Zweitkontakt [Sousanna, Angelique]

[Angelique]

Kaum verließ die raffinierte Ravnos des schurkischen Schneiders Schuppen, folgte ihr auch schon ungesehen die kleine Krähe unter den aufgeplusterten Flamigos der Nacht Genuas.

Als sie weit genug gegangen war und sicher, dass des Brudermörders brutale Burschen der nichtsahnenden Neonatin nicht folgten, da trat sie vor ihr aus einer Gasse und lächelte sie freundlich an.

"Oh, Sousanna, schön dich wohlbehalten anzutreffen! Schiavo!"

[Sousanna]

Als das Mädchen vor ihr auftauchte, zuckte die Ravnos unwillkürlich zurück und die mit solch langen Wimpern versehenen Augen zuckten rasch zu möglichen Fluchtwegen hin. "Guten Abend Angelique", erwiderte sie mit scheuer Freundlichkeit. Wenn Fabrizio recht hatte und es die Kainitin selbst gewesen war, die ihre Waffen zurück geholt hatte, dann steckte sie nun, da sie ihm entkommen war, in bedeutend größeren Schwierigkeiten.


"Es erfreut auch mich, dich wohlbehalten hier stehen zu sehen.", gab Sousanna zurück und sah sich besorgt nach Wächtern des Mädchens um. Würde man sie tatsächlich hier auf der Straße überfallen? "Ich hatte schon gefürchtet..."

[Angelique]

Angelique lachte herzhaft. "Dein Gesicht! Das solltest du mal sehen! Wie eine ertappte Diebin!"

Das Mädchen grinste schelmisch. "Was immer dir der Brudermörder für meine Armbrüste versprochen hatte, es war zuwenig, wenn du dich dafür mit mir anlegen musstest. Aber besser ich, als hättest du Acacias Lakaien welche gestohlen. Ich verzeihe dir, andere vielleicht nicht."

Ein bißchen schmollte das Vampirkind. "Warum hast du mich nicht um die Armbrüste gebeten. Ich hätte einen noch feineren Scherz treiben können. wenn ich gewollt häte. Ich hätte sie sabotieren und mit Weihwasser tränken können...oder mit Leim und Fäkalien. Das wäre so lustig geworden und dir wahrscheinlich ausgesucht todbringend.

Aber ich wollte wissen, was dahinter steckte. Ob du von dem Mörder meines Liebsten gedungen warst, mir absichtlich zu schaden."

Fröhlich fügte sie hinzu: "Auf den Schrecken hin, sollten wir uns ein Bad gönnen, meinst du nicht? Da können wir entspannter plaudern."

[Sousanna]

Sousanna starrte das Mädchen an als hätte es so eben verkündet, es würde innerhalb von einer Nacht quer durch die Welt reisen.
Perplex fuhr sie sich durchs Haar. Hochrot vor Scham und Besorgnis waren die Wangen der Ravnos. "Ich ... es war ... ich habe... Tatsächlich nicht nachgedacht.", gab sie völlig irritiert zu. "Doch ich kann dir ehrlich sagen, dass es mir leid tut."
Aber offensichtlich wollte ihr das Vampirkind nicht sofort an die Kehle. "Wenn ... wenn du das möchtest, begleite ich dich aber gern zu einem Bad."

[Angelique]

"Juchu", jubelte das Mädchen und hüpfte begeistert auf und ab.

Es ergriff mit seinem kleinen, kühlen Händchen die fast warme Hand der jungen Frau, die so lebendig rosig wie eine frische, an Kohlenmonoxid verendete Leiche war.

"Ein guter Freund von mir hat ein Badehaus, da können wir uns im warmen Zuber aalen und über Fabrizios Doofheit lästern."

Angelique lächelte verschmitzt. "Du hast ihm Widerworte gegeben. Das mag er bestimmt nicht, der Herr Gesandte. Und wir sollten uns überlegen, welche Teufelei er für die morgige Nacht auf dem Friedhof plant....und warum er dein Blut unbedingt trinken will."

Das Mädchen stutzte kurz, lachte verlegen. "Ups, ja", gab sie zu, "ich habe euch zwei belauscht. Denn ich wollte zur Not helfend eingreifen, wenn er dir ans Leben für meinen Scherz gewollt hätte."

[Sousanna]

Die Ravnos lächelte das Mädchen dankbar und weich an. "Ich glaube, nach dem, was ich da getan habe, musst du dich nun wirklich nicht dafür entschuldigen, dass du gelauscht hast.", erwiderte sie mit dem leichten Funkeln in den Augen, dass von einem gewissen Gefallen an solchen ... ungehörigen Taten sprach. "Aber ich bin dir sehr dankbar, dass du über mich hast wachen wollen - und noch dankbarer bin ich, dass dieser Schleimbatzen dich nicht hat finden können." Sie sprach das Schimpfwort mit einem gewissen Genuss aus.

"Aber ja", wurde sie dann etwas nachdenklicher und die hübsche Gestalt wurde von einer ernsten Besorgnis eingehüllt. "Wir sollten tatsächlich darüber nachdenken, was dort morgen geschehen soll. - Ich habe die Befürchtung, dass mehr dahinter steckt, als ich es mir im Augenblick überhaupt vorstellen kann."

[Angelique]

Angelique stimmte ihr zu und führte sie dann zu des Gaius Haus, wo sie um einen Zuber bat, in Abgeschiedenheit von den Sterblichen und mit herrlich heißem Wasser, das die untoten Knochen auf menschliche Wärme erhitzen würde.

Lachend und und fröhlich plappernd warf das Mädchen ihre Kleider von sich und plauderte über Banalitäten mit der Fremden, als seien sie bereits lange mit einander bekannt.

[Sousanna]

Sousanna genoss diesen zwanglosen Umgang aus ganzem Herzen - und es ließ sie sehr zuversichtlich gestimmt werden, dass Angelique offensichtlich Gaius als Freund bezeichnete. Mit einem strahlenden Lächeln tat sie es dem Mädchen gleich und gesellte sich ebenfalls plaudernd zu ihr in das warme Wasser.

Tiefe Zufriedenheit breitete sich im hübschen Gesicht der Ravnos aus und sie seufzte wohlig auf. Lange hatte sie solche kleinen Vergnügungen vermisst und nach all der Anspannung der heutigen Nacht, schien es ihr als sei dieser Zuber ein kleines Stück des Garten Edens und Angelique ein kleines Engelchen.

[Angelique]

Angelique genoß ebenfalls das heiße Wasser und vergaß eine Weile ganz und gar, über vampirische Angelegenheiten zu sprechen. Schläfrig wie eine Katze mit halb zusammengekniffenen Lidern betrachtete sie durch den Dampf hindurch den makellosen Körper ihres Gegenüber. Ein Körper, den sie selbst zwar nie haben würde. Das war ihr jedoch gleich, konnte sie ihn doch an deren anderen bewundern.

Sie hoffte, diese kostbaren Augenblicke würden nicht so schnell vergehen.

[Sousanna]

Der Blick des Mädchens entging Sousanna natürlich nicht, doch während es sie schon für gewöhnlich nicht störte, wenn man sie ansah, so machte es ihr bei dem Mädchen noch weniger aus. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie schrecklich, es wohl sein musste, auf ewig im Körper eines kleinen Mädchens gefangen zu sein. Welch Grausamkeit von Seiten des Kainiten, der Angelique zu dem gemacht hatte, was sie war.

Nachdenklich schloss sie die Augen und fuhr sich kurz mit der Hand übers Gesicht, bevor sie ihr Gegenüber ruhig anlächelte. "Manchmal wünscht man sich, dass die Zeit stehenbleibt und man ewig in manchen Augenblicken verweilen darf.", philosophierte sie leise vor sich hin.