[1035] Eine kleine, flatterhafte Geste [Achilla, Iulia]

[April '20]
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Iulia Cornelia
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Re: [1035] Eine kleine, flatterhafte Geste [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

„Dionysien.“, widerholte die Ventrue das Wort schwerfällig. Offenkundig war sie des Griechischen nicht mächtig und der Name ihr nicht geläufig. Dennoch nickte sie, als sie ihn sich dadurch offenkundig eingeprägt hatte und erklärte: „Ich will sehen, was ich diesbezüglich für euch tun kann.“

Ein flüchtiger Geruch von Kamille und einer dezenten Note, die vermutlich an vergorenen Wein erinnern mochte, ging von dem dickeren Leinentuch aus, welches Achilla in ihren Händen hielt. Vermutlich trug die Ventrue deutlich seltener die leinene Kleidung, die sie heute trug, im Vergleich zu ihren seidenen Stoffen mit den Verzierungen aus Seidenfäden. Dennoch haftete auch ihm dieser leichte Geruch an, den die Nosferatu bereits vor einem Jahr weitaus deutlicher gerochen hatte, als sie Iulia damals nähergekommen war.

„Ich werde euch einen Boten zukommen lassen, sobald ich entsprechende Schriften oder Wissen gefunden habe. Auch sobald ich einen passenden Ort meinen Eigenen nenne, an dem ihr vorbeikommen könntet, um Latein zu lernen, so ihr dies wünscht.“, erklärte Iulia höflich.

„Ich möchte euch vielmals für die ausgesprochen freundliche Einladung danken, werte Signora Achilla, doch ich fürchte ich bin weit davon entfernt, eine Künstlerin zu sein wie ihr. Zwar liebe ich es zu singen, doch ich bin Niemand, der Theaterstücke aufführt.“, meinte die Ventrue, bevor sie nach einem kurzen Zögern ergänzte: „Vermutlich fällt es mir auch deshalb so schwer etwas zu finden, was ich für jemand anderen als mich selbst singen wollen würde.“
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Signora Achilla
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Re: [1035] Eine kleine, flatterhafte Geste [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

“Ah, Ihr könnt vielleicht mehr als Ihr denkt und im Augenblick wagt”, meinte die Signora dazu. “Und es ist nichts Falsches dran, für sich selbst zu singen, eh? Die einen tun’s, weil sie scheu sind vor anderen - denn mit jeder Kunst zeigt man viel von sich selbst. Die anderen, weil sie kein werteres Publikum kennen… oder noch nicht das richtige gefunden haben.”

Sie neigte den Kopf einmal. “Vielleicht lasst Ihr mich doch einmal lauschen.” Doch sie verweilte nicht bei dem Gedankenspiel sondern lenkte ein wenig ab, bevor Iulia hätte ablehnen können:
“Theaterstücke von einst, das wär’ ein großer Fund. Latein, das kann ich im Großen und Ganzen. Ich kann’s lesen und schreiben und wenn einer langsam spricht, dann kann ich das meiste versteh’n. ‘s ist nur das flüssige Sprechen, so wie zwischen uns beiden jetzt, das hakt und schleift. Und von der Sprache der alten Griechen versteh’ ich nur ein paar wenige Worte.”
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Iulia Cornelia
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Re: [1035] Eine kleine, flatterhafte Geste [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Die Ventrue lächelte verstehend und erklärte milde: „Es würde mich freuen, sofern wir in der alten Sprache miteinander sprechen würden. Ich bin zuversichtlich ihr werdet schnell wieder darin flüssiger werden, sofern ihr es regelmäßiger sprecht.“ Dann lag ihr Blick aus blaugrauen Augen prüfend auf ihrem Gegenüber, als sie sich erkundigte: „Ihr gedenkt demnach das Stück in Italienisch aufzuführen?“

Sie schwieg kurz, dann schüttelte sie sanft den Kopf und erklärte der Maskierten mit ruhiger und von sich überzeugter Stimme: „Es liegt bei mir nicht daran, dass ich scheu wäre oder gar kein Publikum hätte, welches meiner Stimme lauschen wollen würde. Vielmehr ist Zeit ein äußerst kostbares Gut und die Geduld der Zuhörer rar gesät. Je älter sie werden, umso stärker trifft dies zu. Ich wüsste zudem schlicht nicht, was ich Jemanden singen sollte, der so viele Jahrzehnte oder auch gar Jahrhunderte älter ist als ich selbst. Es könnte langweilen. Gar schlimmer noch beleidigen. Doch so ihr möchtet, will ich gerne für euch singen.“

Iulia wartete ein kurzes, zustimmendes Zeichen der Nosferatu ab, bevor sie ihre Augen schloss und sich konzentrierte. Ein, zwei Mal füllten sich ihre toten Lungen mit Luft, während ihr Atem bewusst einsetzte. Er wurde tiefer und regelmäßiger, während Iulia alles andere um sich herum auszublenden schien. Sie verschmolz geradezu mit ihrem Atem zu einer Einheit und war ganz in ihrem Element, als sie alles andere um sich herum völlig vergaß. War ihr vorheriger Gesang spontan, geradezu improvisiert und von dem Lautenspiel begleitet, so war nun nur noch der reine, ungetrübte Klang ihrer eigenen Stimme zu vernehmen.*

Die Stimme, mit der sie sang, war überaus gefühlvoll und völlig fern jedweder menschlicher Schönheit. Sie war engelsgleich und in einer derartigen Perfektion, die in ihrem jungen Alter wohl nur Wenige erreichen konnten, sofern sie es denn überhaupt jemals erreichten. Das Latein in dem sie dabei sang war hörbar von der Kirche geprägt und doch hatten Worte oder auch Betonungen darin Einzug gehalten, die Achilla an jene Nacht im Elysium erinnern mochten, als die Macht Aurores Blut sie unvermittelt überschwemmt hatte. Doch hier wirkte keine Blutmagie. Es waren die Worte selbst die Iulia sang, die kein Herz unberührt ließen. Sie stammten hörbar aus einer Zeit, die weitaus älter war, als dass sie ein Kind derart flüssig verwenden hätte können, so es nicht geübt war in eben jener alten Sprache zu sprechen, als wäre es das Natürlichste und Selbstverständlichste der Welt dies zu tun.

Iulia sang erneut die Zeilen, welche sie vor nicht einmal einer Stunde der Höflichkeitshalber improvisiert in Italienisch gesungen hatte, nun flüssig in der alten Sprache, bevor sie in einen Lobpreis und Psalm über die Herrschaft einer schönen, mächtigen Königin, derer es zu huldigen galt überging. Das hier und da einige Zeilen fehlten, mochte wohl nur dem geübten lateinischen Ohr eines gelehrten Gläubigen auffallen, doch jedes Wort, jede Silbe, gar jeder Ton war ausnahmslos erfüllt von diesem tiefem und innigen Gefühl der Verehrung, die beinahe greifbar in den engen Gassen widerhallte.

Wie eine schützende Hand schmiegte sich ihr Gesang dabei um die Herzen Jener, die diese Verehrung mit ihr teilten, während es bei Jenen, die sie verweigerten ein beängstigendes, wenn nicht gar beklemmendes Gefühl erzeugte, als ihr Herz in eben jenem Griff, in tausende und abertausende Splitter zu zerspringen drohte, um wie glitzernde Asche vom Wind im Mondlicht hinweggetragen zu werden.

Es dauerte einen Moment bis sich Iulias blaugraue Augen langsam öffneten und für einen Moment wirkte es, als würde sie selbst noch neben sich stehen und dem Geschehenen nachhängen. Doch eines stand in diesem Augenblick fest, als sie aufrecht dastand, sich ihrer selbst bewusst: Iulia scheute sich ganz offenkundig nicht zu zeigen wer sie war. Sie wusste sehr wohl um den Wert ihrer Stimme. Und vor allem war sie nicht dazu bereit, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Sie war eine Ventrue. Eine geborene Herrscherin. Und jede Faser ihres noch so jungen, untoten Körpers strahlte aus, dass sie darum wusste. Sie war eine wahre Königin der Nacht und sie trug das Geschenk des Blutes, welches sie von ihrem Erzeuger erhalten hatte mit Stolz.

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*Charisma+Verbaler Vortrag SK6 +WK +Spezialisierung: gefühlvoll -> 10 Erfolge
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Signora Achilla
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Re: [1035] Eine kleine, flatterhafte Geste [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

Was für ein Wechselbad der Gefühle, dieser gesamte Besuch der jungen Ventrue. Der Auftritt und sein jähes Ende, Angst, Hoffnung, Aufbegehren, Resignation, Trotz ohne Ziel und Begehren mit einem vollständig klaren - und so ging es fort und fort. Achilla fühlte sich ein wenig schwindelig und ein wenig berauscht, ritt auf einem Hochgefühl für Nichts und sah sich schon für ihre eigene törichte Vernarrtheit auf Knien bezahlen. So war es immer, früher oder später. Nichts wie dies blieb ohne einen Preis--

--und mitten in ihre kreisenden Überlegungen begann Iulia ihren Gesang. Es war als schlüge jemand eine Saite in der Signora Achilla an. Sie stand still, machte keinen Laut, damit nicht ein einziger Ton ihr verloren ging.
Es war als hätte die Sonne eine Stimme bekommen, damit man ihr Strahlen auch in die Nacht tragen konnte. Es war sanft und unbedingt wie die Liebe der Mutter, die Achilla noch nicht einmal richtig gekannt hatte, als sie noch gar nicht Achilla war sondern lebendig und heil. Es war wie die Liebe eines Gefährten, der sie ganz und gar umarmte und hielt. Wie unendlich selten waren diese Dinge in den ewigen Nächten der Unsterblichen, die glaubten, all dem entwachsen zu sein? Doch da klang noch so viel mehr… .

Hingabe, so verstand Achilla plötzlich und sank auf die Knie. Es war so schön, dass sie davor nicht stehen wollte. Sie verstand die Worte, doch sie sagten so viel mehr als sie vorhin noch gesagt hatten. Die Sprache war nun eine andere, älter und fremder - doch es war der Gesang, der ihnen mehr Bedeutung verlieh.

Hingabe, so verstand Achilla in dem Augenblick, war sich selbst wert. In dem Moment wollte sie nichts lieber, als sich selbst der jungen Ventrue hinzugeben, doch sie wusste nicht, wie. Sie schloss für einen Moment die Augen, um sich ganz von dem Gesang erfüllen zu lassen und öffnete sie nur wieder, um sich diesen einen Moment, das Antlitz Iulias im schwachen Licht, den Duft, jedes noch so schwache Gefühl in die eigene Erinnerung zu brennen.

Und dann war es vorüber. Sie fand sich auf Knien im Dreck wieder, wie so oft, wenn Rausch und Lust sie verließen und sie allein in der Nacht zurückblieb. Sie wollte weinen, so leer fühlte es sich an. Sie wollte lachen und singen, so wunderschön war es gewesen. Sie wollte sich der Ventrue zu Füßen werfen und ihr diese Verehrung entbieten, von der sie gesungen hatte.
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Iulia Cornelia
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Re: [1035] Eine kleine, flatterhafte Geste [Achilla, Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Langsam raffte Iulia mit spitzen Fingern geschickt ihr Kleid und ging leicht in die Hocke. Sanft hätte sich ihre Hand an die holzbedeckte Wange der Nosferatu gelegt, so diese nicht zurückgezuckt wäre. Ihre blaugrauen Augen blickten ohne Furcht in die ihres Gegenübers, während ihr Daumen geradezu liebevoll über das alte Holz gestreichelt hätte. Ein zartes Lächeln lag auf ihren wohlgeformten Lippen, als diese sich Achilla genähert hätten, um ihr einen Kuss auf die Stirn zu hauchen, so sie nicht zurückgewichen wäre. So nahe wäre dann auch der Geruch nach Kamille und vergorenem Wein deutlich stärker gewesen, der von ihren hellen Haaren auszugehen schien. Noch einmal hätte die Ventrue ihrem Gegenüber zärtlich über die bedeckte Wange gestrichen, bevor sie sich langsam von ihr entfernt hätte, als sie sich aufrichtete, während ihre Hand dabei so langsam von der hölzernen Maske glitt, wie bei einem schweren Abschied. Ihre Stimme war unendlich weich, als sie dabei sprach: „Auf bald, mein geliebter Sonnentau.“ Noch einen Moment wäre sie dagestanden und hätte auf die Nosferatu mit einem zärtlichen Lächeln geblickt und ihr zugenickt, bevor sie sich abgewandt hätte, um zurück zum Lager und somit zu dem Licht zu gehen, welches sie unter dem Schutz Vitus durch die Dunkelheit geleitete.
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Signora Achilla
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Re: [1035] Eine kleine, flatterhafte Geste [Achilla, Iulia]

Beitrag von Signora Achilla »

Achilla rührte sich nicht. Sie schreckte nicht vor der Ventrue zurück, doch wagte auch nicht, ihre Wange an die Hand Iulias zu schmiegen. Und was hätte es auch genützt? Die Wange war nur Holz und nicht zu spüren. Sie wollte sie abreißen, doch wohin hätte das geführt?
Und so blieb sie still sitzen, atmete den Duft der anderen ein, stellte sich die Berührung auf ihrer Haut vor und ließ nicht einen noch so winzigen Moment vergeudet.

So blieb sie noch eine ganze Weile lang sitzen, bis irgendwann der eine oder andere von den Schaustellern sie dort fand und die die Geschäfte der Nacht getan werden wollten.


Iulia kommt die Signora Achilla auf dem Platz der Wunder besuchen. Diese ist davon überrascht, doch überrascht auch Iulia mit einer kleinen Vorstellung.
An einem ruhigeren Fleck kommen die beiden schließlich in tiefere Gespräche über die aktuelle Politik und Lage in Genua. Es kommt zu einigen Mißverständnissen, nicht zuletzt wegen Achillas Verliebtheit in Iulia. Das Gespräch endet mit dem Wunsch, einander doch wieder zu sehen und einem engelsgleichen Gesang Iulias, der Achilla vor Verzückung auf Knien zurücklässt.
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