[1040] Nackte Tatsachen [Alain, Ilario]

[Ilario]

"Beichte lebt von Reue..." Wiederholte der Lasombra sinnierend. Dann riss er sich selbst aus den düsteren, reuevollen Gedanken und hob skeptisch eine Braue. "Und, habt ihr aufrichtig bereut?"

Er wartete die Antwort Alains ab und nahm diese ohne weitere Reaktion seinerseits hin. Zu den weiteren Ausführungen der anderen Harpyie machte Ilario eine wegwerfende Handbewegung. "Zusammenarbeit... Kooperation... das funktioniert unter unsereins nur wenn man sicherstellt, dass beide Seiten davon genausoviel Nutzen haben und wenn Verrat mehr kostet als sie zu zahlen bereit sind. Davon ab aber ein hehrer Gedanke, schleißlich dienen wir alle Genua. Und damit der See der Schatten." Ein Schmunzeln welches tiefe, bittere Erkenntnis in sich trug zeichnete die Lippen des Schattens. "Allerdings sprecht ihr oft von der See als einer anderen Fraktion, setzt sie gleich mit dem sehr verehrten Seneschall und denen die mit ihm kamen. Worte haben Macht, sie formen die Wirklichkeit. Ihr grenzt euch selbst aus, vereinfacht und stutzt damit Möglichkeiten die erwachsen könnten. Ihr seid ebenfalls Teil der See, unsere höchstverehrte Lehnsherrin ebenso wie andere. Andere die anders sind als der sehr verehrte Lydiadas. Es gilt die See auszuloten, Klippen zu umschiffen. Schafft euch nicht mehr Feinde als ihr jemals bewältigen könntet. Es ist ein utopischer Gedanke die See der Schatten aus Genua zurückzudrängen, vor allem nun da sie mit den Höfen den Pakt von San Donato geschlossen haben."

[Alain le Beau]

"Ich bereue nichts, was dem werten Ferrucio der Reue wert erscheinen würde, verehrter Ilario. Sicherlich bereue ich einige meiner Fehler - Salvador vertraut zu haben, etwa - aber das mache ich mit mir aus und nicht mit einem brabbelnden, schreienden Irren." Alain verschränkt die Arme. "Und wenn ich nicht bereue, macht eine Beichte wenig Sinn, nicht wahr? Aber ich habe, um seinen kranken Geist zu beruhigen, einige versöhnliche Worte gesandt. Einen Beichtbrief, wie ihn die werte Angelique empfahl, die ihren Clansbruder sicherlich gut kennt."

Auf die Erwähnung jenes Paktes runzelt Alain die Stirn. "Offenbar habe ich viel verschlafen", sagt er dann langsam. "Aber ihr missversteht mich. Damit ich mich zur See der Schatten zählen kann, muss ich von dort respektiert werden. Kooperation hat nicht funktioniert, also muss es ein Exempel sein. Oder sogar mehrere. Der Preis des Verrats wird zu hoch sein, wenn es nach mir geht. Und eure Worte, ich grenzte mich selbst aus, empfinde ich als Beleidigung, verehrter Ilario. Immerhin habe ich die Zusammenarbeit angeboten, mit jenen, die uns zuvor bekriegten." Er schnaubt leise, vielleicht einen Ton verächtlich. "Also... mich und die anderen Getreuen."

Er schweigt für einen Moment. "Ich suche die Feindschaft nicht", fährt er dann fort, "weder mit euch noch mit anderen. Die Realitäten sind, was sie sind. Was nicht bedeutet, dass ich mich in den Staub treten lassen und dort verbleiben werde. Daher verlangt nicht von mir, mich als Teil der See zu sehen, wenn ihre Diener so offensichtlich mich als Feind begreifen. Denn obgleich ich dem sehr verehrten Lydiadas meine Dienste angeboten, ihn über jeden Schritt informiert habe, bin ich doch verraten worden - plump und brutal."

Wieder eine Pause. "Euer Angebot - ich werde darauf zurückkommen. Wenn es soweit ist."

[Ilario]

Bedauernd schüttelte er den Kopf. "Ihr versteht nicht. Ihr seid, seit dem Pakt von San Donato, Teil der See. Wir alle, ob wir wollen oder nicht, sind über den Schwur unserer Lehnsherrin mittelbar Vasallen der See der Schatten... Die See ist kein monolithischer Block, schon hier in Genua nicht. Innerhalb der See braucht man sicherlich mit lange suchen und man trifft auf Rivalen und Feinde des sehr verehrten Lydiadas. Das meine ich, wenn ich davon spreche ihr grenzt euch aus. Damit verengt ihr eure Perspektive. Weitet euren Horizont und tragt an Informationen und potenziellen Feinden eures Feindes zusammen was ihr könnt."

Leise beendete der Schatten seine Ausführungen. Er hatte getan was er konnte, die See war ein rauer Ort für ihresgleichen. Dann fügte er hinzu:"Überlebt werter Alain, und wenn es auch heisst eurem Amt so nachzugehen, dass auch der sehr verehrte Seneschall nichts findet um es euch vorzuwerfen."

[Alain le Beau]

"Eine bedenkswerte Perspektive", erwidert Alain unverbindlich. "Aber ich muss gestehen, dass mich in den letzten Jahren starke Zweifel am Wert von Schwüren überkommen haben. Nicht allein wegen derjenigen, die Aurore die Gefolgschaft aufgekündigt haben. Sondern auch wegen..." Er presst die Lippen aufeinander. "Sagen wir einfach, ich habe mir das Verhältnis von Vasall und Lehnsherr offenbar schöner geredet als es ist. Wusstet ihr, dass mein Weg Schwüre verbietet? Was ich... opfern musste für diesen Schwur?" Ein Kopfschütteln. "War es das wert? Vielleicht hätte ich ein steter Gast der Domäne bleiben sollen, eine Verbindung zu den Höfen."

Er seufzt. "Nun, geschehen ist geschehen. Aber der Seneschall wird immer etwas finden. Mein - unser - Amt ist nicht gerade eines, bei dem man sich Freunde macht, nicht wahr?"

[Ilario]

"Das Verhältnis von Lehnsherr zu Vasall ist sicherlich von Domäne zu Domäne unterschiedlich, wie auch von Lehnsherr zu Lehnsherr und Vasall zu Vasall. Ich maße mir kein Urteil an, dies tun andere." Prinzen der Via Regalis würden Abkommen mit Genua nun nur noch gut abgesichert treffen nach Ilarios Ansicht, doch urteilte er nicht. Er hatte einen Eid gebrochen um einen anderen zu halten, seine Prinzessin ebenso. Wie würde man in Mailand darüber denken, wie im Etrusker Bund?

Er nickte Alains Aussage über Schwüre und die Via Paccati betreffend. "Ja, Sousanna und ich haben viele Gespräche geführt. Es geht um Freiheit. Oder zumindest die Illusion davon, nicht wahr? So wie euer Weg euch Schwüre verbietet, straft meiner das Brechen der eigenen Eide... Ich kann also sehr gut nachempfinden was ihr opfern musstet.
Das Amt der Harpyie schafft uns Feinde, Neider und Rivalen, aber sicher auch Verbündete, zumindest Schmeichler. Das lässt sich nutzen, auch wenn ich vieles dafür geben werde nicht auf ewig diese Pflichten erfüllen zu müssen. Aber ja, der sehr verehrte Lydiadas wird nach allem suchen lassen was man über euch ausgraben kann. Allerdings ist er ein Ahn und erachtet das sicher nicht als wichtig genug sich der Sache persönlich anzunehmen. Hoffe ich für euch... Doch wenn es seine Handlanger erledigen liegt darin eine Chance."

[Alain le Beau]

"Und diese werde ich zu nutzen wissen." Alain lehnt sich im Wasser zurück und sieht Ilario an, wartet, ob der Ranghöhere noch etwas besprechen will, oder ob er ihn 'entlässt', damit er sich der dringend nötigen Entspannung widmen kann.

[La Cronista]

Ilario entließ Alain, da alles gesagt war.
Die Zeit würde zeigen wie gut sich die Harpyien ihren Widrigkeiten erwehren können.



Ilario lädt Alain zu einem Treffen der Harpyien in die Therme von Platealonga und Alain berichtet was ihm jüngst zugestoßen ist. Ilario gibt Ratschläge wie mit dem Ahnen und auch Salvador umzugehen wäre. Vorsichtig ist angebracht.