Durch meine Schuld. Durch meine große Schuld [Vergonzo]

[April '17]
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Sousanna
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Durch meine Schuld. Durch meine große Schuld [Vergonzo]

Beitrag von Sousanna »

Schon einige Nächte hatte die Schönheit über ihre Strafe nachgegrübelt. Diese Sache mit den Armen war lästig und ärgerlich, aber gut... Man konnte gewiss noch irgendetwas sinnvolles dadurch erreichen. Und wenn Aurore das wollte, dann würde sie eben die demütigste Ravnos werden, die Italien je gesehen hatte. Einen Teil ihrer Nächte hatte sie nun damit verbracht, die Füße der Armen zu waschen, die Traurigen zu trösten und all das Andere zu tun, das dort in diesem Aushang gestanden hatte.
Zu ihrer deshalb sehr gereizten Stimmung, da es sich dabei um reine Zeitverschwendung handelte - würden diese Leute alle stehlen lernen, hätten Sousanna und sie selbst etwas davon und niemand würde diese Theater mehr brauchen - kam ihr derangiertes Aussehen durch die Tätigkeit. Im Dreck zu knien war nicht sonderlich gut, für das Kleid, dass sie für die Tätigkeit auserkoren hatte. Matsch und einiges, das sie gar nicht so genau bestimmen wollte, klebte daran und an ihren Händen und in ihren zerrauften Haaren. Außerdem hatte sich eine gewisse Müdigkeit in ihre Augen geschlichen. Es war anstrengend, Nacht für Nacht Mitleid und Sorge zu heucheln - und kleine Bälger in die Hand gedrückt zu bekommen, während Mütter jammerten.

Der zweite Teil ihres Urteil gestaltete sich allerdings noch schwieriger. Wo zur Hölle sollte sie einen Beichtvater herbekommen? Einen, der sie nicht sofort zum Teufel jagte, und ihr nicht noch mehr Scherereien einbrockte als diese verfluchten Liktoren es ohnehin schon getan hatten.
Lügnerischer Heuchler dieser Heilige... Ja, sie hatten sie nicht angeklagt. Gewiss nicht. Deswegen durfte Sousanna jetzt auch beichten. Oh, sie wünschte ihm, dass er eines Tages ebenso tief in seinem Sumpf aus Heuchelei und Bigoterie versank, wie es gewiss irgendeines seiner großen Vorbilder getan hatte...
Aber auch hier half es nur, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und sich jemanden zu suchen, der zumindest die Art verstand, wie die Ravnos dachte. Jemand, der ihr irgendwie zugetan war und dennoch einen guten Stand hatte. Davon gab es bedauerlicherweise nicht viele hier in Genua.

Und genau deswegen stand die Ravnos nun vor der Stadtmauer in den Brachlanden. Das silbrige Mondlicht liebkoste Überreste von alten Bauwerken und machte die Aufgabe, eine bucklige, ausnehmend hässliche Gestalt zu erspähen mit seinem Schattenspiel nicht gerade leichter. Dort hatte ihr der Baumeister versichert, dass er zu finden sei, - und nun brauchte sie ihn. Jemand, der den gleichen Regeln folgte wie sie, würde gewiss einen angemesseneren Beichtvater abgeben, als irgendeiner der anderen Blutsauger... Wenn er ihre Bitte nur annahm.
Ein wenig unsicher geworden von der Frage, was geschehen würde, sollte Vergonzo es ablehnen, ihre Beichten anzuhören, zupfte sie etwas Dreck von einem ihrer Ärmel und rief unbehaglich und leise seinen Namen, während sie sich aufmachte, ihn hier irgendwo zu finden.
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,
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Vergonzo Faro
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Re: Durch meine Schuld. Durch meine große Schuld [Vergonzo]

Beitrag von Vergonzo Faro »

Vergonzo, der grade seinen kleinen widerspenstigen Körper in eine Bodenkluft der Ruine drückte, um den darunterliegenden Hohlraum, falls es denn nicht nur ein Hasenbau war, zu inspizieren, steckte grade mit dem Kopf etwas in der Öffnung fest, als er eine bekannte Stimme vernahm, ganz leise kitzelte sie sein, oder hatte er sich verhört? Er würde besser nachschauen.
Vor neugierigen Blicken geschützt von einem Mauerrest, stützte er beide Arme und ein krummes Bein gegen den Rand des Loches um seinen deformierten Kopf aus dem Loch zu ziehen. Sich wehrend rutschte der Kopf endlich aus der Öffnung und zeichnete das Gesicht mit Dreck und Striemen.
Er schüttelte kurz den Kopf und reckte ihn dann über den Mauerrest um zu schauen wer da gekommen war.
Der Kopf schob sich also neugierig hoch und erschien plötzlich kurz über dem Rand der Mauer, seine hellblauen Augen die Umgebung absuchend.
Dann sah er sie, ihre weibliche Form hebte sich von der Umgebung nur leicht ab, doch er hatte sie sich so oft eingeprägt, das er sie sofort erkannte.
Sousanna die liebliche, das potential unzähliger Sünden und Kopfverdrehereien, ...jemanden den er gerne traf und bei dem das letzte Treffen viel zu lang her war.
Er grinste breit und freudig mit dreckverschmiertem Gesicht. Dann hob er den Arm und winkte ihr zu.
Hatte sie ihn gesucht? Hatte sie tatsächlich seinen Namen gesagt? Oder war seine sündige Hoffnung Vater dieser Einbildung?
Man soll bauen, als wollt man ewig leben, und leben, als sollt man morgen sterben.
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Sousanna
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Re: Durch meine Schuld. Durch meine große Schuld [Vergonzo]

Beitrag von Sousanna »

Das Auftauchen des so irritierend missgestalteten Kopfs und das einladende Winken ließen die Sünderin erleichtert aufatmen und ein ungewöhnlich schüchternes Lächeln wurde in seine Richtung geworfen, bevor sie mit raschen, leichtfüßigen zu ihm herüber geeilt kam. Es gab keinen Zweifel. Sie hatte ihn gesucht und war offensichtlich heilfroh, ihn endlich zu sehen. Das sagte auch der Blick der großen Rehaugen, als sie näher kam.
Es lag eine seltsame, sorgenumwaberte Hoffnung darin. Vermischt mit Erleichterung darüber, ihn nicht noch länger suchen zu müssen.

"Einen guten Abend", lächelte Sousanna den Nosferatu nervös an und fuhr sich verlegen, durch das im Augenblick etwas zerzauste Haar. "Ich hoffe, ich störe nicht allzu sehr."
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Vergonzo Faro
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Re: Durch meine Schuld. Durch meine große Schuld [Vergonzo]

Beitrag von Vergonzo Faro »

Vergonzo schaute Sousanna zu, als sie elegant wie ein Reh zu ihm herüber schritt.
Doch ihr Blick beunruhigte ihn. Etwas lag in ihm, das ihr nicht stand.
"Aaach,pappelapuff, ihr seid die letzte die mich stören würde Verehrteste."
Sprach er als sie bei ihm ankam, und er setzte sich auf den Boden, bot ihr einen Platz auf einem Stein an.
"Setzt euch liebste Sousanna," er schaute sie mit seinen hellblauen klaren Augen an und sorge lag in seinem Blick. Die Beulen seines Antlitz, vom Dreck verschmiert, schienen besorgt sanft zu pulsieren.
"...was betrübt euch so sehr? Legt ab was euch als Last auf den Schultern liegt! Aber...", er zügelte sich etwas und sprach ruhig und sanft weiter,"...erzählt mir was passiert ist."
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Sousanna
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Re: Durch meine Schuld. Durch meine große Schuld [Vergonzo]

Beitrag von Sousanna »

Über seine Freundlichkeit und die Beteuerung, sie würde nicht stören, versuchte die Byzantinerin ein Lächeln, doch es sah aus als schmerzten ihre nicht vorhandenen Zähne. Mit einem Seufzen nahm sie den angebotenen Stein dankend an und setzte sich ihm gegenüber.
Nun, da sie keinen Grund hatte, ihre Nervosität durch Bewegung zu bekämpfen und die Betrübnis ein wenig zu verschleiern, sprach ihre Körperhaltung eine eindeutige Sprache. Kleinen, blassen Spinnen huschten die zarten Hände über den groben Stoff ihres Rocks, während ihre schmalen Schultern sich schützend nach oben gezogen hatten und sich die vollen Lippen einen Moment lang, stumm versuchten Worte zu formen und es doch aufgaben.

Kurz fuhr Sousanna sich durchs Haar bevor sie tief Atem holte und den Nosferatu schließlich gequält ansah. "Ich weiß nicht, ob ihr von meinem Urteil gehört habt, aber ich brauche in jedem Fall einen ... Beichtvater..."
Das letzte Wort ließ ihre Lippen kräuseln. Allein der Klang dieses Wortes schien ihr lächerlich. Vielleicht verstand ihr Gegenüber ja bereits ihr Anliegen und den Grund, weshalb die Schönheit zu ihm gekommen war. Wenn er nur nicht in Gelächter ausbrach. Ein wenig nervöser begann sie an ihrem Ärmel herumzunesteln und eine stumme Frage lag in ihrem Blick.
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Vergonzo Faro
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Re: Durch meine Schuld. Durch meine große Schuld [Vergonzo]

Beitrag von Vergonzo Faro »

Vergonzo bemerkte natürlich, wie es um Sousanna´s Befinden stand. Also fuhr er innerlich alles runter um Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen. Er liess ihr ausreichend Zeit um hier bei ihm anzukommen, die inneren Wogen sich etwas beruhigen zu lassen und zu spüren, das sie willkommen war. Dann dachte er, um ihr noch etwas Zeit zu geben, würde er das Wort erstmal ergreifen und so sprach er mit ruhiger Stimme im vertrauten Ton:
"Ich würde dir gerne etwas anbieten das dich beruhigt, leider habe ich nichts dabei. Ich habe das Urteil mitbekommen, auch wenn ich nicht weiß wie es dazu kam. Aber es freut mich das du mich aufsucht um in mir einen Beichtvater zu finden. Gerne bin ich bereit diese Aufgabe zu übernehmen." er lächelte sanft und kurz hätte er ihr fast eine Strähne aus dem Gesicht gestrichen und sie hinter ihr wohlgeformtes Ohr zu klemmen.

"Uns beiden ist diese Aufgabe wohl recht fremd, das Beichten an sich und die Aufgabe diese entgegen zu nehmen.
Sünde bezeichnet den unvollkommenen Zustand des von Gott getrennten Menschen und seine falsche Lebensweise. Hat Gott die Menschen nicht nach seinem Willen gemacht, mit all ihren Stärken und Schwächen? Sind wir Menschen? Wohl kaum und hätte Gott uns nicht so gewollt, hätte er es nicht zugelassen,...wie kann man da von Sünde sprechen? Begeht der Wolf eine Sünde, wenn er seinem Wesen und seinem Instinkt nachgeht?...
Da du auf Geheiß der Prinzessin beichten sollst, führt das zum Schluss das du wohl gesündigt haben musst,....in DEREN Augen. Wie du dir denken kannst, hast du in meinen Augen sicher nicht gesündigt, aber was hälst du davon mir das Geschehen von Anfang zu berichten?"
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Sousanna
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Re: Durch meine Schuld. Durch meine große Schuld [Vergonzo]

Beitrag von Sousanna »

Seine Worte und die Ruhe, die darin lag, ließ die Sünderin Dankbarkeit empfinden. Sie ergriff, die zuvor so traurigen Augen und stahl sich mit einem sehr feinen, kaum merkbaren Lächeln auf ihre Züge. In diesem Augenblick hätte sie fast jede Berührung ihres Gegenübers zugelassen - einem zutraulich gewordenen Reh nicht ganz unähnlich.
Doch so strich sie sich besagte Strähne aus dem Gesicht und hauchte ein "Danke", bevor sie seinen Ausführungen über die Sünde mit nachdenklich schiefgelegtem Kopf lauschte. Für ein so von Gott gestraftes Wesen, sprach er mit großer Weisheit über das Wesen der Sünde. Hätte Gott, sie nicht einfach nicht erschaffen können, wäre ihm das Sünden so zuwider?

Der Vorschlag und die Art, wie er diese Beichte angehen wollte, ließ sie schließlich mit einem noch ein wenig scheuen, aber immerhin nicht mehr ganz so glanzlosen Lächeln nicken. So klang die Beichte doch halbwegs erträglich. "Ich werde versuchen, alles so zu berichten, wie es war und dass man es verstehen kann.", versprach sie und atmete tief durch ehe sie ihre Erzählung begann.
"Ich war auf der Feier von Gaius, dem Heiler. Ich mag die Gesellschaft der Sterblichen und hatte mir ein paar schöne Stunden im kalten Winter erhofft. - Leider bin ich direkt dem Gastgeber, Caterina und einer Ventrue in die Arme gelaufen, die gerade angekommen war." Es klang so, als würde sie dieser Umstand immer noch frustrieren. Etwas Schmollendes lag in ihrem Tonfall, während sie davon berichtete. Hätte diese Begegnung nie stattgefunden, würden sie nun alle nicht in Schwierigkeiten stecken. "Ich habe versucht, das Beste aus der Sache zu machen und versucht die Ventrue als Handelspartnerin zu gewinnen - Danach wurde es allerdings schrecklich langweilig, aber die Höflichkeit hat geboten, dass ich bleibe."
Ein ärgerliches Seufzen drang aus ihrer Kehle. Sousanna verabscheute Langeweile und dieses Gespräch war schrecklich langweilig gewesen. Reine Zeitverschwendung. "Als die Neue dann gegangen war, hat Caterina Gaius und mich gefragt, ob wir nicht alle gemeinsam ein Bad nehmen wollen. Nach dem ganzen Gerede, dass vor Steifheit nur so getrieft hat, war ich froh über diese Abwechslung. Damit hat alles begonnen."

Und genau das war eine dumme Entscheidung gewesen. Das stille, sittsame Herumsitzen und Lamentieren hatte die Ravnos übermütig gemacht, so dass sie voller Freude auf das lustige Spiel der Verführung eingestiegen war. Dass sie dieser Umstand immer noch ärgerte, konnte man nun deutlich an den trotzig geschürzten Lippen und ihren fast schon zornigen Gesten erkennen, die den frustrierten Tonfall noch untermalten.
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Vergonzo Faro
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Re: Durch meine Schuld. Durch meine große Schuld [Vergonzo]

Beitrag von Vergonzo Faro »

Vergonzo folgte mit sanftem Blick den Ausführungen und für wahr man erkannte das er Sousanna´s Lage und Empfinden nachfühlen konnte.
Das staubtrockene Gerede empfand auch er als trist und beinahe sogar schmerzhaft. Somit nickte er ehrlich verständnisvoll und mitfühlend, welche Qual das gewesen sein musste.
Dann gab er ihr eine leichte Geste fortzufahren, würde ihr aber Zeit geben ihre eventuell chaotischen Gedanken zu ordnen.
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Sousanna
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Re: Durch meine Schuld. Durch meine große Schuld [Vergonzo]

Beitrag von Sousanna »

Kurz musste die Schönheit nach Luft schnappen, als gäbe es keine andere Möglichkeit, ihre Geschichte halbwegs ruhig zu beenden. Kurz fuhr sie sich noch durchs Haar, dann fuhr sie, durch Vergonzos Verständnis offensichtlich etwas lebhafter geworden, fort: "Er meinte erst, er würde uns zwar begleiten, aber nicht zu uns ins Wasser steigen ... und das haben wir beide als Anlass für ein kleines Spiel genommen. Wir haben versucht, ihn zu überreden"
Kurz dachte sie nach, dann aber schüttelte sich der Kopf und sie gab doch zu: "Naja, eigentlich haben wir versucht ihn nach allen Regeln der Kunst zu verführen. Caterina, als die gefährliche Raubkatze, die sie eben ist, und ich als das arme, kleine, anschmiegsame Mädchen." Ein kurzer Blick voller Unschuld verdeutlichte, was sie meinte. Doch dieses kurze Schauspiel war ebenso schnell verflogen, wie es begonnen hatte. Wieder war Ärger in die großen Augen getreten. Ärger über sich selbst und über die Umstände. "Es wirkte erst, als wäre er zu sittsam, zu beherrscht für so etwas." Ein Augenrollen untermalte, was die Sünderin von diesen Tugenden hielt. "Aber dann ... ich weiß nicht, was passiert ist..." Tatsächlich, hatte sie keine Ahnung, was genau dann geschehen war. Wie Gaius sich so verändert hatte.
"Dann wollte er uns - und plötzlich ist es kalt geworden." Allein der Gedanke daran, ließ Sousanna schaudern und ihre Stimme wurde leiserer, als fürchtete sie, die Erzählung könne den Schrecken dieser Nacht zurückbringen. "Eisig... wie Schnee und noch schlimmer. Und er wurde sehr ... fordernd. Ich hätte nicht gedacht, dass er das könnte, das so etwas in ihm steckt. Ich meine, ich habe schon viele Grobheiten erlebt, viele die, die Grenze nicht kannten. Aber Gaius? Er wirkte nicht, wie er selbst... So etwas unheimliches - Caterina wirkte auch überrascht und sie hat ihm, wahrscheinlich um uns beide zu schützen, ins Gesicht geschlagen ... Das hat alles nur noch schlimmer gemacht. Wie ein Dämon ist er auf sie losgegangen, hat sie gebissen ... Ich bin geflohen ... ich hätte ihr doch nicht helfen können."
Verzweifelte Hilflosigkeit strahlte in Wellen von ihr ab. Sie hatte nichts tun können, doch an dieser Sache, war sie genauso Schuld wie die Anderen. Sie hätte es vielleicht zumindest versuchen können...

Eine Weile lang schwieg die Ravnos, gefangen in ihrer Kümmernis, dann schloss sie die Augen und sprach über den letzten, bedeutend schmachvolleren Teil dieser Geschichte. "Man hat die Liktoren zu mir geschickt, um mich zu befragen. Brimir und Titus." Ein leises Knurren drang aus ihrer sonst so sanften Stimme, als ihre Zunge diese Namen formte. "Brimir und Titus. Der Eine, verabscheut mich, weil ich ein Kind der Wanderer bin, und hat mich schon attackiert. Und der Andere? Ein Heiliger, der mich nach dieser Geschichte wahrscheinlich mit Freuden gesteinigt hätte... Sie hätten alles verdreht, was ich gesagt hätte. Alles so gedeutet, dass es den anderen und mir geschadet hätte. Ich habe gesagt, dass ich meine Aussage deshalb mit einer weiteren Person machen möchte - und an einem sicheren Ort. Sie standen ja vor meiner Zuflucht." Dieser Umstand schien sie noch mehr zu empören, als alles andere. Insgesamt war die Wut nun aus ihrem Gebaren nicht mehr nur im Ansatz da.
Die Wangen hatten sich gerötet und in den dunklen Augen blitzte es, während sich ihre Hand zornig in den Rock krallte. Die nächsten Worte bebten geradezu vor unterdrücktem Zorn. "Aber sie haben es mir als Feigheit und Hinhalten ausgelegt - ich habe ihnen angeboten, sofort mitzukommen und vor wem auch immer auszusagen, aber sie wollten nicht. Sie haben mich als erbärmliche Verräterin sehen wollen. Wollten, dass ich so scheine, als würde ich Genua nicht dienen wollen - und so haben sie mich mit Drohungen und Spott zurückgelassen!"
Eine Reihe griechischer Schimpfwörter, die alle nicht in den Mund einer so schönen Frau passen wollten, geschweige denn in ein Beichtgespräch, folgte. Dann schüttelte die Byzantinerin sich heftig, wie ein Hund, der sich von Dreck befreien wollte, und seufzte schwer. "Und deswegen sitze ich jetzt hier und muss euch mit meiner Geschichte langweilen.", schloss sie die Erzählung schließlich ein wenig beruhigter ab.
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Re: Durch meine Schuld. Durch meine große Schuld [Vergonzo]

Beitrag von Vergonzo Faro »

Vergonzo hörte ruhig zu, saß da mit aufopfernden Mitgefühl im Blick und lies die Arme ihr leid klagen.
Während ihren Ausführungen änderte sich auch nichts in seinem Ausdruck.
Als sie geendet hatte, verstrichen einige Sekunden ehe er antwortete.
"Ich verstehe. Darf ich fragen, was du dir selber vorwirfst falsch gemacht zu haben als du mit Caterina bei Gaius warst?"

Was der Bucklige über das Gehörte dachte, ließ sich nicht erkennen. Aber vielleicht würde seine Meinung nach der Beichte die süßen Ohren Sousanna´s erreichen.
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