[Fluff] Fernab des Trubels [Angelique]

Geschichten über Monster

Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Angelique
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[Fluff] Fernab des Trubels [Angelique]

Beitrag von Angelique »

War sie vieleicht erschöpft!

Angelique saß auf der Brustwehr des wuchtigen Wachturms und ließ die nackten Füßchen frei von der Zinne baumeln. Hinter ihr stand besorgt der Anführer ihrer kleinen Streitmacht.

Sie lehnte sich zurück, bis ihr Köpfchen an die breite, in Kettenhemd gehüllte Brust von Tancred stieß. Sie kicherte, als dieser dem Mädchen sanft über die Locken streichelte.

Tancred war nicht Roger, aber er war so lieb zu ihr! Wie ein Vater, der wie ein liebender Vater war. Der sie nicht schlug oder anders misshandelte.
Beim starken, angejahrten Söldnerhauptmann konnte sie einfach nur Kind sein und sich geborgen fühlen.
Er sah sie auch nicht als kleines Monster oder gefährliche Irre, sondern nahm sie, wie sie war.
Daraus schöpfte sie wieder Kraft. Sie hatte sich verausgabt und viel zu viele spontane kräftezehrende Dinge getan, deren Auswirkungen sie gar noch nicht abschätzen konnte.
Eine Wachstation gewonnen zum Beispiel, wo sie doch nur ein Pergament haben wollte!

Sie seufzte. Tancred drückte sie. Sie seufzte zufriedender.

Mit ihren geschärften Sinnen hörte sie den Lärm Genuas im Wind und sah die Lichter der Stadt. Waren da neue Feuer, die loderten? Oder nächtliche Fackelprozessionen?
Wie schön! So aus der Entfernung betrachtet.

Sie schaute hoch zum Mond. Ob Malkav das auch so sah, wie sie es gerade betrachtete? War das die Perspektive Unsterblicher?
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Angelique
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Re: [Fluff] Fernab des Trubels [Angelique]

Beitrag von Angelique »

Alles war so grauenhaft. All die Toten, die Leidenden, die, die noch sterben würden. Alles auch Ergebnis von sanften Fledermausflügelschlägen einer kleinen Basiliskin über all die Jahrzehnte. Von harmlosen Worten hier, Suggestionen da und der vorhersehbaren Reaktion der Untoten darauf.

Müsste sie nicht erschrocken sein? Müsste sie nicht Gewissensbisse haben? Warum fühlte sie sich so großartig, wo nun alles im Chaos versank? Warum konnte sie nicht aufhören zu grinsen?

"Engel", erklang die harte Stimme von Hugh und das Klirren seiner Rüstung riss sie aus den blutigen Wachträumen.
Hugh musste ihr Grinsen sehen, denn der brutale Krieger schauderte wie ein kleiner Junge vor einer grausamen Mutter. Er räusperte sich und fuhr heiser fort: "Der Leon will mit dir unten labern, Engel. Und die Totenwache muss organisiert werden."

"Danke, mein Schatz, ich komme", piepste das kleine Mädchen unschuldig und hüpfte auf den Wehrgang. Hugh erschauderte noch mehr. Summend und leichtfüßig schritt Angelique auf die Treppe zu. Das Klirren der Rüstungen und Waffen hinter ihr bewies, dass ihre beiden Blutdiener synchron hinter ihr her gingen. Wie die Paladine einer kleinen Prinzessin.

Nur, dass diese edlen Paladine blutrünstige Normannensöldner waren und die kleine Prinzessin eine kleine Iesebel.
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Angelique
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Re: [Fluff] Fernab des Trubels [Angelique]

Beitrag von Angelique »

Leon wartete im unteren Geschoß der Wachstation. Er fühlte sich etwas unwohl neben dem aufgebahrten Normannen. Der Krieger hatte sich den Deserteuren in den Weg gestellt, als sie mit dem Soldgeld verschwanden. Sie hatten ihn überwältugt und niedergestochen. Und nun lag er da und warte auf den Morgen, auf die Beerdigung.

Das kleine Monster, dem Leon nun dienen sollte, war zwar nicht Ajax, aber er wusste, dass es das nicht ungestraft durchgehen lassen würde.
Der wettergerbte Seemann hatte versucht, diesem Höllenloch zu entkommen und irgendwo anders neu anzufangen. Aber er war nicht weit gekommen. Leon hatte alles gesehen, war inzwischen lämger am Leben, als sein alter Herr es gewesen war und auch doppelt so erfahren.

Ajax hatte das nie wirklich zu schätzen gewusst. Er war nur ein Werkzeug gewesen.
Er schaute auf seine schwieligen Hände. Sie zitterten ein wenig. Das untote Gör hatte ihm gesagt, es läge am Blut Ajax, dass nun fehlte. Dass es schlimmer werden würde. Dass die Sarazenen Leute wie ihn Ghule nannten, dämonische Leichenfresser, die Blut und Fleisch bei toten Menschen suchten, in der Hoffnung es würde das Verlangen nach totem Blut stillen können.

Er zitterte stärker. Manche, hatte das Monster gesagt, würden gar beginnen sich selbst zu essen auf der Suche nach dem Zauberblut.
Er strich fahrig durch seine angrauten Haarstähnen. Welche Wahl hatte er denn, als dem untoten Ding in Kindergestalt zu glauben, dass sie ihn wie einen Freund und nicht wie einen Sklaven behandeln wolle?
Die Hoffnung, lange tot und begraben in seinem Herzen, regte sich zaghaft. Was war, wenn sie wirklich anders war als Ajax?

Leon schreckte hoch, als er das Klirren der Bewaffneten hörte, die die Treppe hinabkamen.
Das kleine Mädchen hüpfte spielerisch von Stufe zu Stufe und dahinter, in kaum größer vorstellbarem Kontrast kamen ihre normannischen, wie sagte sie, Ghule. Gepanzert bis zu den Nasalhelmen und die riesigen Drachenschilde auf dem Rücken, Schwert der eine, Axt der andere am Gürtel. Männer, scheinbar in seinem Alter. Veteranen endloser Kriege.
Der Blick der Normannen war grimmig und sie starrten voller Haß auf Leon. Ihm schauderte und tatsächlich bekam der harte Seebär für einen Moment Todesangst. Doch dann verstand er. Sie sahen an ihm vorbei! Auf die Bahre mit dem Toten...

Leon hatte sich geirrt. Das kleine blutsaufende Ungeheuer war nicht das, was Rache für den Toten ersehnte. Diese Männer da waren es, die ihren Kameraden gesühnt sehen wollten.
Und Leon sah klar, anders als Ajax, dem ein solches Leben gleichgültig gewesen war, geschweige denn der Wunsch eines Sterblichen, würde dieses Dämonenkind den Normannen geben, was sie verlangten.
Er sah sanfte Zuneigung und Mitgefühl in den fiebrigen Augen der bleichen Untoten.

Die war viel gefährlicher als Ajax in seinem lakedaimonischen Zorn! Die war eine Frau, wenn auch eine unfertige! Und Frauen waren hundertmal gefühlsduseliger als Männer und ihre Rache tausendmal schlimmer, so sagte der Volksmund.
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