[Fluff] Herr vergebt mir… [Iulia]

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Iulia Cornelia
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Registriert: Sa 3. Aug 2019, 02:48

[Fluff] Herr vergebt mir… [Iulia]

Beitrag von Iulia Cornelia »

Meine Augen verweilen ruhig auf der Brust meines Gegenübers. Dem Kreuz, das unbewegt auf seiner schlichten Kleidung ruht. Ich spüre wie sein schwerer, beinahe stechender Blick auf mir liegt. Wie er mir Unbehagen bereitet, auch wenn es keine wirkliche Veranlassung dafür gibt. Ich senke demütig mein Haupt vor ihm und meine Lider schließen sich langsam. Für einen Augenblick bleiben sie geschlossen, während ich meine Aufmerksamkeit nur auf mich selbst und mein eigenes tiefstes Innerstes lenke.

Die Angst in Kürze womöglich etwas Falsches zu sagen, damit Unmut zu erzeugen, Probleme heraufzubeschwören, mich bloßzustellen oder gar verwundbar zu machen, kriecht wie schwarze Galle durch meinen Verstand und Körper. Vernebelt ihn, breitet sich aus und nimmt erst dann langsam ab, bevor sie schließlich vollständig verschwindet, als ich zu mir selbst komme. Ich mich daran erinnere und mir bewusster werde, dass ich vor ihm ohnehin nichts verbergen kann. Keine meiner Sünden, noch meine eigene Fehlbarkeit. Meine Schwächen oder gar meine Unvollkommenheit.

„Herr, ich bin nicht würdig, dass ihr eingeht unter mein Dach.“, höre ich mich in Latein mit tiefer Selbsterkenntnis und Selbstbekenntnis sprechen, die nicht nur widerspiegelt, dass ich in meinem früheren Dasein offenkundig eine christliche Erziehung erhalten haben musste, sondern auch weshalb ich nicht in seinem Angesicht hatte beichten wollen. Ich war in meinen Augen dessen nicht würdig. War kaum mehr als der römische Hauptmann, der diese Worte selbst einst gesprochen haben mochte. Ein reuiger Sünder ohne Zweifel, aber sicherlich kein Teil seines auserwählten Volkes.

Doch mir ist klar, dass es darum in diesem Moment nicht geht. Auch nicht darum, ihm etwas Neues zu erzählen, da er mich doch ohnehin bereits in- und auswendig kannte. Alles über mich wusste, was es zu wissen gab. Es ging vielmehr um meine Bereitschaft, mich ihm aus freien Stücken anzuvertrauen. Seine Macht über mich anzuerkennen gegen die ich selbst machtlos war. Bedeutungslos. Seinem Wohlwollen, seiner Gnade und seiner Vergebung, auch wenn sie mir sicher nicht zustanden. Das Einzige was ich tun konnte war ihn demütig bitten und so höre ich mich selbst voller Vertrauen ergänzen: „Aber sprecht nur ein Wort so wird meine Seele gesund.“

Ich öffne meine Augen, führe meine spitzen Finger zu meiner Stirn, meinem Herzen, meiner linken und rechten Seite, während ich weiterhin in Latein meine Beichte vor ihm beginne: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Dies ist meine erste Beichte vor euch.“ Die Worte fühlen sich vertraut an und doch sind sie in diesem Moment ehrlicher und bedeutungsschwerer, als sie in meinem sterblichen Dasein je gewesen waren. Ich war nach meiner Verwandlung gottgleichen Wesen entgegengestanden. War vor ihnen gekniet oder auch vor ihnen gelegen. Es war nicht länger eine Frage, ob es etwas gab das größer und mächtiger war als ich selbst. Vielmehr war es eine innere Gewissheit, die sich in meiner demütigen Körperhaltung, die ich vor ihm eingenommen hatte widerspiegelt.

„Vergebt mir Herr, denn ich habe gesündigt. Ich war selbstsüchtig, als ich mein eigenes und das Wohl meiner kainitischen Vorfahren weit über das Wohl Aller stellte. Ich ging gewissenlos vor und nahm billigend mit meinem Handeln in Kauf, Sterbliche zu gefährden oder auch zu töten. Ich war bereit zu lügen, zu betrügen und zu täuschen. Ich war verantwortungslos, als ich bereitwillig riskierte den kainitischen Boten die Tradition der Stille brechen zu lassen oder gar mit mir zusammen in der Sonne zu vergehen. Ich war hochmütig, als ich annahm als Kind den Willen der Ahnen verstehen zu können und überheblich, als ich dachte, ich wäre dazu in der Lage ihnen entgegentreten und Dinge vor ihnen verheimlichen zu können. Ich zürnte gegenüber Jenen die Älter als ich sind, als mir für meine Weigerung mich zu fügen, gedroht wurde meine Seele zu zerreißen, um sie der ewigen Finsternis zu überstellen. Ich war feige, als ich mich zu einem Geständnis zwingen ließ und träge, als ich mich anschließend ohne Widerworte zu leisten, Anweisungen von Feinden fügte, anstatt mich dagegen aufzulehnen oder dagegen anzukämpfen.“, beichte ich weiterhin in einem Latein, welches wiederspiegelt, dass mich nicht nur die christliche Erziehung, sondern auch die kainitischen Jahre geprägt hatten.

Ich spüre das leise Unbehagen, welches durch meinen Körper kriecht, nachdem ich diese Worte gesprochen habe. Ich hatte die Erinnerung an diese Nacht offenkundig noch immer nicht vollständig verarbeitet. Doch wie auch?! Die Furcht davor, dass Jemand anders als Gott selbst tatsächlich meine Seele wider meines eigenen Willens auf ewig zerstören könnte, war mit harter und unnachgiebiger Hand tief gesät worden. Die wiederkehrenden Geschichten über gottgleiche Wesen, die ebenfalls über eine solche Macht verfügen sollen, ließen mich den Blick demütig senken. Vor allem da ich gerade in gewisser Weise vor ihm beichtete, der ebenfalls diesen Anspruch selbst auf und über mein Seelenheil hegte. Er, der es vermochte seine Hand beschützend über meine Seele zu legen oder auch nach seinem Belieben zu verdammen.

„Vergebt mir Herr, denn ich war euch und eurer Schöpfung gegenüber nicht wohlgefällig. Ich war egoistisch und habe mein Dasein einzig nach den Erwartungen meines Erzeugers an mich ausgerichtet. Ich war träge und verweigerte damit meiner Seele von sich selbst aus, nach euch und der Kraft eurer unheilabwendenden Macht zu suchen.“, gestehe ich mir und somit auch ihm gegenüber mit betrübter Stimme ein. Ich schweige einen Augenblick und als ich mir die Zeit dafür nehme meine Stimme wieder zu festigen, wird mir plötzlich schmerzlich bewusst, dass ich mich ihm verweigert hatte und dass es falsch gewesen war, das Angebot seines Dieners abzulehnen. Doch wer war ich letztlich schon Jemandem wie ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen zu wollen?! Es wäre falsch gewesen! Und doch spreche ich gerade ohnehin zu ihm. Durch ihn. „Ich war überheblich, als ich mir angemaßt habe, darüber entscheiden zu wollen, ob ich vor euer Angesicht treten wollen würde.“, gestehe ich deshalb reumütig meine jüngste Verfehlung gegenüber ihm ein, bevor sich mein Blick im Anschluss langsam hebt.

Dann lasse ich all meine aufkeimenden Sorgen und Ängste erneut bewusst ziehen. Öffne mich und schöpfe Vertrauen von dem was ich tief in meinem Innersten weiß. Ich fühle wie meine Seele dadurch leichter wird. Und während ich weiter reuig und ehrlich über meine begangenen Sünden und Verfehlungen spreche, spüre ich die tiefe Dankbarkeit für die gewährte Nachsicht und die Möglichkeit dennoch bei seinem Diener beichten zu dürfen, als ich ihm ehrlich und reumütig gestehe, was meine Seele in jüngster Vergangenheit verdorben hat.

„Vergebt mir Herr, denn ich war zornig gegenüber der Nosferatu und vergaß meine Position, als ich in meiner Verärgerung dem Gedanken an Rache nachhing, anstatt demütig auch die andere Wange hinzuhalten, wie es für ein Kind angemessen gewesen wäre.“, gestehe ich und als ich darüber spreche, spüre ich, wie mein eigentlicher Zorn über den Vorfall bereits längst verflogen und der Erkenntnis gewichen war, dass sie es vermutlich einfach nicht besser gewusst hatte. Und doch weiß ich zu gut, dass es falsch gewesen war und ich bereue es sichtlich, überhaupt derartige Gedanken gehabt zu haben.

„Ich war eitel, als ich meinte es besser zu wissen, was Genua benötigt und der Gemeinschaft wahrlich hilft. Ich war selbstgerecht und ungerecht in meinen Worten gegenüber der Hüterin des Elysiums, als ich ihr Trägheit vorwarf und fehlende Courage zu tun was nötig war, um der kainitischen Gesellschaft Genuas einen sicheren Ort für friedliche Treffen zu ermöglichen. Ich war überheblich und ließ meinem Erzeuger nicht die gebührende Ehre zukommen, sondern beschämte meine Ahnen mit meinen Worten, meinem schlechten Betragen und meiner mangelnden Voraussicht über die Konsequenzen meines eigenen Tuns.“, beichte ich, was mir noch hörbar schwer auf dem untoten Herzen liegt.

Ich mache eine bewusste Sprechpause, bevor ich meine Beichte abschließe, indem ich bekenne und ihn ersuche: „Ich bitte euch, Herr, seid meiner nachsichtig über all jene Sünden, derer ich mir in meiner eigenen Unvollkommenheit selbst nicht gewahr bin. Schärft meinen Blick für euer heilbringendes Werken und euren Willen, damit ich lerne richtig von falsch zu unterscheiden. Lasst mich erkennen, wo ich wider meines eigenen Wissens und Willens, Unrecht an den Euren tue oder mich an eurem Plan versündige. Schenkt mir den Mut, nicht aus falscher Scham heraus zu zögern, euren treuen Diener aufzusuchen, um ihn um Hilfe zu ersuchen oder zu bitten die Beichte ablegen zu dürfen, und stärkt mein Vertrauen in euch und die Gnade eurer Vergebung. Herr, ich bereue, dass ich Böses getan und Gutes unterlassen habe. Erbarmt euch meiner!“

Dann schweige ich und meine demütige Körpersprache spiegelt keine Erwartungshaltung an mein Gegenüber wider. Vielmehr zeigt es das tiefe Verständnis darüber, dass es nicht an mir ist zu entscheiden, ob ich trotz ehrlicher Reue für mein Tun und der Beichte meiner Verfehlungen, überhaupt auf Erbarmen von ihm hoffen durfte. Zwar zeigen sich in meinem Gebaren die deutliche Bereitschaft zur Buße und zum Ablassen von künftiger Sünde, und doch war es nicht an mir darüber zu entscheiden, ob mir Vergebung zuteilwerden würde… Und ich war mir dessen wohl bewusst.
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