[1036] Älter werde ich stets, niemals doch lerne ich aus [Alain, Angelique]

[Angelique]

Angelique, sonst so wortgewandt, konnte nur nicken. Auch sie genoß das Erkennen mit Untoten mit allen sieben Sinnen. Dementsprechend überwältigt war sie dann auch davon.
Keine schnippischen Kommentare folgten, die einer Harpyie würdig wären. Kein Zieren, falsch oder echt. Willig ließ sie sich ins Anderswo entführen.
Erst einmal verführt, musste Alain erkennen, dass keine der Töchter Kains in Genua so verdorben war wie dieses scheinbar so unreife Früchtchen aus dem Zwielichtgarten Lilliths. Über hundert Jahre Erfahrung in der Jagd als Succubus trafen auf den übernatürlichen Verführer.
Es wurde zu einem Erkennen, das das Potential der Legende hatte. Angelique hatte zu lehren, was sie über 2000 Jahre sündige Literatur wusste. Und das war viel und sie lehrte mit unheiligem Eifer.

[Alain le Beau]

Beim ersten Mal, als die beiden zwischen weichen Kissen versinken, ist Alain überrascht: Angelique besitzt noch ihre Unschuld und dennoch ist sie versiert in den Künsten der Liebe. Beim zweiten Mal beginnt er zu verstehen. Beim dritten Mal...

Jungfräulichkeit wird in vielerlei Kulturen der alten Welt hochgeschätzt, als Ideal, wenn auch nicht immer als physische Tatsache. Im alten Babylon galten die Priesterinnen der Ischtar - einer jungfräulichen Göttin - ihrerseits als Jungfrauen, selbst wenn sie mehrere Kinder hatten. Die Griechen verehrten Athene, Artemis und Hestia, die Römer schätzen ihre Vestalinnen, aber auch sie kannten die Jungfrauengeburt des Gottes Mithras. Die Christen verehren die Mutter Gottes, Trägerin eines Sohnes trotz Schwangerschaft. Legenden über Prophetinnen, deren Gabe untrennbar mit ihrer Unberührtheit zusammengeht, sind weit verbreitet.

Wie aber der Vampir, der im jungfräulichen Stadium in die Nacht gebracht wurde? Die Erfahrungen tausender Liebesnächte stehen einer simplen biologischen Tatsache gegenüber. Ein faszinierendes Konundrum.

Alain war nie ein Freund komplizierter Überlegungen. Aber er war schon immer sehr geschickt mit seinen Fingern. Und so beendet er einen Zustand, an dem eine ganze Selbstdefinition hängen mag, auf höchst angenehme Weise - so geschickt, dass es der Betroffenen erst später auffallen wird.

[Fleischformen 2 vs. festzulegende SW: 9+8+10+2+9+8+10+2]

[Angelique]

Angelique merkte es nicht, so geschickt ging der Scherzbold vor. Nichts Böses ahnend setzte sie den Unterricht fort, wie es gelehrte Hetären der Antike zu tun pflegten.

Weder Schießpulver, noch Lunten hatten schon den Weg nach Europa gefunden. Und doch hatte Alain gerade eine solche angezündet.
Er hatte einen Streich gespielt, wie man ihn eigentlich den wahnsinnigen Malkavianern nachsagte.

Ob bewusst oder unbewusst hatte er Angeliques innersten Kern ihrer Selbst angegriffen. Ihr ganzes Sein definierte sich über ihre scheinbare Unbeflecktheit, die sie immer als Segen und Wohlwollen des Herrn betrachtet hatte.
Alain hatte nicht unrecht mit seinen Gedanken zu den alten Orakeln und ihrer Unberührtheit, die ihnen Macht gab.

Wie würde Angelique es aufnehmen, wenn sie es merken würde? Immerhin bemerkte sie es nicht, während sie noch bei dem Tzimisce weilte. Diese Überraschung würde erst bei der Jagd oder in der Vertrautheit mit einem Blutvasallen zutage kommen...

[Alain le Beau]

Und wer kann schon wissen, ob sie diesen Umstand auf die Liebesnächte mit Alain zurückführen wird? Immerhin hat er - scheinbar - nichts Außergewöhnliches getan...

In jedem Fall verlaufen auch 1036 die Lektionen mit Alain ausgesprochen erfreulich für die Lehrmeisterin, denn er erweist sich in allen Feldern als äußerst lernwillig - sowohl im intellektuellen Bereich als auch im physischen. Ja, sie hat eigentlich keinen Grund sich zu beschweren. Zumindest nicht in Bezug auf die Lektionen.



Zusammenfassung: Die Lektionen, die Angelique Alain erteilt, werden fortgesetzt. Zum simplen Lesen und Schreiben kommen nun auch komplexere Interpretationen. Außerdem verführt einer den anderen - es ist nicht ganz klar, wer. Ohne dass Angelique es merkt, beendet Alain den Zustand ihrer ewigen Jungfräulichkeit.