Das Mitternachtsurteil [Prozess]

[November 16]
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Il Canzoniere
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Re: Das Mitternachtsurteil [Prozess]

Beitrag von Il Canzoniere »

Melissa, die sich nach der letzten Antwort Angeliques vor dem Tumult sichtlich entsetzt über deren Aussage gezeigt hatte starrte den sich aufrichtenden Gaius ihrerseits einige Augenblicke, irgendwie ein wenig neben der Spur an und blickte dann, als sie erst zu realisieren schien was um sie passierte nervös hin und her. Machte unbewusst einige Schritte vom Publikum weg. Dann richtete sich Ferrucio hinter ihr auf und erhob seinerseits seine Stimme, noch während Gaius seine letzten Worte zu Ende brachte:

"Ihr versteckt Lügen unter eurer Ehre! Seid ihr der Meinung das wir die Dinge wie sie sich wirklich zugetragen haben verschweigen sollen, nur weil euer zartes Gemüt sie nicht erträgt? Glaubt ihr das wir uns hinter der Ehre verstecken müssen? Gott sieht alles. Und Gott hört alles! Die Sünderin ist die Ketzerin Angelique, die mit ihren Worten die gottgegebene Ordnung untergrub! Wagt es nicht Melissa dafür verantwortlich zu machen, die uns allen nur die Falschheit der kleinen Sünderin vor Augen führen wollte! Was seid...." dann unterbrach ihn der Seneschall mit einem lauten Ruf und der Prediger verstummte, funkelte jedoch Gaius immer noch an.

Melissa stand wie gebannt zwischen den Schreienden Kainiten, den Blick zu Boden gesenkt, all die Worte über sich ergehen lassend. Lediglich Ferrucios Worte zauberten ihr ein dünnes Lächeln auf die Lippen.

Und als die Prinzessin sprach hob sich der Kopf, das Gesicht vor sich widerstreitenden Gefühlen erfüllt sich nun dankbar dem Prozess und Acacias Verhör der kleinen Malkavianerin zuwendend. Obwohl sie nach wie vor nicht den Eindruck machte auch nur ein Wort zu verstehen. Offenbar schien sie jedoch höflich bleiben zu wollen und zumindest Aufmerksamkeit zu schenken.

Als Acacia sie zu Schluss fragend anblickte, schüttelte sie nur dünn den Kopf, blickte zum Tisch der Ehrengäste hinüber und sprach mit unerwartet fester Stimme: "Falls erlaubt würde ich gerne einige Fragen bezüglich des Vernichteten Nevio Apronius an den verehrten Godeoc richten."

Der Kopf des noch immer breit grinsende Nosferatu ruckte herum, als ob sie ihn damit jetzt schon beleidigt hätte. Die weiße Prinzessin jedoch, nickte gütig und erlaubte die Fragen.

Nun mit offener Wut im Gesicht blickte Godeoc, der Prinz der Gosse, hin und her, gestikulierte ein ausspucken und verschränkte die Arme vor der Brust und blieb an Ort und Stelle, direkt neben dem Seneschall, sitzen. Missmutig starrte er die Tzimisce an. "Na dann ma' los, Kleine."

Melissa hatte mit einer dankenden Geste Aurore für diese Gelegenheit gedankt, dann wandte sie sich, sichtlich vorsichtiger als zuvor, an den Ancilla.

"Verehrter Godeoc, ihr habt damals dem vernichteten Nevio Apronius das Bleiberecht für die Domäne Genua erteilt, ist das richtig?"
Der Nosferatu schaute missmutig, nickte dann aber.

"In welchem Jahr war das?"
Der Gesichtsausdruck Godeocs wechselte von missmutig zu argwöhnisch. "Weiß nich mehr." brummte er mit einer Stimme die auch ein Axtblatt hätte sein können.

Ein wenig konsterniert das niemand Einspruch gegen eine solch offensichtliche Weigerung erhob, fuhr Melissa fort: "Gut, ich möchte euch auch gar keine Zeit stehlen, daher komme ich am besten direkt zum Punkt: haltet ihr es für möglich das Nevio Apronius sich der Festnahme durch die Liktoren widersetzte? Mit Worten, mit Kräften oder körperlich?"
Der Nosferatu starrte sie nur an. Sicher eine volle Minute. Die langsam nervöser werdende Tzimisce nickte dann...wie als Bestätigung das er für diese Informationen bezahlt werden würde. Erst dann nickte der brutal zugerichtete Hüne und gab bereitwilliger Auskunft: "Türlich halte ich das für möglich. Die See..." ein kurzer Blick zur Seite "...hat kein Weichei geschickt. Der Kerl war lang' Freibeuter. Hat jedes verdammte Schiff wasn Hafn verlassn hat platt gemacht. Ne richtige Pest. War verschlagn, hat kurzn Prozess mit jedm gemacht der ihm Ärger gemacht hat und hat nich lange gefackelt wenns zur Sache ging."

Die Tzimisce nickte dankend, bevor sie langsam die Mimik aus ihrem Gesicht entließ: "Wisst ihr weshalb der Lasombra so dringend zu ihrer Majestät gebracht werden sollte das ein solcher... extremer... Ausgang in Kauf genommen wurde?"
Der Nosferatu stockte und Wut legte sich wieder in seinen Gesichtsausdruck wie ein Seemann der nach langer Reise nach Hause zurückkehrte. Langsam und drohend schüttelte er den Kopf.
Einen Moment schien es als ob die jung wirkende Tzimisce noch etwas fragen wollte, dann schien sie sich umzuentscheiden. Schüttelte den Kopf.

Mit einem: "Ich danke euch vielmals." schien sie den wütenden Nosferatu an Acacia übergeben zu wollen. Nickte dieser dabei zu.
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Gaius Marcellus
Salubri
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Re: Das Mitternachtsurteil [Prozess]

Beitrag von Gaius Marcellus »

Nachdem Gaius seine brennenden Worte gesprochen hatte, war er wie selbst überrascht durch die starke Reaktion. Hatte die neu gefundene Verehrung zur Prinzessin in ihm so viel herausgekehrt? Dann brandeten die Reaktionen auch auf ihn ein, und er blieb stehen. Matteos Fingerzeig konnte er nur im Augenwinkel folgen, auch nicht ganz zuordnen... Ferrucioos wilde Rede gegen ihn machte den Demagogen auf eine zweite Runde bereit, auch wenn Melissas fehlende Reaktionen ihn schon zum stocken brachten... dann erschall der Seneschall und bekam mit spielerischer Leichtigkeit die Meute unter Kontrolle... fast war Gaius froh darum als er all das vergebene Blut in den aufpumpenden Adern seiner Mitkainiten pulsieren sah, das hätte sich unangenehm entwickeln können...
Die Ehre der Prinzessin war zwar vor dem schändlichen Witz verteidigt worden, und die zarte Angelique konnte er womöglich auch retten... aber die Gesamtsituation und Spannung. Erst erstarrt, dann langsam regend, neigte er sein Haupt ehrfürchtig in Richtung der Alten - ob dies seiner gequälten Herrin galt, oder dem brüllenden Seneschall, war nicht zu ersehen... jedoch folgte er daraufhin dessen Worten ohne zu zögern.

Nur die Blicke wanderten noch, sonst regte sich den Prozess über keine Faser des untoten Körpers noch... verwirrt, sammelnd, abwägend... zur verdutzten Melissa, zu den süffisanten Alten, ebenso zum nun bei ihm sitzenden Matteo... ein grimmig wissender Blick vereinigte sich, etwas war hier faul, gehörig faul...
Matteo schien auf einer Spur und gleichen Herzens voller Mut und Vasallenliebe.
Ich hab heut Nacht vom Tod geträumt,
er stand auf allen Wegen,
er winkte und er rief nach mir so laut.

Er sprach mein Leben sei verwirkt,
ich sollt mich zu ihm legen,
ein frühes Grab sei längst für mich gebaut,
ein frühes Grab sei längst für mich gebaut.
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Titus
Kappadozianer
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Re: Das Mitternachtsurteil [Prozess]

Beitrag von Titus »

Titus hatte gerade wieder Luft in die Lungen gesogen um noch weitere Worte zu sagen, als der Seneschall in Tumult beendete. Titus zuckte nicht zusammen, jedoch schienen ihn die flatterhaften Schatten, die sich im Raum verteilten zu beunruhigen. Seine Hände waren immer noch zu Fäusten geballt, sein Zorn noch nicht verflogen, doch leistete er den Worten des Seneschalls folge. Mit sichtbar kontrollierten Bewegungen trat er zu dem Stuhl, den er bei seinem Aufsprung umgeworfen hatte und setzte sich wieder hin. Aufrecht...ein wenig steif und nur langsam schien seine Anspannung aus seinen Muskeln zu weichen. Sein Blick jedoch blieb finster und mit diesem verfolgte er das Weitere Geschehen.
Todesqualen, Gott, jedem Ketzer, den ich sehe
Denn dein Wille geschehe
und ungebeugt, bis zum jüngsten Gericht
tu ich gottergeben meine Pflicht
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Caterina
Toreador
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Re: Das Mitternachtsurteil [Prozess]

Beitrag von Caterina »

Nach dem Schrei des Seneschalls saß die Mailänderin schnell wieder.
Was war das? War die Toreador zuerst nur verwundert über das seltsame Szenario, wandelte sich dies schnell zu Ungläubigkeit.
Als die Prinzessin Matteo aus dem Zeugenstand warf, traute Caterina ihren Ohren nicht. Nur mit Mühe blieb die Miene halbwegs kühl. Doch wurde die Mimik bekümmert, als sie dem stolzen Vormund zusehen musste, wie dieser sich hinkniete.

Wieder entbrannte Wut in der Frau und ein leises Knurren ging in Richtung des Salubris.
Auch wenn ihr das gesamte Geschehen egal war und die Mailänderin noch keinen Reim auf das Spektakel machen konnte, diese Demütigung war zu viel.
Nun kämpfte die Toreador erst recht wieder mit sich. Das würde dem Salubri noch leid tun.
"...Sendest noch sterbend Düfte uns zu
Rose, du Holde!
Leben und sterben will ich wie du..."
JZitatschnipsel, Johann Jakob Ihle
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Fabrizio
Lasombra
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Registriert: Sa 23. Jan 2016, 20:20

Re: Das Mitternachtsurteil [Prozess]

Beitrag von Fabrizio »

Oh wie hatte Fabrizio sich bereits gefreut, in diesem so unerwartet hochpeitschendem Drama könnte der gähnend langweilige und absurde Prozess ganz sicher nicht fortgeführt werden...
Aber da hatte er sich geirrt und seine Rechnung ohne den sturen Seneschall gemacht, der dem gerechten Blut einhalt gebot und das bereits ermordete Protokoll einfach in für ihn unglaublicher Manier wieder ins Leben brüllte!

Verwirrt war der Lasombra in diesem grandiosen Chaos bis dahin mit hektischen Blicken den tanzenden Schatten über Boden und Wänden gefolgt wo sie sich zu Fledermäusen verzerrten. Das schien ihn weit mehr zu interessieren als die sich durcheinander überschlagenden Zwischenrufe und hektischen Reden der aufgebrachten Mitvampire oder deren Mienenspiel. Als wären stattdessen die Schatten ihm das Orakel darüber wie es weiter gehen würde...

Trocken räusperte Fabrizio sich schließlich bei nennung seines Namens und setzte sich dann einfach wieder kommentarlos auf seinen noch stehengebliebenen Stuhl. Ergeben fügte der Pirat sich in sein Schicksal und würde bei zeiten wieder gelangweilt dem blöden Ghul hinter sich beim Übersetzen zuhören.

So schnell wie der Sturm ungezügelter Leidenschaften sich erhoben hatte und über ihnen allen hereinzubrechen drohte - so schnell und beinahe spurlos war er wieder verschwunden. Beinahe Spurlos...
Der Platz neben ihm war schon wieder frei. Provozierte er das irgendwie? Was immer in dem Toreador vorgegangen war, er hatte es zu weit getrieben. Matteos Abgang in Schande quittierte Fabrizio nur mit einem verschämt mitleidigen Blick gen Boden.
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Vergonzo Faro
Nosferatu
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Re: Das Mitternachtsurteil [Prozess]

Beitrag von Vergonzo Faro »

Vergonzo, der in seinen Stuhl gepresst worden war, sah nichts mehr bei all den aufgesprungenen Kainiten,tat aber auch nichts um das zu ändern. Er schloss eine Weile die Augen, beruhigte sein Gemüt wieder und lauschte den Rufen und Zurechtweisungen.

Es schien wieder ruhiger zu werden und so öffnete er die Augen wieder und blickte sich um. Scheinbar ging der Prozess weiter und er lauschte. Als Godeoc dann mit einbezogen wurde, spitzen sich seine Ohren und er beobachte genau die Minen der daran beteiligten und hörte jedem Unterton genau zu. So reimte er sich die für ihn wichtigsten Informationen und Schlussfolgerungen zusammen,denn die Art der Fragen und das worauf es hinauslaufen sollte schienen den Buckligen zu verwirren,...oder etwa doch nicht? Die Gedanken sind frei und so liess sich in Vergonzos Mine nicht viel erkennen....
Man soll bauen, als wollt man ewig leben, und leben, als sollt man morgen sterben.
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Acacia
Lasombra
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Registriert: Mo 20. Jul 2015, 18:05

Re: Das Mitternachtsurteil [Prozess]

Beitrag von Acacia »

Immer noch tobte die kalte Wut und die noch eisigere Verachtung in ihr, aber Jahrzehnte unter der gnadenlosen Hand eines Ahnen hatten ihren Willen in ein beinah uneinnehmbares Bollwerk verwandelt und doch spürte sie, dass dieser Prozess an ihren Nerven zerrte. Aufmerksam lauschte sie Melissas Worten und für einen Moment huschte ein schadenfrohes Lächeln über ihre Lippen als Godeoc sie zappeln ließ. Doch schnell hatten sich ihre Züge wieder geglättet und sie konzentrierte sich erneut auf das was gesagt wurde – und das was nicht gesagt wurde.

Sobald Melissa ihr zunickte schenkte sie dieser ein selbstsicheres, kühles Lächeln und wandte sich dem zürnenden Nosferatu zu. Ehrerbietig neigte sie den Kopf. Höflicher als sie gemusst hätte und doch vollkommen im Rahmen. „Verehrter Godeoc, ich danke Euch für Eure Geduld sich unsere Fragen anzuhören und Eure Gnade sie zu beantworten.“ Die schöne Lasombra brachte das Kunststück fertig diese Worte weder ironisch noch kriecherisch klingen zu lassen, sondern schlicht ehrlich – wie ehrlich sie auch immer gemeint waren. Allerdings hatte sie sicher den Vorteil, dass sie schon oft mit dem alten Nosferatu zusammengetroffen war. Wer wusste also schon was hinter verschlossenen Türen vorging?

Der Nosferatu richtete seinen Blick auf die Verteidigerin und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, wobei er die bulligen Arme über dem Brustkorb verschränkte und sein süffisantes Lächeln zurückkehrte, unter dem immer noch Zorn lag.
Acacia hielt ihre Mimik neutral, als sie die erste Frage mit ruhiger Stimme stellte. „Ihr wart lange Zeit selbst Prinz. Könnt Ihr Euch Gründe vorstellen warum es unabdingbar war, dass Nevio Apronius vor der Prinzessin erschien und sei es schlicht Höflichkeit gegenüber seinem Gastgeber?“
Fast spöttisch verzog Godeoc das Gesicht. So als würde Acacia etwas Offensichtliches fragen. „Na, sicher.“
„Seid Ihr, als Kainit, der die Bürde des Regierens kennt, der Meinung, dass das Handeln unserer höchstverehrten Herrin angemessen war? Oder glaubt Ihr sie war vielleicht etwas nachsichtig mit dem blanken Hohn, den Nevio Apronius ihr entgegen schleuderte?“ Immer noch blieb der Blick der Lasombra ohne zu zögern auf dem Nosferatu gerichtet. In diesem Moment schien nur er in ihrem Universum zu existieren.
„Will nich sagn, dass ich da nen großen Überblick hab, aber die Prinzessin betrachtet solche Sachen generell aus mehr als einem Blickwinkel. Ich selbst hätt den Typen schon vor n paar Jahrzehnten kalt gemacht.“ Nickend nahm Acacia seine gegrummelte Antwort entgegen und führte dabei ihre Argumentation bereits weiter. „Ihr sagt also, dass der Getötete Schande über sich, sein Blut und vor allem Sizilien gebracht hat und sein Wort nicht die Luft wert war, mit dem es gesprochen wurde?“
Voller Verachtung verzog sich das Gesicht des Königlichen und man hatte das Gefühl, als hätte er in etwas sehr Widerliches gebissen – was auch immer für Nosferatu widerlich war. „Genau. Hab nie verstanden, was die Sizilianer an sonem Typen finden.“
„Glaubt Ihr, dass es Brimirs oder Alerios Schuld war, dass der Kampf ausbrach, der dazu führte, dass der Lasombra nun nur noch Asche ist?“, fuhr Acacia dann in kühler Ruhe fort, die in solch starkem Kontrast zu der deutlich gefühlsbetonteren Melissa stand. Godeoc zuckte jedoch nur mit den Achseln. „Selbst wenn ist Allocer sicher nicht unschuldig daran.“
„Glaubt Ihr, dass hinter dem Handeln Allocers ein tieferer Sinn steckte?“, erkundigte sich die Hüterin des Elysiums dann mit betont gleichgültigem Interesse, doch die Augen des Ancilla verengten sich, ehe er erneut mit den breiten Schultern zuckte. „Irgendwas wird er sich dabei schon gedacht haben. Der is ja nich aus Dämlichkeit so alt geworden.“
Mit einem sachten, dankbaren Lächeln auf den Lippen neigte die Lasombra erneut anmutig das Haupt. „Ich danke Euch für Eure erhellenden Worte, verehrter Godeoc.“ Nun deutlich besser gelaunt, feixte der Nosferatu und streckte die Beine unter dem Tisch aus. „‘Türlich“


Gerade schien es, als wolle sich die Lasombra vom Tisch der höchsten Kainiten abwenden, als eine sachte Bewegung einer Hand sie aufhielt. Für einen Moment zögerte sie, ehe sie weitersprach und sich dabei an den Seneschall wendete.
„Verehrter Maximinianus erlaubt mir Euch einige wenige Fragen zu stellen.“ Lediglich ein knappes Nicken war die Antwort auf ihre Frage und doch wirkte die Lasombra deutlich entspannter, als noch vor wenigen Augenblicken.

„Was haltet Ihr von dem Vernichteten?“, fragte Acacia dann ganz im Gegensatz ihren vorherigen Fragen sehr offen. So als würde sie Maximinianus trauen, dass er in ihrem Sinne antworten würde.
„Ich habe ihn leider nie persönlich getroffen und all seine Taten, die mir bekannt sind, liegen nach seiner Zeit in Starre, die sich meiner Meinung nach bedauerlicher Weise stark auf seine Psyche ausgewirkt hat. Als Diplomaten halte ich ihn mit dieser Beschädigung für fragwürdig.“ Vom Ausbruch vor wenige Minuten war dem asketischen Priester nichts mehr anzumerken. Die kalten, haselnussbraunen Augen lagen ungerührt auf Acacia, während seine erstaunlich volle Stimme den Raum füllte.
Scheinbar zufrieden mit seiner Antwort, neigte Acacia ihren Kopf eine winzige Spur zur Seite, ehe sie weitersprach. „Glaubt Ihr, dass sein zerbrochener Geist für äußere Einflüsse empfänglich war?“ Benedetto, dessen Blick über das Publikum geschweift war, sah mit einem Mal voller Interesse zu Acacia, die ihren Blick betont auf Maximinianus gerichtet ließ, ehe er ein wenig nachdenklich die Stirn runzelte.
„Ich kann mir schwer vorstellen wie die Starre den Geist einer Person verändert. Allerdings richteten sich alle bekanntgewordenen Aktivitäten des Vernichtete gegen Würdenträger der Domäne.“ Dabei nickte er in Richtung Titus. „Titus, Phosoa und Richard, damals als Verteidiger der Domäne, den Ädil Godeoc und meine Person. Insbesondere den verehrten Godeoc schien er intensiv zu bekämpfen.“ Der Blick des steifen Ventrue glitt zu Benedetto und wie immer, wenn sein Blick auf den fetten Mönch traf, schienen seine Augen noch kälter zu werden. „Wenn ihm hier jemand vorgeschlagen hätte zu kooperieren um seinen Hass zu stillen, bin ich mir sicher, dass er angenommen hätte.“ Acacia indes hob nur sacht eine Braue, ging aber den unterschwelligen Angriff ignorierend zum nächsten Thema über.
„Wisst Ihr aus welchem Grund Sizilien einen Botschafter nach Genua entsandt hat?“, fragte sie scheinbar zusammenhangslos. Der Ventrue schien diese Frage jedoch erwartet zu haben, denn seine Antwort kam ebenso prompt und ohne jedes Zögern wie auch die vorherigen.
„In der Tat. Genua ist der Schlüssel zu Italien. Hier entscheidet sich ob Clan Ventrue oder Clan Lasombra den Stiefel kontrolliert. Ich bin aus exakt demselben Grund hierher entsandt worden.“ Sein Blick wanderte zu den Geschworenen. „Zur kurzen Erklärung: Genua ist das Nadelöhr, welches die Brücke zwischen etruskischem Bund, Hardestadts Gefolgsleuten und den Höfen der Liebe bildet. Sizilien würde daraus gerne die Brücke machen, welches Sizilien, Pisa, Mailand und vielleicht sogar Venedig verbindet. Fällt Genua in die Hände der Sizilianer, ziehen sie damit einen Belagerungsring um den etruskischen Bund. Binnen zweihundert Jahren wäre Italien genommen.“ Mit jedem seiner Worte wurde Acacias Blick kühler und sie presste ein wenig die blassen Lippen zusammen. Nach einem weiteren stummen Blickwechsel zwischen den beiden angeblich so eng Verbündeten, wandte sie sich der nächsten Frage zu.
„Was haltet Ihr von Brimir?“, fand sie endlich zum eigentlichen Thema des Prozesses zurück. Oder?
„Brimir ist ein loyaler Diener der Domäne. Er hat geschworen ihrer Majestät in jeglicher Hinsicht Folge zu leisten und hast das auch stets getan. Er hat sich umgehend selbst gestellt, nachdem es zu diesem Unfall kam. Ich mache mit ihm seit Jahrzehnten Geschäfte und es gab nie auch nur den Verdacht an seinem Wort zu zweifeln.“ Die Stimme des Ventrue hatte einen entschiedenen Klang angenommen, so als zweifle er keinen Augenblick an der Ehrenhaftigkeit Brimirs.
„Haltet Ihr ihn für einen Kainiten, der sein Tier beherrscht?“ Ein knappes Nicken begleitete erneut seine nächsten Worte. „Ja, das hat er schon mehrfach bewiesen.“
Acacia schien mental eine Liste abzuhaken, während sie schon die nächste Frage wie einen Pfeil abschoss. So als wäre diese die logische Konsequenz aus seiner Antwort. „Wann und wobei?“
„Als er den Wassail aus den Wäldern von Locculi zur Strecke gebracht hat. Beim täglichen Training mit der Miliz von Luccoli und der von Broglio, sowie bei der Ergreifung des assamitischen Spions Yasir, des illegal jagenden Ravnos Niccolo, sowie den beiden illegal gezeugten Gangrel Maria und Fulk.“
„Glaubt ihr, dass Brimir die Schuld an … dem Unfall auf sich nehmen würde, selbst wenn er nicht genau wüsste, dass er derjenige war, der den tödlichen Streich geführt hat?“, kam sie schließlich noch einmal auf ihre schon früher angedeutete These zurück. Wieder nickte der Seneschall und antwortete mit einem knappen „Ja.“.
„Vielen Dank für Eure Auskünfte.“ Erneut neigte Acacia höflich den Kopf und trat zurück an ihr Pult, wohl um Melissa das Feld zu überlassen, sollte sie es wagen dem Ventrue Fragen zu stellen.
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Il Canzoniere
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Re: Das Mitternachtsurteil [Prozess]

Beitrag von Il Canzoniere »

Melissa, die kurz die Stirn runzelte als auch der Seneschall befragt wurde drückt Acacia ihren Blick in den Nacken während sie offenbar rätselte was dort vor sich ging. Dennoch machte sie keine Anstalten etwas gegen diese..."Anpassung"... des Protokolls zu sagen. Offenbar kam es ihr gar nicht so ungelegen.

Während die Verteidigerin des Gangrels sich mit dem Seneschall unterhielt der seine politischen Ansichten über die Lage Italiens zum besten gab schien es als ob der Mann auf der anderen Seite der Prinzessin ganz genau zuhörte... und am Ende amüsiert lächelte. Als ob er es für sehr interessant hielt was "Sizilien so alles tue". Wirklich zu beunruhigen schien ihn die Interpretation des Ventrues jedoch nicht.

Als Acacias Befragung geendet hatte winkte Melissa leicht ab. Sie hatte offenbar keine Fragen an den Ventrue. Wand sich stattdessen von der Tafel ab, das Gesicht zum Publikum, den Rücken zu den Geschworenen. Und ging einige Schritte auf Brimir selbst zu, der mit säuerlicher Mine dem Schauspiel folgte. Offenbar verstand auch er kein Latein und hörte den ganzen Abend nur die Dinge die Melissa mit ihren Zeugen durchging. Was Acacia wieder gut machte bekam er überhaupt nicht mit.

Die Tzimisce erhob erneut ihre deutliche Stimme: "Ich habe noch einige Fragen an den einzigen heute hier anwesenden Augenzeugen der Vernichtung des Nevio Apronius." kurz drehte sie den Kopf in Richtung der Prinzessin, die, wie bereits bei allen Zeugen zuvor, knapp nickte.

Melissa wandte sich erneut zu Brimir um: "Ich frage dich gerade heraus: hast du den Lasombra Nevio Apronius, genannt Allocer, vernichtet?"
Brimir legte den Kopf leicht schief: "Ich... weiß nicht."

Sie zog eine Augenbraue hoch: "Hast du ihrer Majestät gesagt das du ihn vernichtet hättest? Woraufhin dieser Prozess angesetzt wurde?" eine Geste untermalte das sie damit den Prozess meinte der gerae statt fand.
Die Ketten des Gangrels rasselten leise. Er nickte. "Ja, das habe ich."

"Ja? Das hast du? Und dennoch bist du dir nicht sicher? Möchtest du uns damit sagen, dass der hoch verehrte Lydiadas umsonst von Sizilien hier her gereist ist? Das du ihre Majestät der Lächerlichkeit preisgeben möchtest? Das wir hier alle unsere Zeit verschwenden?" der Ton war schärfer geworden.

Ein ungutes Knurren antwortete ihr, woraufhin sie einen Schritt zurück machte. Wieder rasselten Ketten. Dennoch schien die Tzimisce eine Antwort zu erwarten.

"Nein. Es war unübersichtlich. Alles war voller... Schatten. Alerios und Allocers. Ich wurde von allen Seiten attackiert. Und habe mich gegen die schattenhaften Gestalten gewehrt. Als ich schlußendlich entkam indem ich die Wand durchbrach hatte ich Blut und Asche an den Händen. Das ließ mich glauben ich könnte ihn vernichtet haben. Sicher bin ich mir aber nicht."

Die Tzimisce nickte: "Verfielst du während des Kampfes deinem Tier?"
Er schüttelte den Kopf: "Nein. Ich ritt es."

Sie blickte Brimir ein wenig irritiert an: "Du hast es geritten? Erkläre das." es gab eine kurze Pause, als ob der Gangrel nach den richtigen Worten in dieser, für ihn immernoch ein wenig fremden Sprache suchte: "Das bedeutet das ich die Kraft des Tieres für mich nutzte. Das ich es kämpfen ließ. Für und nicht gegen mich. Es wollte kämpfen. Und ich sagte ihm wen es bekämpfen sollte."

Melissa schien einen Moment zu überlegen, als ob sie diesen Gedanken nachverfolgen würde. "Du sagtest eben das Alerio und Allocers... Kräfte... wirkten und alles voller Schatten war. Alerio hat Allocer also ebenfalls attackiert?"

"Ich... weiß es nicht."
Eine Zornesfalte entstand auf der Stirn der Tzimisce, dann blickte sie zu Acacia, ihr den Zeugen zu übergeben. Sie ging zurück zu ihrer Position und wiederholte laut: "Ich stelle fest: Brimir schließt nicht aus es getan zu haben."
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Acacia
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Re: Das Mitternachtsurteil [Prozess]

Beitrag von Acacia »

Ihr Blick folgte Melissa, als diese sich dem Gangrel zuwandte und begann diesen zu befragen. Still lauschte sie den Worten und so manches Mal zuckte ein Lächeln um ihre Lippen. Dennoch war ihre Mimik wieder ernst, als sich Melissa von Brimir abwand und ihr das Feld überließ.
„Ich grüße dich, Brimir, Letzter der früheren Liktoren.“ Sie wandte sich ganz dem geknechteten und angeketteten Gangrel zu. Ruhiger Respekt lag auf ihren Zügen und sie brachte das Kunststück fertig nicht auf ihn herab zu sehen. „In jener Nacht, als du auf Allocer getroffen bist, hatten du oder deine Begleiter vor den Ancilla zu vernichten?“, erkundigte sie sich ruhig und trat dichter an den Gangrel heran. Offensichtlich hatte sie keine Angst vor dem wilden Nordmann, der sie zumindest optisch in einem Wimpernschlag zerreißen konnte. Der Gangrel vor ihr schüttelte den Kopf. „Nein, wir wollten ihn zu der höchstverehrten Prinzessin begleiten.“

„Stimmte der Getötete dieser Forderung zu?“ Brimir nickte und ein beruhigend wirkendes Lächeln lag auf den Lippen der Lasombra. „Was geschah danach?“ Ein Grollen drang aus der Kehle des Gangrels. „Er fiel mich feige von hinten an.“ „Er versprach also euch zu begleiten und brach gleich darauf sein Wort um euch in den Rücken zu fallen, woraufhin ein Kampf entbrannte, den der Ancilla ausgelöst hatte?“ Die Frage war offenbar rhetorischer Natur, denn sie gab sich erneut mit dem Nicken des Gangrels zufrieden. „Hätte er dich oder den abwesenden Liktor Alerio am Leben gelassen, wenn ihr euch nicht gewehrt hättet?“ „Nein, hätte er nicht. Er hat alles versucht um uns zu vernichten.“ Sie nickte leicht und gab dem Gangrel einen Moment Zeit um sich von der aufwühlenden Erinnerung zu erholen.

„Beim Kampf selbst setzte Allocer dir Kräfte seines Clans ein. Beschreibe die Dunkelheit.“, forderte sie ihn ruhig auf und fing den Blick Brimirs auf um diesen zu halten und ihm einen Fokuspunkt zu geben. Sie wusste ganz offensichtlich um jedes Wort, dass der Gangrel sprechen würde. „Es war dunkler als in einer Nacht ohne Mond und Sterne und überall waren Geister, die an mir rissen und versuchten mich zu verwirren. Ich konnte selbst mit meinen Kräften kaum etwas sehen.“ Sie nickte leicht. „Hat Alerio an deiner Seite gekämpft?“ „Ja, das hat er.“, antwortete der Gangrel ruhig. „Ist dir bewusst, dass viele Lasombra in der Lage sind die Dunkelheit des Abyss zu durchdringen und in ihr zu sehen?“ Überraschung malte sich deutlich auf den Zügen des Gangrel und für einen Moment blickte er Acacia mit zusammengekniffenen Augen an. Diese jedoch hatte ihre Mimik zu der einer Sphinx geglättet. „Nein, das wusste ich nicht.“

„Du wusstest, dass die Strafe für sie Vernichtung einen der unsrigen harsch ausfallen würde und obwohl du nicht sicher wusstest ob du es warst, der den Lasombra vernichtet hat, hast du die Schuld auf dich genommen. Hatte das auch etwas damit zu tun, dass du wusstest, dass Alerio – sollte er es gewesen sein – noch sehr viel härter bestraft worden wäre?“ Erneut nickt der Gangrel und Acacia neigte leicht den Kopf, ehe sie sich wieder den Geschworenen zuwandte.

„Sollte Bedarf daran bestehen kann ich die Kräfte, die Allocer gegen die ehrenwerten Liktoren unserer höchstverehrten Herrin anwandte, gern demonstrieren.“ Obwohl sie vollkommen ruhig sprach, klang eine leise Warnung … oder Drohung in der Stimme der Lasombra mit. So als wäre es alles andere als angenehm den düsteren Schatten ausgesetzt zu sein.
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Il Canzoniere
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Re: Das Mitternachtsurteil [Prozess]

Beitrag von Il Canzoniere »

Nach dem offenbar für sie kryptischen, für sie unverständlichen Gespräch zwischen Acacia und Brimir runzelte sie die Stirn und schüttelte leicht den Kopf. Als Acacia zu ihr hinübersah um ihr zu signalisieren das sie mit der Befragung fertig sei nickte die Tzimisce jedoch knapp, bevor sie sich wieder daran machte die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich zu ziehen: "Als nächstes würde ich gerne den Kult der Jagd befragen." ein Blick glitt über die Zuschauermenge, wer denn für dieses obskure Konstrukt sprechen würde...

Die Köpfe der Nonnen ruckten herum, starrten auf Melissa, wie ein Adler auf seine Beute starrt. Adler jagten Schleichen, das lag eindeutig in diesem Blick. Aber dazu gesellte sich eine gewisse Verwunderung. Offenbar hatten die beiden Frauen nicht damit gerechnet, von Melissa aufgerufen zu werden. Ohne dass eine Absprache erfolgt wäre, trat Maria Polemusa zurück und Maria Penthesilea trat vor.
Die Tzimisce betrachtete die sich näherende Nonne mit einem geringschätzigen Blick und sah sich dann noch einmal fragend um. Ob nicht irgendeine richtige Person sprechen wollen würde. Dann nickte sie. "Ich glaube es sind noch nicht alle bekannt mit dir. Falls du dich mit Status vorstellen könntest?" ein skeptischer Blick verriet das sie das nicht unbedingt für wahrscheinlich hielt.
Die Jägerin zog den Mundwinkel hoch, aber es lag keine Freude darin. "Ich bin Maria Penthesilea. Oberste Jägerin des Kultes in Genua. Der Kult ist Geißel. Ich spreche für den Kult." Sie legte die Hände übereinander. "Meine größte Jagd - in dieser Stadt: Das Erlegen von vier Jägern. Vom Clan der... Jagd." Sie schien von dieser Titulatur nicht viel zu halten, aus naheliegenden Gründen. "Von den Assamiten."
Sie schaute Melissa für einen Moment gleichmütig an, dann fügte sie hinzu: "Ich habe viele Namen getragen. Herzsucherin, Waldgeist, Schatten nannte mich die Beute."
Ein leichtes Lächeln stahl sich bei der Erinnerung auf ihre Lippen. "Schülerin, Gefährtin, Jägerin nannten mich die Starken." Ihre Augen suchten die von Melissa. "Hure des Teufels. Im Habit. So nannten mich die Schwachen." Ihr Grinsen zeigte nun Zähne.

Die Tzimisce sah sich - ein wenig gespielt - irritiert um. "Ich fragte nicht nach Titeln oder Errungenschaften. Sondern nach einem Status... und den kann ich aus deiner Antwort leider nicht heraushören. Das bedeutet du bist statuslos? Oder gar kein Kainit? Was bist du dann? Ghul? Mensch?"
Ein nachsichtiges Lächeln lag auf dem Gesicht der Nonne, als sie langsam und deutlich wiederholte: "Ich bin Oberste Jägerin. Des Kultes. In Genua." Damit war offenbar für sie alles bezüglich ihres Status gesagt. Ein entschuldigender Blick zum Publikum und ein Blick auf Brimir zeigten, dass sie sich wichtigeren Dingen zuzuwenden wünschte.
Melissa sah sich ein wenig ratlos um runzelte die Stirn "Ich frage das nicht aus formellen Gründen. Wenn du ein Mensch oder ein Ghul bist dann müssen wir dein Verhältnis zu den Traditionen anders bewerten. Und wenn du ein Ghul bist würde ich gerne wissen wessen Interessen du vertrittst. Da du hier zum Verhältnis des Wege der Jagd, dem Brimir folgt und den Traditionen, die er gebrochen hat, aussagen sollst ist dies eine wichtige Information die wir den Geschworenen nicht vorenthalten dürfen." offenbar hatte sie nicht vor in dieser Sache klein bei zu geben.

Die Nonne schloss die Augen für einen Moment und atmete aus. Dann sagte sie langsam, zu den Geschworenen gewandt: "Ich vertrete den Kult der Jagd. Und seine Interessen. Die Traditionen sind dem Kult bekannt. Der Kult respektiert und befolgt die Traditionen." Sie machte eine kurze, bedeutsame Pause. "Ich respektiere und befolge die Traditionen."
Einen Moment schien die Tzimisce zu überlegen ob das ausreiche, dann nickte sie. "Gut. Dann können wir ja jetzt zu meinen Fragen kommen." und schob damit der Nonne den schwarzen Peter zu, sich solange damit aufgehalten zu haben. "Du sagst du sprichst für den Kult der Jagd. Ist Brimir ein Teil dieses?"
Ein Kopfschütteln, dann sagte Maria Penthesilea: "Nein. Brimir folgt unserem Weg. Er ist ein Freund. Aber er ist kein Mitglied des Kultes."
Der musternde Blick lag noch einen Moment auf Penthesilea, dann fuhr sie fort: "Euer Weg? Du meinst den via bestia? Den Weg der Jagd? Folgt ihr diesem Weg nur oder lehrt ihr ihn auch?"
Die Jägerin lächelte weiterhin. Ein füchsisches Lächeln. Es erlosch, sobald ihr Blick Melissa verließ, kehrte aber unweigerlich zurück, wenn er die Tzimisce wieder fand. "Unser Weg ist der Weg der Jagd", sagte sie. "Wir leben ihn. Wir lehren ihn. An alle, die ihn suchen."
Sie kniff die Augen ein wenig zusammen. "Der Weg des Tieres ist nicht unser Weg. Die, die ihn gehen: Sie stehen uns nahe. Aber nicht wie Brüder. Wie Vettern, vielleicht." Eine kleine, enttäuschte Geste mit der Hand. "Viele verstehen uns nicht. Sie denken: Simple Tiere. Oder sie prahlen mit Geheimnissen der Jagd." Sie schaute Melissa bedeutungsvoll an. "Sie wissen nichts. Und reden viel."
Nun lächelte auch Melissa, zuckersüß. Bevor sie mit ein wenig lauterer Stimme als zuvor fortfuhr: "Ihr lehrt den Pfad der Jagd, seid also so etwas wie Aschepriester auf diesem? Das trifft sich gut: ich habe eine theologische Frage diesbezüglich: gibt es eine... Richtlinie ... die das Töten in Gefahrensituationen angeht? "

"Ah", sagte die Nonne leise. "Ich sehe. Ja. Theologie." Sie legte die Hände zusammen. "Die Christen etwa. Ich habe gehört: 'Liebe deinen Nächsten.' Und ich habe gehört: 'Ich bringe nicht Frieden. Ich bringe das Schwert.'" Sie hob die Hand um eventuellen Einwänden zuvorzukommen. "Gehe ich zu einem Volk und predige: Liebe. Gehe ich zu einem anderen Volk und predige: Schwert. Welches dieser Völker versteht die Botschaft? Welches kennt das Wort Gottes?"
Dann, halb zum Publikum gewandt, sagte sie: "Keines von beiden. Wie sollen sie auch? Glaube ist schwierig. Eine kleine Seite zu sehen - das wird ihm nicht gerecht." Wieder zu Melissa: "Ja. Es gibt eine... Richtlinie. Sie besagt: Töte lieber, als getötet zu werden."
Eine hochgezogene Augebraue offenbarte die Skepsis Melissas über diese Aussage und nickte, ein wenig säuerlich "Wir haben sicher alle die heilige Schrift gelesen. Danke..... Aber um auf den von mir gefragten Teil deiner Antwort zurückzukommen: meinst du nicht das das in direktem Widerspruch mit der Tradition der Vernichtung steht? Das es einen Angriff sofort mit Vernichtung kontert?"
"Sofort?" Die Nonne breitete die Arme aus. "Sagte ich sofort?" Sie blickte Melissa an, offenbar schwer enttäuscht. "Das ist, was ich meinte: Du hörst etwas. Verstehst es nicht. Und denkst doch, du hast begriffen." Leiser, aber gut vernehmlich fuhr sie fort. "Töte lieber - als getötet zu werden. Wenn das eigene Leben..." sie neigte den Kopf "Wenn die eigene Existenz gefährdet ist - nur dann - tötet der Jäger."
Sie schaute Melissa an, als sei die Schlussfolgerung ganz logisch, fuhr dann aber doch fort: "Die Tradition besagt: Die Ältesten entscheiden. Über Leben und Tod. Aber - dringt jemand in deine Zuflucht ein." Sie machte eine kurze Pause, beinahe nicht wahrnehmbar. "Er greift dich an. Will dich vernichten. Du kannst ihn nicht niederringen - aber ein Biss kann dich retten. Ihn vernichten. Dann?" Sie nickte. "Das ist der Beginn der Verständnisses. Der Richtlinie."

Offenbar mit der Antwort zufrieden nickte sie: "Äußerst schade das du lügen musst. Wenn euer Kult den Pfad der Jagd vertritt und ihr - laut deiner Aussage - nur tötet wenn euer Leben in Gefahr ist, wie kommt es das ihr vor den Augen des hier Anwesenden Gaius wahllos meinen Diener Menelaos erschossen habt? Das ihr in meine Zuflucht eingedrungen seid und dort Bedienstete, Frauen und Kinder ermordet habt? Der Gestank euer Seele waren überall. Die wilde Jagd ermordet seit Jahren wahllos, ohne direkt mit dem Tod bedroht zu werden. Sag: ist diese wilde Jagd das Werk des Kultes oder Brimirs? Und der sogenannte Werwolf? Auch er hat Tote gefordert und es gibt mehr als ein Dutzend Augenzeugen die berichten wie du, Penthesilea, dich in einen Wolf verwandelst. Lügen sind aus dem Maul eines Kainiten schon schwer zu ertragen. Aus dem Mund einer statuslosen Sterblichen sind sie schlicht beleidigend. Wenn dies der Weg ist, auf dem ihr Priester seid, wo Mord ein legitimes Mittel der Kommunikation ist und euch nicht einmal ein hohes Gericht vom Lügen abhalten kann, dann fürchte ich um eure Schäfchen." ein vielsagender Blick glitt zu Brimir hinüber, dem Melissa nun offenbar die selben Schandtaten zutraute wie seinen Priestern. Mit einem Wink schnitt sie jede Antwortmöglichkeit ab und nickte Acacia zu.

Die Nonne ließ die unzusammenhängende Tirade über sich ergehen, offensichtlich zu verblüfft um etwas zu erwidern. Sie öffnete den Mund, dann schloss sie ihn wieder und wartete einfach ab. Das Lächeln erschien erneut auf ihren Lippen und je länger Melissa sprach, desto breiter wurde das Lächeln, diesmal deutlich echter als zuvor. Aber sie sagte nichts mehr und wandte sich schlicht Acacia zu, Melissa keines Blickes mehr würdigend, so wie man ein tobendes Kind ignoriert.
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