[1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

[November '19, Dezember '19, Januar '20, Februar '20, März '20]

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

Benutzeravatar
Iulia Cornelia
Ventrue
Beiträge: 2040
Registriert: Sa 3. Aug 2019, 02:48

Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

„Mir gefallen die Wünsche, die ihr beschreibt sehr.“, gab ich unverhohlen mit einem offenen Lächeln zu, bevor ich deutlich leiser meinte: „Spiegeln sie doch meine Eigenen auch recht gut wieder.“

Ruhig glitt mein Blick von meinem Gegenüber, bevor er kurz über die Räumlichkeit wanderte. „Allerdings fehlt mir derzeit noch immer ein Gefühl dafür, was in Genua überhaupt möglich sein wird und vor allem wie.“, erklärte ich ruhig, bevor meine Augen wieder zu der Maske fanden.

„Deshalb wollte ich die kommende Feierlichkeit abwarten, um mir im Vorfeld ein besseres Bild über die genuesische Gesellschaft machen zu können. Auch oder gerade von der Harpyie und der Hüterin. Schließlich wäre es keine gute Idee als Kind einfach mit einem noch unkonkreten Wunsch oder gar einer unausgereiften Überlegung auf eine Neugeborene zuzugehen und ihre Zeit zu stehlen. Geschweige denn die einer Ancilla.“, erläuterte ich meine Bedenken an dem Ganzen.

„Ich würde mich jedoch sehr freuen, so ich mich mit euch noch einmal nach dem Hof unterhalten dürfte, um zu sehen, welche Wünsche man wie zur Realität formen könnte.“, entgegnete ich höflich, während ich mein Haupt leicht neigte.
Benutzeravatar
Signora Achilla
Nosferatu
Beiträge: 1472
Registriert: Do 7. Feb 2019, 23:24

Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

“Halten wir’s so”, stimmte die Signora zu. Die Erinnerung an ihre eigene, erste Zeit in der Nacht ließ sie schaudern. Iulia, ihr gegenüber, war dagegen rein und schön, unangetastet, wohlgestalt.

“Wann seid Ihr in die Nacht gegangen?” fragte sie unvermittelt. “Gegangen oder gezogen worden, doch am Ende jedenfalls hier, auf dieser Seite der Dinge, die geschehen?”
Niemand kann auf Dauer eine Maske tragen. (Seneca)
Benutzeravatar
Iulia Cornelia
Ventrue
Beiträge: 2040
Registriert: Sa 3. Aug 2019, 02:48

Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Ich freute mich über ihre geäußerte Zustimmung und lächelte sanft auf ihre Fragen hin, als ich mit einem gewissen Stolz in der Stimme antwortete: „Ich hatte nie das Gefühl die Tage, Wochen, Monate oder gar Jahre zählen zu müssen, seit mein Erzeuger entschieden hatte, mich meiner neuen Bestimmung zuzuführen. Der Übergang selbst kam für mich wohl überraschend, doch ich denke es wäre ohnehin kaum möglich gewesen, mich im Vorfeld auf dieses neue Dasein tatsächlich vorzubereiten.“ Mein Lächeln wurde breiter und ich zuckte mit den Schultern, bevor ich mit sanfter Stimme interessiert fragte: „Vermisst ihr euer einstiges Dasein? Die Zeit bevor ihr in die Nacht gegangen oder gezogen worden seid?“
Benutzeravatar
Signora Achilla
Nosferatu
Beiträge: 1472
Registriert: Do 7. Feb 2019, 23:24

Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

“Mhh… .” Ein langgezogener Laut, genießerisch, nachdenklich. Er endete etwas rauh, als hätte irgend etwas in der Kehle der Signora nachgegeben.

“Ich vermisse einiges. Sonnenschein auf warmer Haut. Ein Kuss, Mund an Mund.” Kurz gingen ihre behandschuhten Finger zu den harten Kanten ihrer Maske hinauf.
“Das Gefühl wie es ist, ein Neugeborenes in den Armen zu halten. Der Duft von frischem Brot, starkem Käse, süßen Wein… ‘s ist alles nicht mehr oder ‘s ist nicht mehr dasselbe, eh?”

Sie wiegte den Kopf ein wenig. “Doch dafür gibt es so viel neues, anderes. Das eine wurde eingetauscht gegen das andere und noch so viel mehr! Was können wir damit noch für uns eröffnen? Die Nacht hat erst begonnen, ihren Schleier zu lüften. So kann ich’s nicht mit ehrlichem Herzen bedauern, den Verlust von dem, was war. Ich hab’s ja erlebt und gekostet, was soll ich um darum trauern? Sollt ich’s nicht eher dankbar erinnern, all das, und dann mich dem widmen, was noch kommt?”

Mit einem Schulterzucken gab die Signora ihre Ungewissheit dafür dann zu und machte eine Geste zu Iulia hin. “Wie ist’s mit Euch? Wenn es eine Sache gäbe, die Ihr von damals mit herüber nehmen könntet ins Jetzt, was wär’s?”
Niemand kann auf Dauer eine Maske tragen. (Seneca)
Benutzeravatar
Iulia Cornelia
Ventrue
Beiträge: 2040
Registriert: Sa 3. Aug 2019, 02:48

Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Ich folgte ihrer Aussage und nickte verstehend, bevor ich auf ihre Frage hin die Augen etwas schloss und meinen Blick schräg nach unten wandern lies. Ich dachte mit einem leisen grüblerischen Laut nach, bevor ich schließlich strahlend lächelte und den Blick wieder zu ihr wandte, als mir doch noch etwas eingefallen war, was ich tatsächlich vermisste, wenn auch aus anderen Gründen.

„Andere Nahrung zu mir nehmen zu können.“, meinte ich schließlich schlicht, aber nicht sonderlich traurig, schließlich war Blut für mich zu etwas geworden das deutlich besser war als alles was ich in meinem gesamten Leben je gekostet hatte. Meine Lippen waren bereits geöffnet, als ich ansetzte noch weitere Worte zur Erklärung zu sprechen, doch dann sah ich ihre schöne Maske, lächelte stattdessen, schloss meine Lippen und zuckte leicht mit den Schultern, bevor ich sie erneut öffnete und feststellte: „Aber das ist wohl die Kehrseite dessen, dass unser aller Vater dereinst von Gott verflucht worden war und sein Fluch somit auch unser Fluch ist.“
Benutzeravatar
Signora Achilla
Nosferatu
Beiträge: 1472
Registriert: Do 7. Feb 2019, 23:24

Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

“Ja…”, stimmte die Signora da zu, mit ein wenig Sehnsucht in der Stimme. “...vermissen kann man’s wohl, wenn man sich die Zeit gibt, darüber nachzusinnen.”

Sie legte die Hände ineinander, in einer Geste, die artig wirkte und umso weniger zu den folgenden Worten passen wollte: “Doch es ist nicht ganz verloren. Wir selber essen und trinken nicht mehr und es ist auch nicht dasselbe.. nicht mehr. Doch für die Menschen ist es das noch immer und von ihnen können wir kosten.”

Mit den Händen auf ihrem Bauch erklärte sie dann etwas näher: “Nehmt den Genuss von einer Leckerei: Süße Honigkuchen, noch warm vom Ofen und klebrig, mit gerösteten Nüssen… lasst es den Sterblichen präsentieren, so wunderbar wie es in Euren Gedanken geblieben ist. Lasst sie alles davon haben, was sie wollen und genau dann, kurz bevor sie es satt haben, dann kostet es von ihnen.” Delikat, um genau diesen einen Moment zu zeigen, legte sie die Finger aneinander.
“Wenn Ihr könnt, dann ohne jeden Hauch von Angst oder Unwohlsein. Nichts, was ihren Genuss trüben würde… .”
Niemand kann auf Dauer eine Maske tragen. (Seneca)
Benutzeravatar
Iulia Cornelia
Ventrue
Beiträge: 2040
Registriert: Sa 3. Aug 2019, 02:48

Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Ich verfolgte ihre zarten Gesten und ließ mich von den Bildern treiben, die sie in meinen Gedanken damit zauberte. Ein beinahe seliges Lächeln hatte sich dabei von mir unbemerkt auf meine Lippen gestohlen. „Das ist eine wirklich wunderschöne Vorstellung.“, meinte ich dann zu ihr, nachdem sie geendet hatte.

Ich ließ meine blaugrauen Augen auf ihre behandschuhten Hände sinken und dort verweilen, als ich leise sprach: „Es ist ein sehr sinnlicher Gedanke, den ihr da beschreibt.“ Mein Blick driftete zu jener Statue, die die Nosferatu noch vor wenigen Momenten berührt hatte, als ich sagte: „Nicht viele würden sich überhaupt solche Mühe machen. Darüber nachdenken, was Jemanden sättigen könnte, um ihn damit zu füttern. Doch ihr?!“

Ruhig ließ ich meine Augen erneut auf ihre schöne Maske wandern. Gerade kurz genug unterhalb ihrer Nasenspitze, dass der nötige Anstand und Respekt gewahrt blieb, als ich mit beinahe flüsternder Stimme feststellte: „Ihr wirkt wie Jemand der die Sinnlichkeit und die Leidenschaftlichkeit, die das Ganze mit sich bringt zu schätzen weiß. Es gar begehrt?“

Ich pausierte kurz, bevor ich sehr vorsichtig fragte: „Oder täuscht der Eindruck von Jemand derart grazilem wie euch?“
Benutzeravatar
Signora Achilla
Nosferatu
Beiträge: 1472
Registriert: Do 7. Feb 2019, 23:24

Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

“Jeder von uns hat Begehren”, meinte die Signora mit warmer Stimme. “Und sei’s das Begehren, endlich all das Wollen loszuwerden. Oder so ließ ich’s mir mal sagen.”

Behutsam legte sie eine Hand auf die Brust. “Am Ende weiß ich’s nicht. Sind wir verdammt oder gesegnet? Teufel oder Engel oder Ungeheuer oder sind wir einfach nur eine neue Sorte Mensch geworden? Wer kann solche Fragen wohl beantworten und sicher damit sein?”

“Sicher weiß ich am Ende nur das, was ich fühlen und erfahren kann, direkt hier und jetzt. Ich kann sehen, wie Ihr lächelt. Ich kann das erfahren, was um mich ist, und so viel klarer als ich es im Leben je konnte. Ist das meine Leidenschaft?”

“Es ist diese Zeit und Mühe wert, die Geduld und Sorgfalt. Es gibt Dinge, die man nicht hervor reißen kann, ganz gleich wie alt und machtvoll einer ist. Und es gibt immer einen Preis, der zu zahlen ist, für alles, was es wert ist, es zu tun.” Die Geste, die dies unterstrich, war langsam und elegant.

“Ihr habt es Sinnlichkeit genannt und ich denke, das trifft es wohl. ‘Auskosten’ vielleicht auch, ‘Wertschätzen’, wenn man wollte. Der ewige Hunger in uns will stets gestillt werden, mehr und mehr, roher und roher. Und wie herrlich kann es sein, wenn wir dem nachgeben! Doch immer, immer wird er wiederkommen und uns nie mehr verlassen. ‘s ist nur recht, ihn anzunehmen als einen Teil von uns, wie wir nun sind, gesegnet oder verdammt oder keins von beidem.”

Die Signora sprach mit einer fein gesponnenen Kadenz. Da war, ähnlich wie bei den Worten eines Geschichtenerzählers, Wortwitz eingesponnen und feine Nuancen. Sie hatte Freude daran und darum wirkte es so leicht gesprochen:

“Ihr nennt’s Begehren und Leidenschaft und vielleicht sind das wohl die rechten Worte dafür. Doch sie sind nicht hohl und leer und töricht wie die Gier eines Trunkenen nach noch einem Krug Wein mehr und bis er in der Gosse zusammenbricht. Die Achtung und jene Sorgfalt, sie sind wichtig dafür, so denke ich. Leidenschaft allein ist blind. Sinnlichkeit macht das Erfahren und das Erfahrene zur Kost-barkeit.”
Niemand kann auf Dauer eine Maske tragen. (Seneca)
Benutzeravatar
Iulia Cornelia
Ventrue
Beiträge: 2040
Registriert: Sa 3. Aug 2019, 02:48

Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

„Ihr versteht es ganz und gar trefflich mit Worten umzugehen. Wovon ihr erzählt, geradezu leicht und unbeschwert wirken zu lassen. In gewisser Weise wirkt es beinahe natürlich.“, stellte ich fest, bevor ich nickend beipflichtete und anerkannte: „Ihr müsst viel Erfahrung darin haben.“

Dann schüttelte ich jedoch leicht den Kopf und meinte beinahe bedauernd: „Ich denke, ich bin noch zu jung, um diese Begehren die ihr nennt zu kennen, selbst auszukosten und in aller Gänze schätzen zu wissen. Doch eines nachts?“ Ich schwieg kurz und lächelte sanft dabei.

„Womöglich sollte ich bis dahin damit beginnen selbst Jemanden zu füttern?! Keine schwere Kost, sondern leichte Häppchen, die vielmehr den Appetit anregen sollen. Das Verlangen nach mehr. Stück für Stück, um so zu lernen wie es ist zu geben, um es eines nachts selbst genießen zu können.“, überlegte ich kaum mehr als gehaucht vor mich hin, als ich ergänzte: „Oder was denkt ihr?“

Musternd ließ ich meinen sanften Blick über die Signora wandern. „Glaubt ihr mein Gegenüber könnte überhaupt an so etwas Gefallen finden? So ich sein eigenes tiefes Begehren ein Stückweit befriedigen würde.“, fragte ich mit leicht zur Seite gelegtem Kopf. Ich schwieg kurz bevor ich anschloss: „Oder glaubt ihr ich wäre doch noch zu jung? Bräuchte mehr Erfahrung, um tatsächlich verlockend für ihn zu sein? Um überhaupt Begehrlichkeiten in ihm erwecken zu können?“ Kurz schlug ich meine blaugrauen Augen dezent nieder, nur um sie erneut zu heben und mein Gegenüber zu betrachten.
Benutzeravatar
Signora Achilla
Nosferatu
Beiträge: 1472
Registriert: Do 7. Feb 2019, 23:24

Re: [1034] Unter der Maske [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

“Geschmack wächst”, meinte die Signora milde. “Es ist wohl ganz ähnlich wie mit Menschenkindern: Am Anfang kannten wir alle nichts und alles war irgendwie recht. Und Süßes war so köstlich, davon gab es nie genug. Was wussten wir als Menschenkinder von Feinheiten wie Wacholder oder Lorbeer, Rosmarin oder Thymian? Erst später ließ sich das eine vom anderen unterscheiden und wer es sich leisten konnte, der konnte noch so viel mehr kosten… .”

“Für uns, nun, ist es noch einige Schritte weiter. Blut nährt uns. Vielleicht ist es die Lebenskraft darin? Für eine kurze Weile kann es den Hunger fast stillen und könnte das nicht völlig genügen? Oder sollten wir gerade hinsehen, die Vielfalt und Pracht erkennen lernen, die wir in der Hast von Menschenleben vielleicht nie hätten sehen können?”
Die Frage hing einen Moment im Raum. Die Signora sann vielleicht selbst kurz darüber nach.
“Es gibt im Blut die feinen Unterschiede, so wie das Leben stets unterschiedlich ist. Ich glaube nicht, dass Ihr zu jung seid, zu entdecken, was um Euch ist und wie die Welt sich entfaltet. Doch bedenkt: Ich bin nicht Euer Vormund und wäre schlecht beraten, würde ich Euch Rat geben, wo seine oder ihre Lehren Vorrang haben.”
Niemand kann auf Dauer eine Maske tragen. (Seneca)
Gesperrt

Zurück zu „1034“