Gebrochene Herzen [offen]

[Februar '17]
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Melissa
Tzimisce
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Gebrochene Herzen [offen]

Beitrag von Melissa »

Der Platz vor der Kirche San Ambrosio wurde vom Schnittpunkt der Strata Romana - die vom östlichsten Tor der Stadtmauer aus zum Hafen führt - mit der unsichtbaren Grenze des Viertels Broglio gebildet. Im Osten grenzte er an das Jagdgebiet der Melissa, im Süden an dasjenige des sogenannten Kultes der Jagd, in dem Gewalt und Verbrechen noch immer an der Tagesordnung war. In der Nacht aber war es ruhiger geworden, denn die Stadtwache patroullierte wieder und sorgte für ein Mindestmaß an Sicherheit - oder Schikane, je nachdem, wen man fragte.

Still war es deswegen aber noch lange nicht. Besonders nicht in dieser Nacht, in der Melissa sich einige Schritte aus ihrem Jagdgebiet und unmittelbarem Einflußbereich heraus gewagt hatte - obwohl die Plätze und Straßen der Stadt als Grenzgebiet niemandem tatsächlich gehörten. Die sommerliche Hitze brummte noch in der Nacht von den Wänden und vom Pflaster und brannte auf der Haut.
Hauptquell der Unruhe war aber das Rudel Hunde, das sich vor ihr versammelt hatte. Ein gutes Dutzend hatte sich bereits eingefunden und verschiedentlich vor ihr Stellung genommen. Einige von ihnen hatten brav und artig sitz gemacht, andere drängelten sich hinter ihnen, kläfften und gierten, wurden aber von den etwas massigeren Tieren der ersten Reihe rasch auf ihre Plätze verwiesen.

Melissa selbst war schmutzig, einfach, so völlig anders als alle sie sich bei gesellschaftlichen Anlässen gab. Ihr Kleid war schlicht und braun und befleckt mit Blut. Ebenso war ihr rechter Arm bis zum Ellenbogen blutverkrustet. Vor ihr stand ein Bottich riesiger Ausmaße, den sie unmöglich alleine hergetragen haben konnte. Hin und wieder zog sie ein Stück Feisch heraus oder Knochen, an denen noch Reste von Muskeln und Sehnen hingen, und warf sie in die Meute.
Diese Fütterung wurde stets von einem einfachen Befehl begleitet, vom Versuch, die Tiere in irgendeiner Weise zu dressieren. Sie versuchte, die zierlicheren Tiere der hinteren Reihen ebenfalls dazu zu bewegen, 'Platz' oder 'Sitz' zu machen oder zu apportieren. Ohne großen Erfolg. Offenbar hatte sie die Tiere nicht wirklich unter Kontrolle, was sie aber wenig zu stören schien. Stur führte sie die nächtliche Fütterung fort.
La famiglia é il nido dell'uomo.
- Giovanni Faldella
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Gaius Marcellus
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Re: Gebrochene Herzen [offen]

Beitrag von Gaius Marcellus »

Schlicht, wortlos, für seine Verhältnisse leise und ohne Geleitschutz wanderte Gaius in jener Nacht auf der Grenze zwischen diesen zwei Welten. Nichts könne mehr über ein Kainskind aussagen, als sein Verhältnis zu seiner Herde, seiner Domäne, und jenes ließe sich am besten - wenn auch nicht gänzlich - vor Ort betrachten... vor allem am Scheideweg zweier unterschiedlicher Welten und Kainskinder.

Wie ein unauffälliger Gast, wie ein unbedeutender Wanderer schritt er so durch die Geschehnisse und tat das, was er am schlechtesten konnte, er mischte sich nicht ein.

Bis er der Hunde ansichtig wurde, den Hunger der Meute spürte und das Blut roch.
Eine zerfledderte geschundene Gestalt in ihrer Mitte, um die sie sich rangen!
Rasch schreckte der Krieger auf und eilte zum Ort des Gemetzels, hörte die Fleischfetzen fliegen, den Blutgeruch intensivieren - nur die Schreie fehlten...
Und so wandelte sich der düster umhüllte alleinige Wanderer in jener Nach plötzlich zu einem herbeieilenden Recken, die Hand bereits am Schwertgriff, dem hilflosen Sethskind zur Hilfe eilend - bis er sie erkannte.

Viel zu spät erkannte er die Drachin, spontan brach Gaius seinen Ansturm ab, erhob nicht die Stimme gegen die Tiere, wie er es vorgehabt hatte, blieb auf seinem Abstand... er hatte wirklich etwas lange gebraucht und blickte sich unsicher um. Nicht, dass es eine Falle war in die er arglos gelaufen kam... andererseits, wer sollte hier mit ihm rechnen?
Als er keinen Hinterhalt erspüren konnte und sich auch anderweitig grob sicher fühlte, kam der Liktor zur Ruhe und gewann seinen Stand, legte die Schwerthand zurück an die Hüfte und beobachtete die ungewöhnliche Szene vor sich fast... irritiert.

Die Irritation hatte das Misstrauen, das Misstrauen den Rittersmut und der Rittersmut die distanzierte Neugierde aus seiner Miene vertrieben. Eine ungewöhnliche... Situation?
Ich hab heut Nacht vom Tod geträumt,
er stand auf allen Wegen,
er winkte und er rief nach mir so laut.

Er sprach mein Leben sei verwirkt,
ich sollt mich zu ihm legen,
ein frühes Grab sei längst für mich gebaut,
ein frühes Grab sei längst für mich gebaut.
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Melissa
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Re: Gebrochene Herzen [offen]

Beitrag von Melissa »

Die Hunde, die dem Bottich mit Futter am nächsten waren, benahmen sich. Sie gehorchten nicht unbedingt ihren Befehlen, warfen sich nicht auf den Rücken, spielten nicht tot und aportierten auch nicht. Ihre Augen waren riesig und glänzten mit gierigen Blicken nach dem Futter, das ihnen vor die Nase gehalten wurde, ihre Mäuler standen sabbernd offen und sie stellten sich dann und wann auf die Hinterbeine, um ein Stück näher an das Fleisch heran zu kommen. Aber keiner wagte es, Melissa das Futter aus der Hand zu stehlen oder näher als bis zu der angegebenen Stelle etwa einen Schritt vom Bottich entfernt zu kommen.

Allerdings gönnten sie auch keinem der Tiere weiter hinten diese Ehre und bissen alles weg, was sich näher an die zierlich Tzimisce - und ihr Futter - wagte. Überhaupt würde Gaius, wenn er aufmerksam beobachtete, rasch feststellen, dass es zwei Gruppen von Tieren in der Meute zu geben schien. Eine von vier oder fünf Hunden, die in den ersten Reihen saß und einigermaßen gehorchten. Diese - notdürftig dressierten - schienen Mastinos zu sein: Jeder von ihnen schwerer, größer und bei weitem kräftiger als die im Vergleich zu ihnen dürre wirkende Drachin.
Und etwa ein Dutzend oder mehr wilderer Hunde, die Melissa zu umkreisen schienen. Sie waren dünn, abgemagert und allesamt auf die ein oder andere Weise beschädigt. Straßenhunde offenbar, die der Geruch von Futter angelockt hatte. Hin und wieder wagte es einer, über die unsichtbare Linie der Matinos zu springen und wurde rasch von diesen für seinen Wagemut bestraft. Ein Jaulen ertönte dann, ein kurzes Kreischen und der Frevler wurde einige Schritt zurück in die Menge geschleudert.
Trotzdem war da mehr. Eine gewisse Abneigung, sich dem Vampir weiter zu nähern, als unbedingt notwendig. Und eine Gier auf das, was sie anbot. In den Augen der primitiven Tiere war der Streit zwischen Angst und Gier deutlich abzulesen.

Melissa selbst indessen schien den Beobachter nicht bemerkt zu haben. Sie hatt gerade ein besonders saftiges Stück aus ihrem Trog geholt und hielt es mit der rechten Hand vor sich. Mit der linken Hand deutete sie auf einen gelbfleckigen Hund, dessen Fell mit Schlamm durchspritzt war.
"Sitz!", sagt sie mit aller Autorität, die sie aufbringen konnte.
Der angezeigte Hund gehorchte aber keineswegs, sondern sprang wie von ihrer Geste aufgefordert nach vorn, um ihr das rohe, rote Stück Rippe aus der Hand zu schnappen. Rasch rammte einer der Mastinos gegen ihn, packte ihn im Nacken und schleuderte ihn zurück in die Meute.
Unwillen breitete sich deutlich sichtbar auf dem Gesicht der Tzimisce aus. Frustriert warf sie den Brocken zu demjenigen Hund, der den anderen soeben vertrieben hatte.
"Cazzo", murmelte die sonst so wohl erzogene Frau und trat mit dem Fuß sanft gegen den Bottich vor sich.
Offenbar hatten ihre Dressurversuche nicht den gewünschten Erfolg.
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- Giovanni Faldella
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Gaius Marcellus
Salubri
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Re: Gebrochene Herzen [offen]

Beitrag von Gaius Marcellus »

Gaius hatte das Spektakel eine Weile beobachtet, seine vampirische Aura reichte wohl nicht bis zu den Tiere, das war gut, selbst die Tzimiske war so im Bann ihres blutigen Spektakels... oder widmete sich ihm nur nicht. Kurz grollte das Tier in ihm, der Wunsch sich über all diese Tiere hinauszuheben, ehe die brennende Hand des Kriegers es niederdrückte und verhöhnte ob seines erniedrigenden Wunsches.

Also schnaubte der Ritter nur und begab sich ein paar Schritte seitwärts, zentraler in den Platz, schwerer zu erreichen. Noch einmal sondierte er taktisch seine Lage, der Drachin war sicherlich alles zuzutrauen. Dann erst verstand er ihr Schauspiel... sie musste ihn entdeckt haben, war es ihre Botschaft an ihn? War es ein Lehrstück? Nein, sie konnte ihn nicht erahnt haben, oder?
Die Chance entdeckt worden zu sein war zumindest da... gehen konnte er keinesfalls, das wäre eine Blamage. Aber war er gewillt, Worte mit ihr zu wechseln? Ihr, die sie beim letzten Hoftag...
Ein weiterer Vorhang rasselte gen Boden, so hilflos wie jetzt mit den Hunden hatte Melissa sich auch an jenem Hofe gewunden... wieso wandelte sie nicht auf der Via Regalis, war das nicht ebenjener Tanz?
Stellen - der Ritter musste sich der Drachin also stellen. Gerne würde er einleiten indem er das Hundsvolk vor ihr gekonnt übernahm, dressierte oder orderte, doch diese Gaben waren dem Kriegsherrn nicht gegeben, Hunde waren eben keine Menschen, waren eben keine Kainskinder.

Also stand er auf etwas Abstand, ruhig und in sich ruhend zugleich, als er die Drachin grüßte, sein Haupt leicht neigte und sie ansprach "Die Nacht zum Gruß, wohlwerte Melissa, Drachin von Broglio."
Gaius überspielte seine reservierte Art nicht komplett, betonte sie aber auch nicht, die ungewöhnliche Situation hatte die Distanz in ihm für den Moment sowieso geschmälert, für den Moment verschwinden lassen.
Ich hab heut Nacht vom Tod geträumt,
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Melissa
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Re: Gebrochene Herzen [offen]

Beitrag von Melissa »

Die Tzimisce blickte erst von ihrem Treiben und den Tieren auf, als Gaius sie ansprach.
Vielleicht hatte sie ihn in der Zwischenzeit bemerkt, vielleicht hatte einer der Hunde es bemerkt und sie auf diese Weise davon erfahren. Vielleicht hatte sie auch lediglich beschlossen nicht mehr ängstlich zu sein und sich ein Stück ihrer Selbstsicherheit zurück zu holen.
Sie zuckte jedenfalls nicht, als Gaius' Worte sich über das Gebell erhoben. Ihr Blick suchte und fand ihn nach kurzer Zeit. Sie wirkte neugierig, ebenso wie er ein wenig irritiert, warum sie in ihrer Abendplanung unterbrochen wurde.
"Werter Gaius", sagt sie schlicht. Dennoch bildete sich ein Lächeln auf ihren Lippen, als er sie mit ihrem selbstgewählten Titel ansprach. "Guten Abend"

Ihre Augen lagen weiter auf ihm.
Einen Moment schien sie hin und hergerissen über ihre weiteren Worte. Gefangen zwischen der sprichwörtlichen und ihr mit Stock und Prügel eingeprägten Gastlichkeit der Tzimisce und ihrem eigenen Versunkensein in etwas, das nicht viel mit Gaius zu tun schien. Aber, so stellte sie fest, sie befand sich weder in ihrer Domäne noch in dem Jagdgebiet eines anderen. Daher schien ihr wohl ein weniger strenges Verhalten angebracht.

"Wie geht es euch, was treibt euch um?", fragte sie. Das schiefe Lächeln auf ihren Lippen verschwand nicht.
In ihrer blutbesudelten Hand hielt sie noch immer ein Stück Eingeweide. Leber womöglich oder Niere. Als fiele ihr in diesem Moment ein, dass es unschicklich sein könnte, beugte sie sich vor und fütterte einen der Mastinos vor ihr. Die Bestie nahm das Futter entgegen, gab sich aber nicht damit zufrieden. Seine breite, raue Zunge leckte über ihren nackten Unterarm, der noch feucht von Blut und Fleischresten war.
Sie lachte, schob das Tier mit einem sanften Druck ihrer linken Hand weg.

Dann widmete sie sich wieder dem Salubri.
"Falls ihr die verdammte Lissi und ihren Höllenpfuhl in San Ambrosio besuchen wollt, muss ich euch enttäuschen. Die Kirche ist geschlossen."
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Gaius Marcellus
Salubri
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Re: Gebrochene Herzen [offen]

Beitrag von Gaius Marcellus »

Der Salubri hatte sie ruhig beobachtet, während der letzten Fütterungen, während ihrem Gruß, erst beim letzten Satz wirkte er irritiert, schüttelte sanft das Haupt.
"Viel Zeit ist vergangen, seit wir uns das letzte Mal... sprachen... mir geht es gut, gut wie lange nicht.
Wie steht es um euch, ihr..." er blickte sich fragend um "Trainiert die übernächste Generation Kampfhunde?".
Die Blicke wanderten über die abgemagerten und ausgezehrten Tiere.

"Ich war ohne großes Ziel auf dem Weg durch die Dunkelheit, manch eine Nacht verbringe ich gerne wie unser Vater - wandernd." fügte er fast zart und langsam an "Diese Straße, sie hat eine gewisse... Kraft... mit euch hatte ich nicht gerechnet."
Ganz im Gegenteil, gewissermaßen hatte er sie ja gemieden... "Aber es ist eine schöne Überraschung." musste der Heiler dennoch nicht lügen. "Ich hoffe ich störe euch nicht?" gab er ihr nach dem Austausch der Höflichkeiten eine Türe, ihn für sie beide genehm hindurchzustoßen... wenn sie es denn wollte.

Irgendwas war anders an der Drachin in dieser Nacht, in den letzten Nächten, in den letzten Jahren, seit er sie zuletzt gesehen hatte. Gerade in dieser besonderen Nacht.
Ich hab heut Nacht vom Tod geträumt,
er stand auf allen Wegen,
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Melissa
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Re: Gebrochene Herzen [offen]

Beitrag von Melissa »

"Ah zuletzt gesprochen, zuletzt gesprochen..."
Die Tzimisce legte den Kopf in den Nacken, tippte sich mit dem rechten Zeigefinger nachdenklich ans Kinn. Ihr schien aufzufallen, dass sie sich mit Blut beschmiert, und ließ den Arm rasch wieder sinken.
Sie dachte darüber nach, wann sie zuletzt ein Wort mit ihm gewechselt hatte, so wirklich mit ihm gesprochen hatte, und nicht nur überschüttet worden war.

"Ich weiß nicht, habt ihr zu meinem Geburtstag mit mir geredet? Ich erinnere mich, euch und eure Freundin - diese...Samanta? Serafina? Ihr müsst verzeihen, ich vergesse Namen so schnell, wenn ich sie nicht mit einem Clan und Rang in Verbindung bringen kann. Ich erinnere mich, euch gesehen zu haben. Ich erinnere mich, dass ihr euch mit meinen Gästen amüsiert, von meinem Wein gekostet und eine Braut für diesen Bastard des Herzogs gesucht habt. Bei den Fieschi, wenn ich nicht irre."
Sie schnippte mit den Fingern, lächelte, als fiele es ihr endlich wieder ein.
"Aber natürlich, jetzt weiß ich wieder! Fabrizio hat mir erzählt, dass er mit euch geredet hat. Deswegen komme ich darauf. Ich Dummchen."

Sie zuckt mit den Schultern, wischte die Beleidigung und Unachtsamkeit von ihm und seiner rothaarigen Gespielin, die sie offenbar all die Jahre über im Gedächtnis behalten hatte, beiseite.
Sie fischte ein weiteres Stück Futter aus dem Bottich und behandelte ihn mit der gleichen Höflichkeit, die er ihr auf ihrem eigenen Namenstag hatte zukommen lassen. Sie wandte sich wieder den Tieren vor ihr zu, allerdings mehr den großen, halbwegs erzogenen und weniger den Straßentieren.
Wie nebenbei plauderte sie mit dem Salubri weiter.
"Ich trainiere weniger die Hunde als vielmehr mich, habe ich den Eindruck. Eigentlich habe ich einen Hundemeister für die richtigen Tiere. Diese hier, seht ihr? Viel geeigneter als Wachhunde als die Straßenköter. Aber ich habe das Gefühl, dass er irgendetwas nicht richtig tut. Es ist seltsam, irgendwie schwerer als ich dachte. Obwohl sie so einfach gestrickt sind. Also übe ich mich darin, es besser zu verstehen."
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Gaius Marcellus
Salubri
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Re: Gebrochene Herzen [offen]

Beitrag von Gaius Marcellus »

"Seinfreda." korrigierte Gaius sein Gegenüber etwas pikiert "Ihr meint die wohlwerte Seinfreda, Neugeborene der Kappadozianer aus der Linie der Heiligen Agnes." stellte er die Abwesende noch einmal sanft lächelnd vor, der Gedanke allein schien ihn wieder zu besänftigen, sicherlich könnte er ihre ganze Linie herunterbeten - so viel länger als die seinige - doch Gaius beließ es bei den Grundzügen.
"In der Tat, sie war mehr bei den Sethskindern und nur zum Gruße im separierten Teil. Ich selbst habe mich wenig mit ebenjenen beschäftigt, aber ihr habt sicherlich recht." er hob die Arme "Eine geeignete und standesgemäße Partie zu finden ist manchmal nicht einfach... gerade hier in den Städten. Es geht wohl Handelsverbindungen..." erläuterte Gaius beiläufig wie aus eigener Erfahrung aber auch mit latentem Desinteresse "Dies ist wahrlich ein Sterblichenproblem, um welches ich sie nicht beneide..."

Den Sizilianer bedachte der Liktor mit einem Schmunzeln, gar nicht so düster wie man es vermuten könnte, würden geübte Augen erahnen "Der Herr Botschafter ist in der Tat ein spannender... Gesprächspartner. Schade, wie es um seine Loyalitäten bestellt ist." kommentierte er kopfschüttelnd. Gerne hätte er die Drachin gefragt, wie sie zu dem Prozess und seinem Ausgang, vor allem in Bezug auf den Botschafter, stand... doch war ihm die Wegwischbarkeit jener Thematik noch nicht ausreichend sicher.

"Die Satten lassen sich immer leichter beherrschen als die Hungrigen.
Und die Hungrigen sind mit Spendenfleisch alleine nicht zu mästen.
Eine interessante Wendung die ihr verwendet... ihr lehrt euch selbst anhand jener Wesen. In diesem Moment seid ihr der Mittelpunkt ihrer Existenz...
Ein Gefühl... erinnert ihr euch soweit zurück, an die sterblichen Jahre? Wie undenkbar und selten jener Gedanke war... Mittelpunkt fremder Existenz? Und nun? Wird das Gefühl wertlos, wenn es erzwungen ist?" Ein wenig Dunkelheit schimmerte in der so ziellosen Frage.
Ich hab heut Nacht vom Tod geträumt,
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Melissa
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Re: Gebrochene Herzen [offen]

Beitrag von Melissa »

"Empfindet ihr das so? Dass ihr euch Liebe erzwingen müsst? Wie überaus schade", sagte Melissa und schürzte die Lippen.
Sie betrachtete den Salubri nicht mit ihren geübten Augen, sondern widmete sich den Tieren vor ihr. Einer der größeren Hunde drängte sich weiter zu ihr, drängte mit der Schnauze ebenfalls an ihren Arm. Sie begann ihn zu streicheln, ihm über die Schnauze zu fahren, hinter den Ohren zu kraulen.
"Ich fand immer, dass sie ganz natürlich kommt, wenn man nur ein offenes Herz hat, wenn man selbst voller Liebe ist und sie gibt. Dann wiederum bin ich nicht im Zwist mit meiner Vergangenheit und erinnere mich gern an meine Tage unter der Sonne. Meine Tage als Mutter, als Frau und Geliebte. Auch damals schon kam Liebe ganz natürlich, als gerechter Lohn für gutes Werk, weil man nur ein fühlender, sich sorgender Mensch war."
Sie lächelte wieder dieses Lächeln, das sie jahrelang geübt haben musste. Das ihre Mundwinkel schief voneinander verzog, eine Spur über ihre Wangen malte und sie beinahe jugendlich wirken ließ. Beinahe.
"Vielleicht solltet ihr es wieder einmal damit versuchen."

Mit einer Handbewegung scheuchte sie die Mastinos beiseite und richtete sich wieder auf. Die Tiere gehorchten, bildeten eine Art Gasse. Auch, als sie wieder in den Bottich griff, bewegten sie sich nicht. Obwohl sie sich schon streckten und gierten und sabberten.

"Seinfreda", sagte Melissa dann langsam, als müsse sie den Geschmack des Wortes testen, seine Konsistenz und Textur herausfinden mit ihrer Zunge, während sie es zäh aussprach.
"Ein seltsamer Name. Man sollte denken, ich müsste ihn mir merken können, nachdem ihr in mir schon zum zweiten Mal erklärt. Aber ich glaube fest, dass ich ihn mir eines Tages merken werde. Eure Freundin sollte ihn mir einmal selbst erklären und am besten auch direkt einmal ihr Gesicht zeigen. So eine Art von Begrüßung, wie man sie gewöhnlich bei denen macht, deren Domäne man betritt."
Sie zuckte mit den Schultern. Honigsüß und ohne eine Spur Verbitterung oder schlechte Stimmung in ihrem Tonfall fügte sie dann an:
"Ich bin sicher zu meinem zweiten Jahrhundert werdet ihr mir dieses Geschenk einmal machen. Genügend Zeit ist ja bis dahin."

Die Stichelei auf den Botschafter ignorierte sie vorerst zugunsten ihrer eigenen.
Stattdessen warf sie ein saftiges Stück Fleisch in die Meute vor sich, ohne einen Befehl diesmal. Vielleicht versuchte sie es mit ihrer eigenen Medizin und gab erst, bevor sie zu nehmen versuchte.
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Gaius Marcellus
Salubri
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Re: Gebrochene Herzen [offen]

Beitrag von Gaius Marcellus »

„Es wäre in der Tat schade… ja. Ich weiß nicht…“ stand sich der Salubri zögernd ein „Nein, sie kommen wirklich, wenn man ihnen Liebe gibt. Doch diese Stadt. Sie ist düsterer als andere. Die Menschen undankbarer. Die alten Zeiten oder die neuen Einflüsse? Gram und Sorge liegen tief… aber abseits… ist es nicht ein Fluch, wie leicht wir uns ihrer bemächtigen können? So greift man eher dazu, als nach natürlichem Vertrauen? Geht es euch wirklich so… dringt ihr nicht in ihre Geister, in ihre Seelen… schenkt… ihnen wahre Liebe durch das Blut? Tut ihr all dies nicht, sondern verlangt von euch selbst, dass sie euch auf ihre statt auf unsere Art und Weise lieben?“ Gaius hob die Braue, war das ein Schwank von Sehnsucht? Oder einfach Unglaube zu einer solch unglaublichen Idee?

Ebenso wehleidig nickte er ihren Angriff auf seine Vertraute überraschenderweise weg, die Stimmung schien noch ganz da zu sein „Womöglich zu eurem nächsten Jahrhundert, womöglich früher. Ich hoffe es. Diese, welche nicht auf unseren weltlichen Wegen wandeln… sie verlieren oft mehr die Zeit als die Menschlichkeit bloß.“ Lächelte er sichtlich traurig den Kopf schütteln. War der Kainit gerade wirklich etwas offen? Oder war dies hinterhältigstes Spiel falscher Zungen? Auch den Angriff auf sich selbst hatte er so einfach hinfortgeträumt... nahm er sich in den Schutz der abseits stehenden Clans auf einmal?

„Diese Hunde… was empfindet ihr ihnen gegenüber? Statt nur andersherum zu denken…“
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