[1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

[Februar '19]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Jacques Benoît
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

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Jacques schnaubte amüsiert mit gespielter Verachtung. "Deine Hummel ist fetter als meine, Seresa. Und fluffiger. Meine ist vermutlich tot, sie fliegt nirgendwohin." Er machte eine pieksende Geste vor sich, als würde ein verendetes Tier vor ihm liegen und er würde sehen wollen ob es sich noch regen würde. "Und darauf will ich hinaus. Wir sind am Ende alle hinüber und unser Ende ist immer Gleich: Es ist wider unsere Natur den Strohtod zu sterben, also erliegen wir irgendwann Feuer und Schwert. Oder Klauen und Zähnen, je nach dem." Er überlegte kurz. "Ich mag es, wie das gelehrte Blut durch Deinen Mund zur Geltung kommt. Du sprichst blumig, aber nicht geleckt. Und Du stellst Fragen die keine sind, weil die Antworten auf der Hand liegen. Du erinnerst mich an meinen Mentor, was das angeht. Ein wenig zumindest. Er war größer und etwas bleicher als Du, aber er sprach auch oft von marmornen Statuen, wenn er über manch alte unserer Art herzog."

Er wippte kurz mit dem Kopf zur Seite. "Neugeborener bin ich, wie auch mein Schaffer. So langwierig mein Kindsein war, so langweilig war mein Freisprechen, so gewöhnlich mein Erzeuger und so wohlwollend meine Brut. Nichts besonderes daran." Er zuckte mit den Schultern. Aber diese Aurora klingt aus Deinem Mund wie 'ne verdammte Heilige, weißt Du das? Scheint Dich ja beeindruckt zu haben, wenn Du ihr zu Diensten bist. Was am meisten? Wie fing es an? Was ist für Dich dabei drin, außer Amt und Bürden mit denen Du Dich herumplagen musst?" Der Nosferatu schien es nicht so abwertend zu meinen, wie es auf den ersten Blick klang.

"Was das Spiel der Nacht angeht, verfüttert man die Karotte wo es kein Entkommen gibt als erstes. Nur wenn Du das Spiel verlässt, kannst Du es von außen sehen. Was aber nicht heißt, daß Du nicht mit dem einen oder anderen doch Geschäfte machen oder Abmachungen treffen kannst. Was sie damit tun macht Dich erst zum Esel, wenn Du den Karren abkriegst. Ich spiel eher das Spiel andere sterben zu sehen. Könige, Päpste und Kaiser sind nicht ewig. Nur der Tod ist ewig. Ich hab schon welche dahinsiechen seh'n und ich werde es wieder. Und mit so manchem unserer Art ist es nicht unähnlich, sie altern schlecht und werden irre, dann sieht ihr Kopf nur noch oben-unten-oben-unten-oben-unten... Asche! Mein Spiel ist es, nicht dazuzugehören. Und selbst wenn das Land auf dem ich laufe einem anderen gehört, am Ende gehört er selbst ohnehin bloß dem Schnitter."

Sie waren schon nicht unweit der Stadt. "Ich bin froh, daß Du mir nicht feindlich gesinnt warst." Er schien zu lächeln unter der Maske. "Es ist einfacher die Stadt vor Plünderern wie diesem frei zu halten wenn man kein Messer im Rücken hat. Andererseits, bin ich davon ausgegangen, daß Du in jedem Fall wissen wollen würdest, was es mit diesen Sirenen und verschwundenen Menschen auf sich hatte, seit Du entschieden hattest mitzukommen. Und manchmal muss die Neugier genügen."
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Seresa
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

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Seresa hatte den Blick aus braunen Augen schweigend auf Jacques gehalten, als dieser gesprochen hatte. Erst als er geendet hatte, wandten sich ihre Augen von ihm ab und hin zur Stadt.

„Neugier.“

Sie wog das Wort förmlich in ihrem Mund hin und her, ob der Deutung des Nosferatu bezüglich ihres Mitkommens. Ein Schmunzeln fand auf ihre Lippen.

„Eine überaus interessante Deutung und Schlussfolgerung Eurerseits.“

Das Haupt der Gelehrten senkte sich schweigend auf ihre Brust und in einer ruhigen Bewegung legte sie die Kopfbedeckung darüber. Dann erst hob sie erneut ihren Kopf und sie blickte geradeaus auf die Stadt. Mit ruhiger Stimme sprach die Brujah weiterhin gedämpft, doch nun deutlich an Jacques gewandt.

„Was ihre Majestät und meine Dienste angeht, so ist dies eine längere Geschichte. Eine, welche ich Euch womöglich eines Nachts in Gänze erzählen werde. Hier und jetzt scheint es mir nicht der passende Zeitpunkt zu sein. Davon ab, vermag ich es nicht zu benennen, womit es wahrlich begonnen, noch was mich am meisten beeindruckt hatte.“

Die kleine Frau an seiner Seite zuckte mit den Schultern. Die Beiden waren inzwischen nahe der Stadtmauer, weshalb Seresa das Gespräch offenkundig unterbrach und nicht weiter oder gar tiefer ausführen wollte. Zu viele Ohren umgaben sie trotz der Dunkelheit der Nacht erneut.

Nur wenig später befanden sie sich auf dem Weg in Richtung ´Nordisch Allerlei´ im Hafen, dessen ´Besitzer´ Seresa mit einem leichten Nicken grüßte. Ihre eher entspannte, plaudernde Haltung von zuvor, war von einem Moment auf den nächsten - und anscheinend gänzlich mühelos - zu höfischer Etikette gewechselt. Die blumige Sprache war verschwunden. Wurde klarer und eindeutiger. Nicht geleckt, doch die Worte, welche sie an den Blutvogt hinterließ, spiegelten offenkundig ihren Respekt vor Brimir und seinem Amt nieder, als sie seine Ahnenreihe aufzählte und die wichtigsten Fakten kurz und prägnant zusammengefasst wiedergab. Sie sicherte einen ausführlichen Bericht darüber zu, sowie für Rückfragen zur Verfügung zu stehen. Auch Jacques erwähnte Seresa und wo dieser zu erreichen wäre, doch sie ließ es dem Nosferatu frei, selbst eine Nachricht bezüglich des von ihm erwähnten Vorfalls zu hinterlassen oder nicht.

Im ´Nordisch Allerlei´ hatte sie die Bedeckung ihres Hauptes abgenommen, doch in jenem Moment, als sie sich bei dem ´Besitzer´ mit ergebenen Grüßen an Brimir verabschiedet hatte, hatte sie den Umhang zurück über ihren Kopf geschlagen. Erneut ganz der kleine, unscheinbare Hirte werdend, machten sie sich quer durch Domus auf den Weg in Richtung ´A Tarda Ora´ in Broglio. In einem gesenkten Plauderton wandte sich Seresa erneut an Jacques, nachdem die Straßen wieder etwas ruhiger und leerer geworden waren.

„Wie gefällt Euch Genua bisher?“
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Jacques Benoît
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Jacques war eher Zuschauer denn Akteur, in der Zurschaustellung der Formalitäten, bis sie aus dem 'Nordisch Allerlei' wieder herausgetreten waren. Er hatte darauf verzichtet, seinen Fall vorzubringen und würde das vermutlich persönlich nachholen, sollte Brimir ihm irgendwann begegnen. Die Angelegenheit ruhte schon ein Jahr, kein Grund großes Aufsehen darum zu machen, schon gar nicht bevor man die Person an die man das Wort richtet in Augenschein genommen hat. Solcherlei war nichts für Handlanger. Jacques war nicht für sie. Er konnte dieses Mittelsmänner-Spiel nicht leiden und nutzte es selbst rein aus dem Nachteil seines Blutes heraus; ihm entging jegliches Verständnis dafür, warum man das ohne die offenkundige Entstellung zu tragen die seinen Clan zeichnete tun sollte. Wer immer andere alles erledigen lässt, könne ja genausogut sein Leben von ihnen leben lassen.

"Genua ist größer und interessanter als das Städtchen aus dem ich komme. Es ist ganz hübsch, wenn man die richtigen Ecken anguckt, aber es juckt wie eine alte Pestbeule wenn man auf die falschen schaut.", krächzte er auf die Frage der Brujah. "Hier wohnen viele komische Leute, die sich um sich selbst am meisten scheren, aber das ist in jeder größeren Siedlung so. Man muss eben sehen wo man bleibt. Es ist nicht ganz so schäbig wie ich es erwartet hatte. Nicht überall, zumindest."

Er grinste hörbar unter seiner Maske. "Es ist denkbar einfach, hier unwichtig zu sein. Unwichtig genug um seiner Arbeit in Ruhe nachzugeh'n. Und das schätze ich."
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Seresa
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

Seresa lachte ein fröhliches und heiteres Lachen, während sie eine abwinkende Geste mit der Hand beschrieb.

„Niemand ist in Genua wahrlich unwichtig, denn ein Jeder trägt seinen Teil dazu bei, dass die Stadt das ist, was sie ist. Sicherlich gibt es einige Orte, welche man meiden sollte. Personen und Gebiete, welche man respektieren sollte. Doch es war mir vergönnt über die Jahre viele unserer Art kennenzulernen, zu denen ich den Kontakt nicht bereue. Ich habe vieles von und durch sie gelernt. Weiß sie trotz manch gewöhnungsbedürftiger Eigenheiten durchaus zu schätzen oder gar zu respektieren. Ich würde Euch dazu raten ein paar Kontakte außerhalb der Eurigen zu pflegen oder herauszufinden, wer eines Nachts Euer Feind werden könnte, denn womöglich wollt Ihr hier einzig in Ruhe Eurer Arbeit nachgehen, doch ich bin mir recht sicher, dass Einige es am liebsten hätten, so Ihr nicht länger hier wärt, obwohl sie Euch wohl nicht einmal kennen.“

Die Brujah zuckte leicht mit den Schultern. Ihre Worte klangen nach keiner Drohung, sondern vielmehr nach einem gutgemeinten Rat.

„Seid Ihr denn abseits der Eurigen bereits Jemandem unserer Art in der Stadt begegnet, um Euch selbst ein Bild von Ihnen gemacht zu haben, um sie selbst als komisch eingeschätzt zu haben oder vertraut Ihr in diesem Punkt der Einschätzung Anderer?“
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Jacques Benoît
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Jacques kicherte. "Die meisten wären erstaunt, wie unwichtig sie selbst sind, Schätzchen. Am Ende sind wir ein Sack aus Asche und Zähnen, nicht mehr und nicht weniger. Unsere Zeit läuft bereits, auch wenn wir fremde Uhren leer lutschen. Aber so lang wir hier sind, magst Du recht haben. Für das alles hier ist vermutlich jeder irgendwie ein Stück des Mosaiks." Er wedelte mit seiner langfingerigen Hand in seinem Sichtfeld herum. "Ich habe für Freund und Feind keine Verwendung, denn ich verfolge keine Ziele die mit unserem jetzigen Dasein zu tun haben. Unsereins wirft sie gern in die Waagschale für ihre Ideen und Pläne, Intrigen und Gespinste die sie weben. Ballast, sage ich!" Seine wedelnde Hand schlug als Faust in seine leere Hand ein. "Ich mag Gesprächspartner, die mich auf Gedanken bringen. Meinen Geist strecken. Das ist mir meine Zeit wert. Angenehme Gesprächspartner. Und welche, die für Abenteuer am Stadtrand zu haben sind, wenns was zu erkunden gibt." Er warf ihr einen Seitenblick zu.

"Die meisten wissen nicht, daß ich hier bin. Und es geht sie auch einen Kehricht an, einen feuchten. Die Niederen sind doch, ganz gleich wo, selten gern gesehen. Ich kann niemandem ein Dorn im Auge sein, der blind für mein Hiersein ist, nicht wahr? Aber sei's drum, ich werde so oder so jemandem begegnen und vielleicht schadet es ja nicht." Er zuckte mit den Schultern.

Als sie ihn nach anderen fragte, sanken seine Schultern etwas. "Ich bin bisher nur einem begegnet. Ein Schönling vor dem Herrn, hat mich aber angegriffen mit seinen zwei Handlangern und mich auf offener Straße angefallen mit Mund und Zahn." Der Nosferatu rieb sich unbewusst den linken Oberarm, als würden Erinnerungen wieder aufkeimen. "Ich hatte im Hafen nach Sirenen gefischt, da bemerkte ich ihn. Und zwei Schläger die ihm folgten als wollten sie ihm sein Geldsäckchen rauskitzeln. Ich behielt sie im Auge und als er in die Taverne ging, bezog einer von ihnen Posten draußen. Den sprach ich an, dann begann er eine Rangelei. Kurze Zeit später erlahmte mein Arm. Er griff mir dafür ins Fleisch! Dann schloss der Unhold seinen wohlfeinen Mund um mein Bein und begann zu trinken, während die beiden Taugenichtse mich festhielten." Eine gewisse Wut schwang in seiner Stimme mit. "Ich flüchtete Hals über Kopf, so es mir noch möglich war. Irgendwo in Clavicula habe ich sie dann abgehängt."

Er blickte auf zu ihr und wirkte damit gebeugter denn zuvor. "Ich hatte genug Begegnung mit den Unsrigen fürs Erste.", murmelte er mit nahezu kühler stimme. Mit etwas mehr Feingespür klang etwas Sorge und Schwermut darin. Ganz dezent, im Hintergrund, aber definitiv vorhanden. "Du bist die erste nicht von meinem Blut, mit der ich tatsächlich ein Wort wechsel. Und meine gammeligen Eingeweide strotzen nicht vor Lust das zu ändern. Vergiss nicht, daß andere die ich treffen könnte mich nicht so behandeln werden wie Dich." Er machte eine kleine nachdenkliche Pause. "Ich kenne meinen Platz."
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

„Tut Ihr das? Und wo denkt Ihr wäre jener Platz?“

Ihre braunen Augen blickten prüfend zu dem Nosferatu auf, ehe sie ihn einen Moment schweigend weiter betrachtete. Dann beschrieb ihre Hand eine abwinkende Geste.

„Nun ohne jedweden Zweifel werdet Ihr Einige kennenlernen, welche ihre Nase zu unrecht derartig weit oben tragen, sodass der Regen bereits in ihre leeren Hüllen hineinfällt. Auf der anderen Seite gibt es jedoch genügend andere Vertreter unserer Art, bei welchen Ihr finden könnt was Ihr sucht: Anregende Gespräche, welche Euren Geist beflügeln und gute Handelspartner. Was indes Eure Begegnung mit einem Vertreter unserer Art in Genua angeht, so bedaure ich diesen Vorfall aufrichtig. Derartiges sollte nicht geschehen. Ihr solltet darüber mit Brimir sprechen, es sei denn Euer Ältester oder einer Eurer Geschwister im Blute hätte Euch anderes geraten.“

Seresa zuckte leicht mit den Schultern.

„Dieser unsägliche Vorfall mag wahrlich nicht dazu beigetragen haben, Eure Lust zu steigern, doch seid versichert, Genua ist anders, als man es zuerst erwarten mag. Euer Bruder im Blute Vergonzo wird für seine Baukunst geschätzt und Euer Ältester wird respektiert, gefürchtet oder beides zu gleichen Teilen. Zudem befinden sich viele und wichtige Ämter in Händen von - wie Ihr sie nennt - Niederen. Davon ab sagtet Ihr, Andere, welche Ihr treffen könntet, werden Euch nicht so behandeln, wie mich. Was meint Ihr, wie sie mich behandeln? Weshalb sollte es für Euch schlechter sein, so sie Euch anders behandeln als mich?“
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Jacques Benoît
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

"Man sagt, daß in vielen Siedlungen die Hohen zum Spaß Jagd auf uns niedere machen, oder zumindest immer dazu ausrufen wann immer sie die Gelegenheit seh'n.", Jacques zuckte mit den Schultern. "Ich weiß, wo mein Platz zumindest nicht ist, nämlich an den feinen Tafeln oder einem Ball der feinen Gesellschaft. Was würde ich in dieser Zurschaustellung der Eitelkeit auch wollen? Nach allem was wir wissen, könnte Eitelkeit selbst bereits der Grund dafür gewesen sein, daß meinesgleichen gestraft ist mit dem Antlitz das wir haben. Ich weiß mich jedenfalls weit weg abseits des Blickfelds der Augen zu bewegen, die nach neuen Strohmännern für ihre Untaten sucht oder aber für das nächste Bauernopfer - und für die meisten geht es in der angeblichen Staatskunst um wenig anderes."

Er schaute an der Brujah rauf und wieder runter. "Ich glaube für jedes schlechte Beispiel kann es auch ein gutes geben. Du bist treu Deinen Pflichten, aber nicht herablassend. Selten genug. Vielleicht hast Du ja recht, daß es hier den einen oder anderen gibt, um den es zu wissen lohnt, oder den es gar zu kennen nicht schadet." Er holte Luft und seufzte. "Die Zeit wird zeigen, ob Genua auf eine Art anders ist als sie scheint. Auf eine Art, die ich Heimat nennen kann. Vieles ist noch nicht in Stein geschrieben." Auf ihre Frage, schien er sich ein Lächeln abzuringen. "Du bist ein Amtsträger, hast hohes Blut und einen Stammbaum, vermutlich auch noch Kriegstitel und Lehen oder dergleichen. Ich habe weder irgendwas derartiges, noch biete ich an mich mit sowas zu ködern. Den meisten ist es nicht begreiflich zu machen, wie sie Einfluss auf mich nehmen können. Und weil sie nicht wissen was von Wert für mich ist, bin ich nur von wenigem Wert für sie selbst." Er neigte den Kopf ein wenig rüber und wurde etwas leister. "Nicht einer hätte mehr Grund mich so zu behandeln wie Euch, wenn nicht durch sein eigen Netz auferlegter Pflichten. Und an der Stelle ist das eine sehr dünne schnur, auf der ich Klappergerüst entlangtänzel, nicht wahr?"

"Dieser Brimir, mit dem ich über kurz oder lang sprechen werde. Was ist das für einer? Blutvogteien kommen in allen Formen und Farben, aber wenn man ein wenig kratzt, ist die Politur schnell runter und man sieht was darunter schimmert oder trüb ist. Wie ist es hier in Genua?"
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

„Brimir?“

Seresa schien für einen Moment über die Frage des Nosferatu nachzudenken, bevor sie mit noch stärker gesenkter Stimme als ohnehin schon, weitersprach.

„Nun das Offizielle wisst Ihr bereits über ihn und wie sein Name offenbart, ist er ein Nordmann. Er verweilt seit mehr als acht Jahrzehnten innerhalb der Domäne Genua und hat sich vor zwei Jahrzehnten gemeinsam mit Acacia zum Ancilla aufgeschwungen. Er selbst nimmt sein Amt ernst und duldet diesbezüglich keine Spielereien, welche ihn und seine Arbeit behindern. Brimir selbst ist Vasall ihrer Majestät Aurore und - soweit ich es beurteilen kann - auch bei wahrlich schmerzhaften Entscheidungen loyal ergeben, was ich an ihm zu respektieren weiß. Für mein Empfinden ist er von eher direkter und gradlinigerer Natur, während er sich dennoch seiner Stärke und Macht bewusst ist. Manche würden ihn keinen guten Denker nennen oder gar behaupten, ihn im Kreis laufen lassen zu haben.“

Die Gelehrte zuckte leicht mit den Schultern.

„In wieweit dies der Tatsache entspricht, vermag ich nicht zu beurteilen. Letzten Endes ist Brimir jedoch noch immer ein Jäger, welcher sich der Tatsache bewusst ist, dass er zu jeder Zeit auch selbst die Beute ist. Behandelt ihn mit dem redlichen Respekt, welchen er verdient und ihr solltet keine größeren Schwierigkeiten zu erwarten haben. Sofern Ihr ihm den Vorfall mit Jenem unserer Art schildert, so solltet Ihr Euch jedoch im Klaren darüber sein, dass er Euch fragen wird, weshalb Ihr Euch nicht früher bei ihm oder einem der Liktoren gemeldet hattet. Er wird Euch fragen, was Ihr entsprechend unternommen hattet, um einen möglichen Bruch der Stille zu verhindern oder die Folgen dessen zu beseitigen. Eure Antwort darauf sollte entsprechend besser sein, als dass Ihr nicht wusstet, an wen Ihr Euch wenden solltet oder Ihr Euren Ältesten nicht belästigen wolltet, denn mit einer solch ungezwungenen Aussage, würdet Ihr anderenfalls wohl zu Recht seine Verärgerung auf Euch ziehen.“

Schweigend betrachtete sie den Nosferatu für einen Moment.

„Sofern Ihr noch etwas Spezielleres über Brimir wissen möchtet, fragt.“

Seresas Hand beschrieb eine einladende Geste.

„Es ist für mich schwierig abzuschätzen, was genau Euch interessiert und worauf Ihr bei Eurer Frage hinauswollt.“

Dann wanderte ihre Hand wieder zu ihrem Körper zurück, während sie ihn weiter durch schmalere und verwinkelte Gassen, abseits der großen Straßen führte, hin in Richtung ´A Tarda Ora´ führte.

„Was mich selbst angeht, so würde wohl mancher sagen, dass Ihr Euch in Eurer Einschätzung zu großen Teilen irrt. Dennoch ist sie in gewisser Art und Weise durchaus schmeichelhaft.“

Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie Jacques leicht dankend zunickte.

„Und was die Unwissenheit bezüglich dem angeht, was Euch von Wert ist.“

Für einen Moment pausierte die Brujah, bevor sie mit den Schultern zuckte.

„Ich habe gehört miteinander zu sprechen, aufmerksam zuzuhören und zu fragen, sollen diesbezüglich gänzlich hervorragende Mittel der Wahl sein und wahre Wunder bewirken können. Doch womöglich sind dies einzig Ammenmärchen.“

Ihr Lächeln war deutlich breiter geworden, bevor sie sanft den Kopf schüttelte und ihr Gesicht wieder ernster wurde.

„Doch ein Jeder ist von Wert und dass in vielen Siedlungen die Hohen zum Spaß Jagd auf die Niederen machen sollen klingt schrecklich. Ich hoffe doch sehr, dass es sich bei jener Aussage einzig um eine seltsame Art von Humor handelt, ähnlich dessen, weshalb man einen der Verborgenen nicht zum Ball einlädt.“

Etwas verunsichert blickte Seresa zu dem Nosferatu, bevor sie den Gedanken bei Seite schob.

„Doch womöglich kann Euch die Domäne Genua wahrlich mehr überraschen, als Euch bewusst war, als Ihr hierherkamt, denn ein Jeder trägt hier seinen Teil zum Ganzen bei. Dies ist durchaus so gewollt und für die Meisten, welche gedenken länger in der Domäne Genua zu verweilen, zu Beginn etwas gänzlich Ungewöhnliches und Befremdliches. Viele müssen sich zuerst mit diesem seltsam wirkenden Gedanken anfreunden und verstehen lernen, weshalb es letzten Endes eine wahrlich weise Entscheidung ihrer Majestät Aurore ist.“
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Jacques Benoît
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Jacques Benoît »

Jacques nickte zu ihren Ausführungen über Brimir. "Ich werde ihm das sagen, was ich jedem sage, der mich nach dem Ereignis fragt. Ich bin zurückgekehrt an den Ort des Geschehens nachdem ich in Sicherheit war und habe aus dem Schatten heraus beobachtet, wie eine Leich' fortgebracht wurde, der Kerl der mich angegriffen hat. Ein kampffähiger, aber dennoch ein Sterblicher. Jemand hat ihn weggebracht, noch bevor ein großer Tumult ausbrechen konnte. Vor der Schänke hatten sich die Leute die was gesehen haben in alle Winde verstreut und meine Diener haben auch später niemanden ausfindig machen können, der über den Abend reden würde, auch nicht gegen Geld. Mehr gegen einen Stillebruch ließ sich frisch wie ich in der Stadt war nicht machen. Den Schönling hat auch glaub' ich keiner wirklich an mich knabbern sehn - aber wenn ich ihn erwische, prügel ich ihm die Zähne die Kehle runter, alleine dafür.", brummte er. "Unverschämtheit." Es war nicht wirklich klar, ob er mehr darüber verstimmt war, daß er angegriffen worden war, der Angriff übel für ihn endete oder jemand so dreist war die Gastfreundschaft in die er eingeladen worden war derart zu übergehen. Oder vielleicht war es einfach nur Gewohnheit gewesen, die eines einfachen Mannes, der er einst wohl gewesen sein mag, die den mürrischen Ton angab.

"Wie dem auch sei, wenn dieser Brimir gradlinig ist, werd' ich schon eine gemeinsame Sprache mit ihm finden. Ein Jäger ist er, sagst Du. Vom Beruf oder vom Blute her?", fragte er nicht ohne Neugier.

Er musste sich ein Grinsen verkneifen. "Zuweilen, Euer Titelträchtigkeit, irre ich mich ganz gern. Es gibt weniges, was einem ein solch vortrefflicher Lehrmeister ist wie der eigene Irrtum. Man muss ihm nur zuhören und darf nicht auf ihm herumstehen. Und Du weißt mittlerweile mehr über mich als die meisten, denen ich hier 'gegnete. Die meisten haben den Kopf im Sand und finden ihren Arsch mit zwei Händen nicht. Wenn das mit den Unsterblichen ähnlich ist oder gar ob der Nahrung abfärbt, kann ich jegliche Hoffnung begraben.", gackerte er vergnügt.

"Leider nicht, Seresa. Mein Erzeuger erzählte mir selbst einst wie er von einem Stadthalter und Hochblut eher aus Sport und Unterhaltung denn aus Traditionsgründen zur Jagd durch Hohe und nur Hohe allein vogelfrei wurde. Und seine Geschichte ist nicht die einzige, die mir über die Zeit begegnet ist. Da sollte man sich wenig wundern, daß wir... Hübschen... uns so nah beieinander halten, zumindest was das Überleben angeht. Man hätte uns gewisslich seinerzeit sonst längst ausgerottet. Verrufen als die Träger von Geheimnissen, was gäbe es denn für einen besseren Grund als Geschwätz über Ungewolltes von vornherein zu verhindern? Zwei Fische mit einem Netz, so dachten viele wohl. Mir selbst ist es jedoch noch nicht widerfahren und ich hoffe das bleibt auch so." Er schien über das Thema selbst eher ruhig zu sprechen. Fast ein wenig kühl, wieder mit dem Ton den sie von ihm auf ihrem Rückweg vernommen hatte, als er ihr vom Tode erzählte.

"Ich habe von weisen Herrschern bisher immer nur Geschichten gehört. Begegnet bin ich bis heute keinem, sie standen alle in dem Schatten der Lieder die man über ihre Kaste dudelt.", entgegnete er ihr mit einem Grinsen. "Weisheit ist ein seltenes Talent und die wenigsten vergeuden es, um etwas aufzubauen was nicht von Dauer sein kann, weil nichts wo Leben schlägt von Dauer ist. Aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren, wenn es in Genua ist wie Du sagst." Er zuckte mit den Schultern. "Immerhin ist es weder eine Einöde noch eine Jauchegrube, irgendwas wird hier schon richtig laufen und man braucht der Hände viel, wenn man was bewegen will was so schwerfällig ist wie ein alter Säufer nach Mitternacht oder eine Stadt dieser Größe."
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Seresa
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Re: [1024] Aus der Tiefe, in die Tiefe [Seresa, Jacques]

Beitrag von Seresa »

Seresas Gesicht war ernst geworden und ein kurzes, gefährliches Funkeln war in ihren Augen zu sehen gewesen, als Jacques sie mit Euer Titelträchtigkeit angesprochen hatte. Offenkundig missfiel ihr dies deutlich. Entsprechend kalt und distanziert klangen ihre Worte, als sie zu Jacques sprach, nachdem er geendet hatte.

„Ihr solltet Euch derartige Witze abgewöhnen. Vor allem gegenüber Jenen, welche ihr Amt ernst nehmen und es bisher gut mit Euch gemeint hatten.“

Die Brujah blickte ernst auf ihr Gegenüber und schwieg für einen Moment, um ihre Worte durch die Stille entsprechend nachwirken zu lassen. Dann wandte sie den Blick ab und schüttelte den Kopf.

„Was die weisen Herrscher indes angeht, so nehme ich an, seid Ihr bereits Eurem Ältesten begegnet.“

Es war keine Frage. Vielmehr war es eine schlichte Aussage, welche mehr als eine Sache widerspiegelte.

„Und was Brimir angeht, so hängt dies davon ab, was Ihr als Beruf oder vom Blute her meint. Er ist vom Clan des Tieres wie Ihr bereits wisst. Der Rest wird sich Euch sicher selbst schnell erschließen.“

Die Brujah schwieg daraufhin und wählte schmalere Gassen, in denen sie nicht länger zu zweit nebeneinander gehen konnten. Ob es mit der Gegend zusammenhing, in welcher sie sich nun befanden oder weil sie derzeit kein weiteres Interesse mehr an einem Gespräch hegte, war nicht eindeutig ersichtlich. Dennoch blickte sie sich regelmäßig um, was darauf hindeuten konnte, dass es durchaus ersteres war. Schließlich wurden die Gassen erneut breiter und Seresa ließ Jacques die Möglichkeit wieder aufzuschließen. Ihre Stimme war ruhiger geworden, als sie das Gespräch erneut aufgriff.

„Es ist naiv anzunehmen die Ausrottung der Eurigen könnte dazu beitragen, Geschwätz zu verhindern. Zumal das wahrlich Gefährliche an Geheimnissen erst kommt, so sie missbraucht oder zum eigenen Vorteil in Situationen offenbart und in Zusammenhänge gepresst werden, welche passend erscheinen, obwohl sie dies nicht sind. Es gibt bedauerlicherweise mehr als genügend Esel in unserer Welt hinter der Welt, welche keinen einzigen Gedanken daran verschwenden, ob es denn sein kann, was sie erfahren haben, geschweige denn die Person selbst fragen, ob es der Wahrheit entspricht. Stattdessen fressen sie brav die Karotten, welche Ihnen allzu großzügig vors Maul gehalten wurden. Sie widerholen stumpfsinnig dieselben Geschichten, weil es bequem ist und weil sie in ihr Bild der Welt passen. Das ist es, was es wahrlich gefährlich macht.“
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