[Fluff] Euthanasia [Angelique]

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Angelique
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[Fluff] Euthanasia [Angelique]

Beitrag von Angelique »

Dem alten Schäfer Giam tat sein ausgemergelte Leib so weh, dass er kaum die gichtigen Hände zum Gebet falten konnte.
Er seufzte. Erst morgen würde eine seiner Schwiegertöchter kommen, um sein dreckiges Strohlager zu wechseln.
Giam tat es leid, dass er den Seinen so sehr zur Last fiel. Gott hatte ihn aber nun einmal mit dieser Schwindsucht geschlagen, die ihn von innen zerfraß.
Sicher war das die Strafe für die Sünden seiner Jugend. Ja, gewiß. Der kleine Todesengel war damals zu ihm gekommen, um ihn auf den rechten Weg zu führen, fort von den Schafen, Hunden und den anderen Hirtenjungen, mit denen er sich in kindlicher Einfalt versündigte.

Wie lange mochte das wohl nun schon her sein? Der Schäfer zählt die Jahre nicht. Sie waren alle ähnlich. Und doch war Giams Leben gut gewesen nach seiner Erscheinung.
Als der Aderlaß vollzogen worden war, schien auch die Sünde von ihm geflossen zu sein. Er sparte und arbeitete hart und ging jeden Sonn- und Feiertag in die Kirche, beichtete und erhielt Absolution.
Und Gott meinte es hernach gut mit ihm. Er fand ein Weib und heiratete, hatte manch gute Jahre und viele Kinder, von denen die meisten es bis ins Erwachsenenleben schafften. Seine Herde wuchs und wuchs und bald war er so angesehen, wie ein Schäfer eines Klosterguts es nur sein konnte.
Als seine Frau starb, als sie einem letzten Sohn das Leben schenkte, heiratete er nicht wieder. Von Krieg und Seuchen blieb seine inzwischen große und gut verheiratete Familie zumeist verschont. Und schließlich erfreuten viele Enkel sein ermattendes Herz.

Aber der Tod, den er willkommen heißen würde, ließ sich Zeit und der Reiter der Apokalypse Sieche kam über Giam.
Die Schmerzen in seinem Inneren waren inzwischen so stark, dass Hanf und Mohn nicht mehr viel bewirkten. Die Kräuterfrau des Dorfs und auch die Benediktiner der Abtei schüttelten nur traurig den Kopf und beteten für ihn. Sie waren mit ihrem Latein am Ende. Es gab keine Heilung für das Unbekannte, was in ihm wucherte, nicht einmal einen Namen.
Stöhnend sagte der Alte sein Gebet auf. Zu seiner Überraschung fiel eine zweite Stimme mit ein. Eine helle Mädchenstimme.
Giam traute seinen Augen kaum. Denn plötzlich aus dem Nichts saß da der Todesengel von damals. Er war noch immer so jung und schön wie vor so vielen Jahren. Nur das Lächeln wirkte trauriger.
"Ist es Zeit?", krächzte Giam bang, aber doch voller Hoffnung.

"Ja, wenn du es willst", hauchte der Todesengel. "Dieser Mord, den ich begehe, soll dir Erlösung sein."
Giam lächelte glücklich und Tränen rannen über seine eingefallenen, faltigen Wangen.
Als der kleine Schmerz des Bisses folgte und in glückselige Wonne überging, war Giam letztendlich frei von Schmerzen und schied froh aus dieser Welt.

Angelique verließ lautlos die Hütte, nachdem sie die Fensterläden geöffnet hatte, damit die Seele des alten Schäfers entweichen konnte.
Wieder fragte sie sich, ob es rechtens war, was sie getan hatte. Hatte sie GOttes Wille der Barmherzigkeit vollzogen oder in seine Vosehung gepfuscht.
Aber das war ihr egal. Sie hatte das Gefühl gehabt, das Richtige zu tun.
"I'm a mighty thesaurus! Rawr!"
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