Morgenwind und Schatten (offen)

[November 16]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Sousanna
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Re: Morgenwind und Schatten (offen)

Beitrag von Sousanna »

Gut, noch war nichts allzu Schreckliches gesehen. Und er hatte tatsächlich etwas so Ruhiges an sich. Etwas dass sich wie Balsam über ihre aufgekratzte, von Sorgen und Befürchtungen gepeinigte Seele goss und sie wie ein Kind nicken ließ, dem die Mutter ein Schlaflied vorgesungen hatte. "Ich danke euch sehr für eure Güte und die Freundlichkeit.", lächelte sie matt und fuhr sich durchs Haar. "Wie ihr bereits gemerkt habt bin ich... nicht wirklich geübt im Umgang mit unseres Gleichen. Tatsächlich gab es bei den meisten Kontakten unschöne Folgen... Darum habe ich es bisher gescheut mich vorzustellen - auch wenn ich schon ein paar Nächte hier bin." Seine Ausstrahlung brachte sie einfach dazu, zu vertrauen. Jemand der so ruhig war, konnte entweder sehr gute oder sehr schlechte Gedanken haben. Aber gerade wollte sie vertrauen.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
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Friedrich Hölderlin
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Gaius Marcellus
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Re: Morgenwind und Schatten (offen)

Beitrag von Gaius Marcellus »

Gaius schmunzelte, ein paar Nächte, nun gut... doch vorgestellt hatte sie sich noch nicht.
"Fürchtet nicht... wart ihr anerkanntes Teil der Familias von Byzanz, oder seid ihr dort bereits auf eure Klage der Vergangenheiten gestoßen?

In Genua sind die Nächte nicht so streng... berichtet mir doch ein wenig und wagt ruhig eure rechte Vorstellung. Keine Gefahr für euch geht davon aus, wenn ihr den Traditionen folgt."
und kein Baali seid... dachte er sich. Doch sie eine Teufelsanbeterin... nunja, man wusste nie.

Gezielt tat er nicht erneut den ersten der Schritte, er wollte die Worte aus ihrem Munde hören, doch suchte er sie in der Ruhe des Momentes einzufangen, einem Flüchtling einen Augenblick der Erleichterung zu verschaffen... das war gar mehr als eine sichere Gesprächsstrategie, das war Heilkunde... außer, was wäre, wenn es sich wahrhaft um eine zurecht gejagte handeln würde?
Ich hab heut Nacht vom Tod geträumt,
er stand auf allen Wegen,
er winkte und er rief nach mir so laut.

Er sprach mein Leben sei verwirkt,
ich sollt mich zu ihm legen,
ein frühes Grab sei längst für mich gebaut,
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Sousanna
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Re: Morgenwind und Schatten (offen)

Beitrag von Sousanna »

Sousanna seufzte. Es klang so förmlich. Schon fast so wie ein Gerichtsverfahren. Allein deswegen scheute sie schon die Gesellschaft von anderen Kainskindern... Doch er hatte sie schon in seinen Fängen. Und wenigstens wirkte er nicht bösartig. Viel eher hilfsbereit und besorgt darum, dass alles in richtigen Bahnen lief. Blieb nur zu hoffen, dass das Ganze auch so blieb, denn im Augenblick benahm er sich eher wie der ritterliche Beschützer. So etwas warf man nicht einfach weg.

"Ich bin eine Neonatin der Ravnos", erklärte sie also mit einem verlegenen Lächeln. Scheinbar schämte sie sich ein wenig dafür, eine solche Vorstellung nicht früher geliefert zu haben. "Und ja, ich war anerkannt. Nie gab es in dort Beanstandungen gegen mich" - Nun gut, es war zumindest nie etwas von ihren Machenschaften an die Öffentlichkeit gedrungen. Außerdem hatte sie stets dafür gesorgt, den wichtigeren Leuten wenn dann nur im Positiven zu begegnen. "Aber wenn ihr euch dazu bereit erklären würdet - natürlich nur, wenn es euch keine Umstände machen würde, dann wäre ich euch sehr dankbar, wenn ihr mir zumindest sagen könntet, wie und wo ich hier vorstellig werden kann, um endlich wieder guten Gewissens in dieser Stadt umherwandern zu können."
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Gaius Marcellus
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Re: Morgenwind und Schatten (offen)

Beitrag von Gaius Marcellus »

"Seid willkommen in Genua, Sousanna von den Ravnos." das alte Griechisch schmeichelte dem Clansnamen, der Ritter vor ihr hatte nur einen Moment verweilt ehe er selbst sprach, hatte er seine Bedenken verschluckt? Oder trug er gar weniger, als andere Sippen?
"Ich selbst bin Gaius von Genua, Neugeborener der Salubri und Liktor der Domäne. Gerne nenne ich euch jene Orte an welchen ihr die Ädile der Stadt finden könnt, die eure förmliche Vorstellung annehmen werden. Je rascher, desto besser. Der Bischofspalast selbst und das Elysium in der Kirche San Donato in Broglio.
So ihr als Händlerin fähig seid zu schreiben ist eine Latinsche Ankündigung eurer Ankunft sicherlich ein Vorteil."

Er lächelte milde, stockte kurz, dies war der Zeitpunkt, an dem die Gegenleistung eingefordert würde... doch der Salubri wartete nur kurz, bei einfachem Zeichen von Interesse und Annahme gab er ohne konkrete Forderung den Vorteil preis "Im Bischofspalast findet ihr.." er stockte, sprach langsamer, wohl um eine Einprägung besser zu erlauben, doch ohne dies ganz deutlich zu machen "Den verehrten Maximinianus, Ancilla aus dem Blute der Könige, Seneschall der Domäne Genua, Ädil ihrer Majestät Aurore von Genua, Kind des Giacomo di Camaiore, Ahn des Clans der Könige zu Florenz, Kind des Platynus, Ahn des Clans der Könige und Seneschall der Domäne Parma, Kind des Gildo, Ahn des Clans der Könige und Voltumna des etruskischen Bundes, Kind des Caracallas, Ahn des Clans der Könige und Herrscher der Zwölf Städte, Kind des Lucius Tarquinius Priscus Ahnherr des Clans der Könige, Fürst des etruskischen Bundes und seiner Verbündeten, Kind Ventrues, erster seines Blutes und König der Könige, Kind Enoch des Weisen, Kind des Kain, des Vater..." so förmlich dieser Titel klang, so unmerkbar er für die meisten wohl wäre, so wertvoll könnte er sich erweisen... ein kleines Geschenk, an einem lauen Hafenabend. Ob in der Hoffnung Sousanna würde sich die Gefälligkeit merken und zurückerweisen oder aus reiner Zuneigung oder gar Mitleid ihrem Hause gegenüber? Der hohe Clan der Salubri galt immerhin auch als Wanderer...

Ein wenig später fuhr er fort "Im Elysium der Kirche San Donato könnt ihr die Wohlwerte Acacia della Velanera, Neugeborene vom Clan Lasombra, Erste ihres Blutes zu Genua, Hüterin des Elysiums San Donato, Kind Alexanders, Ahn der Schatten zu Pisa finden. Sie ist eine sehr... elegante und formvollendete... Meisterin des Handels." auch hier eine deutlich ausführlichere Benennung, gar mit einem inhaltlichen Hinweis?

"Was genau führt euch nach Genua? Ihr spracht wie von Vertreibung und doch über Annahme durch die großen der Perle des Bosporus? Ist eine lokale Jagd auf euch ausgesetzt oder bringt ihr wichtige Feinde hinter euch gegenüber welchen wir Liktoren der Domäne ein wachsames Auge hegen sollten?" die Fragen waren deutlich... formalen Inhalts... aber irgendwo weicher, näher, persönlich interessierter? Die so vielen gewohnte Schärfe der Prüfung und Anklage fehlte...
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Sousanna
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Re: Morgenwind und Schatten (offen)

Beitrag von Sousanna »

Aufmerksam hatte die Ravnos zuhört. Die Augen leicht geschlossen und immer wieder genickt zum Zeichen, dass sie verstanden hatte und das Wissen aufnehmen würde. Bei der Aussprache ihres Clansname, den der Ritter vor ihr tatsächlich ausgesprochen hatte, wie jeden anderen, - ohne das sonst so typische Stocken oder Naserümpfen, war eine kurze Überraschung in ihrer Miene aufgeblitzt. Ein Zeichen für schlechte Erfahrungen - und vielleicht einer der Gründe, weshalb sie sich so lange bei niemandem in der Stadt gemeldet hatte.

Bei der Nennung der Titel dann, hatten sich ihre Augen leicht geschlossen und die Lippen hatten die Worte lautlos nachgeformt. Das Lernen war dieser jungen Frau offenbar nicht fremd. In höchster Konzentration hatte Sousanna gelauscht und sich bemüht möglichst jedes einzelne Wort in sich aufzusaugen, wie ein Schwamm das klare Wasser. Bei den Fragen an sie selbst hatte sich ihre Haltung wieder gelassener gezeigt, so dass sie mit einem gefassten Lächeln antworten konnte: "Als Dank für Eure Informationen werde ich Euch ehrlich antworten - auch wenn es tatsächlich eine Schmach ist, all das zuzugeben. Aber sollte Ihr jemals etwas anderes von mir brauchen, werde ich alles tun, um Euch Eure Freundlichkeit zu vergelten..."

Ein kurzes Schweigen, als wolle sie sich sammeln um einen möglichst ausführlichen Bericht liefern zu können, dann begann sie zu berichten - und während sie sprach schweifte ihr Blick in weite Ferne, war wohl wieder ganz in ihrer Heimatstadt, der Perle des Bosporus angekommen: "Ich war bereits vor meiner Wiedererweckung mit der Kunst des Handels vertraut. Ich ging meinem Vater bei seinen Geschäften zur Hand - und alle sagten, ich sei talentiert. Caspar, mein Erzeuger, ermunterte mich ebenfalls diesem Handwerk auch nach dem Biss nachzugehen. - Und als Tochter des Kains schien mein Glück zunächst grenzenlos. Ich machte schnell Erfolge, war im Stande mit den seltensten Waren zu handeln und träumte von einer rosigen Zukunft..."

Ein verträumtes, dennoch bitterer Ausdruck verschleierte ihr Gesicht und es umgab sie die bittersüße Aura wunderbarer Erinnerungen, die zu einer grausamen Gegenwart führen würden. Ein schweres Seufzen... "Aber ich war jung und ließ mich vom Erfolg bezaubern. So trat ich mit meiner noch recht kleinen Existenz in einen Händlerkrieg ein, von dem ich tatsächlich glaubte ich könnte ihn gewinnen... Als ich aus meinem selbstüberschätzenden Wahn erwachte, war bereits alles verloren und nun..." Ihr Blick wurde wieder klarer und sie sah ihn traurig an. "Gibt es viele in Konstantinopel, die mich nicht mehr gerne dort haben wollen. Ich bin nicht wichtig genug, als dass sie mich tatsächlich verfolgen würden, doch dort kann ich nicht mehr bleiben..."
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Gaius Marcellus
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Re: Morgenwind und Schatten (offen)

Beitrag von Gaius Marcellus »

Der Liktor nickte "In einem solchen Fall habt ihr hier wenig zu befürchten, eure Ehrlichkeit auch auf negative Erfahrung ehrt euch. Ich bin angehalten euch noch nach einer aktuellen Zuflucht zu fragen, in der euch Boten erreichen könnten, so dies nötig ist." er lächelte milde "Das soll mir als formaler Teil dann aber auch reichen. Sucht einfach so schnell als möglich einen der Ädile auf und unterlasst bis dahin bitte die Jagd, solang euch euer Tier noch nicht gefährdet. Die Gesellschaft der Nacht Genuas ist klein genug, um die Stille des Blutes und die Sicherheit und Gesundheit der Herde ihrer Majestät allzeit aufrecht zu erhalten und Wert darauf zu legen."

Er stoppte langsam, ließ das Wort in der leicht aufkommenden Briese verwehen und setzte dann doch wieder in jenem Satz an
"Und auch, um Platz für frisches Blut aus unbekannten Häusern Raum zur Entfaltung zu geben..." der Tonfall hatte sich geändert, jetzt wirkte Gaius nicht einfach erhaben mild, sondern ging deutlich eher auf eine freundliche Aussprache hin... soweit seine Sprachkenntnisse dies erlaubten.

"Nachdem dies erledigt ist, darf ich euch zu einem gemütlicheren Moment in einer meiner Zuflüchte einladen? Das Domus Medicorum ist um diese Stunden noch gänzlich öffentlich zugänglich und als Ort der Entspannung, gerade nach einer Reise, auch für unsereins sehr angenehm." er lächelte "Dort gibt es auch von jenen Duftölen, die euch so verzaubert zu haben scheinen... auch wenn der Ort natürlich keine Byzantinsche Pracht entfalten kann. Außerdem wisst ihr dann wo ihr eine Ansprechsperson der Stadt findet, wenn dies nötig wäre." er lächelte bescheiden und ehrlich "Ich würde gerne, auch über die Auskunftspflicht, mehr von euch hören... womöglich ein paar Verse zum zweiten Rom austauschen...
hier in der Stadt, umringt von den Mauern Kaiser Karls, gibt es einen Sangspruch zu unserer alten Heimat..." er lächelte amüsiert beim Gedanke "Nicht der Löblichste wohl, jedoch steckt ein funken Wahrheit mit darin..."
freimütig setzte der Liktor zur Rezitation an, wohl sprach er den Vers auf Italienisch, dort aber in schönster Skandierung, als wäre die Verskunst allzeit an seiner Seite.

"Kaiser Karl, der nimmermüde
Seiner Lande wohl bedachte,
Sandt’ auch einstmals einen Boten
Hin zum Hofe von Byzanz.

Dort empfing man ihn mit Ehren,
Setzt’ ihn an des Kaisers Tafel,
Und ihm ward sein Platz gewiesen
Mitten in der Großen Kreis.

Nun war ein Gesetz gegeben,
An des Kaisers Tische dürfe
Niemand auf die andre Seite
Wenden, was ihm vorgelegt.

Doch der Franke, dieser Satzung
Unerfahren, wendet’ arglos
Seinen Fisch, der andern Seite
Ebenfalls ihr Recht zu tun.

Da erhoben sich die Fürsten
Mann für Mann, des Kaisers Ehre
Zu vertreten wider solche
Unerhörte Freveltat.

Und der Kaiser sprach mit Seufzen:
„Zwar dein Leben ist verfallen;
Doch es steht vor deinem Ende
Dir noch eine Bitte frei.

Was es immer sei, ich will es
Dir gewähren.“ Und der Franke
Dachte nach, und sprach bedächtig:
- Alles lauschte seinem Wort. -
„Eine kleine Bitte hab’ ich,
Eine einz’ge nur, Herr Kaiser.“
Und der Kaiser sprach: „Wohlan denn,
Sprich: sie ist voraus gewährt.

Nur das Leben dir zu schenken,
Ginge gegen unserer Väter
Allgeheiligte Bestimmung;
Jedes andre steht dir frei.“

Drauf der Franke: „Gerne sterb’ ich.
Nur ein einziges begehr’ ich,
Eh’ sie mich zum Tode führen;
Wer den Fisch mich wenden sah,

Soll das Augenlicht verlieren.“
Und der Kaiser rief erschrocken:
„So mir Gott, die andern sagten’s.
Ich, ich habe nichts gesehn.“

Und die Kaiserin desgleichen:
„Bei der heil’gen Gottesmutter,
Bei der Königin des Himmels
Schwör ich, dass ich nichts gesehn.“

Und des Reiches Große schwuren,
Bei den Fürsten der Apostel,
Bei der Engel und der Heil’gen
Scharen, dass sie nichts gesehn,

Also schlug der schlaue Franke
Sie mit ihren eignen Waffen.
Und er kehrte wohl und munter
Wieder heim ins Frankenland."


Gen Ende lächelte der Ritter verschminzt und etwas Nostalgisch. Blickte zu Sousanne, ob sie erbost oder amüsiert war, und sein Angebot für ein paar entspanntere Stunden annehmen wollte. Ob die restlichen Verse zu Byzanz weiterhin lyrischer Art gedacht waren, oder simpel Erzählungen wie die ihrige, stand wohl offen in der Nacht...

[#Gedicht von Paul von Winterfeld, 19. Jh.]
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Sousanna
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Re: Morgenwind und Schatten (offen)

Beitrag von Sousanna »

Sie lächelte leicht und antwortete wieder sehr ehrlich: "Im Augenblick tage ich in einem kleinen Keller." Ruhig fügte sich auch eine genauere Beschreibung des Ortes hinzu. Dann fügte sie mit einem ernsten Nicken hinzu: "Ich werde auch ganz sicher fürs Erste nicht jagen." Dazu musste sie die Orte allerdings genauer kennen. Sonst würden sich bei ihren Umständen noch mehr Schwierigkeiten ergeben. Dazu war sie dadurch gewohnt, abzuwarten, bis sich eine günstige Gelegenheit ergeben würde.

Auf seine Einladung hin, schenkte sie ihm einen glühenden Blick. Solange sie auf die Gunst eines Lictors zählen konnte, würde sie sich fast überall hin einladen lassen. Vor allem, da sie ja ohnehin zu diesem Ort hatte gehen wollen - und er ihm zumindest zu einem Teil gehörte. So bestätigte sie seine Bitte mit einem kleinen Nicken und lauschte der Rezitation mit geschlossenen Augen und einem verträumten Lächeln. "Ich wäre sehr glücklich Euch begleiten zu dürfen und will auch gern Rede und Antwort stehen. - Zwar bin ich nicht sonderlich in der Kunst der Poesie gebildet, doch ich kann euch vielleicht mit weiteren Geschichten von unserer geliebten Stadt unterhalten."
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Gaius Marcellus
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Re: Morgenwind und Schatten (offen)

Beitrag von Gaius Marcellus »

Der Liktor, nein, der Salubri, er lächelte mild. Führte die junge Frau mit ausladenden Erzählungen durch die Stadt, durch das Hafenviertel in den Nordosten, in den Handwerkerbezirk Domus. Beschaulich, kleine prachtlose Gebäude, eifrige Betriebe, wenig Größe war hier zuhause... er erläuterte ihr die Kirchen die sie passierte, 16 solle Genua haben, und die ein oder zwei Senatorenvillen die sie passierten. Im Zentrum von Domus kam er vor einem Haus zu stehen, es war wohl nach der Senatorenvilla das Größte und vollständig steinern erbaut. Pracht hatte es dennoch wenig. Aber es war noch Leben an dem Ort, er hatte Wärme... echte Wärme... und irgendwo, mehr?

"Willkommen in meinem bescheidenen Wirkungszentrum, treten ein, das Domus Medicorum ist ein Ort von Geselligkeit und Heilung." er lächelte herzlich und führte sie in seine Hallen. Noch gut ein halbes dutzend Gäste saßen an verschiedenen Tischen, Aßen und Tranken, zwei Männer - einer Jung einer Älter - bedienten sie. Die Stimmung war nicht unausgelassen und aus dem Nachbarraum spürte man leicht die Wärme des Tages... dort standen wohl Badezuber... und winzige Reste der feinen Gerüche entstiegen auch aus jenen Räumen. Warum der Kainit sich nicht in seinem eigenen Heilerhaus hatte Frisiren lassen?... eine gute Frage.

Gaius nahm einen Platz, etwas abseits vom Geschehen, ein. Wenig später kam der Wirt und grüßte ihn freundschaftlich, die Dame Sousanna sehr höflich, er fragte nach Wünschen und Gaius entschied rasch für beide, indem er verzichtete. Die beiden Männer die noch zuvor am Hafen waren waren ihnen bis ins Haus gefolgt, doch führten ihre Schritte sie ins Obergeschoss.

"Nun denn, Sousanna, gefällt es euch? Erzählt doch etwas mehr von Konstantinopel... mein letzter Aufenthalt dort ist sicher ein halbes Menschenleben her..." sinnierte er schwelgend. "Und von euch... was habt ihr gehandelt?" die Stimme war ruhig, neugierig, ungewöhnlicherweise hatte sie die Verhörtendenz gänzlich abgelegt aber noch nicht durch eine geschäftige Stimme oder Ähnliches ausgetauscht...
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Sousanna
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Re: Morgenwind und Schatten (offen)

Beitrag von Sousanna »

Aufmerksam und ruhig hatte sie ihm zugehört. Irgendwie war es sehr angenehm, sich einfach so durch die Stadt führen zu lassen. So als wäre sie eine ganz gewöhnliche Besucherin. So war auch Sousannas Gebaren ausgelassener, weniger angespannt geworden als im ganzen, bisherigen Gespräch. Sie hatte aus ehrlichem Interesse nachgefragt und immer wieder sehr interessiert zugehört, was ihr ihr Fremdenführer zu berichten hatte.

Das Folgen der beiden Männer war der Ravnos natürlich aufgefallen, doch es wirkte nicht so als wolle ihr Gaius etwas Böses - auf jeden Fall tarnte er es sehr elegant, wenn dem so war - und so hatte sie es als Gegebenheit hingenommen und kein Wort über diesen Umstand verloren. Es erschien ihr einfach unhöflich.

Sanft lächelte sie ihn an und antwortete dann ehrlich: "Ich danke Euch sehr für Eure Gastfreundschaft. - Um ehrlich zu sein, ist diese Stätte hier das Erste wirklich ... ansprechende, das ich hier sehe..." Tatsächlich mochte sie die schlichte Qualität die an diesen Mauern lastete und die Atmosphäre war schlicht und ergreifend sehr angenehm. Die guten, einfachen Dinge des Lebens brauchten keinen großen Luxus. "Ihr wollt von Konstantinopel hören?", fragte sie dann nachdenklich. "Dann sagt mir am Besten, wo ihr damals wart und was ihr bereits kennt - ich will euch nicht mit Belanglosigkeiten langweilen nachdem ihr mir so freundlich gegenüber gehandelt habt." Ob sie nun bewusst oder unbewusst auf die Erwähnung ihrerselbst verzichtet hatte, war nicht zu sehen, doch es war sehr deutlich, dass sie die Stadt ihres Herzen zunächst einmal für wichtiger erachtete.
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Re: Morgenwind und Schatten (offen)

Beitrag von Gaius Marcellus »

Er lächelte bei dem geschickten Zug der Fremden "Ich reiste vor einigen Dekaden mit meinem Erzeuger und dessen Gefährtin, ein Historiker und eine Kriegerin, nach Konstantinopel. Später wollten wir nach Zypern siedeln. In der großen Metropole galt es alte Gebäude aus der dort noch so sanft lebenden Vergangenheit zu sehen... die Pracht des zweiten Roms nutzen, darunter die Pracht des Ersten zu erkennen. Für die Sethskinder sind diese Städte wie für die unsrigen die erste und zweite, wie mir scheinen will...
Ich sah die großen Kirchen, die großen Türme, wandelte vor die Pracht eines der... wie nannten sie sich? Jene, die meinem ehrbaren Erzeuger und seinem Gefolge Aufenthaltsrecht zusprachen. Eine große Fassade unendlicher Macht selbst in den einfachen Amtsträgern...
Wir bereisten auch die Genuesen und Venezier Quartiere, all jenes der Lateiner... auch wenn der Handel meinen Erzeuger nie gewinnen konne." lächelte er in alten Erinnerungen. "Aber viele meiner Erinnerungen sind aus menschlicher Sicht alt, vieles wird sich entwickelt haben...

Wie steht es mit euch, ihr habt gehandelt.. womit?"
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