Aus Eins mach' Zehn [La Vedova]

[Oktober '16]
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Caterina
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Re: Aus Eins mach' Zehn [La Vedova]

Beitrag von Caterina »

Interessiert beobachtete Caterina die Abwesenheit der Witwe und musste unweigerlich an ihre eigenen Gedankengänge denken, die manche Zeit in Anspruch nahmen.
So genoss die Toreador den wohlklingenden Spruch aus dem blassen Mund.
Während die beiden gemütlich flanierten fragte die Mailänderin ehrlich interessert: „Sagt, eure roten Haare, sind sie in Verbindung mit dem Windvers zu sehen?“

Es war eine seltsame Umschreibung, das musste sich die Vampirin eingestehen, doch war sie auch so offen gestaltet, dass Seifrieda hoffentlich keinen Anstoß daran nahm.
Um es noch deutlicher zu formulieren, ergänzte Caterina ihre Frage: „Seid ihr aus dem sagenumwobenen Norden?“

Als die beiden Damen am Brunnen angelangt waren, hörte die Toreador aufmerksam zu und runzelte die Stirn.
Mohn war ihr in Reinform noch nie untergekommen. Allein Opiate durfte sie schon verwenden, doch auch das war selten, war zu auffällig.
Stechapfel kannte Caterina nur aus Schriften und Zeichnungen. Wie gern würde sie so einen in naturam sehen!

So berichtet die eine Frau der anderen: „Leider habt ihr nicht Unrecht. Stechapfel kam mir in Italien noch nie zu Gesicht und Mohn nur in destilierter oder extrahierter Form.
Vielleicht können euch die Mönche helfen.“, mit einem Nicken deutete der Lockenkopf in Richtung des Klosters.
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La Vedova
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Re: Aus Eins mach' Zehn [La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

Völlig los ließ Seinfreda der Hunger noch immer nicht, sie betrachtete die dunklen Locken, die so gar nicht totenblasse Haut der anderen. Die rosige Hautfarbe machte Caterina zu der perfekten Falle, musste sie sich eingestehen. So lebendig wirkte sie, so saftig, so…

Seinfreda stand abrupt auf, fasste sich an den Kopf, zwickte sich in die Hand. Genug!
Möge der kalte Nordwind Besitz von meinen Gedanken ergreifen, mein erhitztes Gemüt kühlen…
„Meine Haare sind ein Erbe meiner Vorfahren. Ich stamme aus einer alten Linie dänischer Könige und Königstöchter, meine Mutter war die Zauberkundige Gunnhild Gormsdottir, Tochter von Gorm dem Alten.“, sie strich über den dicken Zopf „Ich bin eine Schwester der streitenden Könige des Nordens…“, dass ihr Vater bei ihrer Geburt schon lange vertrieben worden war verschwieg sie. „Somit stamme ich aus dem hohen Norden, von den Seehundinseln. Aufgewachsen bin ich aber in der Normandie…“

Etwas unruhig stromerte sie durch die Beete, Caterina immer wieder Blicke zuwerfend „Ein Teil meiner menschlichen Familie, meines alten Lebens, ist dort noch immer…“
Sie lächelte leise „Und die Sagen von Göttern, Wesen nicht von unserer Welt sind sicherlich nicht wahr, aber auch nicht bloß Fantasie…“
Mit einem Zweig Lavendel in der Hand, formte sie in der Nachtluft ein Schutzzeichen.
„Welche Vergangenheit verbirgt sich vor Eurer Gegenwart in Genua?“

Seinfreda folgte dem Blick Caterinas zu den Klostermauern und nickte langsam „Mönche…Ja, auch sie üben sich in der alten Kunst, verstehen sie jedoch nur einen Teil…können sie jedoch nur einen Teil sehen, während sich vieles vor ihrem Verstand verbirgt…Ob sie mir mit diesen Dingen helfen können?“, sie riskierte noch einen längeren Blick auf die Schönheit „Wo ich mich hier doch in sehr vielversprechender Gesellschaft befinde?“
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Caterina
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Re: Aus Eins mach' Zehn [La Vedova]

Beitrag von Caterina »

Was lässt die Witwe die Fassung immer wieder kurz verlieren? Amüsiert lächelte Caterina die Rothaarige an.
Als diese über ihre Familie sprach betrachtete die Toreador das rote Haar wieder. Der Blick wanderte über den dicken Zopf hoch zur kreideweißen Haut. Weißer, als die Mailänderin dies von Vampiren gewohnt war.

Nur kurz blickten sich die Frauen in die Augen, doch das graublaue Farbenspiel der Augen schien sich für eine Ewigkeit in die Gedanken Caterinas zu brennen.
Diese Farben, das Gesamtwerk, ein durchaus gelungenes Schmuckstück.
Um sich wieder zu fangen musste nun auch die Toreador den Kopf schütteln.

Den Blick auf den wunderschönen Garten gerichtet antwortete die Dunkelhaarige schließlich: „In meiner Vergangenheit tumeln sich leider weder nordische Mysterien noch zauberkundige Familie.
Dafür glitzert und glänzt sie. Mein sterblicher Vater vermag es, grobe Metallstücke zu filigranen Meisterwerken zu formen. Manch hässlicher Stein geht durch seine Hände und spielt mit Blicken, so wie eure seltenen Augen.

Ein wohliges Seufzen entrang sich der Kehle. Schließlich fuhr Caterina fort: „So formte mich mein sterblicher Vater zum Schmuckstück, dass der unsterbliche für die Ewigkeit erhielt.“
Kurz erwägte die Toreador sich übernatürlich etwas aufzuhübschen, hatte jedoch die Warnungen Matteos im Kopf und ließ es besser bleiben. Es war nicht notwendig, außerdem wollte sie bei der hübschen Bekanntschaft kein Misstrauen wecken.

Lieber reiste die Mailänderin mit La Vedova in die Welt, über die sie sprachen. Etwas nüchterner, doch noch immer verträumt dachte sie an die Geschichten, die ihr so viel Freude bereitet hatten. Gedankenversunken wurde der Rothaarigen zugestimmt: „Ja, Sagen kommen nicht von irgendwoher, doch sind sie auch zu fabelhaft um vollkommen wahr sein zu können.“

Sehr leise, fast nicht hörbar, fügte Caterina hinzu: „Oder aber unser Vorstellungsvermögen ist nur zu begrenzt.“
„Der Geist der Menschen mag begrenzter sein als unsrer, doch sind die Kleriker wohl Meister darin sich und das Vorstellungsvermögen zu verschließen“, spöttisch kamen die letzten Worte.

Dann wandelte sich die Mimik zu einem missbilligenden Blick. Es war ersichtlich, dass dieser nicht der Rothaarigen galt, sondern vielmehr der Sprecherin selbst.
„Liebend gern würde ich euch aushelfen. Doch sind meine Mittel durch unerwarteten Wahnsinn sehr begrenzt.
Mein Unleben in Genua begann zudem…“, Caterina musste überlegen.
Nach der kurzen Pause sprach sie jedoch weiter: „Es begann sehr turbulent und mein Platz hier beginnt sich erst langsam zu formen.“

So schlagartig sich das Gesicht trübte, so schnell war die Toreador wieder heiter: „Doch gerne biete ich euch meine Hilfe mit den Mönchen an. Ich kann sehr überzeugend sein“
Ein schelmisches Augenzwinkern galt der hübschen Kappadozianer.
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La Vedova
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Re: Aus Eins mach' Zehn [La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

Seinfreda zerrieb genießerisch Lavendelsamen zwischen ihren Fingern, ließ sie zu Boden rieseln und hinterließ so eine leise Spur hinter sich, während sie durch die Beete wandelte. Sie lauschte der Erzählung Caterinas und unterbrach diese nicht, auch wenn ihre Neugier an mancher Stelle gerne nachgehakt hätte.
Als die Sprache jedoch auf die Mittel kam, hakte sie irritiert nach „Unerwarteter Wahnsinn, meine Teure, darf ich fragen, was Ihr damit meint? Hoffentlich nichts zu unangenehmes…Natürlich helfe ich Euch gerne aus, sofern mir das möglich ist? Gastfreundschaft ist ein hohes Gut und ihr wisst ja, durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt…“ Seinfreda sah zu der anderen hinüber und nickte dann bestätigend wie zu sich selbst.

„Was die Mönche betrifft…so könnt Ihr euch ja einmal etwas umsehen…versuchen herauszufinden, wer hier das Ruder in der Hand hält und über wen…und auch ich werde Nachforschungen anstellen. Dieser Garten ist zu schön um wahr zu sein…“ sie betrachtete die Pflanzen um sich herum „Ein Abbild Edens in unserer sehnsuchtsvollen Welt aus Verzicht…

Doch ist hier das Gleichgewicht vorhanden…Alles wächst, gedeiht…und vergeht im gleichen Zuge. Ist es nicht paradox?“, sie lachte leise und ein wenig verzweifelt auf „Was wir erhalten wollen, geht zu Grunde, unser Gift macht sie gesund…wir starben um zu leben…wie Beruhigend ist der Blick auf diesen Garten, er zeigt die Ordnung der Welt…

Dieses kleine Paradies ist guter Ort, um eine neue Saat zu pflanzen, was meint Ihr?“, sie lächelte vielsagend „Das Unkraut sind die Kinder der Bosheit, deren Samen der Teufel gesät hat. Die Ernte ist das Ende der Welt und die Schnitter sind die Engel…Seid Ihr ein Engel, Caterina? Seid ihr bereit, zu gärtnern?“
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Caterina
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Re: Aus Eins mach' Zehn [La Vedova]

Beitrag von Caterina »

Wohl bemerkte Caterina das genießerische Verhalten der Rothaarigen und freudig in Gedanken notiert.
Bis sich schließlich ihre Miene verdüsterte und die dunkelbraunen Augen angestrengt die Ferne fixierten.

„Mein Meister wurde vernichtet und ich entkam nur knapp.“, die Worte kamen kurz angehalten hervor. Doch war die weitere Erklärung schon etwas wohlklingender: „So flüchtete ich vom Chaos in die Arme meines Blutbruders und nun Vormunds.“
Ein kurzes, wehmütiges Lächeln huschte über Caterinas Gesichtszüge, als die erste Begegnung mit Matteo vor ihrem geistigen Auge erschien.
Ja, er hatte sie damals mit seinem Rat gerettet. Das würde die Mailänderin ihm nie vergessen.

„Glücklicherweise ist der werte Herr di Ventura ein wahrer Gönner meiner, doch kann er einen Spitzwegerich nicht von Brennnesseln unterscheiden.“, verschmitzt musste die Dunkelhaarige kurz kichern.
Schließlich traf die Witwe ein strahlendes Lächeln: „Es ist mir daher schon Freude genug mit einem so erfrischenden Geschöpf wie euch über diese Dinge plaudern zu können. Weiß ich doch, dass ihr auch versteht.

„Habt also vielmals Dank für euer Angebot. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir so manch Dinge in naher Zukunft austauschen würden.“, ehrliche Begeisterung schwang in den Worten der Mailänderin mit.
Und auch die folgenden Worte trugen dazu bei, dass die Laune schnell wieder auf einem überaus erfreulichen Level angelangte.

Als Seinfrieda schließlich von der Schönheit des Gartens schwärmte, war Caterina fast hin und weg. Auch die folgenden Worte…
Diese Frau verstand es, sich auszudrücken! Welch angenehme Gespräche würden das nur werden!

Aufgeregt, kam daher nur ein „Oh ja, ich werde mich erkundigen!“ hervor. Viel zu gern hörte die Toreador den Ausführungen der Nordfrau zu.
Verzückt kam keine einzige Silbe mehr über die vollen Lippen. Nur ein Lächeln und ab und an zustimmendes Nicken bestätigten La Vedova in ihren Worten.

Bis Caterina schließlich herzlich über die letzten Fragen lachen musste: „Ein Engel bin ich wohl kaum, doch liebend gern pflanze und pflege ich.“
„Seid ihr denn so ein Engel? Wollt ihr die Eva unseres Paradieses sein?“, zwar waren die Worte ebenso fröhlich gesprochen, doch die dunklen Augen verrieten das ehrliche Interesse der Toreador an der folgenden Antwort.
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Re: Aus Eins mach' Zehn [La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

Mit sorgenvollem Blick laschte Seinfreda der kurzen Erzählung.
„Ein Mord an einem der Unsrigen ist ein Verstoß gegen die Tradition…Vielleicht sind Euch die Traditionen noch nicht sehr vertraut, da Euch wohl auch die fünfte nicht bekannt war…doch die sechste sollte es sein. Wer hat es gewagt, Euch anzugreifen?“, fragte sie dann leise „Seid Ihr hier noch immer in Gefahr, Caterina?“, sie wirkte ernstlich besorgt.

Als Caterina auf ihre letzte Frage antwortete, ließ sich Seinfreda etwas Zeit, um nachzudenken. Schließlich schüttelte sie langsam den Kopf und sah Caterina eindringlich an „Eva war nicht die erste Frau im Paradie...Habt Ihr schon von der vor ihr gehört?“, sie hielt inne und wartete auf eine Antwort.
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Re: Aus Eins mach' Zehn [La Vedova]

Beitrag von Caterina »

Die Toreador zuckte mit den Schultern. Gekonnt überspielte sie ihre Furcht bei Seinfriedas Worten und antwortete leicht resigniert: „Vor nicht allzu langer Zeit wurden auch in Genua viele Kainskinder entführt und sicher nicht pfleglich behandelt. Daraufhin wurde wieder gejagt und einer der ruhmreichen Jäger stand vor kurzem aus zwielichtigen Gründen vor Gericht“

Der Blick Caterinas wurde traurig, als sie an den Gangrel und seinen Prozess dachte. Der stolze Jäger wurde zur Beute eines unwürdigen Spiels. Es war eine Schande!

Schließlich fügte die Mailänderin leise an: „Regeln und Gesetze gelten nur so lang, bis sie jemanden in hohen Positionen lästig sind.“
„Auge um Auge. Zahn um Zahn.“, diese Erkenntnis war schon fast geflüstert.

Dann zwang sich die Dunkelhaarige zu einem Lächeln: „Dank euch für eure Anteilnahme, aber Genua ist ein neuer Anfang.“
Caterina war bezweifelte ihre Worte nach Michaels Geschichte im Kastell, doch waren dies Sorgen, die nicht zu einem solch wunderbaren Gespräch passten.

Auf die Frau vor Eva musste die Toreador ebenfalls nachdenken.
Nie wurde in der heiligen Messe wohlwollend von Frauen gesprochen und ein weibliches Wesen vor der ersten Sünderin, das grenzte an Blasphemie.
Bei diesem Gedanken erhellte sich Caterinas Gemüt. Seinfrieda wurde ein immer interessantes Wesen.

Mit glänzenden Augen blickte die Toreador zur Kappadozianerin. Das Gesicht strahlte vor Begierde auf eine Geschichte: „Bitte erzählt mir von solch einem wahrhaftigen Geschöpf!“
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Re: Aus Eins mach' Zehn [La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

Seinfreda zögerte kurz, dann setzte sie sich wieder auf den Brunnen, den Blicknachdenklich in die Ferne gerichtet. Sie senkte ihre Stimme, sodass nur Caterina ihr lauschen konnte.

"Habt Ihr schon von der dunklen Mutter, der Windsbraut gehört?
Gott schuf an Adams Seite eine Frau namens Lilith. Sie war diesem völlig gleichberechtigt und ebenbürtig, daher verstand sie sich als ein freies Wesen, dem Unterordnung völlig fremd war. Ihr stolzes und selbstbewusstes Auftreten, ihre Weigerung Adam zu dienen...all dies gefiel Adam nicht, er wollte, dass sie sich im unterordnete. Es kam zum Streit, woraufhin Lilith den geheimen Namen des Herren sprach, eine Zauberformel,und davon flog. Auf Adams Flehen hin sandte Gott drei Engel aus, um sie zurückzuholen. Sie jedoch brach in schallendes Gelächter aus ob deren Versuche und Adams Wehklagen... Als Strafe für ihren...Ungehorsam... ließ Gott jeden Tag 100 ihrer Kinder, von ihr zur Welt gebrachte Geister der Luft und der Nacht, töten. Vor Trauer wahnsinnig schwor sie Rache.. Auch soll sie die Schlange im Paradies gewesen sein, welche Eva die Frucht vom Baum der Erkenntnis angeboten hat...zumindest wird das manchmal behauptet..", Seinfreda schüttelte sachte den Kopf "Doch das ist natürlich nur die eine Seite der Geschichte....Lilith ist mehr als bloß ein rachsüchtiges Weib....
Sie lebt am reinsten Ort des Windes, in der Unterwelt. Ihre pure nackte Schönheit kennt keine Grenzen, das Haupt von vier göttlichen Hörnern bekrönt, ihre Flügel sind nachschwarz, Eulen und andere Nachtvögel begleiten sie und folgen ihr.Rot leuchtet das Blut auf ihrer weißen Haut…", ihre Stimme hatte einen schwärmerischen Ton angenommen.
"Sie ist die Beschützerin der Frauen, die Herrin der Nachtvögel, sie ist die Herrscherin der Winde und befielt die Geister, die vieles zu uns bringen…Träume, Leidenschaften…Krankheiten. Oft sind Leben und Tod so nah beieinander, dass sie in einem Akt miteinander verschmelzen….Bei der Zeugung und der Geburt ist die Grenze so dünn, die Lust und der Schmerz lassen die Sphären näher rücken…Leben und Todim ewigen Kreislauf….und was sind wir dabei?", sie hielt inne und sah Caterina leise lächelnd an. "Liliths Erbinnen, die das Gleichgewicht wahren müssen. Engel? Vielleicht, ich würde eher sagen Windgeister, Nachtfalter…andere Namen von anderen Zungen heißen uns Dämonen, Blutsauger, Seuchenbringer…doch es ist doch immer so, dass man das dämonisiert, was man nicht kennt…Gut und Böse sind Teil ein und desselben Wesens."

Sie hielt inne, räusperte sich etwas, um dann leise weiterzusprechen.
"In der Bibel wird erzählt, dass sie in Edom lebte, wo ihre Eulen und Raubvögel hausten, Wüstentiere und andere Wesen in Ruinen…dort wo das Tor zur Unterwelt liegt.
Kommt Euch das bekannt vor?", ihr Blick war nun eindringlich auf ihre Gegenüber gerichtet "Ja, auch Hekate ist die Göttin dieser Schwellen, der Übergänge, der Grenzen, der Tore zwischen den Welten. Die Herrin über die Geister, über den Tod...Es ist bloß ein anderer Name für unsere Herrin."
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Caterina
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Re: Aus Eins mach' Zehn [La Vedova]

Beitrag von Caterina »

„Und sie nahm der Blumen Sammet
Und den frommen Blick des Reh's
Und die Glut, die lodernd Flammet,
Und den kalten Hauch des Schnees.

Nahm den schlanken Wuchs der Gerte
Und des Windes Flattersucht
Und des Diamanten Härte
Und die Süßigkeit der Frucht.

Nahm den zarten Schmelz vom Laube
Und den Flaum vom Vogelkleid
Das Gegirr der Turteltaube
Und des Tigers Grausamkeit;

Und vom morgendlichen Rasen
Nahm er die Tränenflut des Taus
Nahm die Furchtsamkeit des Hasen
Und die Eitelkeit des Pfaus;

Nahm vom Schilfe das Gezitter
Und des Vollmonds schwellend Rund
Und des Sonnenstrahles Flitter
Und des Hähers Plappermund.

Nahm der Kletterpflanze Schlingen,
Nahm der Schlange Wellenleib,
Und aus allen diesen Dingen
Schuf Hekate das Weib.“

Leise und konzentriert rezitierte die Toreador die Verse. Verloren in ihren Gedanken waren die dunklen Augen auf die weißen Blüten der Brunnenkresse gewandert und daran hängen geblieben.
Die Verse ergaben nun einen völlig neuen Blickwinkel.

Schließlich setzte sich Caterina neben Seinfrieda und lächelte sie an: „Eure Worte, sie liefern eine so wunderbare Idee.“
Dann sah die Schönheit hoch zum Himmel. Die Wolken waren dichter geworden, der Mond war verdeckt. Doch das tat dem wohligen Gefühl keinen Abbruch. Ein angenehmer Seufzer entrang sich der Mailänderin: „Gern bin ich das Kind des Mondes“

Viele Gedanken gingen durch den Lockenkopf. Nachtflatterer, die das Gleichgewicht hüten. Abkömmlinge einer starken Frau, die sich nicht einmal dem Schöpfer beugte.
Dann stach sich ein schelmisches Grinsen auf die Lippen bevor sich die Frauen gegenseitig ansahen.
„Und sie blieb unbeugsam trotz der Tortur?“, kindlich kicherte Caterina kurz. „Das gefällt mir“, endete sie schließlich.
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La Vedova
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Re: Aus Eins mach' Zehn [La Vedova]

Beitrag von La Vedova »

Erst neugierig, dann nachdenklich und schließlich träumerisch lauschte Seinfreda der samtenen Stimme, den rhytmischen Metren, die Worte malten so elegant und wahr, dass sie bloß zustimmen konnte
„Die Tränenflut des Taus…Schilfgezitter…“, sie fuhrt mit der Hand zärtlich durch die Blätter der Kresse. „Und die Schlange, ja… Sie blieb unbeugsam..doch die Tortur veränderte sie, nahm ihr die Unschuld…“, sie schwieg eine Weile und hing den schönen Worten nach.

„Wisst Ihr…Sie nennen es einen Fluch, doch vielleicht ist es das bloß, so lange wir keinen Sinn haben, so lange wir nicht das Gleichgewicht zwischen Intellekt und Instinkt finden, das das männliche und das weibliche Prinzip vereint und die ursprüngliche Gleichheit wiederherstellt, die Gott im Sinn hatte, bevor Adam in seiner Eitelkeit Gottes Werk kritisierte…

Und die Schlange, so oft als das Böse verteufelt…wollte sie Eva nicht bloß die ihr vorenthaltene Erkenntnis bringen, ihr das Wissen schenken, das ihr die Möglichkeit gegeben hätte, neben Adam zu wandeln statt in seinem Schatten um somit den ursprünglichen Schöpfungsplan zu verwirklichen?“
Es war, als spräche sie einfach während sie versuchte, ihren webenhaften wirbelnden Gedankensträngen zu folgen, die Nebel zu lichten, die sie so liebte und dennoch versuchte so gut es nur ging zu durchdringen.

„Einen solchen Sinn müssen wir erkennen...in dem Streben nach Erkenntnis, in der stetigen Suche, dem Lernen…und Lehren, dem Ausloten und Erforschen von Grenzen wie dem Tod, dem Schmerz und der Lust….Schließlich war Lilith die größte Lehrerin von allen. Damals, als sie Kain in der Dunkelheit half. Sie war es, die unseren Urvater Kraft und Macht schenkte mit ihrem Kuss…Sie stillte seinen Hunger, war ihm Gefährtin als er sich einsam fühlte, wärmte ihn als er fror, trocknete seine Tränen mit ihren Worten. Sie stand ihm bei…sah in ihm den Ausgestoßenen, wie auch sie es gewesen war und schenkte ihm Trost, gab ihm ein Heim in ihrem dunklen Reich. Er bat sie, ihn zu erwecken und nach einigem Zögern gab sie seinem Flehen nach. Sie liebte ihn und schenkte ihm ihr Blut…“

Sie lauschte den Plätschern des Brunnens, die Fingernägel kratzten leise über den Stein. Kaum merklich fuhr sie mit der Zunge über ihre Lippen, zu viele Worte über Blut…
„Gerne erzähle ich Euch bei einer anderen Gelegenheit weiteres über Lilith…und über alles andere, wonach es Euch durstet.“
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