Von der Heilung [Angelique]

[Gaius Marcellus]

Die letzten Worte, die Gaius seiner 'Schülerin' zum Abschied auf Pilgerfahrt mitgegeben hatte, waren, dass sie ihn besuchen kommen sollte - sobald sie zurück sei - denn bis zu jenem Tage sollte ein großes Projekt vorstellbar sein... das Domus Medicorum.

Diese Nacht war gekommen, Gaius war informiert worden und bereitete den Ort für die kleine Pilgerin vor. Er ließ einen der Zuber mit warmen Wassern füllen, die Decke darüber spannen und den Heiler Ignatio noch ein wenig länger bleiben. Er selbst saß mit dem Miles Aloisus im Schankraum, zumindest einer von ihnen genoss einen schönen weißen Wein... nach dem übermaß an Rotem in ihrem Leben, immer wieder ein Genuss.
Der Schankraum war kleiner, als vor den Umbauten, aber enthielt gleich zwei schöne Holzkreuze, eines für den Kenner zweifelsohne ein Schnitzwerk aus dem Norden. Beide Männer waren sogar noch berüstet, oder gerade eben, aber die Spannung war von ihnen abgefallen... ein Gedicht verließ die Lippen des Jüngeren, Lateinisch - wenn auch kein sonderlich reines - ebensowenig wie Vergils Worte es waren... er lachte über seine eigenes Werk, Gaius schmunzelte abwesend... er wartete, und wusste doch, sie könnte längst bereits hier sein...

[Angelique]

Angelique kam artig und sich anmeldend, nicht ungesehen oder wie der Urian ungebeten aus dem Dunkel.

Sie hatte sich in ihr Pilgergewand gehüllt. Eine Jakobsmuschel zierte ihren Hut. Viele neue kleine Marken aus billigem Blech waren in ihren alten Stab getrieben. Unbedeutende und kaum der Rede Werte Paraphernalien ihres Herrn. Sie schadeten ihr nicht wirklich, sorgten aber für eine stete Erinnerung daran, wie tief sie in der Gnade Gottes gefallen war. Einen Witwenschleier trug sie unter dem breitkrempigen Hut. Angesichts der Sterblichkeit der Männer und der Vermählung auch junger Mädchen in diesen düsteren Tagen nicht so ungewöhnlich, wenn auch auf vielen Ebenen besonders traurig.

Als sie Gaius Werk sah und was er in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt hatte, wurde ihr ganz warm ums Herz. Einladend, sauber und dem Herrn wohlgefällig. "Hier bin ich kein Mensch, hier darf ich nicht sein", murmelte sie schuldbewußt zu sich selbst. Aber als die das Gedicht hörte, lächelte sie und sagte: "Aber ein solcher Ort steht allen offen, selbst mir."

Selbstbewußt betrat sie den Schankraum. Von allen hinterhältigen, ihre eigenen Erzeuger für dreißig Silberlinge messernden "Verwandten" Genuas traute sie nur Gaius nicht zu, Alerio getötet zu haben.

[Gaius Marcellus]

Gaius erhob sich als er seinen kleinen Engel kommen sah "Gott zum Gruße, werte Pilgerin... Willkommen in Sicherheit" er lächelte, musterte sie von Oben bis Unten "Wo ist Roger? Ich habe Ignatio angewiesen ihm ein Bad und eine Rasur zu richten, er wird sie sicher brauchen." er lächelte mild über den sanften Spott "Wobei ich natürlich auch dir das Heiße Wasser zur Verfügung stellen werde... auch wenn ich keine weiblichen Diener für eine neue Frisur hier habe." erneut ein sanftes Lächeln als er auf seine Freundin zutrat und leicht das Haupt vor ihr neigte, wie sie es von wohl keinem Mitglieder hohen Häuser gewohnt war.

"Es ist schön dich wieder zu sehen... viel ist geschehen die letzten Nächte! Und Tage! Sie dich um... es ist eingerichtet... ist das nicht fabelhaft?" dann wurde er etwas leiser "Auch wenn wir so womöglich ein wenig leiser sprechen sollten" und gluckste dabei freudig "Ich habe mein Griechisch ein wenig entrostet... wie steht es mit deinem?" der Salubri schien ahnunglos, freudig, leicht und lebensnah... hatte von der Dunkelheit dieser schwärzetriefender Nächte wenig gespürt...

[Angelique]

Angelique lächelte gequält. "Roger kommt später. Er macht noch Besorgungen, guter Gaius", entschuldigte sie das Fehlen ihres treuen Gefährten. "Oh, ein Bad, das wäre schön!", murmelte sie. "Ja, es ist beeindruckend, was du geschaffen hast. Viel besser, als ich das erwartet hatte, dass es in so kurzer Zeit möglich war." Sie war wirklich sehr beeindruckt und ihr gefiel, was sie sah.
Sie wollte unbedingt seine unvoreingenommene Meinung. Deshalb fragte sie: "Erzähl mir von den Vorgängen in Genua. Was geschah in meiner Abwesenheit."

[Gaius Marcellus]

"Ich hatte meinen Kopf ein wenig in den Wolken wie ich gestehen muss... oder nein, eher in diesen Angelegenheiten eben..." er lächelte "Komm, ich zeige dir den Zuber, ein Tuch ist darüber gespannt, du kannst ihn gerne nutzen, wenn du willst lasse ich Robertos Frau kommen, sie kann dir die Haare machen." er öffnete die Tür und ein junger Mann mit frischem Erwachsenenflaum verließ das Zimmer der Bader, Gaius betrat es selbst nicht, auch unter Kainskindern war ihm das wohl zu unzüchtig...

"Es ist aber wohl viel passiert... vor kaum drei Wochen sind gleich zwei Milizkommandanten zu Tode gekommen, in Broglio lässt mittlerweile Melissa Armeen aufmarschieren als habe sie vor Lucca anzugreifen, in Maraschara ist auch vor drei Wochen eine ganze Villa eingestürzt... ah und schon vor längerer Zeit wurde Melissas Zuflucht verwüstet, das war dir bekannt? Sie vermutet die Nonnen des Hubertus dahinter... ich habe mir vorgenommen ebenso ein Auge darauf zu werfen, womöglich ein Blutbad zu verhindern..." er wirkte besorgt, eher Ratlos... "Meine Heiler in der ganzen Stadt haben jedenfalls viel zu tun" meinte er lächelnd

[Angelique]

"Welche Hauptmänner sind tot? Und wo liegt das eingestürzte Gebäude?", wollte sie alarmiert wissen. Sie hatte eine böse Vorahnung.

Über die Prüderie des Salubri war sie dagegen ein bißchen amüsiert. Wusste er nicht, wozu Badehäuser genutzt wurden? Außer am Samstag vor Feiertagen natürlich, wo Familienbaden angesagt war, um sich für die Kirche zu reinigen. Angesichts der vielen Feiertage bedeutete das eine fast muselmanische Reinlichkeit bei vielen.

Vielleicht wollte er aber auch die alten römischen Sitten der Geschlechtertrennung im Bade einführen. Sie würde ihn dazu noch befragen.

[Gaius Marcellus]

"Jene von Platea Longa und Domus soweit ich weiß... es soll Unruhen hier gegeben haben. Die Villa stand meines Wissens nach im Villenviertel... Maraschara..." er konnte das Sestiere immer noch nicht wirklich aussprechen... für den Muttersprachler eigentlich seltsam... "Wie ist es dir ergangen... du wirkst... aufgeregt?"

[Angelique]

Angelique zog sich gedankenverloren aus. "Ja, aufgeregt...das mag sein. Sie ließ sich ins dampfende Bad gleiten und tauchte in Gänze unter. Fast mochte Gaius Besorgnis zeigen, als sie nach Minuten nicht auftauchte. Sie musste nicht atmen, aber die Instinke helfen zu wollen, mochten den Heiler bei einem Kind unter Wasser, durchaus kommen.

Er sah sie, wie sie unter Wasser lag, die Beine angezogen, zusammengekrümmt wie ein Fetus im Mutterleib, die Haare träge im Wasser schwebend. Doch die Augen waren weit aufgerissen, anders als beim unschuldig schlummernden Ungeborenen. Und sie sah aus, als hätte sie etwas Grauenvolles gesehen.

[Gaius Marcellus]

Gaius lächelte liebevoll auf die Kleine herab, fast wehleidig, dann krausten sich die Brauen zunehmend und er legte, wie so viele andere Kainskinder Genuas es liebendgerne taten den Kopf schief, womöglich hatte er diese Geste von Maria übernommen?
Fast hätte Gaius eine warme Milch mit Waldhonig bestellt... aber das wäre vergebens. Also faltete er die Badetücher passend zurecht, setzte sich auf den Stuhl gegenüber und wartete. Er wartete eine ganze Weile.

Als der Dampf des Wassers verflogen war und keinerlei Regung mehr in den toten Gliedern war begab er sich wieder sanften Schrittes zu Anqelique, blickte sie kurz an, wie um sich zu versichern. Dann krämpelte er die Arme hoch und nahm das langsam auskühlende Kind sanft aus dem Wasser. Eine geradezu ungehörige Überschreitung der Distanz zwischem jeden normalen Kainskind wohl... auch der Salubri war nicht sicher, ob sie positiv oder negativ reagieren würde... aber der Drang jenes schützenswerte kleine Wesen aus dem Wasser zu heben wie eine kleine Tochter und in die Tücher zu wickeln, sie sanft abzutrocknen, sie auf einen Hocker zu setzen und ihr Öl in die Haare zu massieren war zu stark für den fürsorglichen Krieger. Also tat er wie gedacht und kümmerte sich um das Kind Malkavs. Das so betroffene Kind Malkavs.

Als sie wieder ansehnlich und grundsätzlich trocken war atmete er gezielt und ruhig aus, dann legte er einen schweren Arm um ihren Hals, ging neben ihr in die Hocke und drückte sie sanft gegen seine große Brust. War sie zuvor noch wie ein Neugeborenes, möge sie sich nun fühlen wie eine wahre Tochter. Ohne Worte, nur das leichte, beruhigende Mantra des Atems.

Überraschenderweise waren die Handgriffe des Kriegers nicht einfach geschickt, nein seine Rauhen hände waren ungewöhnlich zart, liebevoll und schmeichelnd. Kein drohendes Gewicht, keine schroffe Härte ging mehr von den Werkzeugen des Todes aus - nein sie waren wie umschließend warme Pranken eines gutmütigen Bären.

[Angelique]

Angelique ließ das alles willenlos geschehen, so als hätte die überirdisch schöne und entsetzlich zugleiche Prinzeps sie erneut in den Bann von Augen und Stimme geschlagen.

Nach einer Weile an Gaius breiter, muskulöser Brust begann ihr Körper zu beben und sie selbst zu schluchzen. Sie schaute zum Heiler hoch und Tränen aus Blut kullerten aus ihren großen dunklen Augen.
Ihr kleines Gesichtchen spiegelte Verzweiflung und trauer wider.

Schließlich begann sie tonlos zu sprechen:
"Alerio ist tot! Ich habe seinen Tod gefühlt. Drei Wochenreisen entfernt in den Pyrenäen. Mein Liebster ist tot!"