[Brief] Die Zehn Sünden [Alain, Ferrucio]

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Alain le Beau
Tzimisce
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[Brief] Die Zehn Sünden [Alain, Ferrucio]

Beitrag von Alain le Beau »

Eine eher ungewöhnliche Lieferung erreicht Ferrucio: Zwei Steintafeln, in welche zehn Punkte eingemeißelt sind, sowie eine Rolle Pergament.

"Wohlwerter Ferrucio Erminio, Hofgelehrter Genuas, Ancilla des Clans des Mondes, Kind des Romeo, messo dei ultimi giorni, Beichtvater ihrer höchst verehrten Majestät Aurore,

ich grüße euch! Obgleich nicht an mich persönlich die Aufforderung zur Beichte erging, will ich doch mich selbst nicht verweigern und schreibe euch diesen Brief, auf dass ihr meine Seele schätzen könnt und wisst, welcher Sünden ich mich in meiner langen Existenz erfreut habe. Da dies meine erste Beichte seit Jahrzehnten ist, will ich euch eine vollständige Auflistung ersparen. Ich habe daher gemäß den Kategorien alter Meister meine Verfehlungen in groben Überbegriffen auf diese Steintafeln meißeln lassen.

Die werte Angelique war so gut, mir zu diesem Briefe zu raten, eine sicher für uns beide angenehmere Art der Beichte. Ich hoffe, dass ich mit ihrer Hilfe die folgenden Formel richtig niederlege:

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Gott, der unser Herz erleuchtet, schenke mir wahre Erkenntnis meiner Sünden

Dazu sage ich Amen.

Herr, du erforschest mich und Du kennest mich!
Vor DIr, allwissender Gott,
bekenne ich mit aufrichtigem Herzen mein Sünden.
Sie sind mannigfaltiger Natur. Ich habe Deine Gebote nicht nur äußerlich in Worten und Werken, ich habe sie noch öfter in Gedanken, Neigungen und Begierden übertreten.

Was Menschen und Verwandte nicht wissen, das weißt Du, oh Gott.

Mögest du mir in deiner Gnade die Einsicht senden, meine Sünden zu bereuen. Mögest du mir auch weiterhin mannigfaltige Versuchungen senden. Auch die Kraft, ihnen zu widerstehen, gib mir, oh Gott, wenn es dir beliebt. Ich will meinem Glauben treu dienen, oh Herr, und die Gesetze der höchst verehrten Aurore wie eh und je achten und befolgen. Vergib mir die Sünden des Gestern, des Heute und des Morgen, auf dass meine Seele rein ist. Stets will ich mich in meinen Verfehlungen bessern.

Dies sei die Beschäftigung meines Unlebens, die ich nie aussetzen will, wie ich sie nie vollenden kann, meine Vorbereitung zum finalen Tode, und meine Einweihung in die Ewigkeit.

Amen!"

Auf den zugehörigen Steinen sind neben römischen Ziffern zehn Sündenkategorien aufgelistet. Auf dem Pergament hat Alain passend dazu jeweils eine kurze, aber eindrückliche Anekdote aus seiner Existenz geschildert, deren Wahrheitsgehalt teilweise schwer zu fassen ist, die aber laut Text der Untermalung seiner Sündhaftigkeit dienen sollen.

I. Superbia / Hochmut
Alain beschreibt hier, wie er sich ungerechtfertigterweise dem werten Galeno überlegen gefühlt hat, diesen gar verachtet hat, nur weil er bei ihrer ersten Begegnung das Gewand eines Priesters trug. Alain drückt seine aufrichtige Reue über die darauf folgende, jahrelange Feindschaft mit dem Kappadozianer aus. Nun aber habe er seinen Frieden mit Galeno gemacht und daraus gelernt. Er endet mit: "Herr, gib mir die Kraft, nicht immer gleich das Schlimmste von meinem Gegenüber anzunehmen und mich nicht ihm gegenüber in Hochmut zu erheben!"

II. Avaritia / Geiz
Hier erzählt Alain, wie er einst einen sehr gut behängten Lustsklaven erwerben wollte, für den der Händler aber Unsummen verlangte, was Alain wiederum nicht einsah, denn "Gott hat mir die Kraft geschenkt, mit meinen Händen Wunderwerke zu schaffen". Es folgt eine sehr exakte und detaillierte Wiedergabe der folgenden Verhandlung, bei denen Alain jeden Vor- und Nachteil des Körpers des Sklaven mit dem Händler diskutiert, bis schließlich ein anderer Kunde Alain den Sklaven vor der Nase wegkauft. Alain bereut das bis heute. "Herr, schenke mir Freigiebigkeit, so wie auch du freigiebig mit deinen Werken bist".

III. Luxuria / Wollust
Die Anekdote von der Hafendirne im Honigbad ist klebrig, schmutzig, süß und zäh. Sie wäre exzellent geeignet, jedem Sterblichen den Schweiß auf die Stirn zu treiben, endet aber mit der jähen Enttäuschung Alains und einer unbefriedigten Leidenschaft. "Ich bereue", endet die Geschichte, "dass ich in Wollust einer Hafenhure nachgestiegen bin. Gib mir den Willen und die Fähigkeit, mich einer Frau im heiligen Bund der Ehe zu widmen!"

IV. Ira / Zorn
Hat Alain wirklich im Zorn fünfzehn Mann erschlagen? Es erscheint ziemlich absurd, von dem Beginn der Geschichte, wo er von einem Haus springend einen armen Kerl mit seinem Speer ersticht, bis zum Ende, wo er nach dem Blutbad auch noch einem Dämon des Zornes über Hausdächer nachjagt. "Ich bereue, dass ich mich im Zorn ergangen habe, statt meiner Pflicht zu folgen. Ich bitte um Vergebung und hoffe, dass du mir erneut Gelegenheit gibst, meinen Dienst zu verrichten, oh Herr!"

V. Gula / Völlerei
Hier prangt ein Fettfleck neben der entsprechenden Anekdote. Alain listet eine gigantische Menge von Speisen auf, genug, um den Adel Genuas bei einem Bankett zu verwöhnen, von Pfauen bis hin zum Filet seltener Fische, von exotischen Früchten bis zu den köstlichsten Nachspeisen. "Sie alle in einer Nacht durchzuprobieren, bereue ich zutiefst, oh Herr! Schenke mir die Geduld, über viele Nächte zu genießen."

VI. Invidia / Neid
Hier erklärt Alain, wie er Sousanna oft um ihre Anmut und ihre herrlichen Feste beneidet hat. Auch dabei ergeht er sich in ausführlichen Beschreibungen, legt Sousannas viele Sünden in genüsslicher Weise dar. Er betont dabei auch ihre Götzendienste, deren Beweis er noch immer "voll Scham" bei sich verberge, sowie ihre Verkommenheit in allen Dingen. Sie habe Alain in allen Dingen übertroffen, aber er bereue, seine Zeit dabei auf den Neid verschwendet zu haben: "Lass mich in Zukunft ohne Neid durch das Leben schreiten, oh Herr, der selbst die höchsten Vergnügungen so bitterlich vergiftet!"

VII. Acedia / Faulheit
Die Anekdote ist kurz: "Oft war ich faul. Ich bereue, Herr. Lass mich zukünftig fleißiger in meinen Tätigkeiten sein!"

VIII. Vana Gloria / Ruhmsucht

Hier erklärt Alain, wie er einst der größte Trinker, Liebhaber, Glücksspieler und Sünder sein wollte und dass die ganze Welt davon erfahren und ihn bewundern sollte. Er bereut diese Ruhmsucht heute, wie er darlegt: Es genügt ihm völlig zu wissen, dass er für sich selbst Perfektion erreicht hat, ohne dass andere ihn loben. "Lass mich, oh Herr, im Stillen die Vollendung erreichen, nur unter deinem Blick will ich Gefallen finden!"

IX. Tristitia / Trübsinn
Hier erklärt Alain wie ihn oft tiefe Melancholie erfasst, wenn er sieht, wie sich seine Mitchristen um ihn herum in heiligen Häusern verhalten. Er will aber lernen, auch in Zukunft frohen Sinnes auf Gott zu hoffen, selbst wenn neben ihm eine schmutzige, ungewaschene Gestalt in brabbelnde Lästereien verfällt und schreiend aus der Kirche hinausrennt. Er bereut, davon betroffen gewesen zu sein. "Lass mich Freude an deinen Werken finden, oh Herr, denn du allein kennst dein Wirken und den Sinn selbst der schrecklichsten Anblicke!"

X. Dubitatio / Zweifel
Hier erklärt Alain umschweifend und im philosophischen Diskurs, wie Gott jedem Ding eine Natur gegeben hat, gemäß der es sich verhalten solle. Im großen Plan, so Alain, sei es die Pflicht des Menschen, seinen Platz in der Welt zu finden und gemäß seiner Natur zu wirken. Er bereue, dass er lange nicht verstanden habe, was seine Natur ist. "Gibt mir die Kraft, die Zweifel abzustreifen und gemäß der Gaben, die du mir geschenkt hast, zu wirken, oh Herr!"

Das Pergament schließt mit einigen betont freundlichen Worten für Ferrucio, dem Alain noch einmal zu seiner Ernennung zum Hofgelehrten gratuliert und der Signatur:

"Alain, Liebhaber des Lebens, Harpyie Genuas, Neugeborener der Tzimisce, Kind des Konrad von Wolmar, Kind des Radislav Draculea aus der Linie Tzimisces"
Love the Sinner. Love the Sin.
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