[Fluff] Hunger [Livia]

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Livia
Jünger des Seth
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Registriert: Do 23. Nov 2017, 22:04

[Fluff] Hunger [Livia]

Beitrag von Livia »

Hunger
„Guten Hunger!“
Der Geschäftsabschluss war zufriedenstellend, Livia selbst hatte die Kisten gezählt, hatte den Wein, den Schinken, das konservierte Obst betrachtet… ihre Leute würden dieses Jahr wieder gut leben und ihre Einkünfte wären ebenso prachtvoll…

Sie begleitete eine der Kisten, direkt vom Quartiermeister aufgebrochen wurde sie unter den Männern zum Abendmahl ausgeteilt. Da saßen sie nun, im Schweiß ihres Tagwerks, träge durch das Gewicht ihrer Brünnen, stolz – allein ihrer eigenen Existenz willen. Und sie Aßen…

An sich so banal wie irrelevant. Doch war es nicht hochgradig seltsam? Warum musste der Mensch essen? Wie grausam wirkte es, dass er sich allerlei einverleiben musste, um es in seinem Körper in wertloses Exkrement zu verwandeln… nicht nur wertlos, nein, einheitlich. Die Speisen waren so different, zähes Fleisch, salziger Fisch, herzhaftes Brot, knackiges Obst, weiches Gemüse… würzige Speisen, deftige Speisen, bittere Speisen… Ob Tier oder Pflanze, alleine die Zubereitung machte es so unendlich vielseitig, dass sich manche von ihnen ob kultureller Unterschiede die Schädel einschlagen würden, wie man denn das Fleisch am besten anbrate oder ob Schmalz oder Butter das Brot besser veredeln würde… ja alleine wie man das Brot backen sollte, war zwischen den Franken und Italienern hier Grund für Streit… Fast albern.

Livias Erinnerungen waren nicht mehr da. Wie schmeckte es gleich, das Brot, das Fleisch, der Fisch? Vage Schatten, mehr Konstrukt aus Geschichten und Einbildungen als wahres Gefühl hauchte ihr die Illusion von Menschlichkeit ein… Mehr war es nicht mehr.

Wie trist erschien bei jenem Gedanken auch das Blut? Es war nicht zuzubereiten, nicht zu würzen, es hatte stets dieselbe Konsistenz und den gleichen Geschmack… nun nein, so stimmte das nicht, es war doch stets unterschiedlich, aber so wie eben Rindfleisch für einen Menschen unterschiedlich war… ob es ein Kalb, ein altes oder junges Rind war, ein fettes oder mageres Rind… Und doch war das Blut so intensiv im Geschmack. Livia zitterte geradezu, während sie den anderen beim Speisen zusah, es hatte so eine starke Wirkung neben der Stillung des Hungers… es war wie Magie, es hatte so eine Macht über sie… Nicht nur der Hunger wurde gestillt, nein auch der Geschmack und das Gefühl… es war eine Sucht, eindeutig. So simpel, aber doch so wirkmächtig. Magie, die sie alle manipulierte und zu hilflosen Opfern ihrer Bedürfnisse machte…
Livia schüttelte sich.

Zunehmend verspürte auch sie Hunger. Er trat in den Vordergrund. Das Tier hatte hier mitzureden… Alle um sie herum konnten speisen, nur sie nicht, hatte zu warten, bis sie alle gespeist hatten, um sich eventuell an einem zu vergehen… hatte zu warten, als wäre sie das niederste Mitglied ihrer eigenen Herde? Auch hier hatte die Bestie in ihr mitzureden, sie grollte, schmollte bei dem Gedanken geradezu. Die zarte Händlerin fletschte kurz die Zähne in ihrem schönen Gesicht und ballte die Hände zu Fäusten. Unwillkürlich – unwillentlich.
Hatte sie Angst?

Ja… das Hungern bereitete ihr Angst. Das Jagen… bereitete Lust. Das Speisen selbst jedoch... bereitete ihr Angst.

Pervers war die Mischung, Angst und unendliche, magisch gestärkte Lust an jenem Blute… doch in jedem Schritt war diese eine spezifische Angst. Was war, wenn es nicht genug bekam? Angst vor dem Hungern selbst, die plagte die junge Merkurianerin kaum, aber Angst vor den Folgen…
Das Wesen und sie… der Hunger und sie…

Aber wieso?
Wieso war es für den Mensch so verhältnismäßig einfach, sich zu nähren? Er konnte es sich einfach erschaffen! Natürlich verhungerten die Menschen reihenweise… aber das lag an der Gier anderer, die ihnen Speise für Profite vorenthielten oder ihr Leiden als Waffe gegen ihre Schutzherren einsetzten… wieso hungerten die Kinder Kains?
Lag es am Selben? Hielt man ihnen die Speise auch fern? Oder war es nur so unendlich viel mühsamer, sich kraft der eigenen Hände Arbeit… der eigenen Jagd… wirklich zu sättigen?

Livia schüttelte den Kopf, diese philosophischen Quängeleien mussten aufhören… Wäre da nur nicht diese entsetzliche Zerren in ihrem Bauch… in ihrer Seele.

Der allgegenwärtige Begleiter: Der Hunger.
Der allgegenwärtige Begleiter: Die Bestie.
Der allgegenwärtige Begleiter: Die Angst. 


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