moment und seine Augen fixierten den alten Lehrer. Er schien ihn still zu studieren, die leicht wirren Haare, den ewig grauen Bart, die Falten, die sich vor vielen Jahren in die Haut des Mannes gegraben hatten.

„Ich dachte viel über seine Worte nach.“ fuhr er nach der unangenehmen Pause fort. „Du dienst als mein Vertreter bei Tage, Sixtus. Du bist es, den die Bewohner des Kastells und Genuas bei Licht sehen, wieder und wieder. Es sind zwölf Jahre vergangen, seit wir diese Stadt betreten haben und ...“ Er zeigte mit der linken Hand auf Sixtus. „... Dein Antlitz hat sich, wie meins, nicht gewandelt. Meine Gaben halten Dich gesund und bei Kräften.“

Sixtus konnte den Gedankengang seines Herrn nicht folgen, aber er spürte, dass er unzufrieden mit ihm war. Er trat einen Schritt vor und warf sich, unter dem ihm bekannten Schmerz, auf die Knie. Die Karaffe zerbarst neben ihm auf dem Boden. „Ich bin Euch für Euer Geschenk ewig dankbar.“

Missmutig streifte Gasparos Blick die Weinlache und die Scherben. „Ewig … ja … das ist das Problem, Sixtus. Die Stille darf nicht durch Deine unwandelbare Grimasse in Gefahr gebracht werden.“

„Ich w-“

„SCHWEIG!“ Dies war kein normaler Befehl des Ventrue. Sixtus spürte, wie seine Zunge sich plötzlich weigerte, sich zu bewegen, wie sein Mund offenstand, ohne dass ein Ton entkam. Panik machte sich in seiner Brust breit. Was bedeutete dies? Er hatte Gasparo doch immer treu gedient.

Der Ventrue nickte nur kurz und Crispianus hatte mit wenigen Schritten die Distanz zwichen sich und dem anderen Ghul überbrückt. Sixtus hob einen Arm aber der andere Mann drückte diesen beiseite, so wie er es mit einem Kind tun würde. Eine Hand ergriff sein Kinn und unter Druck öffnete Sixtus stumm seinen Mund.

„Keine Sorge, mein Freund. Ich weiß Deine wertvollen Mühen zu schätzen. Darum machte ich mir Gedanken, wie wir Deinen Nutzen verlängern können. Du wirst altern, Sixtus. Wir werden Dein Aussehen etwas mehr an das der Greise Genuas anpassen.“


Mit seiner freien Hand griff Crispianus in Sixtus Mund. Seine groben Finger umklammerten mehrere Zähne im Unterkiefer. Sixtus war nicht in der Lage, ein Würgen zu unterdrücken als er in das schiefe Grinsen des anderen Ghuls hochsah. Wie sehr bedauerte er doch, dass sein Meister ihm in diesen Moment die Sprache genommen hatte. In diesem Moment, vor der Qual, die ihn erwartete, vor der Angst, wie er am morgigen Tag aussehen würde, hatte Sixtus doch nur einen Wunsch:

Sich bei Gasparo di Como für seine Großzügigkeit zu bedanken. Sein Meister hatte ihn nicht weggeworfen. Er würde ihm weiter dienen dürfen, weiter von Nutzen sein, weiter sein glorreiches Vitae trinken, weiter leben!

Dann explodierte der Schmerz in seinem Gesicht und die Welt wurde grell.

Gasparo kam nicht umhin, sich die Lippen zu lecken als er sah, wie Sixtus Blut in dünnen Rinnsalen aus dem Mund strömte während Crispianus seine Instruktionen ausführte. Gierig beobachtete er die Szene, die nicht mehr lange dauern sollte.
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