[Fluff] Queste [Angelique]

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Angelique
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[Fluff] Queste [Angelique]

Beitrag von Angelique »

Angelique schlich zum Ort des Überfalls auf die Princeps. Sie hatte ihn erst kürzlich oberflächlich zusammen mit Ilario untersucht.

Diesmal würde sie gründlicher und systematischer vorgehen. Mit jeder Nacht, die verstrich verschlimmerte sich die Lage für die kleinen Leute Genuas. Die eiserne Faust Aurores fehlte, sowohl die begehrlichen äußeren Feinde als auch die zerstrittenen, kindischen Vampire der Stadt zu bändigen.

Angelique war eine der wenigen, die treu zu Aurore standen und unermüdlich nach ihr suchten, während andere Krieg spielten oder politische Ränke schmiedeten.
Allerdings war sie auch verrückt, ausgerechnet die zurückholen zu wollen, die sie wegen ihres christlichen Glaubens einst vernichten wollte.

Trotzdem stand sie nun auf der Walstatt, die klein, aber heftig gewesen sein musste. Selbst jetzt noch, viele Nächte später gab es Spuren des episches Gefechts, als Vampire und ihre nicht minder übernatürlichen Diener aufeinanderprallten.

Angelique ging auf alle Viere und schaute mit katzenhaften Augen und roch mit tausendfach geschärfter Nase. Dort der Hauch von altem Blut, hier zerstampftes Gras. Und da! Das was sie suchte: Schleifspuren, als die Angreifer ihre Opfer und deren Pferde fortschleiften und verscharrt hatten.

Wie sie es ihrem blutgebundenen Hund abgeschaut hatte, konzentrierte sie sich nur noch auf den Geruch, als sie die Richtung der Spuren ausgemacht hatte. Süßlich und unverkennbar erhaschte sie die Note der Verwesung über die Myriaden der Nachtdüfte.

Und da stand sie nun vor dem flachen Hügel, fern der Straße. Mit bloßen Händen begann sie zu graben und schon sehr bald übermannte sie der Gestank, als sie die aufgedunsen Pferdekadaver, wild mit Menschenleichen zusammengeworfen, freilegte.
Würmer krabbelten in leeren, anklagenden Augenhöhlen und gaben dem blicklosen Blick eine scheußliche Lebendigkeit. Fäulnisgase blähten aufgedunsen Bäuche fast bis zum Platzen.
Die Kadaver schrien nach Nekyumantie, aber diese Kunst blieb den Kappadokiern vorbehalten und selbst ihre mütterliche Freundin Seinfreda hatte sie um keine Lehrstunde in dieser unheimlichen Kunst gebeten.

Stattdessen suchte sie nach Hilfsmitteln für erprobtere divinatorische Zauberei. Nach gräßlichen Stunden als lebende Tote unter leblosen Toten und mit besessener Verbissenheit suchend, fand sie, wofür sie gekommen war.
"Schau", meinte sie freudestrahlend zu dem verrottenden Leichnam, den sie einstmals geglaubt hatte, im Gefolge der Princeps zu sehen, und zeigte ihm ihren Fund. Freudig umarmte sie ihn und gab ihm einen letzten Kuß auf die von Maden halbgefressenen Lippen.

Triumphierend streckte sie die unter enormer Wucht geborstene Flügellanzenspitze zum Momd empor. Uraltes unsagbar mächtiges Blut haftete noch daran. Aurores Blut.

Wenig später hatte sie sich ein Windspiel aus klappernden Fingerkochen und geflochtenen Skalpen der Gefallenen gebastelt, an dessen unterem Ende die Speerspitze baumelte.

Die kleine Malkavianerin vergoß unter uraltem Singsang ihr potentes, wahnsinniges Blut, das das Konstrukt in komplexen Bahnen entlangrann.

Ein starker Wind kam auf und das mantische Gebilde begann knarzend sich zu drehen. Als es zum Stehen kam, machte Angelique sich auf in die Richtung, in die die Tülle zeigte, nicht die Spitze. Denn sie wollte zu denen, die den Speer geführt hatten.

Dort, so war sie sich sicher, würde das Schicksal sie mit der Princeps wieder vereinen.

Und so marschierte sie los. Hinter ihr grinsten sie Toten wissend ihr lippenloses Lächeln.
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Angelique
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Re: Queste [Fluff, Angelique]

Beitrag von Angelique »

Sie lief und lief. Über Stock und Stein, über Wege und Feldmark, durch kleine Wäldchen, kalte Bächlein und karstige Felsschluchten.

Der direkte Weg war immer auch der mühseligste. Aber das kleine Orakel fürchtete, es könne die Spur verlieren, wiche es aus Bequemlichkeit vom rechten Wege ab.

Trotzdem oder gerade wegen der Beschwerlichkeit war es ein langer Weg und gegen Ende der Nacht waren Schuhchen zerschlissen und Füßchen blutig.
Als der Horizont sich im Osten begann einzufärben, wusste sie, dass sie ihr Ziel in dieser Nacht nicht erreichen konnte.

Schnell huschte sie umher, um ein flaches Grab unter Humus und faulendem Laub zu finden. Da, wo die halbwilden Schweine sie nicht fanden und auch der Hirten Hunde sie nicht auspürten.
In ein Dorf wagte sie sich nicht. Ein Brunnen oder Versteck in Heuschobern war zu riskant jetzt, wo Soldaten beider Seiten, alles durchsuchten und plünderten.

Bis sie etwas geeignetes gefunden hatte, war sie wieder weit vom Wege abgekommen.

Als sie sich in der nächsten Nacht aus ihrem flachen Grab erhob und säuberte, schaute sie nach dem makaberen Windspiel. Es war zwar noch intakt, aber der Zauber war verflogen. So sehr sie sich bemühte, fand sie die Spur nicht wieder.

Erst viele Nächte und viele erfolglose Rituale später, immer wieder vom nächtlichen Überlebenskampf und ihren lästigen Pflichten aufgehalten, standen die Sterne wieder günstig und Geister und Feen flüsterten ihr den direkten Weg zu.
Endlich, zerrissen zwischen untoter Geduld und kindlicher Ungeduld konnte sie Aurores Spur wieder aufnehmen. Offensichtlich hatten machtvolle, dunkle Hexereien ihre mantischen Künste gehemmt.
Doch Angelique war zu talentiert und zu stur, um ewig aufgehalten zu werden.

Schließlich stand sie am Weg ins Tal von Polcevera, die mächtigen Gipfel der Apenninen wie Berge des Wahnssinns aufragend. Hier an der Passstrasse gen Mailand sah sie hinab auf zwei Heere.
All die geplünderten Gehöfte und Dörfer, all die weinenden Frauen und Mädchen, all die faulenden Früchte der Galgenbäume ergaben plötzlich Sinn.

Die Fahnen der Stadtadligen Genuas, die eher durch Handel als durch Landbesitz mächtig waren, flatterten im Wind. Bunte Zelte standen dort, Pferde wieherten und unzählige Lagerfeuer flackerten wie ein Echo der Sterne an den Hangseiten.

Das Heerlager Mailand war ungleich imposanter.
Allein die Banner und ausgestellten Schilde von Löwen, Adler und Wölfen zeigten, dass die Grafenstadt der Tedesci Könige fleischige Peitsche auf dem Hintern der norditalienschen Dirnenprovinz war, und sie verbreiteten Furcht, allein durch ihren Anblick.
Hier waren ungleich mehr Reiter in ungleich kostbareren Rüstungen versammelt und die Fußsoldaten, die Kettenhemden und jeder ein Schwert zusätzlich zu Schild und Lanze trugen, galten als die besten westlich von Byzanz.

Angelique war wie vor den Kopf geschlagen. So viele Zelte! So viele Wachfeuer! Noch dazu zwei Heerscharen mit hunderten, wenn nicht tausenden Menschen, bestimmt nicht wenige Blutsvasallen darunter! Wie sollte die Aurore da finden. Die Gewandschließe im Heuschober wäre leichter zu entdecken!

In ihrer Ratlosigkeit griff sie zu ihrem besten Mittel: die Weissagung.

Energisch drehte sie auf einem flachen Stein ihren Schatz, die Lanzenspitze, die die Prinzeps durchbohrt hatte.
Als diese zum Stehen kam, folgte die kleine Malkavianerin diesmal der Spitze, wo das getrocknete Blut sich zweifellos nach seiner Herrin sehnen musste.
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Re: Queste [Fluff, Angelique]

Beitrag von Angelique »

Sie war schon auf dem Weg von den Heerlagern weg, als Zweifel sie überfielen. Subtile Omen las sie jedem Zwitschern der Nachtvögel und jeder Wolke, die sich vor den Mond schob. Ganz so, als solle sie diese Omen sehen.

Lilliths machtvolles Erbe kochte in ihrem Blute hoch. Die gefürchteste okkulte Kraft der Frauen: die weibliche Intuition.

Und diese sagte ihr, dass sie in die Irre geführt wurde. Jemand oder etwas legte ihr falsche Spuren und wollte nicht, dass sie hier bliebe.

Sofort machte sie auf dem Absatz kehrt. Energisch straffte sie die schmalen Schultern und rückte ihren Pilgerschlapphut zurecht. Mit neuem Elan stapfte sie auf die Heerlager zu und ignorierte die immer aufdringlicher werdenden Zeichen.

Als sie verdunkelt dort anlangte, vorbei an unzähligen kampferprobten Wachen, war sie erst einmal sehr verloren. Sie hatte, ihrem Instinkt folgend, das Lager der Mailänder gewählt. Roger oder Etienné hätten sich hier mühelos zurechtgefunden, auch Freunde gehabt. Aber dafür war weder die Zeit gewesen, noch glaubte Angelique, die untoten Strippenzieher hätten ihre geliebten Vasallen ignoriert und am Leben gelassen.
Ihr blieb nichts übrig, als hier selbst zu suchen, wo der mysteriöse Feind, okkult bewandert, wie er schien, sie fern von hier wähnte, einer mythschen Schnitzeljagd aufgesessen.

Ziellos irrte sie umher, suchte nach auffälligen Blutdienern. Doch die gotischen und vielleicht älteren Herren Mailands mit ihrer langen Erfahrung in der Stille benutzten zumindest hier keine Hilfe-ich-bin-böse-Verkleidungen, wie sie manche Vampire Genuas für ihre Blutdiener bevorzugten.

Alles war voll mit den Tedesco-Krieger der Grafenstadt, die die harte Germanensprache für ihre Losungen und Gespräche nutzten. Mailand war und blieb ein Bollwerk des Reichs in Norditalien.
So konnte sie nicht einmal die Wachen belauschen.
Sie ließ aber sich nicht beirren. Irgendeine Spur würde sie finden. Sie wich großräumig den Wachfeuern aus und den Kettenhemd tragenden Wachen mit ihrer harten Sprache und ihren noch härteren Augen aus blauem Eis. Sie huschte zwischen spielenden Bastardkindern des Trosses hindurch und umging Huren, die breitbeinig und mit klirrenden Geldbeuteln von zufriedenen Soldaten kamen.
Sie lugte vorwitzig in Zelte, schlüpfte zwischen Waffen- und Schildständern hindurch und mied die Koppeln der Kriegsrösser, die zweifellos unruhig würden, witterten sie die kleine Untote.
Natürlich galt dies umsomehr für die Kriegshunde, deren Meuten in der Ferne bellten.

Ein guterTeil der Nacht war schon verstrichen, aber Angelique hatte nur einen Bruchteil des Lagers erkundet. Es mochten an die zweitausend Bewaffnete sein, den Troß nicht mitgezählt.
Es war wirklich, wie die Gewandnadel im Heuschober suchen!

Sie wurde ratloser. Wo würde man Aurore hier verbergen? Würde man sie überhaupt hier verbergen?
Fast wäre sie in Gedanken gegen einen Mann gelaufen. Eher instinktiv wich sie ihm aus und erhaschte nur einen flüchtigen Blick auf sein Gesicht.

Ein Blick, der den Blitz des Erkennens durch ihr krankes Hirn sandte. Vor Jahren hatte sie diesen da in Padua gesehen! Und er wirkte keine Tag älter als damals! Ein Blutsdiener!

Sie hatte ihre Spur wieder. Lautlos und geisterhaft nahm sie die Verfolgung des Mannes auf.
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Re: Queste [Fluff, Angelique]

Beitrag von Angelique »

Lautlos und ungesehen huschte das Mädchen hinter dem Mann aus Padua her. Dieser hielt kurz inne, um sich an einem Baume zu erleichtern. Mit ungesunder Schaulust stand Angelique daneben und beobachtete, wie sie immer beobachtete.

Wehmut und Sehnsucht überkamen sie. Elaborierte Jagden auf Sünder, für die sie schon lange keine Zeit gefunden hatte, kamen ihr in den Sinn und der Anblick erweckte in ihrem verdrehten Geist das Verlangen nach ihren lieben Blutvasallen, nach Rogers zärtlicher, väterlicher Umarmung, Etiennés brutaler, sadistscher Besessenheit und Cebérs treuer Hingabe.
Sie hatte sie alle zu lange vernachlässigt. Auch ihre heilige Aufgabe, Sünder zu strafen, war viel zu kurz gekommen.

Schließlich war der Mann mit seinem allzu menschlichen Bedürfnis fertig.
Er drehte seinen bunt gemusterten Mantel - Angelique bedauerte, nicht Rogers Kenntnis der Farben der Fürsten zu haben - auf links. Die andere Seite war in einem Grau gehalten, das Tarnung versprach. Und in der Tat setzte er sich wachsam und seine Spuren verbergend in Bewegung. Und jeden anderen Menschen oder manch Kainiten hätte er auch mühelos abgehängt oder zumindest den Verfolger selbst entdeckt. Doch Angelique war eine wahre Meisterin des Verfolgens, ohne selbst bemerkt zu werden.

So führte der Paduaer sie tiefer in den Wald, wo er ein Vesteck angelegt hatte. Er holte eine arme Kesselflickertracht hervor und hüllte sich in diese im Tausch für seine adlige Kriegerausstattung.

Angelique grinste füchsisch. Eindeutig war sie auf der richtigen Spur.
Der Verkleidete umging das Heerlager der Genuesen mit weitläufigem Bogen.
Irgendwann graute zwar der Morgen, aber Angelique sah, wohin der Mann ging: Borgio Incrociati, Ferrucios zerstörtes Dorf. Der Malkavianer geschändete Domäne.

In der nächsten Nacht würde sie erneut hier sein - und des Rätsels Lösung finden.
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Re: Queste [Fluff, Angelique]

Beitrag von Angelique »

In der nächsten Nacht eilte Angelique zum Dorf des Ferrucio.

Der kleine Ort selber war eine traurige Ansammlung leerer, geplünderter und abgebrannter Hütten geworden, die seit Monaten leer standen. Unkraut wuchs in Gärten und auf Feldern. Bald würde die Natur sich geholt haben, was ihr der Mensch abgetrotzt hatte. Die Träume und Hoffnungen der Bewohner hatten ein jähes Ende gefunden, als die unsterblichen Dämonen ihre Blutsklaven geschickt hatten.

Angelique erinnerte sich, wie sie selbst mit kalter Mörderhand die Plünderer aus dem Dunkel heraus getötet hatte, um wenigstens einige Unschuldige in Sicherheit zu bringen. Ferrucio war ihr erklärter Gegner gewesen, aber war auch ihr Klanbruder im Hause Malkav. Das hier würde sie nicht vergessen oder vergeben. GOttes Mühlen mahlten langsam und sie war eine Müllerstochter.

Sie sah, dass einige nahe Gehöfte der völligen Zerstörung entgangen waren. Zu kurz für eine systematische Verheerung war wohl der Überfall gewesen, zu zahlreich und zerstritten die beteiligten Banden und ihre höllischen Anführer.

Das untote Mädchen schärfte seine Sinne. Die Katzenaugen weiteten sich und verstärkten alles Restlicht. Ihr Näschen wurde so fein, dass eine völlig neue Welt, die Menschenworte nicht beschreiben konnte, sich ihr eröffnete.

Was selbst erfahrensten Kundschaftern unmöglich war, war für das kleine Biest Angelique nun lachhaft einfach.

Schnell fand sie die Spuren des Mannes von gestern tatsächlich wieder und machte aus, dass er sich wohl zu einem der recht allein stehenden Höfe aufgemacht hatte. Recht klein war dieser. Eine Lehmhütte, eher ärmlich auf dem ersten Blick. Draußen standen einige dichtgedrängte Schafe, die auch nicht nach sonderlichen Prachstücken aussahen. Ziemlich unscheinbar das Ganze.

Zu unscheinbar, fand die Malkavianerin und näherte sich gegen den Wind, damit die Schafe und vielleicht ein Schäferhund, ihrer nicht gewahr wurden.

Und siehe da: Sie hatte den Mann tatsächlich wiedergefunden. Er saß in einem dicken Mantel auf dem Boden neben der Tür der Hütte und schien zu dösen. Trotz ihrer mystisch überhöhten Sinne hätte sie ihn beinahe gar nicht gesehen, so zugedeckt war er. Eigenartig, es war doch ziemlich kalt hier draussen. Wenn man ein Haus hat, würde man auch drin schlafen, dachte sie sich.

Angelique machte sich daran, auf bewährte Art ins Haus zu glangen. Über das Dach, denn Holzschindeln oder Strohbedeckung waren schnell abgedeckt und man konnte einfach und schnellhinein. Dann aber staunte sie nicht schlecht: das Dach war tatsächlich kein solches einfaches Dach. Sicher war es das bis vor kurzem aber gewesen. Es schien vor einigen Monaten erst gegen teure Dachziegel, die in weißen Kalkmörtel gegossen waren, ausgetauscht worden zu sein. Die dicke zweischalige Mauer des Gebäudes wäre typischer für die karstiger Landschaft, aber auch hier hätte man eher Bruchstein erwartet, um gegen die sommerliche Hitze zu schützen. Angelique war nicht überrascht, auch noch zwei moderne, teure Fenster vorzufinden, deren solide Läden mit sündhaft teuren Schieberiegeln verschlossen waren, wie sie feststellen musste, als sie sie mit dünner Messerklinge aufhebeln wollte.

Das war eine kleine Festung, getarnt als armselige Hütte.

Ihr blieben nur zwei Möglichkeiten: Aufgeben oder auf´s Ganze gehen.

Natürlich entschied sie sich für die gefährlichere Alternative. Unbestritten war der Mann ein erfahrener Blutvasall, sicher in derselben Liga wie der oberste Diener Aurores spielend und einem Neonaten oder auch mehreren im direkten Kampfe haushoch überlegen.
Dennoch musste sie es versuchen.

Ihr Geist griff hinaus und fand die Säfte im Inneren des Mannes. Sie wühlte das Meer der Melancholie auf und öffnete die Schleusen.
Und wahrhaftig! All die Dinge, die er in den vielen, vielen Jahren im Dienst eines untoten Teufels getan hatte, all die verlorene Menschlichkeit, die er gegen Macht und Unsterblichkeit getauscht hatte, kochte in ihm hoch. Leise fing der Mann an zu weinen und brach fast zusammen unter der Last der Jahre.

Auch der von der Wirkung ihrer eigenen Blutzauberei überraschten Angelique, geschlagen mit allzu menschlichem Mitleid, traten die Tränen in die Augen.
Doch sie musste jetzt handeln. Mit unmenschlicher Gewandheit und Koordination öffnete sie hinter dem abgelenkten Wächter die schwere Tür, huschte hinein und verschloß sie lautlos wieder.

Innen befand sie sich in einem recht kärglich eingerichteter Raum. Einfache Holzmöbel standen da, Stroh lag auf dem Boden. Ein einzelner Raum, ziemlich dunkel so ohne Licht und ohne geöffnete Fenster oder Türen. Sonst war scheinbar niemand hier.

Angeliques totes Gehirn arbeitete fieberhaft. Schließlich ließ sie sich nieder und ließ Sand auf die Holzbohlen des Bodens rieseln.

Da! An einer Stelle verschwand der Sand zwischen den Ritzen. Ein Hohlraum!

In der Tat war da eine kleine Falltür, eher eine überdachte Grube. Ziemlich unscheinbar.
Angelique, vor Spannung fast dem finalen Tode nahe, öffnete sie und fand unten... einen Körper. Ein Mädchen mit marmorweißer Haut, wunderschön, voller ewiger Jugend und... ein abgesägter Speer steckte in ihrer Brust, mitten durchs Herz getrieben. Ein Fleck, der so gut nach Vita roch, wie noch nie ein getrockneter Blutfleck für Angelique gerochen hatte. Sie hatte sie gefunden. La principessa bianca!
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Re: Queste [Fluff, Angelique]

Beitrag von Angelique »

Angelique war für einige Augenblicke gebannt vom Anblick der schlafenden Schönheit. Sie hatte die heidnische Götze schon immer bewundert und bedauert, dass sie nicht zum erlösenden Glauben sich bekehren ließ, wo doch alle Vampirfürsten der Christenheit und sei es aus politischer Räson es taten.

Ein bißchen bewunderte sie sie auch dafür. Der kleinen Malkavianerin kam es selbst in dieser Goldenen Gelegenheit nicht im entferntesten in den Sinn, die uralte Ventrue zu vernichten. Später haderte sie lange damit, ob das wirklich eine Entscheidung aus ihrem nildtätigen Herzen war oder ihr aus den Tiefen ihres Blutes befohlen wurde.

Wahr war in diesem Moment, dass sie der Schlafenden nichts zuleide tun würde. Sacht glitt ihre Hand Zentimeter über den totenstarren Leib, ohne dass die ehrfürchtige Angelique es wagte, ihn zu berühren.

Wie der ungläubige Thomas betrachtete sie die gräßliche Wunde in der Brust, der die erhabene Götzenstatue Aurores zu einem Märtyrer-Standbild verwandelt hatte.
Kurz wünschte sie sich, mit ihr tauschen zu können. Eingefroren in der Zeit, ohne Bedürfnisse, ohne Pflichten. Nur allein mit seinen Gedanken. Allein... Mit seinen Gedanken...
Namenloser Horror überkam die kleine Vampirin bei dieser Vorstellung. Sie musste Aurore schnell helfen!
Breitbeinig stellte sie sich über die schlafende Uralte und ballte die Fäustchen. Mit purem Willen zang sie ihr mächtiges Blut in die Venen, so dass sie fast barsten. Übernatürliche Stärke durchflutetes sie.

"Verzeiht, Hoheit", hauchte sie und hob die brettsteife, im Rigor Mortis verharrende Prinzessin an. Sie war leicht wie eine Feder für die nun bärenstarke zierliche Kindvampirin.

Wie ein lautloser Todeswind huschte die zum verriegelten Fenster, öffnete dies und sprang in die Nachtluft. Die kostbare Fracht mit sich tragend. Kaum berührten ihre Füßchen den Boden, sprintete sie auch schon los. Unermüdlich, rasend schnell, bärenstark. Wären Zeugen diesem ansichtig geworden, hätten sie an ihrem Verstand gezweifelt beim Anblick des kleinen Kindes, das eine starre Erwachsene durch die Gegend trug.
Aber Angelique hatte natürlich jeden Verstand umnebelt, der ihrer bewusst weren konnte und huschte ungesehen davon. Hin zum Anwesen der Prinzeps.
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Re: Queste [Fluff, Angelique]

Beitrag von Angelique »

Angelique war immer noch naiv, aber nicht dumm. Bei der Villa angekommen, fragte sie die Sterne, ob es einen guten Ausgang nehmen würde, wenn sie den Pflock entfernte.

Die Sterne logen nicht, die Sterne liebten aber auch Halbwahrheiten. Später verstand sie, was oder vielmehr wer ihre Sicht in dieser Stunde vernebelt hatte.
Doch jetzt entfernte sie die hölzerne Spaßbremse aus dem Herzen der Prinzessin. Hundert lange Jahre der Erfahrung ließen sie trotz des Orakelspruchs vorsichtig sein. Verdunkelt war sie und verdunkelt blieb sie vor den Augen der Prinzeps verborgen, so hoffte sie, obwohl sie kaum etwas Offenichtlicheres tun konnte, als einen Holzpflock aus ihrem Herzen zu ziehen.

Was danach folgte, fügte einen weiteren wiederkehrenden Alptraum zu den vielen hinzu, unter denen Angelique litt.
Im selben Moment, als das Holz das Loch im Herzen der Aurore verließ, überflutete sie die Vision. Nicht ihre Vision, nicht GOttes, nicht Malkavs... oder doch?

Als unheiliges Leben in die wunderschöne Leiche vor ihr zurückflutete, verstand sie! Sie würde hier sterben! So stand es in den Sternen! Sie war von Anfang nach Genua gekommen, um zu sterben! So stand es in den Sternen!
Und ihr Opfer wäre nicht umsonst, das sah sie. Sie sollte eigentlich glücklich sein und für GOttes Plan froh in den Tod gehen.
Doch da war er wieder: Der Zweifel! Es war nicht GOttes weiser Plan, sondern nur der Plan eines infinit weniger weisen, wenn auch immer noch furchterregend Mächtigen. Der Plan war durchdacht, das verstand sie glasklar. Aber für sie, die den freien Willen, den GOtt allen gegeben hatte, über alles schätzte, war es inakzeptabel, ein Bauernopfer zu sein!
Bauernopfer! Sie hätte fast lachen müssen. Diese Ironie! Köstlich!

Sie sah in dieser Nacht zweimal die Macht wirklich alter Vampire. Einmal in dieser Vision eines wahren Meisterplans, der Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, umspannte und den sie kleiner, geistiger Zwerg sich mit feigem Überlebnswillen widersetzen wollte. Und zum anderen die erwachende Aurore.

Als die Erkenntnis, nur Opferlamm für die römische Wölfin zu sein, über Angelique wie eine schwarze Woge zusammenbrach, glommen die Augen der uralten Ventrue höllisch im Dunklen auf. Mit unnatürlicher, ja, dämonischer Bewegung erhob sie sich von Toten und unheiliges Leben kehrte in sie zurück. Schreckensstarr sah die kleine Malkavianerin, dass sie selbst als Dämonin nur eine klitzekleines Käuzchen war, wenn Kains Wut sie übermannte, im Vergleich zu der Eulengötze, die die schwarzen Schwingen ihrer Seele vor ihr entfaltete.
So schrecklich, so schön wie der Morgen! Fast sehnte Angelique sich danach, verschlungen zu werden von dieser Frau, die GOtt am nächsten kam in dieser Stadt, obwohl sie kaum weiter von IHm entfernt sein konnte.

Sie sah die Macht, sie sah die Disziplinen. Allein dafür hatte es sich gelohnt, die Herrin so zu sehen. In - ihrer - ganzen - Glorie.
Selbst als das Blutbad folgte, selbst als Aurores dämonische Fratze nur Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt nach ihr suchte, um sie zu Asche zu machen, zu einem verschrumpelten Kadaver ohne Flüssigkeit, wie die anderen nichtsahnenden Opfer, selbst als sie so kurz vor der Vernichtung stand und Aurores bloße Präzenz sie in die Knie zwang, hatte sie nur Bewunderung und Liebe für das perfekte Monster vor ihr übrig.

Wieder wollte etwas in ihr -ihr irres Blut? - freudig sterben. Für GOTT - für einen Teufel? - für Aurores Heil!
Nein, sagte die kleine Stimme in ihr. Marie war immer noch da, das schwache Menschenkind, das einfach nur Angst vor dem Ende hatte.

Und so versagte Angelique wieder einmal. Und würde weiter leben.

Epilog:

Als Aurore Platz auf ihrem Thron nahm, war es still geworden um die Götze Genuas. Angelique hätte weinen können. Aus so vielen Gründen. Aber vor allem, weil sie nun verstand, wie einsam und gottverlassen man war, wenn man als Vampir alt wurde, obwohl man immer mächtiger wurde.
Die kleine Malkavianerin würde bei ihr bleiben, immer. Eine musste ihr beistehen. Vielleicht würde sie das eines Nachts verstehen.

Angelique trat aus der Unsichtbarkeit heraus.
Zum ersten Mal kniete sie freiwillig und gerne vor der weißen Prinzessin.

"Ich habe Euch gesucht und mir erlaubt Euch zu befreien, Prinzeps", sagte sie mit in der leeren Villa hallenden, hellen Stimme,
"Eure Domäne braucht, Herrin! Es herrscht Krieg und auch Eure Untertanen sind zerstritten."
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